Textdaten
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Autor: F. H.
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Titel: „Sie gehen nach Amerika“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 84–87
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[84]
„Sie gehen nach Amerika.“

Es war im großen politischen Blüthen- und Kränzejahre 1863, gerade in den Tagen der deutschen bundesfürstlichen Wiederverherrlichung der schwarz-roth-goldnen Fahnen, als ich mit meinem Freunde L., einem ebenso lebensfrohen als patriotischen Künstler, von Mainz aus den Rhein hinabfuhr.

In Frankfurt tagten die Kronen und die Nation. Die Fürsten des Bundes, den Kaiser an der Spitze, hatten selbst die Sessel ihrer bisherigen Vertreter eingenommen und legten die hohen Hände an das Werk der Neubelebung des deutschen Reichs. Und unweit von ihnen saßen die Vertreter der Völker des Reichs zu ernstem Rath beisammen. Auch ihnen galt ein Theil des deutschen Fahnenschmucks, den die alte Kaiserwahl-, Parlaments- und Bundesstadt angelegt hatte. – Solche Gelegenheit verabsäumten auch die Rheinschiffe nicht, die alten schwarz-roth-goldnen Flaggen wieder hervorzuholen und aufzuhissen, und eine solche flatterte auch stolz auf unserem Dampfer. Wunderbare, schicksalreiche Farben, – und noch so jung, so jung! Ein Königsritt versprach ihre Erhebung zum höchsten Thron, und eine Kaiserfahrt stürzte sie in’s Verderben. Sie besiegten vom Land aus die Feindesflotte (Eckernförde!), und von der deutschen Flotte herabgerissen legten sie sich mit dem Admiral in’s Grab. Und nun sind sie wiedererstanden, und wieder wehten sie einem Kaiser entgegen – Gott beschütze sie vor abermaligem Untergang!

Was mir aber jene Fahrt so unvergeßlich machte, war nicht der deutsche Flaggenschmuck des Schiffs, sondern ein Auswandererzug, der auf dem Vorderdeck sein Lager aufgeschlagen hatte: deutsche Auswanderer – auf dem grünen Rhein, zwischen der lachendsten Herrlichkeit der ganzen deutschen Erde! Der Gedanke schon hat Kraft genug, jedem ehrlichen deutschen Mann das Auge zu trüben; aber der Anblick selbst macht doch noch empfindlicheres Herzweh.

[85]

Auswanderer auf dem Rhein.
Nach der Natur aufgenommen von H. Leutemann.

[86] „Ist’s denn möglich,“ rief mein Freund aus, als er die Gruppe mit raschem Künstlerauge gemustert hatte. – „ist’s menschenmöglich, daß Deutsche auf diesem Strome ihr Vaterland verlassen können? Wer das über sich vermag, der muß von Vaterlandsliebe keinen Funken in sich spüren!“

„Freund, nicht ungerecht! Prüfe erst, und Du wirst finden, daß wir nicht sie anzuklagen haben, die von uns scheiden, sondern die Umstände, die sie von dannen treiben. Treten wir näher, die Leute sind offenbar aus der Pfalz und aus Unterfranken, wo sie Alle nicht am Herzdrücken sterben; sie werden uns gleich reinen Wein einschenken.“

Mein erregter Freund zögerte keinen Augenblick. Mit den Worten: „hier muß man deutsches Blut zu retten suchen!“ trat er zu einer Gruppe von einigen Männern, alten und jungen, die in ernster Unterhaltung begriffen schienen. Ich machte einen Gang um das Verdeck, um mir die Leutchen im Einzelnen zu betrachten.

Da war Alles vorhanden, was einer kleinen Gemeinde Leben und Gedeihen sichern konnte: frische, kräftige Buben, spielende kleine Kinder, alte Mütterchen, junge Frauen und Mädchen, Jünglinge mit dem ersten Keim von Bart bis’ zum Mann mit Greisenhaaren.

