Zur Einführung (DZfG)
Das Unternehmen, das mit diesem Hefte ins Leben tritt, hat seinen Ausgang genommen von dem Gedanken, für die „Forschungen zur deutschen Geschichte", deren Eingehen im Kreise deutscher Historiker vielfach beklagt worden ist, einen Ersatz zu schaffen. Von vornherein aber war klar, dass es sich nicht um eine einfache Wiederbelebung des einmal zu Grunde gegangenen handeln könne; denn, wenn auch zufällige Umstände das Ergebniss der Auflösung mit haben herbeiführen helfen, so durfte man sich doch nicht verhehlen, dass das alte Programm der Forschungen, denen der ruhmreiche Name eines Waitz und äussere Unterstützung im Kampfe ums Dasein zu statten gekommen war, nun, nachdem beides verloren gegangen, aus sich heraus keine ausreichende Lebensfähigkeit mehr besass, vielmehr einer recht erheblichen Umgestaltung bedurfte.
Nicht zweifelhaft konnte sein, dass diese Umgestaltung vornehmlich nach zwei Richtungen hin zu erfolgen habe und in beiden eine Erweiterung der Aufgaben bedinge. Das Arbeitsgebiet war von der deutschen auf allgemeine Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit auszudehnen; neben untersuchenden Aufsätzen aber mussten Mittel der Orientirung über die geschichtswissenschaftliche Literatur geboten werden.
Das Bedürfniss nach einem Organ für Forschungen, ausschliesslich zur deutschen Geschichte, ist entschieden verringert, nachdem während der letzten Jahrzehnte eine Reihe von Zeitschriften, die grosse Theile dieses Gebietes behandeln, ältere und neu geschaffene, sich aufs glücklichste entwickelt haben.
Geblieben aber, oder vielmehr gewachsen ist das Bedürfniss, den Zusammenhang mit der allgemeinen und ausserdeutschen [2] Geschichte und zugleich mit der auswärtigen Forschung zu pflegen. Die allgemeine Entwicklung der Geschichtswissenschaft bietet dem deutschen Historiker, sofern er überhaupt der ausserdeutschen Geschichte eingehendere Aufmerksamkeit schenkt, mehr Anlass als früher, in Specialuntersuchungen einzutreten, die sich zunächst an das fachgenössische Publicum wenden, und andererseits ist die fremde Forschung an vielen Punkten für die deutsche Geschichtswissenschaft in immer höherem Grade beachtenswerth geworden.
Die neue Zeitschrift überschreitet also nicht nur in Einzelfällen, wie es auch die Forschungen, so weit es ihr Titel irgend gestattete, wohl thaten, sondern grundsätzlich die Grenzen der deutschen Geschichte, und zieht die allgemeine und ausserdeutsche Geschichte mit in ihren Bereich.
Es sei gestattet, bei den Gesichtspunkten, die mit dieser Frage zusammenhängen, noch einen Augenblick zu verweilen.
Noch immer ist der Austausch der wissenschaftlichen Literatur zwischen den verschiedenen Völkern beschränkter, als man wünschen sollte, die gegenseitige Beachtung von Forschungsergebnissen von vielen Zufälligkeiten abhängig. Diesen Verkehr zu beleben und zu vertiefen wird sich die Zeitschrift besonders angelegen sein lassen, und, indem sie damit das schöne Vorrecht der Wissenschaft ausübt, unbekümmert um politische Gegensätze, in weltbürgerlichem Sinne zu wirken, wird sie zugleich vom nationalen Standpunkt aus die eigentlichen Fachinteressen zu fördern suchen.
Durch Anknüpfung von Beziehungen im Auslande, durch zweckmässige Uebersichten über die Literatur zur vaterländischen Geschichte hofft sie der Verbreitung deutscher Forschung in der Fremde Dienste zu leisten, und andererseits möchte sie das Ihrige dazu thun, um der heimischen Wissenschaft befruchtende Anregung aus dem Auslande zuzuführen.
Es ist vielleicht die Beobachtung nicht unbegründet, dass häufiger als wünschenswerth im Kreise unserer Fachgenossen deutsche Geschichte und deutsche Forschung ausschliessliche Beachtung finden. Die Gefahren, die auf diesem Wege liegen, Schiefe der Auffassung, Beschränktheit des Standpunktes, sind offenkundig; es sind die Gefahren, die jeder weitgehenden Specialisirung anhaften. Klagen über fortwährende Zunahme dieser Erscheinung erschallen ja überall und laut genug. Die nothwendige und berechtigte [3] Entwicklung aufzuhalten, wäre vergebliches Bemühen; es wird vielmehr darauf ankommen, ihr Gegengewichte zu bieten, und in dieser Hinsicht wird eine Zeitschrift, so sehr man auch die Hoffnungen verständigerweise herabstimmen mag, immerhin manches thun können.
