Zwei Schriften des Dresdner Liederdichters Kaspar Füger

Ein Gedicht auf des Kurfürsten Moritz Tod Zwei Schriften des Dresdner Liederdichters Kaspar Füger (1895) von Georg Müller
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Dresdner Familienleben im Anfange des 19. Jahrhunderts
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Zwei Schriften des Dresdner Liederdichters Kaspar Füger.
Von Prof. Dr. Georg Müller.


Kaspar Füger bekleidete ungefähr ein halbes Jahrzehnt lang die Stellung eines Hofpredigers bei der Herzogin Katharina, der Wittwe Herzog Heinrichs des Frommen, die in Freiberg und Torgau Hof hielt. Als sie 1561 starb, lebte er, vom Kurfürsten August mit einem Gnadengehalte von 100 Thalern versehen, in Dresden. Ein Halsleiden scheint ihn gehindert zu haben, wieder ein geistliches Amt zu übernehmen. Er benutzte die Muße zur Herausgabe von Flugschriften über die herrschenden Tagesfragen. Als eifriger Vertheidiger der reinen Lehre wurde er zu schriftstellerischen und dichterischen Versuchen zu Ehren der Konkordienformel veranlaßt.

Auch die Herausgabe von Kalendern nahm er in die Hand. Sie enthielten als Zugabe Anweisungen zu täglicher Bibellektüre. Wir können es begreifen, wenn Kaspar Füger durch die Einführung des Gregorianischen Kalenders an den Grenzen Sachsens, in Böhmen und der Oberlausitz lebhaft aufgeregt wurde. Seiner Besorgniß giebt er Ausdruck in dem Schriftchen:

Nawe Zeittunge: Eines kurtzweiligen gesprechs: Zweyer Meißnischen Pawren, Von dem jetzigen newen des BapstsCalender, Das der Ostertag ist gehalten worden am Sontag Oculi. Anno 1584. Bremenses Asini clamabant Resurrexi, Cum Populus Dei cantarent Oculi mei. Des Bapsts Gesindt ihr Ostern beghan, Wenn wir Bawrn Oculi mei han. Auffs newe gebessert, vnd jetzt zum andern mahl in Druck vorfertiget. Autore C. F. – Am Schluß: Gedruckt in der Churfürstlichen Stadt Dreßden, durch Gimel Bergen, den 25.  Martij. ANNO M. D. LXXXIIII.

Das Schriftchen, das 8 Quartblätter umfaßt, enthält ein Gespräch zweier meißnischen Bauern, Pebel und Merten, die mit ihren Frauen, Marsa und Grete, in die Stadt gekommen sind und schönes Geld für ihre Produkte gelöst haben. Denn sie kennen nicht die Sorgen der modernen nothleidenden Landwirthschaft. Es ist ein gutes Jahr. Das Getreide ist gut gediehen und hat guten Preis. Die Unterhaltung beginnt:

Pebel.

Gevatter Meerten, Wa seit ihr so lange gewesen, das ich euch nicht gesehen, und in langer weile kein Kennichen Wein mit euch gezechet habe. Mein Gevatter, last uns mit einander jetzt zum Weine gehen, denn er schmeckt vermert wol, so können wir ihn auch itzo fein bezahlen, weil uns das Getreide so wol gilt, und alles, was wir nur in die Stad zu Marckte thun bringen, uns auch thewer gnug bezalet wirdt.

Merten.

Lieber Gevatter Pebel, es habesen sant Velten, ich gehe mit, und wage ein par Schreeckenberger dran, so meine Gretha heut für ein Kaphan gelöset, denn die Stedter fressen gerne gute Bissen, so trincken wir Bawren gerne guten Wein. Ists nicht war, lieber Gevatter Pebel? Ja er schmeckt auch meiner hertzlieben Grethen sehr wol.

Pebel.

Oho, die Weiber sauffen jetzt ja so gerne und sehr guten Wein als wir Menner, darumb dürffen sies uns auch nicht mehr fürwerffen, wenn wir, beide [222] Menner und Weiber, truncken und wol bezechet mit einander zur Stadt hinaus, nach dem Dorffe zu gehen. Aber wie kömpts doch, mein lieber Gevatter Meerten, das wir so lange nicht mit einander im Weine gezechet haben?

Merten.

Hertzlieber Gevatter, Ihr solt Wunder hören, was ich gehöret und gesehen, die Zeit über, weil ich aussen und nicht daheim gewesen.

Ich führete einen Man in das Landt zu Böhem, da kamen wir am vorgangenen Sontag in eine Stadt, da war Christus schon erstanden, sie hielten den Ostertag und trugen ihren Fladen Herr Gott umb die Kirchen, und assen die Leute schon die Osterfladen, und gute geweihete Schuldern, Eyer und anders. Nun wisset ihr, das es bey uns ist erst der ander Sontag in der Fasten, und das wir erst auff den nechst kommenden Sontag Mitfasten haben werden.