Das Gepäck der Auswanderer bildete einen hohen, mit Stroh überdeckten Haufen, der fast bis zur Schiffsglocke reichte. An der andern Seite des Verdecks hergehend, kam ich zu einem blutjungen, hübschen Pärchen, das sich um die ganze Umgebung nicht zu kümmern schien. „Geschwister?“ flüsterte ich grußnickend ihnen zu. Beide wurden roth und schüttelten schweigend die scheu geneigten Köpfe, aber wirklich „unter Thränen lächelnd“.

Die Stimme meines Freundes war indeß immer lauter geworden; sie war über das anfängliche Durcheinander des Widerspruchs von mehreren Stimmen allein Sieger geblieben. Er war eben im Zuge, dem Völkchen, offenbar um es im Vaterlande zurückzuhalten, von den Schicksalen der ersten deutschen Auswanderer zu erzählen, die nach Amerika gegangen sind. „Ihr könnt stolz darauf sein,“ sagte er, „es waren auch Pfälzer, und das ist schon über anderthalbhundert Jahre her. Es giebt kein Pfälzer Kind, welches nicht von den Verwüstungen gehört hätte, welche der französische König Ludwig XIV. über die Pfalz verhängte; die Trümmer des Heidelberger Schlosses stehen noch heute als das Denkmal seiner Schandthaten. Damals trieb die bittere Noth die ersten Pfälzer über die See. Der berühmte William Penn hatte sie hinübergelockt, aber der Mann war brav, die deutschen Ansiedelungen gediehen, und er hat es verdient, daß das einst von ihm verwaltete Land noch heute ihm zu Ehren Pennsylvanien genannt ist.

Ihr wißt, daß auf die französischen Verwüstungen die Protestantenverfolgungen in der Pfalz kamen. Die kurfürstlichen Jesuiten trieben’s fast noch ärger, als die Franzosen; diese hatten Städte und Dörfer verheert, und jene jagten nun auch den besten Theil des Volks aus dem Lande. Zur selben Zeit sahen die englischen Gouverneure in Nordamerika, wie Penn’s Provinz durch den Fleiß der Pfälzer so herrlich aufblühte. Da schickten sie denn ihre Lockvögel her in’s Land und versprachen den vielen heimathlosen Protestanten der Pfalz goldene Berge in Amerika. Sie sollten nur nach London kommen, dort sei Alles für ihre Ueberfahrt vorbereitet. Nun hört! Nahe an 33,000 Pfälzer und Rheinländer folgten der Lockung, ganze Gemeinden mit Pfarrer und Schulmeister, und fuhren hinüber nach London. Und was fanden sie da? Nur ein kleiner Theil dieser großen Schaar fand Platz in den Schiffen, die nach Nord-Carolina bestimmt waren; die anderen behandelte man nicht besser, als gekaufte Sclaven. Einen Theil derselben brachte man nach Irland, einen anderen auf uncultivirte englische Inseln, einen dritten in englische Bergwerke – als Arbeiter. Da hatten sie ihre goldenen Berge! Nur 7000 von diesen euren Vorfahren kamen arm und elend in die Heimath zurück! Wer weiß, ob nicht Eure eigenen Voreltern darunter waren, Ihr braven, guten Landsleute! laßt ihr Schicksal Euch zur Warnung dienen und bleibt im Vaterland!“

„Lieber Herr,“ entgegnete ihm ein Alter, der auch auf dem Schiff den gewohnten Büchsenranzen nicht ablegte – „damals waren andere Zeiten, und unsere Altvordern haben’s selbst verschuldet, weil sie, in ihrem Jammer freilich, blind in die weite Welt hineinliefen. Aber wohin kamen denn die Pfälzer, die zu Schiff gegangen waren?“