Erwägungen ähnlicher Art würden allerdings dazu führen müssen, der alten Geschichte volle Berücksichtigung zu Theil werden zu lassen. Die tiefgehende Verschiedenheit des Materials hat aber einerseits schon zu einer fast vollständigen Trennung der Studien und andererseits zu einer so engen Verbindung des alten Historikers mit den Philologen und Archäologen geführt, dass es ein ganz aussichtsloses Bemühen wäre, eine Fachzeitschrift zu schaffen, die beide Theile zugleich befriedigte. Die Specialforschung des Einen würde von dem Andern einfach als Ballast empfunden werden. So müssen wir denn von vorn herein darauf verzichten, dem alten Historiker eigentliches Fachorgan zu sein, und müssen uns darauf beschränken, den wünschenswerthen Zusammenhang der Forschung, soweit möglich, durch orientirende Artikel und gelegentliche Notizen zu wahren.
Eine ähnliche Abgrenzung muss auch gegenüber jenen geschichtlichen Studien stattfinden, welche besondere Seiten der Culturentwicklung behandeln und sich als selbständige Wissenschaften von der Geschichte im engeren Sinne abgezweigt haben, wie Kirchen-, Rechts- und Wirthschafts-, Literatur- und Kunst-Geschichte. Bei aller Anerkennung der Thatsache, dass erst der Zusammenhang aller Entwicklungsreihen die Geschichte, erst das Ganze all’ dieser Forschungen die Geschichtswissenschaft ausmacht, und dass die politische Geschichte mit einer gewissen Ueberhebung ihren beisatzlosen Titel führt, muss eine geschichtliche Fachzeitschrift, so sehr sie auf das Allgemeine hinstreben möchte, sich doch bescheiden und ihre Kraft in engeren Grenzen zusammenfassen.
Die politische Geschichte, zu deren Pflege also diese Zeitschrift bestimmt ist, wird aber im weitesten Sinne des Wortes zu verstehen sein. Die politischen Ideen, die allgemeinen gesellschaftlichen Zustände und wirthschaftlichen Verhältnisse, soweit sie das politische Leben beeinflussen, die Zusammenhänge des Staatslebens mit Recht und Religion, Kunst und Bildung, sie alle fallen in ihren Bereich, und so aufgefasst, darf sie wohl behaupten, [4] in den innigsten Beziehungen zu allen übrigen geschichtlichen Disciplinen und recht eigentlich im Mittelpunkte der Geschichtswissenschaft zu stehen. Wie nirgends mehr als im Staatsleben die verschiedenen Interessenkreise sich berühren und durchdringen, so kommt auch das Ganze der geschichtlichen Entwicklung, wenn auch nur in seinen Beziehungen zum Staate und unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, in der politischen Geschichte mehr als irgendwo anders zur Geltung. Demgemäss wird diese Zeitschrift, wenn sie bei dem heutigen Stande der Dinge auch unumwunden darauf verzichten muss, die verwandten Wissenschaften in ihren besonderen Zielen zu verfolgen und zu fördern, mit ihnen allen doch wichtige Grenzgebiete gemeinsam haben.
Desshalb wird es nicht eine nur äusserliche Verbindung sein, wenn es unternommen werden soll, die Aufmerksamkeit in dieser Zeitschrift auch auf allgemeinere Fragen, auf Geschichte, Methode und Aufgaben der Geschichtswissenschaft zu lenken, ja gerade dieses vielfach vernachlässigte Gebiet mit besonderer Vorliebe zu pflegen. Der stolze Name, mit dem die Zeitschrift auf den Plan tritt, wird ihr, wenn es ihr gelingt, diesen Aufgaben einigermassen gerecht zu werden, nicht als Anmassung ausgelegt werden dürfen.
Hat sich die Aufgabe dieser Zeitschrift mit der Ausdehnung von der deutschen auf allgemeine Geschichte schon erheblich von dem Ausgangspunkt entfernt, so muss dazu doch, wie schon angedeutet, noch eine zweite Erweiterung treten. Neben den Aufsätzen, welche selbständige neue Forschungsergebnisse bringen, sollen Hilfsmittel dargeboten werden, welche über den Fortgang unserer Wissenschaft im Ganzen, über die neuen Erscheinungen der Geschichtsliteratur rasch und in gewissen Grenzen zuverlässig unterrichten.