Das giebt nun den beiden Bauern Veranlassung zu mancherlei Erzählungen über Rom und den päpstlichen Hof. Aehnlich wie Lukas Cranach in seinen Bildern Christus in seiner Demuth und den Papst als weltlichen Herrscher gegenübergestellt hatte, wird auch hier das Auftreten des Papstes geschildert. Alles was Christus in seinem Evangelium befohlen habe, das gefalle dem Papste nicht, so stehe es auch mit dem neuen Kalender. „Christus ist in und nach dem alten Calender geboren, der Bapst fürcht, er möchte ihme zu rüsch wider kommen zum Gerichte, darumb hat er diesen Newen Caldanders (ich hette schir gesaget: Baldanders) gemacht, das sich Christus verirren sol, und nicht wissen, wo er daheim sey, wann er sein Gericht nu anstellen und darzu kommen sol.“

Merten fügt hinzu, die Leute würden ganz verwirrt und bestürzt über den Kalender, er mache Irrungen in weltlichen Händeln, in Verschreibungen, Historien, Jahrmärkten, Gerichten, Schifffahrten, Ackern, Pflügen und Säen, Unordnung in der Kirche, Neuerung an Fest- und Feiertagen und werde gantz und gar nichts gutes anrichten. Darauf antwortet

Pebel:

Was solt dieser Newer Caldanders gutes machen, weil man die Osterfladen so zu unrechter Zeit isset? Wie mügen sie doch nur einem außer der rechten Zeit schmecken? Ein jedes Ding hat seine Zeit, Eccle. 3.

Zu Ostern wann sie zu rechter zeit gehalten werden, schmecken am allerbesten die dicken Quarckfladen, und andere Osterfladen und Kuchen, Item, Schuldern und hart gesottene Eyer und Bratwürste mit den Schuldern gekochet.

Zu Pfingsten scheust man den Vogel ab und trincken wir unser Pfingstbier.

Auff Bartholomei schleichen wir den Vogeln nach, gehen mit der Eulen und stellen Vogel.

Umb Michaelis geben wir Zinse, und gehen die Kirmesse an, unser aller größte frewde und kurtzweil, alhie auff dieser Erden und trincken guten Most.

Auff Martini trincken wir den külen Wein und essen darzu feiste und wolgemeste Gense.

Auff Weihenachten schlachten wir die gemasteten Schweine, machen die Osterschuldern, essen die großen und andere Würste sampt den Christwecken oder Streusselen. Und so verzehren wir die Zeit das liebe lange Jahr und uns die Zeit.

Ja, was noch mehr ist, an unvernünfftigen Thieren. Helt doch der Storch seine Zeit, wenn er von uns weg fleuget, und wann er wider zu uns kömpt. Desgleichen die Schwalmen, und auch der Kuckuck, wann er anfenget und auffhöret zu kucken, Jerem. 8.

Warumb wolten wir denn nicht auch unsere alte, Zeit behalten, und uns nach dem alten Calender richten? Ja, auch das Viehe helt seine rechte Christnacht, und stehet in der alten, und nicht in der newen Christnacht, der Geburt Christi zu Ehren, in ihren Stellen auff.

Item, Es blühet darin auch die Christwurtzel, das Cappiskraut tregt Samen, etc.

Item, Es hat auch die Sonne ihre drey Sprünge, für Frewden der Aufferstehung Christi, noch nicht gethan, sondern wird sie erst thun, wenn sie des Morgens auff unsern frölichen Ostertag auffgehen wird.

Und wenn die Zeiten, lieber Gevatter Merten, so sollen geendert werden, wie köndten wir armen Pawren wissen, wenn wir Korn, Habern, Gersten, Wicken, Erbissen, Rüben, Lein, etc. sehen? Item, wenn wir Kraut stecken, Vogel stellen, Most oder Wein trincken, und gute Würste machen solten? Denn unsere alte Pawren Regeln lauten also:

See Korn Egidi,
Pflantze Kol Urbani,
Erbissen Gregorii,
Trage Sperber Sixti,
Trinck Wein Martini,
Gersten und Habern Benedicti,
See Rüben Kiliani,
Leinsamen Philippi Jacobi,
Fahe Fincken Bartholomei.
Mache Würste auff die Geburt Christi.