„Diese wurden theils in New-York, theils in Nord-Carolina ausgeschifft. Wie viel sie, die armen, aus der Heimath vertriebenen, in der Fremde schutzlosen Deutschen unterwegs zu leiden hatten, davon ist damals wohl kein Laut über das Meer herübergedrungen, aber vom Vater zum Sohn vererbte sich die Klage und schürt noch heute in Kindeskindern den Haß gegen die Engländer. Hört weiter! Auch am Lande hatte ihr Elend noch lange kein Ende. Zwar erhielten sie große Strecken Bodens angewiesen, aber weiter nichts; alle übrigen Versprechungen waren Lug und Trug; Nichts war für sie vorbereitet, kein Vieh, kein Geschirr, kein Geräthe – da standen sie mit ihren hungernden Weibern und Kindern und mit den bloßen Händen auf dem seit der Erschaffung der Welt wüsten Boden und im Urwalde. Alles, was ihnen der Raub von der Heimath bis hierher noch übrig gelassen, mußten sie dran wenden, um nur das Unentbehrlichste um die höchsten Preise herbeizuschaffen, und dann ging’s an eine Riesenarbeit. Ihr wißt, was ein Pfälzer schaffen kann. Aber dem Gouverneur ging’s dennoch nicht geschwind genug. Die Nachrichten von den reichen Früchten des deutschen Fleißes in Pennsylvanien ließen ihn nicht schlafen; er konnte die Zeit nicht erwarten, um dieselben Früchte zu ernten, natürlich für sich, und darum drangsalirte er die Pfälzer auf’s Aeußerste, bis ihnen die Geduld riß, und zwar die deutsche Geduld, und das will was heißen! Hundertundfünfzig Familien verließen plötzlich das Land, das sie mit unsäglicher Arbeit bereits fruchttragend gemacht hatten, sie unterwarfen sich all den Gefahren und Mühseligkeiten eines neuen Wanderzugs über hundert Meilen weit in’s Innere hinein, um bei den heidnischen Wilden die friedliche Stätte zu finden, die sie bei den christlichen Engländern vergeblich gesucht hatten. Sie kauften dem freien Indianerstamm der Irokesen ein großes Gebiet ab und begannen die Ausrodungsarbeit von Neuem. Zehn Jahre lang lebten sie so, mit den braven Indianern in Frieden und Eintracht und gediehen und hatten schon den größten Theil ihrer Ländereien in ein fruchtbares, lachendes Gefilde verwandelt, als die englische Habsucht abermals über sie herfiel. Derselbe Gouverneur von New-York ersah jetzt die Zeit seiner Rache und seiner Ernte. Er behauptete, das Land der Pfälzer sei englisches Eigenthum, sie hätten kein Recht gehabt, dasselbe anzubauen; er habe es anderweit verkauft, die deutschen Colonistcn hätten auch keinen Anspruch auf Entschädigung für etwaige Culturkosten, sondern wer den Boden nicht sofort räumen wolle, müsse dafür sorgen, daß er ihn von den neuen gesetzlichen Eigenthümern in Pacht erhalte. Himmelschreiend war das Unrecht, das den Pfälzern geschah, aber wo war der Richter, der ihnen Recht sprach? Und der Himmel ist so hoch! – Die armen Deutschen hatten keine Hoffnung, mit Gewalt gegen die Gewalt zu siegen; doch ehe sie vor ihr sich beugten, sagten sie lieber zum dritten Male der Frucht ihres Schweißes Ade und zogen mit aller fahrbaren Habe zur ersten amerikanischen Heimathstätte der Pfälzer, nach Pennsylvanien. Dort leben ihre Nachkommen noch heute in den Thälern am Susquehannah, soweit der jetzige Bürgerkrieg sie noch nicht aufgefressen hat.“

Die Thränen der Frauen waren längst in Fluß, sie blickten zagend zu den Männern hin, deren Augen dafür um so zürnender sich auf den Sprecher wandten. Es war ein derber Ausbruch dieses Unwillens zu befürchten, dem jedoch der Alte vorbeugte, der auch das Schicksal der in Carolina gelandeten Pfälzer zu wissen verlangte.

