ADB:Bayer, Karl
Schelling, Hegel, Schleiermacher und Marheineke haben dort am nachhaltigsten auf den von leidenschaftlichem Wissensdrang erfüllten Studenten eingewirkt. Erst nach schweren inneren Kämpfen entsagte B. dem Wunsche, sich ausschließlich der Beschäftigung mit der Philosophie zu widmen, indem er 1830 sich zum Eintritt in das philologische Lehramt entschloß. Als Gymnasiallehrer war B. zuerst in Erlangen und Nürnberg thätig, stand 1835–1838 der Lateinschule in Hersbruck als Subrector vor und wirkte dann wieder 1838–1857 am Erlanger Gymnasium. Das Erscheinen seines philosophischen Hauptwerks „Betrachtungen über den Begriff des sittlichen Geistes und über das Wesen der Tugend“ (Erlangen 1839) eröffnete B. zeitweilig Aussichten auf den Eintritt in die akademische Laufbahn, die sich aber infolge des Widerstands der orthodoxen Partei an der Erlanger Universität, der B. als angeblicher Hegelianer verdächtig war, wieder zerschlugen. So ist B. trotz seiner hervorragenden Begabung für die akademische Lehrthätigkeit auf die Wirksamkeit in der Schule beschränkt geblieben, ein „Pegasus im Joche“, wie ihn F. W. Thiersch zutreffend charakterisirte. An der politischen Bewegung der vierziger Jahre nahm B. enthusiastischen Antheil. Bei der ihm eigenen idealistischen Denkweise war es ihm unmöglich, einen Sieg der freiheitlichen Ideen sich anders als in der Form einer sittlichen Wiedergeburt der Völker vorzustellen, und indem er von der deutschen Freiheits- und Einheitsbewegung eine „Gewissensreformation und einen Sieg des sittlichen und geistigen Wahrheitssinnes“ zuversichtlich erwartete, war für B. die Pflicht gegeben, für die freiheitliche Bewegung mit aller Thatkraft einzutreten. Eine Frucht seiner im Erlanger Bürgerverein in den Jahren 1847/48 gehaltenen Vorträge war die Schrift „Der Sieg der Freiheit und die deutsche Volksbildung“ (Nürnberg 1848), in der er die Forderungen des entschiedenen Liberalismus, daneben aber auch die Nothwendigkeit einer vom sittlichen Geiste getragenen Reform der Volksbildung und die Begründung von „Volksakademien“ befürwortete. Von dem Wahlkreis Erlangen-Fürth [288] als Abgeordneter für den bairischen Landtag für die Wahlperiode 1849–55 gewählt, schloß er sich der Partei der Linken an und trat u. a. bei den Verhandlungen über die Judenemancipation und die kurhessische Frage, sowie bei der Vertretung seines Antrags auf Einführung einer philosophischen Propädeutik in den Oberclassen der Gymnasien als Redner hervor. Im J. 1857 zum Gymnasialprofessor in Hof ernannt, wurde B. 1862 an das Schweinfurter Gymnasium versetzt, wo er bis zu seinem 70. Lebensjahr im Lehramt thätig war. Die Jahre 1876–1883 verlebte er im Ruhestand und starb, nachdem er die über ihn verhängten schweren Schicksale, namentlich seine vollständige Erblindung, mit heroischer Fassung getragen, am 28. December 1883.
