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Artikel „Braun Ritter von Fernwald, Karl“ von Franz von Winckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 196–198, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Braun_von_Fernwald,_Carl&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 18:07 Uhr UTC)
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Braun: Karl B. Ritter von Fernwald, geboren am 22. März 1822, † am 20. (?) Februar 1891. B. war der Sohn eines Arztes in Zistersdorf, (Niederösterreich). Er besuchte die Gymnasien in Straßnitz und Nikolsburg, studirte Medicin 1841–46 in Wien, promovirte daselbst 1847, wurde unter Schuh’s Leitung 1848 Secundärarzt im allgemeinen Krankenhause und darauf Assistent an der geburtshülflichen Klinik für Aerzte, als Nachfolger von I. Semmelweis, unter Professor Klein (1849–53). Demnächst habilitirte er sich 1853 als Privatdocent für Geburtshülfe und wurde schon im August 1853 als ordentlicher Professor der Geburtshülfe und zum Vicedirector der Tiroler Landes-Gebär- und Findelanstalt in Trient ernannt. Hier blieb er nur drei Jahre, denn im November 1856 wurde er nach Wien als ordentlicher Professor der geburtshülflichen Klinik für Aerzte berufen, nachdem er einen Ruf nach Zürich und Pavia abgelehnt hatte, 1867 und 1871 war er Decan der medicinischen Facultät, 1868/69 Rector der Universität, 1872 wurde er in den Ritterstand erhoben und 1877 zum Hofrath ernannt.

Auf seine Anregung hin wurde 1858 die Einrichtung der ersten gynäkologischen Klinik in Wien mit der ersten geburtshülflichen Klinik verbunden, deren volle Verwerthung für den Unterricht aber erst 1861 begann. B. war [197] ein vorzüglicher Lehrer, ein sehr gewandter Operateur, ein sehr fruchtbarer Schriftsteller, ein Erfinder zahlreicher praktischer Instrumente für geburtshülfliche und gynäkologische Operationen, ein ausgezeichneter Arzt und College. Wer ihn außerdem daheim und in den Bergen beobachten konnte, wird ihn als glücklichsten Familienvater ebenso wie als echten Naturfreund erkannt haben.

Von seinen Werken nennen wir nur: die mit Chiari und Spaeth herausgegebene „Klinik der Geburtshülfe und Gynäkologie“ (Erlangen 1855); sein „Lehrbuch der Geburtshilfe“ (Wien 1857), sein „Lehrbuch der Gynaekologie“ (Wien 1881), seine Publicationen über Kaiserschnitt bei engem Becken (Wiener med. Wochenschrift 1883), seine „38 Hysteromyomotomien mit extraperitonaealer Stumpfbehandlung“ (Wiener med. Wochenschrift 1887 Nr. 22 u. 25), seine Veröffentlichungen über 200 Ovariotomien mit 93,5% Heilungen (Wiener med. Wochenschrift 1888 Nr. 4–7); außerdem schrieb er zahlreiche Arbeiten in medicinischen Journalen und war Mitherausgeber des Archivs für Gynäkologie. Seine genaue Kenntniß der Litteratur, seine reiche eigene Erfahrung, ferner das Festhalten an conservativen Grundsätzen bei exactester Beobachtung der physiologischen Vorgänge im Aufbau seiner therapeutischen Maßnahmen zeichnen seine Werke durchweg aus. Viele neue Operationsmethoden, z. B. die der combinirten Wendung, welche er bereits vor Braxton Hicks empfahl, dann die Entwicklung des nachfolgenden Kopfes, der künstlichen Frühgeburt beweisen sein hohes Interesse an der Verbesserung der operativen Technik. „Stammte C. v. Braun auch aus jener Zeit, in der die chirurgische Ausbildung weit unter dem heutigen Niveau stand, so ist es nicht genug hervorzuheben und zu bewundern, daß er im späten Mannesalter sich unter die Reihe der kühnsten gynaekologischen Chirurgen stellte und Resultate mit seinen Operationen, speciell den Laparotomien, erzielte, welche zu den allerbesten überhaupt gezählt werden müssen (Chrobak)“. Von den von ihm erfundenen, noch heute vielfach in Gebrauch befindlichen Instrumenten seien nur erwähnt sein Nabelschnurrepositorium, sein Kephalothryptor, der Colpeuryntor, der Schlüsselhaken für die Decapitation, der Braun’sche Kranioklast und seine Intrauterinspritze. Schauta, sein Nachfolger, hob in seiner Eröffnungsrede am 12. October 1891 bei der Uebernahme der l. geburtshülflichen Lehrkanzel in Wien als die zwei markantesten Momente in der Thätigkeit Braun’s, die seine Geistesrichtung am besten charakterisirten, hervor „die Befreiung und Selbständigmachung der Gynäkologie und die fortwährende Betonung des engen Zusammenhanges der Gynäkologie und der Geburtshilfe“. In diesem Sinne hat er die Wiener Klinik geleitet und zu dem Ruhme der ersten geburtshülflichen Schule der Welt emporgehoben.

Mit der höchsten persönlichen Liebenswürdigkeit ausgestattet, gewann B. in Wien eine sociale Stellung unter den Aerzten und behauptete dieselbe nahezu 40 Jahre hindurch, wie sie in ihrer Art und Dauer ihresgleichen nicht hatte. Die vollendetsten Umgangsformen, die Milde in der Beurtheilung und vielleicht auch der Fehler Anderer, die strenge Collegialität gewannen ihm die Herzen Aller. Als 1887 die Gynäkologische Gesellschaft gegründet wurde, wählte man ihn zu ihrem Präsidenten, ein Ehrenamt, welches er bis zu seinem Tode bekleidete und mit dessen Ausübung am 17. Februar 1891 er seine segensreiche Wirksamkeit beschloß, denn am 18. Februar erkrankte er an einer Bronchitis, welcher er in wenigen Tagen erlag. – B. erfreute sich eines reichen, glücklichen Familienlebens, dem freilich auch schwere Schicksalsschläge, durch den Tod seines Sohnes Lothar und seines Schwiegersohnes Massari, nicht erspart blieben. Allein bei seinem Heimgang hatte er doch die besondere Freude, auf zwei Söhne zu blicken, die als Aerzte in seine Fußstapfen [198] getreten waren und sich auch bereits auf dem Felde der Gynäkologie in hervorragender Weise bethätigt hatten.

Grünfeld in Wernich-Hirsch, Biogr. Lexikon I, 562. – Schauta, Ueber den Zusammenhang der Gynäkologie mit den übrigen Fächern der Gesammtmedicin. Wien 1891. – Chrobak, Carl Braun, Wiener klin. Wochenschr. 1891, Nr. 14, und nach eigenen Erinnerungen.