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Artikel „Beneke, Friedrich Eduard“ von Georg von Hertling in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 327–329, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Beneke,_Friedrich&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 08:48 Uhr UTC)
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Beneke: Friedrich Eduard B., geb. zu Berlin 17. Febr. 1798, erhielt seine Gymnasialbildung in seiner Vaterstadt unter Bernhardi’s Leitung und studirte, nachdem er 1815 den Feldzug als freiwilliger Jäger mitgemacht hatte, Theologie und Philosophie zuerst in Halle, dann in Berlin, wo Schleiermacher Einfluß auf ihn gewann. Eifrige Lectüre der neueren englischen Philosophie, sowie Kant’s und Jakobi’s trugen wol das meiste zu dem frühe reifenden Plane bei, eine völlige Reform der Philosophie ins Werk zu setzen, welche im Gegensatze gegen die dialektische Methode auf Erfahrung zu begründen sei. 1820 [328] habilitirte er sich als Privatdocent an der Berliner Universität, und es gelang ihm trotz Hegel’s großem, durch ministerielle Verbindungen gestütztem Einflusse binnen Jahresfrist ein ansehnliches Auditorium um sich zu versammeln. In seinen rasch hinter einander veröffentlichten ersten Schriften („Erkenntnißlehre nach dem Bewußtsein der reinen Vernunft“, „Erfahrungsseelenlehre als Grundlage alles Wissens“ etc.) sind neben jener bezeichneten Tendenz bereits die Grundzüge seiner eigenen Theorie deutlich ausgesprochen. Die 1822 erschienene „Grundlegung zur Physik der Sitten“ hatte das Verbot seiner Vorlesungen zur Folge. Nur mündlich konnte B. von dem Minister von Altenstein die Erklärung erwirken, daß nicht einzelne Sätze Anstoß erregt hätten, sondern das Ganze, und daß eine Philosophie, welche nicht Alles vom Absoluten herleite, nicht als Philosophie anerkannt werden könne. Im weiteren Zusammenhange damit wußte man von Berlin aus, gestützt auf ein bestehendes Bundesgesetz, Beneke’s Berufung nach Jena, wo Fries gestorben war, zu vereiteln. B. fand in Göttingen bereitwillige Aufnahme und blieb hier, bis er 1827 die Erlaubniß zur Wiederaufnahme seiner Vorlesungen in Berlin erlangte. Nach Hegel’s Tod ward ihm sogar eine außerordentliche Professur zu Theil. In Vorlesungen und schriftstellerischen Arbeiten unablässig thätig, in den späteren Jahren aber von schweren körperlichen Leiden bedrängt, blieb er in dieser Stellung, deren äußere Bedingungen auf das bescheidenste Maß gestellt waren, bis er am 1. März 1854, ohne daß über Veranlassung und nähere Umstände jemals etwas bekannt geworden wäre, im Canal verunglückte. – Zu Beneke’s hauptsächlichsten Schriften gehören außer den bereits genannten die „Psychologischen Skizzen“, das „Lehrbuch der Psychologie als Naturwissenschaft“, die „Erziehungs- und Unterrichtslehre“, und die „Grundlinien des natürlichen Systems der praktischen Philosophie“, letztere ihrem Haupttheile nach, der die Sittenlehre enthält, von dem Verfasser als sein gelungenstes Werk bezeichnet. – Im Mittelpunkte steht bei B. die Psychologie, alle anderen philosophischen Disciplinen mit Einschluß der Religionsphilosophie sollen auf sie basirt werden. Wie wir durch die Sinne von uns und der Außenwelt nur eine vermittelte Erkenntniß erhalten, von unsern seelischen Vorgängen aber durch innere Wahrnehmung eine unmittelbare und völlig adaequate, so erfassen wir nach Analogie des eigenen Seins das innere Wesen des Fremden, wobei die Vorstellungsfähigkeit, angefangen von dem uns ähnlichsten menschlichen Sein, in ununterbrochener Stufenfolge abwärts geht. Die Seele ist ein System von Kräften oder Vermögen, worunter man nur nicht die hypostasirten Classenbegriffe der alten Psychologie verstehen darf, oder eigentlich ein zu vollkommener Einheit verbundener Complex von Grundsystemen. Alle abgeleiteten psychischen Vorgänge sind auf vier Grundprocesse zurückzuführen, den Proceß der Reizaneignung, in welchem die Seele auf Eindrücke hin, die von außen kommen, Empfindungen und Wahrnehmungen bildet, den Proceß der Bildung neuer Urvermögen durch Assimilation der aufgenommenen Reize, den Proceß der Uebertragung und Ausgleichung von Reizen und Vermögen, womit das Unbewußtwerden der einen Gebilde, die als Spuren zurückbleiben, und das Bewußtwerden der andern zusammenhängt, endlich den Proceß der gegenseitigen Anziehung und Verschmelzung gleichartiger Gebilde. – Einen nachhaltigen Einfluß auf die Weiterentwicklung der Philosophie hat B. nicht ausgeübt, neben Herbart und andern erscheint er vorzugsweise als Vertreter der beginnenden Reaction gegen jene Phase der deutschen Speculation, welche durch Fichte, Schelling und Hegel bezeichnet wird. Als er zuerst die Grundlagen seines eigenen Systems entwickelte, mochte der enge Gesichtskreis des jugendlichen Verfassers, der selbst Herbart, mit dem er sich so vielfach berührte, noch nicht gelesen hatte, manche Schwächen erklären, später aber hatten für ihn jene theoretischen Voraussetzungen [329] eine solche Festigkeit erlangt, daß von einer wesentlichen Umgestaltung des Systems und einer Aenderung, welche die einmal gesetzten Ausgangspunkte durch Vertiefung in die Sache erfahren hätten, nirgends die Rede ist. Im persönlichen Umgange von liebenswürdiger Bescheidenheit, verfiel er in seinen Schriften, namentlich in denen der frühesten Zeit, leicht in einen absprechenden Ton, und unerschrocken in der Bekämpfung dessen, was ihm als Irrthum erschien, übersah er, daß die Wahrheit nicht immer auf seiner Seite war. Verhältnißmäßig den meisten Anklang fanden seine Ansichten in pädagogischen Kreisen, da sie, abgesehen von dem rationalistischen Charakter seiner Erziehungslehre, eine Weckung des Bewußtseins durch den Lehrer, ja geradezu eine Anbildung neuer Seelenkräfte versprachen.

Eine Biographie Beneke’s von Schmidt in Diesterweg’s Pädagog. Jahrbuch auf 1856.