Bayer: Karl B., philosophischer Schriftsteller und Pädagog, wurde als Sohn des aus Schwaben stammenden Ansbacher Consistorialraths und früheren Erlanger Professors der Theologie Albrecht Bayer am 2. April 1806 zu Ansbach geboren und studierte 1825–1829 an den Universitäten Erlangen und Berlin Philosophie und Theologie. Schubert,Seine litterarische Thätigkeit hatte B. mit der Schrift „Zu Fichte’s Gedächtniß“ (Ansbach 1835) eröffnet, die in der Form einer Anzeige von Fichte’s nachgelassenen Werken dessen Bedeutung für die Geschichte der Philosophie darlegte. Es folgten die „Idee der Freiheit und der Begriff des Gedankens“ (Nürnberg 1837) und die schon erwähnten „Betrachtungen über den Begriff des sittlichen Geistes u. s. w.“ (1839). Die von B. herausgegebene Zeitschrift „Die sittliche Welt“ (Erlangen 1840) ist über das erste Heft, worin er über „Das Kriterion der Wahrheit“ handelte, nicht hinausgekommen. Im 10. und 11. Bande der Zeitschrift für Philosophie und speculative Theologie (1843) veröffentlichte B. Aufsätze über die „Idee der Wahrheit als wissenschaftliches Problem“ und „über die innere Wahrheit der Religion“. – Bayer’s ethische Grundanschauungen berühren sich mehrfach mit denen Kant’s und Fichte’s, andererseits mit denen Platon’s und der Stoa; doch ist sein Standpunkt im wesentlichen ein selbständiger und originaler. Zu den Lehren des Christenthums sucht B. seine ethischen Grundbegriffe in möglichst enge Beziehung zu setzen, wobei er sich mit manchem Gedankengang Jac. Boehme’s, Spinoza’s und der Mystik berührte. „In allen seinen Schriften“, so wird B. von J. E. Erdmann (Grundriß der Geschichte der Philosophie II³, 726) treffend charakterisirt, „spricht sich der im Studium der Alten geläuterte, durch das Leben gestählte Geist aus, der den verschollenen Begriff der Tugend wieder ins Leben, das Postulat der Freiheit und der selbstsuchtlosen Liebe dem daran nicht mehr gewohnten Publicum ins Ohr rufen will und in diesem Bestreben sehr begreiflicher Weise sich mit Fichte oft begegnet. Wie bei diesem, so hat man auch bei B. bei allem, was er schreibt, die untrügliche Gewißheit, daß Wort und Leben sich decken.“ – In der Schule hat B. höchst segensreich gewirkt; durch die wahrhaft antike Größe seines Charakters, durch das jugendliche Feuer seines Vortrags, durch den entzückenden Enthusiasmus, mit dem er alle Gegenstände des Unterrichts erfaßte, wußte er bis zum Schlusse seiner Lehrthätigkeit seine Schüler aufs engste an sich zu ketten und auf sie erziehend und veredelnd einzuwirken. Durch freundschaftliche Bande war B. u. a. mit E. Mor. Arndt und mit Friedr. Rückert verknüpft, welch letzterer ihn in den vierziger Jahren, allerdings vergeblich, aus dem Schulamte an die Berliner Universität zu ziehen suchte; dem geschiedenen Freunde widmete B. einen tiefempfundenen Nachruf („Rede zu F. Rückert’s Gedächtniß“, Schweinfurt 1867). Außer den angeführten Schriften sind ferner zu erwähnen: „Armin, Deutschlands Befreier“ (2 Gymnasialprogramme, Hof 1860; Schweinfurt 1867); „Churfürst Friedrich V. von der Pfalz“, Abth. 1 (Schweinfurter Gymn.-Progr. 1873); „Zu Joh. Gottfr. von Herder’s Gedächtniß“ (Erlangen 1844); „Deutschlands Wiedergeburt, Hoffnung und Erfüllung“ (Schweinfurt 1871), eine Sammlung von Vorträgen, die B. 1868–1871 über die Geschichte Deutschlands und des deutschen Einheitsgedankens vor einem größeren Publicum gehalten hatte; endlich ein Bändchen religiöser Dichtungen: [289] „Lobgesänge“ (1. Abtheilung: Abraham, Moses, David und Salomo. Erlangen, Selbstverlag. 1854).
- Erdmann a. a. O. S. 726 f. – Mittheilungen der Wittwe und Tochter Bayer’s; handschriftliche Selbstbiographie von 1806–1835, im Besitze der Familie Bayer, im Auszug vom Unterzeichneten mitgetheilt in den „Lebenserinnerungen eines Theosophen“ (Deutsch-evangelische Blätter XVIII (1893), S. 481–492).