ADB:Blumenthal, Joachim Friedrich Freiherr von

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Artikel „Blumenthal, Joachim Friedrich von“ von Bernhard Erdmannsdörffer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 752–754, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Blumenthal,_Joachim_Friedrich_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 13:29 Uhr UTC)
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Blumenthal: Joachim Friedrich v. B., kurbrandenburgischer Staatsmann, geb. 1609, † 14. Juni 1657. Nach den üblichen Studien- und Reisejahren stieg er im Dienste des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg in der Zeit, wo Graf Adam von Schwartzenberg dessen allmächtiger Minister war, ungewöhnlich schnell empor. Schon 1635 finden wir ihn in angesehener Stellung als Director des Kriegsraths, im folgenden Jahr als Gesandten auf dem kurfürstlichen Collegialtag zu Regensburg, wo Ferdinand III. zum römischen König gewählt wurde. Als 1638 der Kurfürst den freilich sehr unglücklich abgelaufenen Versuch machte, im Einverständniß mit dem Kaiser eine eigene Armee gegen die Schweden auf die Beine zu bringen – den ersten Versuch, eine größere selbständige brandenburgische Armee zu schaffen – so war B. eifrig dabei mitbetheiligt. Seiner allgemeinen politischen Richtung nach gehörte er dem Kreise brandenburgischer Staatsmänner an, die im Anschluß an Schwarzenberg in einem möglichst engen Zusammengehen mit dem kaiserlichen Hofe das Heil der brandenburgischen Politik erkannten, und dieser Ueberzeugung ist er auch nach dem Tode Schwartzenberg’s immer treu geblieben. Seine politische Stellung war in dieser Beziehung eine so ausgesprochene, daß, als mit dem Regierungsantritt des Kurfürsten Friedrich Wilhelm und dem bald darauf erfolgten Tode Schwartzenberg’s eine entschiedene Aenderung der brandenburgischen Politik sich vollzog, er im Sommer 1641 seine Entlassung nahm und in kaiserliche Dienste trat. Man nahm in Wien den kenntnißreichen und geschickten Mann gern auf, und eine Reihe von Jahren hindurch ist er dann als Reichshofrath und kaiserlicher Generalkriegscommissar thätig gewesen. Doch unterhielt er auch in dieser Zeit mit dem brandenburgischen Hofe freundschaftliche Beziehungen und konnte dem Kurfürsten in seiner Eigenschaft als einflußreicher kaiserlicher Beamter von mannigfachem Nutzen sein. Im J. 1649 endlich kehrte er in die Dienste seines Landesherrn zurück, der ihn sogleich zu dem wichtigen Posten des Statthalters in dem neuerworbenen Fürstenthem Halberstadt berief. B. galt als eine hervorragende Capacität in Finanz- und Verwaltungssachen, und sowie er als kaiserlicher Beamter besonders in diesem Fache thätig gewesen war, so wurde er jetzt in brandenburgischen Landen einer der tüchtigsten Mitarbeiter an dem Werke des inneren Wiederaufbau’s nach den zerrüttenden Stürmen des dreißigjährigen Krieges. Zugleich vertrat er nach der Seite der allgemeinen Politik hin im Rathe des Kurfürsten auch jetzt in entschiedener Weise die Tendenz des dauernden guten Einvernehmens mit dem Kaiserhofe, an welchem er fortfuhr eine vielgeltende Persönlichkeit zu bleiben; und indem die Verhältnisse des brandenburgischen Staates damals diese Richtung begünstigten, so wurde für die nächsten Jahre B. einer der einflußreichsten unter den Staatsmännern des großen Kurfürsten, und namentlich die Beziehungen zu Kaiser und Reich standen im wesentlichen unter seiner Direction. Als 1651 der Kurfürst den formell allerdings schwer zu rechtfertigenden Krieg gegen den Pfalzgrafen von Neuburg, den Mitbesitzer der jülich-clevischen Erbschaftslande, unternahm, erhielt B. den heiklen Auftrag, am Hofe in Wien die Sache Brandenburgs zu vertreten, was freilich, trotz allem angewandten Eifer, nur nothdürftig gelingen konnte. Dennoch blieben die Beziehungen zwischen Wien und Berlin sehr freundlicher Natur, bis 1653 der Reichstag in Regensburg zusammentrat, der erste nach sem westfälischen Frieden, und dem eine Reihe der [753] wichtigsten, auch für Brandenburg sehr bedeutsamen Aufgaben zugewiesen war. Daneben hatte der Kurfürst Friedrich Wilhelm für das eigene Interesse eine Anzahl dringender Forderungen an den Kaiser zu stellen, deren endliche Erledigung bei dieser Gelegenheit erwartet wurde, und B. erhielt den Auftrag, an der Spitze der Reichstagsgesandtschaft sich nach Regensburg zu begeben und einerseits zwar nach Möglichkeit die Verbindung mit der kaiserlichen Regierung aufrecht zu erhalten, andererseits aber auch mit Nachdruck auf der Erfüllung der brandenburgischen Ansprüche zu bestehen. Da traten indeß zwei Umstände ein, welche die Lage der Dinge und zugleich die bisherige politische Stellung Blumenthal’s gänzlich verwandelten. Der eine war, daß es ihm, trotz aller seiner Verbindungen am Hofe des Kaisers und allen Erwartungen entgegen, nicht gelang, für die Forderungen des Kurfürsten irgend genügende Berücksichtigung zu finden. Nachdem im Mai 1653 Kaiser Ferdinand glücklich die Wahl seines Sohnes (Ferdinand IV.) zum römischen König durchgesetzt hatte, glaubte er aller ferneren Rücksichtnahme auf die Interessen seines brandenburgischen Verbündeten sich völlig entschlagen zu dürfen, und alle Bemühungen Blumenthal’s um günstige oder gerechte Entscheidung blieben erfolglos, während zugleich auch in den allgemeinen Reichsangelegenheiten die kaiserliche Politik vielfach bedenkliche Wege zu wandeln begann. In derselben Zeit aber, und unter dem Eindruck der Reichstagsverhandlungen, vollzog sich an dem Hofe des Kurfürsten ein folgenreicher politischer Umschwung. Eine entschieden antiösterreichische Strömung gewann dort vollkommen das Uebergewicht und die Zustimmung der Fürsten: Graf Georg Friedrich von Waldeck, der seit einigen Jahren in brandenburgische Dienste getreten war, hatte diese Richtung immer vertreten und sie mit weitreichenden politischen Gedanken verknüpft, die alle ihre Spitze gegen die Vorherrschaft des Hauses Oesterreich in Deutschland kehrten; jetzt gelang es ihm, den Kurfürsten ganz für seine Ansicht zu gewinnen; noch während des Reichstags fand eine grundsätzliche politische Umkehr statt, und für die nächste Zeit trat Graf Waldeck als tonangebender Berather an die Seite des Kurfürsten. Damit war Blumenthal’s dirigirender Einfluß gebrochen, und er hat denselben nicht wieder erlangt. Nach Beendigung des Reichstags, auf dem er nun genöthigt wurde, eine Politik zu vertreten, die seiner eigenen Vergangenheit völlig widersprach, kehrte er mißzufrieden wie ein gestürzter Minister in die Heimath zurück; auch jetzt noch einer der angesehensten unter den Räthen des Kurfürsten, aber in der Hauptsache war er seinem glücklichen Nebenbuhler, dem Grafen Waldeck, erlegen. Er widmete sich von hier an besonders den Geschäften seines Statthalteramtes in Halberstadt, und dort ist er in verhältnißmäßig jungen Jahren gestorben.