„Diesen,“ fuhr mein Freund fort, „ist das traurigste Loos gefallen. In Carolina stand es damals um Ackerbau und Gewerbe noch schlimmer, als in New-York. Der größte Theil des Bodens gehörte großen Grundbesitzern, die unsere Pfälzer wie Bettler, wie eine Last empfingen. Viele gingen an der Hartherzigkeit dieser Menschen aus Noth zu Grunde. Dem Rest wies man endlich öde Landstrecken an den äußersten Grenzen der Provinz an, wo Leben und Gut keinen Tag vor den Angriffen der Indianer sicher waren. Und als die Pfälzer dennoch den Wald rodeten, Blockhäuser bauten und die Saat bestellten, drangen die Wilden mit Uebermacht heran und erschlugen Alles, was da lebte. Nur wenige Frauen und Kinder sollen sie gefangen mit sich fortgeschleppt haben. Von diesen Pfälzern ist keine Spur mehr dort zu finden.“

Hier hielten die Frauen das laute Schluchzen, aber auch die jüngeren Männer den lauten Zorn nicht mehr zurück. „Sind Sie deshalb vom ersten Platz zu uns daher gekommen,“ rief einer der jungen Männer den Künstler an, „um uns durch Ihre Märchen [87] die Weiber wieder zu verderben, dann wär’s besser, Sie wären drüben geblieben! Nun haben wir das ganze Geflenn wieder da, das kaum verwunden war!“ – Die Uebrigen stimmten murrend bei, die Frauen seufzten: „Ja, so sind die Männer!“ – und die Jungen schrieen vom Gepäckhaufen herunter: „Vivat, wir gehen doch nach Amerika!“

„Ruhig, Kinder!“ fiel ein älterer Mann dazwischen, der bisher schweigend am Mast gelehnt halte, – „der Herr meint’s gut, er hat kein böses Wort gesprochen, und daß er uns die Geschichte unserer Altvordern in Amerika erzählt hat, dafür haben wir uns zu bedanken. – Aber, lieber Herr, Ihr Abmahnen von unserem Vorhaben lassen Sie sein, wer gerüstet ist, wie wir, der kehrt nicht wieder um.“

„Und wenn Ihr mich todtschlagt,“ eiferte mein Freund, – „ich kann’s nicht anders, ich muß meinen Schmerz darüber aussprechen, daß abermals so herrliche Kraft dem deutschen Vaterlande verloren geht. Was soll aus Deutschland werden, wenn das Auswandern so fortgeht, wie bisher? Bedenkt doch: nur in den sechs Jahren von 1846 bis 1851 haben uns über sechshalbhunderttausend Menschen verlassen, sie haben wenigstens ein baares Vermögen von 115 Millionen Thalern mitgenommen! Das macht über neunzehn Millionen jedes Jahr! Welch ein Verlust für das deutsche Volk!“

„Wenn’s zum Rechnen kommt, lieber Herr,“ – nahm da der Alte wieder das Wort, „so hätt’ ich freilich ein ganz anderes Exempel zu stellen. Wie viel kosten denn dem deutschen Volke seine vielen Armeen? In einem Jahre mehr, als die Auswanderung in zehn Jahren!“

„Aber das Geld bleibt doch im Lande!“ entgegnete mein Freund.