In dieser Beziehung stehen wir augenblicklich in Deutschland offenbar hinter anderen Völkern, insbesondere hinter unseren westlichen Nachbarn zurück. Doch soll nicht etwa ein fremdes Muster hier einfach abgeschrieben, die Aufgabe vielmehr in eigenthümlicher Weise mit einer durch die bestehenden Verhältnisse gebotenen Beschränkung angefasst werden.
An Referaten und Recensionen ist im Allgemeinen in unserer Geschichtsliteratur kein Mangel; ihnen eine neue Stelle zu eröffnen, sie in breiter Masse zuströmen zu lassen und dadurch auch [5] bestehenden Organen Concurrenz zu machen, schien nicht wünschenswerth; wenigstens aus dem Bereich der deutschen Geschichte sollen nur eingehendere Besprechungen, die auf eigener Forschung ruhen, in geringer Zahl Aufnahme finden.
Die Uebersicht über die Literatur wird zweckmässig die deutsche Geschichte von der übrigen sondern. Für jene muss es möglich sein, das Ziel einer vollständigen zweckmässig eingerichteten und rasch erscheinenden wissenschaftlichen Bibliographie zu erreichen. Die Beziehungen der deutschen zur allgemeinen Geschichte sind dabei natürlich nicht zu vernachlässigen, gegen die deutsche Territorial- und Localgeschichte ist eine, freilich nicht ganz scharf bestimmbare Grenze zu ziehen. Die Specialliteratur dieser Art zusammenzustellen ist eine Aufgabe unserer Provinzialzeitschriften, die ihnen hier unmöglich abgenommen werden kann.
Was sich für Deutschland in Deutschland erreichen lässt auch für das Ausland anzustreben, wäre, im Rahmen einer Zeitschrift wenigstens, ein Unding. Das Bedürfniss, dem hier genügt werden soll, ist auch anders geartet. Während für Deutschland innerhalb der bezeichneten Grenzen unbedingte Vollständigkeit gepaart mit Schnelligkeit zu fordern ist, es aber nicht viel mehr als der blossen Titel bedarf, da sich andere Möglichkeiten zu näherer und bequemer Kenntnissnahme genügend bieten, ist für das Ausland eine solche Vollständigkeit und gleichmässige Raschheit weder erreichbar noch nothwendig; statt dessen jedoch kommt es hier darauf an, das Wichtigste aus der Menge hervorzuheben, dem Einzelnen seine Stelle anzuweisen, ein Bild des wissenschaftlichen Lebens zu geben, das dem deutschen Leser ferner steht und das er sich nicht aus den Mosaiksteinchen einer Bibliographie zusammensetzen kann. Das soll wenn möglich geschehen theils in zusammenfassenden Berichten, die also nicht zum Nachschlagen, sondern zum Lesen bestimmt sind, nicht erschöpfend, sondern nur übersichtlich sein sollen, oder auch in Einzelbesprechungen hervorstechender Erscheinungen nach Auswahl der Berichterstatter, theils in vereinzelten mehr bibliographischen Notizen. Der Persönlichkeit der Mitarbeiter wird darin ein ziemlich weiter Spielraum gelassen werden müssen.
Mit den eben erwähnten Literaturnotizen werden sich andere kleine Mittheilungen der verschiedensten Art verbinden. Auch [6] für den Abdruck kleiner Quellenstücke bietet sich hier Platz, während Editionen grösseren Umfangs ausser etwa in der Form von Beilagen zu Abhandlungen völlig ausgeschlossen sein sollen. Für kleine Beobachtungen, wie sie jeder Fachgenosse wohl gleichsam im Vorbeigehen macht, ohne in grösseren Arbeiten dafür Verwerthung zu haben, soll hier zum allgemeinen Nutzen eine Stätte eröffnet werden, und allerhand sonst, was zu wissen für Fachgenossen von Interesse sein kann, soll sich daran anschliessen.
Es liegt in der Natur der Dinge, dass diese beiden Abtheilungen der Zeitschrift, die Literaturberichte und die kleinen Mittheilungen, besondere Schwierigkeiten bieten, und sich erst allmählig entwickeln können. Bei Beginn des Unternehmens können sie sich kaum in den allerersten Anfängen zeigen, und noch weiterhin werden sie auf Nachsicht rechnen müssen, am Schluss des Jahres aber doch hoffentlich so weit gefördert sein, dass man sehen wird, was beabsichtigt ist und wie es erreicht werden kann.
