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Artikel „Canstatt, Karl Friedrich“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 762–764, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Canstatt,_Karl_Friedrich&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 18:13 Uhr UTC)
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Band 3 (1876), S. 762–764 (Quelle).
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Canstatt: Karl Friedrich C., Arzt, ist 11. Juli 1807 in Regensburg geboren, wo sein Vater eine sehr geachtete ärztliche Stellung einnahm. C. studirte zuerst in Wien, später unter Schönlein in Würzburg Medicin und erlangte hier 1831 unter Einreichung einer tüchtigen ophthalmologischen Arbeit („Ueber Markschwamm des Auges und amaurotisches Katzenauge“. Inaug.-Diss., Würzb. 1831) den medicinischen Doctorgrad. Nach kurzem Aufenthalte in seiner Heimath, wo er eine kleine Schrift über Cholera veröffentlichte („Darstellung und kritische Beleuchtung des Wesens der ostindischen Brechruhr“, Regensburg 1831), wandte er sich im J. 1832 nach Paris, um daselbst gründliche Studien über diese eben damals epidemisch herrschende Krankheit anzustellen; die Resultate derselben hat er in kleinen Flugschriften („Die Cholera in Paris. Auszüge aus Briefen über Entstehung, Verlauf und Behandlung derselben“, N. 1–3, 1832) niedergelegt. Von Paris wandte sich C. im weiterem Verfolge dieses ihn speciell interessirenden Gegenstandes nach Brüssel, wo er im Auftrage der belgischen Regierung [763] die Errichtung und Leitung eines Cholera-Hospitals übernahm. Nach Ablauf der Epidemie nahm er mit besonderem Eifer das Studium der Augenheilkunde wieder auf; eine größere Zahl ophthalmiatrischer Arbeiten, darunter namentlich „Mém. et observ. sur la cause qui entretient l’ophthalmie militaire dans l’armée belge“ und seine bedeutenden Untersuchungen „Ueber die Krankheiten der Choroidea und der Zusammenhang derselben mit Glaucom“, die er theils während seines Aufenthaltes in Brüssel in belgischen, später in mehreren deutschen medicinischen Zeitschriften veröffentlicht hat, geben von seiner erfolgreichen Beschäftigung mit diesem Gegenstande Zeugniß. Im J. 1838 kehrte C. nach Deutschland zurück und ließ sich wieder als praktischer Arzt in Regensburg nieder, erhielt aber schon in demselben Jahre eine Anstellung als Landgerichtsarzt in Ansbach, wo er bis zum J. 1843 verblieb, und trotz gehäufter amtlicher Geschäfte und einer umfangreichen ärztlichen Privatpraxis eine große wissenschaftliche und litterarische Thätigkeit entfaltete. Neben zahlreichen kleineren Arbeiten, besonders aus dem Gebiete der Ophthalmologie und Nervenpathologie, die in verschiedenen med. Zeitschriften erschienen, gab er zuerst eine Uebersetzung und Bearbeitung des Werkes von Guislain über Geisteskrankheiten (1838), sodann seine mit großem Beifalle aufgenommene Schrift über „Die Krankheiten des höheren Alters und ihre Heilung“, 2 Bde., 1838, heraus; im J. 1841 erschien die erste Lieferung seines „Handbuches der med. Klinik“ und in eben diesem Jahre unternahm er im Vereine mit einer großen Zahl hervorragender Gelehrten die Herausgabe des „Jahresberichtes über die Fortschritte der gesammten Medicin in allen Ländern“. – Im J. 1843 wurde C. die wohlverdiente Auszeichnung zu Theil, auf den durch den Tod Henke’s erledigten Lehrstuhl für Pathologie und medicinische Klinik nach Erlangen berufen zu werden; unter Einreichung seiner Habilitationschrift („De morbo Brightii Comment.“, Erlang. 1844) trat er diese ehrenvolle Stellung an, leider aber war es ihm nicht vergönnt, sich derselben lange zu erfreuen. Schon im J. 1846 stellte sich bei ihm ein schweres Lungenleiden ein, das ihn veranlaßte, für einige Zeit nach Italien (Pisa) überzusiedeln, wo er Besserung erwartete; ohne wesentliche Erleichterung kehrte er von dort nach Erlangen zurück, veröffentlichte hier noch als Resultat seiner klinischen Thätigkeit den ersten Band seiner „Klinischen Rückblicke und Abhandlungen“, 1848 (den zweiten Band hat K. Diruff aus den hinterlassenen Papieren Canstatt’s im J. 1851 herausgegeben), seine Kraft aber war gebrochen und so endete er am 10. März 1850. – C. war unbestritten einer der bedeutendsten Aerzte, die aus der Schönlein’schen Schule hervorgegangen sind. Schon frühzeitig hatte er sich von dem Irrwege, den die sogenannte naturphilosophische oder naturhistorische medicinische Schule eingeschlagen hatte, abgewendet und war mit Eifer den Bahnen gefolgt, welche seinen großen Lehrer auf den Zenith seines Ruhmes geführt hatten; von diesem Standpunkte bearbeitete er, mit umfassenden Kenntnissen ausgestattet, sein „Handbuch der med. Klinik“, das mit ungetheiltem Beifalle vom medicinischen Publicum aufgenommen, viele Jahre hindurch das geschätzteste Lehrbuch der Heilkunde in Deutschland geblieben ist; die letzte Abtheilung dieses in großartigem Plane angelegten Werkes hat der Verfasser, schwer erkrankt, im J. 1846 in Pisa bearbeitet, auch hat er selbst noch die zweite Auflage desselben (1848 ff.) besorgt, eine dritte Auflage ist in den Jahren 1854–56 von Henoch in neuer Bearbeitung herausgegeben worden. – Mit der Begründung des „Jahresberichtes über die Fortschritte der Medicin“ aber hat sich C. ein dauerndes Verdienst erworben, das ihm für alle Zeiten einen ehrenvollen Namen in der Medicin sichert; seit dem J. 1843 wurde er in der Herausgabe desselben von Eisenmann unterstützt, seit dem Tode Canstatt’s (1850) übernahm Eisenmann die Herausgabe des Jahresberichtes in Verbindung mit einigen Würzburger [764] Gelehrten und führte dieselbe bis 1865 fort; schwere Erkrankung zwang ihn damals, das Unternehmen aufzugeben, das sich seitdem in den Händen Virchow’s und des Unterzeichneten befindet.