Pebel erklärt dann, gegen diese uralten mächtigen Gesetze könne der Papst nichts thun. „Der Bapst wird sichs zwar unterstehen, aber es wird ihm gehen, wie mirs gieng, da ich meine Marsen newlich genommen hatte, da wolt ich mich auch unterstehen Herre im Hause zu sein, und wolte meiner Frauen mit nichte unterthan sein. Aber hört, lieber Gevatter Meerten, wie mirs gelungen. . . . . . Ich kam heim und war truncken, schnurrete und purrete. Mein Marsa murret herwider, und schalt mich übel. Ich gedachts nicht zu leiden, und unterstund mich der Herrschafft, that als wolt ich sie schlagen. Aber sie ergreiff die Offengabel und wann ich nicht die Krücke erwischt, und damit versetzt [223] hette, worlich Gevatter, sie hette mir ein altes bey bringen und ein alt Klepgen anhengen sollen. Denn wie ihr wol wisset, es ist mit Gabeln nicht gut schertzen, sie haben viel Spitzen, sie machen auch viel Löcher. Seid dem hero habe ich meiner Marsen die Herrschafft gelassen, und ist mein Unterstehen, das ich mich unterstanden im Hause Herr zu sein, zu eitelem Rauch worden, und wie der Schnee vergangen. Also wird auch, lieber Gevatter Merten, des Bapsts Unterstehen, Zeit und Gesetz zu endern, auch zu Wasser werden und wie der Rauch vergehen... Marsa, du weist umb ein gut michel Theil wol darumb?

Marsa.

Ich weis ja wol darumb. Warumb solt ich mir lassen meine Herrschafft nemen, die mir meine Eltern gegeben. Vater und Mutter liessen mich leben, wie ich nur selber wolte, in meines Vaters Hause hette ich meinen eigenen Willen, den woltet ihr mir nemen. Ich hatte sowol zwo Feuste als ihr, und an jeder fünff Finger, ich werte mich billich, und trotz einem, der mich noch meinen Willen nemen und mich bezwingen sol, nach dem Sprichwort: Jung gewant, alt gethan. Mein Man mus auch nicht eher Herr im Hause sein, ich sey dann nicht daheime, echtwa in Mußken oder für den Sechswochen oder sonst im Bade.“

Merten hat auch gehört, daß die Fürsten im Reich und das gantze Deutschland, desgleichen Dänemark, Schweden, Schottland, England und die Schweiz nicht darein willigen wollen. Auch Bayern wollte der Unordnung und Verwirrung willen den neuen Kalender abschaffen. Dazu sollen gelehrte „Sterngucker“ dem Papst selbst unter Augen erklärt haben, der neue Caldander sei nicht recht, und stimme mit dem Lauf der Gestirne nicht überein.

Pebel wiederholt, der Papst könne die Welt nicht unter seine Herrschaft bekommen, wie er, ebenso sein Nachbar, sein Weib nicht zwingen könne. Marsa hat genug getrunken. Sie will nach Haus; er muß ihr folgen. So trollen sie, voll vom Weine, nach Haus.

Bietet das Gespräch manche humorvolle und drastische Scene aus dem Bauernleben des 16. Jahrhunderts, so fällt doch der grobe, bisweilen sogar rohe Ton auf, der freilich den Volksschriften jener Zeit vielfach eigen ist. Daß die Flugschrift Beifall fand, sieht man daraus, daß sie wieder aufgelegt wurde. Diese 2. Auflage ist neuerdings von der Stadtbibliothek erworben worden. Sie besitzt auch die 1592, im Todesjahre des Dichters, erschienene Schrift:

Der Sechs und viertzigster Psalm, mit kurtzen Fragstücken, zu dieser betrübten Zeit sehr tröstlich und nützlich zu lesen. Zu Trost und Wolgefallen aller betrübten Christen allhier zu Dreßden. Ausgelegt durch Caspar Fügern den ältern, Weiland der alten Herzog Heinrichin, S. G. Hofprediger.

Die Schrift bildete ursprünglich den Anhang zu des Verfassers Buche: Heinrich, Herzog zu Sachsen, der erste Evangelische Fürst in Meißen, und zeigt des Verfassers trübe Stimmung am Ende seines Lebens. Gott hat die Welt mit Krieg, Hunger und Theuerung, dann wieder mit Pestilenz und Sterben geschlagen. Sie gleicht dem Schifflein, das auf dem wilden, wüsten, ungestüm tobenden Meere von Winden, Bülgen und Wellen hin und her getrieben wird. Dazu kommen die Streitigkeiten über die reine Lehre, die die arme Kirche Christi bestürmen. Die Auseinandersetzungen wegen Abschaffung des Exorcismus waren eben vorausgegangen. In dieser Zeit, da der Türkenkrieg von außen, der kirchliche Zwist im Lande wüthet, tröstet Füger seine lieben Dresdner mit dem 46. Psalm und schließt mit Luthers Umdichtung des Psalms: Ein feste Burg ist unser Gott.

(Vergl. G. Müller, Kaspar Füger, Hofprediger der Herzogin Katharina von Sachsen, in der Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben, herausgegeb. von Chr. E. Luthardt. Jahrgang 1886, S. 518–531. – K. Held, Das Kreuzkantorat zu Dresden. Leipzig 1894. S. 31.)