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Artikel „Amelung, Franz“ von Friedrich Karl Stahl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 394–395, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Amelung,_Franz&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 11:27 Uhr UTC)
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Amelung: Franz A., hessendarmstädtischer Medicinalrath, Sohn des dortigen Generalstabsmedicus A., geb. 28. Mai 1798 zu Bickenbach an der Bergstraße, † 19. April 1849. Nachdem er zu Berlin unter dem Einflusse Hufelands, seines berühmten Oheims, studirt hatte, besuchte er noch andere Universitäten, bereiste Deutschland, Frankreich, Italien und die Schweiz und wurde dann 1821 als Arzt des Landeshospitals Hofheim angestellt. Ehemals ein Kloster, ward dasselbe von Philipp dem Großmüthigen in ein Spital für Alte, [395] Unheilbare und Geisteskranke umgewandelt. Den letzteren wandte sich fortan Amelung’s wissenschaftliche Thätigkeit zu. Er schloß sich als Psychiater der sogenannten somatischen Schule an. Er geht von der Anschauung aus, daß es keine primäre Seelenkrankheit gibt, daß vielmehr Seelenkrankheit nur eine Folge von Körperleiden sei. Sein Streben war demgemäß dahin gerichtet, die organischen Ursachen der Störungen aufzusuchen und hiernach die Heilmittel zu bestimmen. Er hat sich somit im Gegensatze zu der früher herrschenden unpraktischen, philosophischen Richtung, den Wegen der exacteren Naturforschung genähert. In diesem Sinne sind namentlich seine „Beiträge zur Lehre von den Geisteskrankheiten“ 2 Bde. Darmstadt 1832 und 1836 in Verbindung mit Bird bearbeitet, und in seiner Einleitung zu sieben in Canstatt’s und Eisenmann’s Jahresberichten von 1841–1847 niedergelegten Referaten „über die Litteratur der Psychiatrie“ stellt er seinen Standpunkt dahin fest, daß die Psychologie nur in Verbindung mit der Somatologie einen praktischen und werthvollen Gewinn liefern könne, weil Leib und Seele ein unzertrennliches Ganze bilden, und sohin sei es die Aufgabe des Arztes, das psychische Leben nach seinen abnormen und normalen, d. h. pathologischen und physiologischen Erscheinungen zu erforschen. Im ersten Band der „Allgem. Zeitschrift für Psychiatrie“ erschien seine Abhandlung über den Consensus zwischen Gehirn und den Organen des Unterleibs, insbesondere bei psychischen Krankheiten, im sechsten Band sein lehrreiches Gutachten über die Zurechnungsfähigkeit eines der Ermordung seiner Ehefrau angeklagten Verbrechers, nebst einem Berichte über die Ergebnisse des Hospitals Hofheim in statistischer und medicinischer Beziehung, dem bereits im III. u. IV. Bande summarische Uebersichten über den Bestand der Hospitalisten vorausgegangen waren. A. hat sich aber auch hohe praktische Verdienste erworben. Beim Antritte seiner Stelle in Hofheim fand er dort Alles noch im traurigsten Zustande. Peitschen, Ketten, Fußklötze etc. spielten eine Hauptrolle, und bei seinen Reformbestrebungen hatte er schwere Kämpfe zu bestehen. Seine Anträge auf Erbauung einer neuen, sei es ausschließlichen Heilanstalt oder verbundenen Heil- und Pflegeanstalt scheiterten am Kostenpunkte. Er mußte sich deshalb hauptsächlich auf innere Verbesserung der Regie und Verwaltung beschränken und richtete sein Streben hauptsächlich darauf, dem Arzte die ganze Leitung zu erobern, d. i. ihn zur Spitze der Verwaltung zu erheben, was ihm jedoch leider nicht mehr vollständig gelang. Dessenungeachtet hat er während seiner 25jährigen Wirksamkeit dem Hospitale durch bedeutende Verbesserungen in Bau und Organisation einen anerkennugswerthen Aufschwung gegeben. Erst durch ihn ward aus dem bisherigen Verwahrungsort eine wirkliche Heilanstalt, welche zur Zeit seines Todes schon ein Asyl für 400 unglückliche Menschen geworden war. Sein Ende war ein tragisches. Ein wegen Apfeldiebstahls zu 45 Kreuzer Strafe verurtheiltes Individuum erschoß aus Rachsucht seinen Angeber und wurde in der Criminaluntersuchung wegen Geistesstörung für unzurechnungsfähig erklärt. In die Anstalt nach Hofheim verbracht, drang er dort mehrmals, selbstverständlich ohne Erfolg, auf seine Wiederentlassung. Um dieses Gesuch zu erneuern, erbat er sich am 16. April 1849 eine persönliche Vorstellung bei A. Während ihm dieser den Puls fühlte, stieß der Irre ihm ein Messer in den Unterleib. A. verschied nach 3 Tagen unter den qualvollsten Schmerzen.

Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie von Damerow, Flemming und Roller Bd. VI. u. VII. – N. Nekrol. XXVII (1849) S. 300.