„Das ist eine falsche Rechnung“ – sprach der ältere Mann. „Sie berechnen nicht, lieber Herr, wieviel die Hunderttausende von fleißigen Händen erwerben könnten, wenn sie nicht in den Casernen brach liegen müßten. Und Alles, was diese nicht verdienen, das müssen wir dem Auslande zu verdienen geben. Wie viel Land liegt noch wüste, das reiche Frucht tragen könnte, wie viele Millionen liegen noch unter dem Boden! Wir brauchten dem Engländer kein Pfund Eisen abzukaufen, wenn wir unsere Schätze aus der deutschen Erde heben könnten. Warum geschieht’s nicht? Weil uns die Mittel und die Arme dazu fehlen. – Die stehenden Armeen sind unser Unglück, wahrlich nicht die Steuern, die drücken keinen fleißigen Main, aber die Verwendung zum Soldatenwesen, das ist’s! Herr, es sieht prächtig aus, wenn ein Regiment durch die Straße in Parade marschirt; aber nur wir Eltern wissen, wie viel Sorgen und Seufzer hinterdrein gehen. Die Jungen sind Einem an’s Herz gewachsen, und man muß sie hingeben und weiß nicht, wie man sie wieder bekommt.“ – Er stockte, die Stimme versagte ihm, er mußte einen tiefen Schmerz zu verwinden haben. Dann fuhr er fort: „Und glauben Sie, Herr, es ist ein Entschluß, das Auswandern! Wenn’s nicht die Liebe zu den Kindern thäte, man brächt’s nicht über das Herz. Nur wer ein Bauer ist, weiß, was es heißt, sich von dem Boden zu trennen, auf dem die Ureltern ihren Schweiß vergossen haben und den man lieb gewinnt, als wär’s ein Stück von uns, und von den Ställen und dem Vieh, und von Hof und Haus, und von der Kirche und vom Gottesacker! O, es ist ein Entschluß! Und wenn der gefaßt ist, Herr, so reißt ihn kein Sturm um, geschweige ein fremdes Menschenwort!“

„Ja, so ist’s!“ rief der junge Mann, der vorhin zuerst aufbrauste, und reichte meinem Freund die Hand. „Sie sind ein rechter, braver Deutscher, und darum sag’ ich Ihnen, daß wir’s auch sind und bleiben werden, so lange wir leben. Wir hätten’s wohlfeiler haben können auf der Eisenbahn und auf dem geraden Wege zum ersten besten Hafen. Aber wir wollten unsern lieben Rhein noch einmal recht anschauen und ein Stück von Deutschland dazu, ehe wir ihm vielleicht auf ewig Ade sagen. Wir wollen erst in Köln auf die Eisenbahn. Es wird uns später nicht gereuen, daß wir’s so gethan haben. Und nun kommen Sie, ich will Ihnen meine Frau und meine Kinder zeigen. Sagen Sie ihnen ein schönes Wort, das ihnen Muth macht. Sie können’s, und ich werd’ es Ihnen nie vergessen.“

Beide gingen Arm in Arm zu den Frauen auf der andern Seite des Schiffes. Ich wandte mich an den Alten. „Als erfahrene und, wie es scheint, meist wohlhabende Männer,“ redete ich ihn an, „haben Sie doch wohl alle Vorsichtsmaßregeln getroffen, um nicht wegen der Ueberfahrt in unreine Hände zu fallen?“

„Unser Plan ist, uns in Michigan niederzulassen, und unser Vorsatz, nur in einem deutschen Hafen uns einzuschiffen. In Köln treffen noch Verwandte zu uns, und dort wird’s entschieden, ob wir nach Bremen oder nach Hamburg gehen. Zu übereilen brauchen wir nichts, und darum haben wir auch keine Verbindlichkeit im Voraus eingegangen.“