Zahlreiche politische Actenstücke von seiner Hand finden sich in verschiedenen Bänden der „Urkunden und Actenstücke zur Gesch. des Kurf. Friedrich Wilhelm von Brandenburg“ (Berlin 1864 ff.). Näheres über ihn bieten, außer den größeren Darstellungen der preußischen Geschichte, besonders v. Mörner, Märkische Kriegs-Obersten des siebzehnten Jahrhunderts (Berlin 1861) und Erdmannsdörffer, Graf Georg Friedrich v. Waldeck (Berlin 1869).

Auch Joachim Friedrichs Sohn, Christoph Caspar v. B. († 1689), nahm unter den Beamten und Diplomaten des großen Kurfürsten während der zweiten Hälfte seiner Regierung eine sehr angesehene Stellung ein. Seit 1661 Mitglied des geheimen Rathes wurde er in den sechziger Jahren besonders zu einer Anzahl wichtiger Missionen nach Frankreich gebraucht, bei denen er sich als gewandter Unterhändler bewährte; er galt seitdem als einer der besten Kenner des französischen Hofes. Ueber zahlreiche andere Missionen Blumenthal’s an verschiedene Höfe gibt Pufendorff in seiner Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm Nachricht. Er war der Schwiegersohn des Präsidenten Otto v. Schwerin [754] und mit der Politik dieses einflußreichen Staatsmannes eng verknüpft. Eine hervorragende Stellung nahm er auch in dem Johanniterorden ein, dem er seit 1652 angehörte; im J. 1689 wurde er nebst dem Grafen Georg Friedrich v. Waldeck zum Herrenmeister desselben präsentirt; aber auch ihm geschah, wie seinem Vater, daß ihm Waldeck den Rang ablief.

König, Collect. genealog., handschriftlich auf der Berliner Königlichen Bibliothek.