ADB:Bird, Friedrich
[658] beim Feldlazareth Nr. 15. Nachdem er sodann die Universität Halle besucht, hier 1817 das Doctorexamen und 1819 in Berlin die Staatsprüfung bestanden hatte, begann er 1820 seine praktische Laufbahn in Rees unweit Wesel, während er gleichzeitig als Schriftsteller theils auf medicinischem, theils auf historischem Gebiete thätig war. Einige kleinere psychiatrische Aufsätze veranlaßten seine Berufung an die Stelle eines zweiten Arztes der Irrenanstalt Siegburg (März 1830). Hier widmete er sich ganz der Psychiatrie. Unter seinen damaligen Leistungen heben wir die im Verein mit Amelung herausgegebnen „Beiträge zu Lehre der Geisteskrankheiten“ (Darmstadt 1832) und vorzüglich einen Aufsatz in Gräfe und Walther’s Journal (1833, Heft 4) hervor, in welch letzterem er zuerst auf das bei Irren so häufig vorkommende, bisher unbeachtete Othhaematom aufmerksam machte und dasselbe als Erysipel des äußeren Ohres beschrieb. Leider wurde seine Stellung in Siegburg wegen Differenzen mit seinem Vorstande, dem Director Jakobi, bald unhaltbar. Im Gegensatz zu ihm, welcher mehr ein System der Strenge und der pädagogischen Einwirkung verfolgte, vertrat B. in der Irrenbehandlung das Princip äußerster Milde. Beide verrannten sich in ihren Ansichten bis zum Extremen, so daß ein ferneres Zusammenwirken unmöglich ward, weshalb B. am 2. Juni 1834 auf sein Ansuchen mit vollem Gehalte pensionirt wurde. Wenn auch heute der Standpunkt Jakobi’s fast allgemein verlassen ist, so fällt doch in diesem Streite auf B. insoferne ein gerechter Tadel, als er duch die Leidenschaftlichkeit seiner Opposition nicht blos das so nothwendige gedeihliche Zusammenwirken der ärztlichen Kräfte gänzlich aufhob, sondern auch direct störend auf eine ruhige ordnungsgemäße Leitung des Asyls einwirkte.
Bird: Friedrich B., geb. 1. Sept. 1791 zu Wesel, wo sein Vater preußischer Beamter war, † 19. März 1851 zu Bonn. Am Gymnasium zu Wesel vorgebildet, bezog er im Herbste 1811 die Universität Duisburg, um sich dem Studium der Medicin zu widmen, trat aber im December 1813 beim ersten pommer’schen Infanterieregiment als Freiwilliger ein. Nach Beendigung des Feldzuges mit Officiersrang entlassen, hatte er seine Studien kaum von neuem aufgenommen, als ihn der Wiederausbruch des Krieges zum zweiten Male zu den Fahnen rief. Bis Ende März 1816 bekleidete er die Stelle des ArztesB. zog nun nach Bonn, wo er, jede weitere Anstellung ablehnend, fleißig schriftstellerte. Im J. 1836 erschien sein Hauptwerk „Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten“, Berlin, in welchem er vor allem den Fortschritten der Physiologie die richtige Würdigung schenkte. Von dem Principe ausgehend, daß die Pathologie überhaupt ausschließlich aus den Lehrsätzen der Physiologie zu begründen sei, sucht er dies Princip auch auf die Psychopathien anzuwenden. Hierbei verführte ihn aber das Lückenhafte der Physiologie alsbald zu unfruchtbaren Excursionen in den Bereich der Hypothese. So suchte er z. B. den verschiedenen Organen des Körpers eine specifische psychische Bedeutung beizulegen, und stellte unter anderem die Lehre auf, daß die maniacalischen Formen der Seelenkrankheiten auf Läsionen der endothoracischen Organe beruhen, während bei melancholischer Verstimmung die pathologischen Veränderungen in den Unterleibsorganen zu finden seien. Unter den späteren Schriften Bird’s zeichnen sich besonders seine psychiatrischen Schilderungen historischer Persönlichkeiten aus, welche in der „Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie“, deren fleißiger Mitarbeiter er bis zu seinem Tode war, erschienen. Es sind dies die Beschreibungen der Geisteskrankheit Johanns von Castilien, Karls VI. und IX. (Bd. V u. VI.). Außer dem bereits Angeführten heben wir noch folgende litterarische Producte Bird’s als erwähnenswerth hervor: „Notizen aus dem Gebiete der psychischen Heilkunde“, Berlin 1835; „Ueber Einrichtung und Zweck der Irrenhäuser für Geisteskranke und deren ärztliche Behandlung“, Berlin 1835; „Praktisch-psychiatrische Schriften“. I. Bd. Stuttgart 1839; „Beiträge zur Kenntniß des Arzneigebrauchs in den psychischen Krankheiten“, Stuttgart 1839. – Mitten in seinem thätigen Leben starb er plötzlich an einer Phlebitis, welche durch einen selbstordinirten Aderlaß entstanden war.
- N. Nekrolog Bd. XXIX. 244.