„Dann,“ sagte ich, „lassen Sie sich für Bremen wie für Hamburg, besonders aber für letzteres, auf folgende nöthige Vorsicht aufmerksam machen. Hüten Sie sich vor indirekter Beförderung durch leider dazu noch immer concessionirte Firmen. Verstehen Sie mich? Es giebt nämlich dort zweierlei Beförderung, die directe, wo Sie in Bremen oder Hamburg ein deutsches Schiff besteigen und in demselben die ganze Fahrt bis hinüber abmachen. Diese ist allein zu empfehlen, Sie sind unterm Schutz von deutschen Landsleuten und haben meist nur Deutsche zu Reisegenossen. Nun giebt es aber auch Leute, die ein Geschäft daraus machen, deutsche Auswanderer für englische Schiffe anzuködern. Der Auswanderer wird dann nur nach England befördert und dort in ein Schiff gepackt, in dem er sich in der Regel mit dem Auswurf Irlands zusammengeworfen sieht, nachdem er vorher in jeder möglichen Weise geplündert worden ist. Wie viel Aerger und Ungemach Sie dann auch erdulden, wie viel bitteren Verlust Sie leiden mögen, eine nachträgliche Klage hilft Ihnen nichts und schadet den aalglatten Herren nichts, die Sie an die Engländer verschachert haben. Es ist traurig, daß es so ist! Aber es ist so! Also Vorsicht!“

„Dank, lieber Herr! Das war ein guter Rath.“ Mit den Worten reichte der ältere Mann mir die Hand. „Wir versprechen Ihnen hiermit, daß wir ihn befolgen, aber auch allen unseren Freunden, die sich vielleicht später noch auf denselben Weg machen, mittheilen wollen. Und seien Sie versichert, daß wir in Haus und Herzen treue, redliche Deutsche bleiben! Der liebe Gott wird uns ja vor dem traurigen Geschick unserer Altvordern, das uns der gute Herr so schön erzählt hat, bewahren, er verläßt ja keinen braven Deutschen! Die schwarz roth-goldene Fahne aber wird auch drüben unser Dach zieren. Und sollte wieder einmal eine so böse Zeit kommen, wo sie in Deutschland nicht mehr, wie heute, öffentlich flattern darf, dann denken Sie daran, daß sie doch noch flattert und nimmermehr von der Erde verschwindet.“

Wir sagten Lebewohl; meinen Freund mußte ich aus der Gruppe der Frauen und Kinder abrufen, die ihn ganz umringt hielten. Es war ein Abschied, wie von uralten, lieben Bekannten. Lebt wohl! Lebt wohl!

„Aber nun, Liebster,“ bat ich meinen kunstreichen Freund, „jetzt den Stift heraus! Bis zur Station ist gerade noch Zeit genug, diese prächtigen Auswanderer sammt und sonders in Dein Skizzenbuch zu werfen.“ Und wahrlich, er that’s, und das Herz half ihm den Stift führen. Es ist ein liebes, köstliches Bild geworden, so schön wie die Erinnerung an das Zusammentreffen mit diesen braven deutschen Auswanderern auf dem Rhein. Als wir das Schiff bei Koblenz verließen, winkte unsers Künstlers neuester Freund ihm vom Gepäckhaufen noch einen fröhlichen Gruß mit dem Weinpokal zu. „So sollst Du auch gerade so verewigt werden,“ lachte mein Freund, und so war das Bild vollendet.

Es war ein langes Grüßen und Winken mit den Tüchern, als das Schiff dahinfuhr und bis es unsern Blicken entschwand. Den Rhein hinab – aus dem Vaterland! Ja, es ist ein Entschluß! Der Himmel gebe, daß Ihr glücklich drüben gelandet und fröhlich angewurzeli seid auf dem Boden Eurer neuen Heimath! Gott sei mit Euch!

Und nun kommt das Bildchen sammt der Erinnerung an Euch gar in die Gartenlaube! Ihr kennt ja dieses deutsche Blatt noch von daheim. Vielleicht kommt’s auch jetzt einmal in Eure Hände, denn wenn’s auch in Preußen verboten ist, so wird’s doch blos noch auf der ganzen Erde gehalten. Dann erinnert Euch Eurer beiden Friedensstörer auf Eurer Rheinfahrt in Liebe! Der deutschen Fahne aber wünschen wir, daß sie nicht in Eurem Walde ihre Zukunft zu suchen brauche, sondern feststehe und immer höher und mächtiger sich entfalte im lieben allen Vaterlande!
F. H.