ADB:Burmester, Heinrich
Hans Sachs. Durch mehrere, im Selbstverlag erschienene Schriften auf den begabten Mann aufmerksam geworden und sein widriges Schicksal bedauernd, verschaffte der Unterzeichnete ihm Beschäftigung in Berlin, ja schließlich einen bescheidenen Posten. B. lebte jetzt förmlich wieder auf, mit frischer Kraft seine Freistunden der Feder widmend. Bis dahin hatte er in Lyrik und Epos sich versucht, zuerst 1872 mit „Arm un Riek. Ein Bild aus dem Leben, in niedersächsisch-lauenburgischer Mundart“, worin die gedrückte Lage des vierten Standes rührend besungen wird, ein Seitenstück zu Reuter’s „Kein Hüsung“. Seine eigene Schulmeisterzeit hatte er 1873 in „Schaulmeister Klein“ auf nicht minder ergreifende Weise geschildert. Beide Epen bekunden großes dichterisches Talent und lassen uns Einblicke thun in die ländlichen socialen Verhältnisse. Eine Sammlung plattdeutscher Poesien „Landstimmen“ war 1881 herausgekommen. Dem Rathe, sich einmal an eine Prosaerzählung zu wagen, folgend, verfaßte B. den zweibändigen Roman „Harten Leina“, ein treues Spiegelbild der kleinstädtischen und bäuerlichen Zustände in seiner Heimath, darauf die künstlerisch noch mehr abgerundete Geschichte „Hans Höltig“. Hier wie dort hat er in dem Helden sich selbst porträtirt. Sein Bestes bot er in dem Roman aus der Gegenwart „De Nawerslüd“. Diese Lauenburgensie ist mit einer so großen Anschaulichkeit, Kühnheit und humoristischen Ader geschrieben, daß kein Geringerer als Fürst Bismarck warme Anerkennung zollte. Einflußreiche Landsleute verhießen alsbald dem vielgewandten [397] Schriftsteller und gründlichen Kenner seiner Provinz die Leitung der Lauenburger Landeszeitung und beriefen B. von Berlin zurück, der, das sichere Brot dort aufgebend, blindlings, ohne bindenden Contract, kam, sah und – nicht siegte. Seine Gönner hatten es wol gut mit ihm im Sinn, aber nicht bedacht, daß der Autor einer so schonungslos die Schäden aufdeckenden litterarischen Arbeit, wie „Nawerslüd“, sich erbitterte Feinde machen mußte, die natürlich alle Hebel in Bewegung setzten zu seiner Beseitigung. Kurz, die Versprechungen konnten nicht gehalten werden, durch alle Instanzen, bis zum Reichsgericht, suchte B. sein vermeintliches Recht auf Entschädigung (ich, damals auf Forschungsreisen im Ausland, erfuhr dies erst später); in Verzweiflung, völlig existenzlos, stürzte der Arme sich in die Elbe: am 24. April 1889 ist seine Leiche auf dem Kirchhof zu Boitzenburg in alles Stille bestattet.
Burmester: Heinrich B., plattdeutscher Dichter und Erzähler, wurde am 10. November 1839 zu Niendorf an der Stecknitz, Kreis Herzogthum Lauenburg, als Sohn einfacher Bauern geboren, besuchte die Dorfschule, nach der Confirmation zwei Jahre das Präparandeum (Seminar) zu Ratzeburg und erhielt darauf an der Vorschule des dortigen Gymnasiums eine so kärglich besoldete Stelle, daß er es vorzog, an Privatinstituten in Hamburg zu unterrichten, wo er gleichzeitig das Real- und akademische Gymnasium, Abtheilung für Lehrer, frequentirte. Besonders interessirte ihn die Sprachwissenschaft, der er an den Universitäten Kopenhagen, Jena und Kiel oblag. Mangelnde Existenzmittel ließen ihn leider sein Studium nicht vollenden; er wurde Hauslehrer auf mecklenburgischen und lauenburgischen Gütern, bis er als Corrector beim „Altonaer Merkur“ eintrat und Aussicht hatte, Redactionsmitglied zu werden, als diese altangesehene Zeitung zu erscheinen aufhörte. Trotz vorzüglicher Zeugnisse fand sich keine neue, einigermaßen auskömmliche Stellung. So siedelte B. nach dem Städtchen Lauenburg über, nährte sich dürftig durch die Filzpantoffelmacherei und plattdeutsche Poesie, ein modernerEin guter, biederer, treuer Mensch, der wol ein besseres Loos verdient hätte, ging mit ihm unter. Starres Rechtsbewußtsein und kindliche Vertrauensseligkeit brachten ihn mehr als einmal in Conflicte. Nur Wenigen erschloß B. sein ganzes Herz, sie haben ihn aufrichtig und tief betrauert; Als trefflicher Sittenschilderer und talentvoller Schriftsteller, genau bekannt mit Eigenart und Sprache des niedersächsischen Volkes, wird B. von der Nachwelt gewiß noch gewürdigt werden. Ich stiftete ihm ein Denkmal, betitelt: „Heinrich Burmester, ein plattdeutscher Schriftsteller. In memoriam“, geschmückt mit Bildniß und Facsimile, bereichert durch eine Nachlaßskizze: „Bismarck un de Lauenborger Buern“, S. 137–170 meines Werkes: „Was ich am Wege fand. Blätter und Bilder aus Literatur, Kunst und Leben“. Leipzig 1902.