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Artikel „Barth, Christian Gottlob“ von Christian Palmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 94–95, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Barth,_Christian_Gottlob&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 09:43 Uhr UTC)
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Barth: Christian Gottlob B., Doctor der Theologie, bekannt als christlicher Volks- und Jugendschriftsteller, als Gründer des Calwer Verlags-Vereins, als einer der Hauptträger evangelischer Missionsthätigkeit, geb. zu Stuttgart 31. Juli 1799, † zu Calw 12. Nov. 1862. Seine Erziehung war eine christlich fromme; sein schriftstellerischer Trieb offenbarte sich schon früh, indem er als 10jähriger Knabe Biographien der Patriarchen unter dem Titel: „Eine Aufmunterung für die Seele“ niederschrieb, und die eigenhändigen Manuscripte in 20 Exemplaren verschenkte. Noch weit früher entwickelte sich sein Erzähler-Talent, um dessen willen sich stets ein Kreis von Kindern um ihn sammelte. Er durchlief das Gymnasium und das Tübinger Seminar, war aber als Student nicht blos eifriger Theolog und Prediger, auch schon theologischer Schriftsteller, (eine anonyme Vertheidigungsschrift der Gemeinde Kornthal unter dem Titel: „Hoffmännische Tropfen gegen die Glaubens-Unmacht“ 1820, machte großes Aufsehen und war sogar Gleichgesinnten zu energisch) – sondern er galt für einen Polyhistor, von dem selbst die nächsten Freunde noch nicht recht wußten, wo alles hinaus wollte, ob die Frühreife in geile Schosse oder in fruchttragende Zweige auslaufen würde. Seine spätere Laufbahn bewies, daß das Vielerlei bei ihm doch sich auf Einen Punkt, den unermüdeten Dienst des Reiches Gottes concentrire, was bei ihm dadurch noch eine besondere Motivirung erhielt, daß er, mit der altwürtembergischen, Bengel’schen Apokalyptik völlig verwachsen, die Zukunft Christi und das Ende des dermaligen Weltbestandes aus sicheren Zeichen nahe zu wissen glaubte. Die Pfarrei Möttlingen, wohin er im December 1824 berufen wurde, verließ er im J. 1838, weil seine Gesundheit die Führung des Pfarramts neben all den Arbeiten für die Mission und andere ähnliche Zwecke nicht mehr gestattete; er siedelte nach Calw über, wo er nun ganz jenen Arbeiten und zugleich dem persönlichen Verkehr mit zahllosen Freunden, Predigern, Missionären etc. lebte, wo er zugleich auch nicht gehindert war, viele und weite Reisen für obige Zwecke zu unternehmen; auf den Missionsfesten in Stuttgart, in Basel und an vielen anderen Orten war er regelmäßig anwesend und als Redner mitthätig, stets gerne gehört, weil er durch seine directe Correspondenz mit den Missionären in aller Welt stets neue Mittheilungen bereit hatte. Unter seiner Leitung und zu großem Theil aus seiner Feder ging eine ganze Bibliothek von Missionsblättern, Kinder- und Schulschriften, populären Geschichtswerken, Büchern zur Förderung des Schriftverständnisses, Erzählungen, Gedichten und Tractaten von dem Calwer Verlagsverein aus; besonders gerne wurden seine ebenso unterhaltenden als lehrreichen „Jugendblätter“ gelesen, die von Freunden bearbeitete „Missionsgeschichte“ (3. Aufl. 1863), „Die Glaubenslehre“ (seit 1854 erschienen), das „Handbuch der Bibelerklärung für Schule und Haus“ (1849, 1850) sind Früchte umfangreicher und tüchtiger Studien, und die Calwer „Biblische Geschichte“, wie sie in eine Menge von Sprachen übersetzt wurde, so hat sie es auch in ihrer deutschen Urgestalt jetzt (1872) schon bis zur 213. Auflage gebracht. Außer seiner lebensfrischen Persönlichkeit übte sein gastfreies Haus noch [95] eine ganz besondere Anziehungskraft durch die daselbst angelegte, wol in der Welt einzig dastehende Sammlung von Merkwürdigkeiten, namentlich Kunsterzeugnissen, Geräthschaften, Waffen und Modellen von allen möglichen Völkerschaften, mit denen die Mission in allen Welttheilen in Berührung kam; stets waren Sendungen dieser Art, die ihm die Missionäre besorgten, auf allen Meeren für ihn unterwegs; so hat er auch das Naturaliencabinet in Stuttgart und die Universität Tübingen mit Schätzen seltener Art bereichert. Zum Doctor der Theologie hat ihn 1838 die theologische Facultät in Greifswalde creirt. Eine im engeren Sinn theologische Schrift hat er 1845 an Schelling gerichtet, die Schelling’s speculative Offenbarungstheorie bekämpfte; er entwickelt die ihm eigene, übrigens vereinzelt gebliebene Ansicht, der Logos habe sich vor der Menschwerdung mit einem Engel zu persönlicher Einheit verbunden und dieser Engel sofort bei der Menschwerdung die ihm als Engel inhärirende Herrlichkeit abgelegt. Eigenthümlich war überhaupt bei ihm einerseits die Mischung eines sehr klaren und scharfen Verstandes mit absoluter Bibelgläubigkeit, welche letztere so weit ging, daß er das Copernicanische System wegen seiner Nichtübereinstimmung mit der Bibel ohne Weiteres für falsch hielt; andererseits ebenso die Mischung eines sprudelnden Humors und einer heiteren Lebensweise mit der Welt- und Lebensanschauung des ausgeprägten Pietismus. Obgleich nie verheirathet, bewahrte er den Kindern eine ungemeine Liebe; wie er hierin mit Christoph Schmid verglichen werden kann, so wäre dies auch in Bezug auf die Production von Kindergeschichten möglich, wenn nicht B. auch in diesen den streng protestantischen Charakter seiner Frömmigkeit ebenso scharf hätte hervortreten lassen, wie der katholische Charakter bei Schmid theils deutlich hervortrat, theils aber unter einer allgemeineren, mehr pelagianischen Religiosität verhüllt war.

B. nützte seine Kräfte aus, so lang es nur irgend möglich war; an Dr. Gundert, der früher lange in Indien als Missionär gewirkt hatte, erhielt er einen treuen und würdigen Gehülfen und Nachfolger. Sein Tod erfolgte nach längerem Kränkeln durch einen Schlagfluß.

G. Barth, nach seinem Leben und Wirken gezeichnet von Karl Werner. 3 Bde., Stuttg., 1865–69.