Den Ausgangspunkt für die Berichterstattung über auswärtige Literatur soll im Allgemeinen der Januar 1889 bilden, während die Bibliographie der deutschen Geschichte, im Anschluss an den Jahrgang 1887 der wieder eingegangenen Bibliotheca historica bis zum 1. Januar 1888 und manchmal noch darüber hinaus zurückgreifen wird. Da die Bearbeitung dieser Bibliographie erst sehr spät in Angriff genommen werden konnte, musste freilich darauf verzichtet werden, für 1888 ganz dasselbe zu erreichen, was künftig geleistet werden soll; doch wird hoffentlich, was hier geboten wird, schon brauchbar befunden werden.
Unablässige Vervollkommnung in wissenschaftlicher und praktischer Beziehung wird naturgemäss gerade für diese Abtheilungen des berichterstattenden Theiles die Sorge der Redaction sein müssen. Dabei wird sich gewiss manches anders gestalten, als es jetzt geplant ist; nur die Ziele im Grossen sollen feststehen, die Mittel nicht eigensinnig vorherbestimmt, sondern der Erfahrung abgelernt werden.
Es ist nun allerdings nicht zu leugnen, dass die Zeitschrift mit einem so erweiterten Programm in sehr viel höherem Grade, als die Forschungen es thaten, in Wettbewerb mit anderen schon bestehenden Unternehmungen tritt. Doch wenn sich das, was [7] hier beabsichtigt wird, auch vielfach mit dem Wirkungskreis anderer Organe berührt, so ist es doch eigenartig genug von allen verschieden, die Bedürfnisse, denen abgeholfen werden soll, sind zum Theil so offenkundige und, wie die Zustimmung weiter Kreise zeigt, so vielfach empfundene, dass das neue Blatt wohl hoffen darf, in durchaus gesundem und berechtigtem Wettbewerb sich seine Stellung neben den alten zu gewinnen, ohne einen dem Gesammtinteresse schädlichen Kampf ums Dasein mit ihnen zu beginnen.
Es wird nicht nöthig sein, noch im Einzelnen zu zeigen, wie sich die neue Zeitschrift von ihren älteren Genossinnen unterscheidet. Um den Charakter des Unternehmens vollends klar zu legen, scheint es indessen geboten, im Folgenden noch auf einige in den bisherigen Erörterungen nicht berührte Fragen einzugehen.
Als Publicum der Zeitschrift sind vorzugsweise Leser gedacht, welche geschichtswissenschaftliche Vorbildung und fachgenössische Interessen haben. Zwar sollen nicht die Specialitäten gepflegt werden, und es wird hoffentlich auch mancher Nichtfachmann an vielem, was die Zeitschrift bringt, Antheil nehmen; aber die besonderen Bedürfnisse des grösseren gebildeten und geschichtlich interessirten Publicums sollen für die Auswahl und Bearbeitung des Stoffes nicht massgebend werden.
Gemäss der oben entwickelten Aufgabe der Zeitschrift sollen die sogenannten Hilfswissenschaften, soweit nicht unmittelbare Beziehungen zur politischen Geschichte gegeben sind, zurücktreten, ohne dass es die Absicht sein könnte, eine ganz scharfe Grenze zu ziehen. Ebenso gehören Editionen und Editionsvorarbeiten im Allgemeinen nicht in ihren Bereich, und reine Quellenuntersuchungen ausser näherem Zusammenhang mit Aufgaben der politischen Geschichte werden auch schon auf der Grenze ihres Arbeitsgebietes liegen.
Gänzlich fern bleiben soll der Zeitschrift jede Vermischung mit irgendwelchen nicht rein wissenschaftlichen Bestrebungen.
Nahe genug liegen der Geschichte vielfach die Beziehungen zur Gegenwart und zu den allgemeinen politischen Fragen, die heute, wie vor Jahrhunderten, die alten Gegensätze aufrühren und allezeit wegen ihrer innigen Verbindung mit der gesammten Welt- und Lebensauffassung, mit dem innersten ethischen Kern menschlichen Wesens so schwer ohne Leidenschaft behandelt werden [8] konnten. So unbedingt durch Anerkennung dieser Thatsache eine gewisse Verbindung zwischen dem Leben der Gegenwart und der Geschichtswissenschaft zugestanden wird, so entschieden liegt darin zugleich die Mahnung, wie gefährlich dieselbe doch auch der letzteren ist und wie schwere Aufgaben dadurch dem einzelnen Forscher gestellt werden.
Dürfen wir behaupten, dass in dieser Beziehung bei uns alles zum Besten bestellt ist? Es könnte vielmehr scheinen, als seien die Beziehungen zwischen Geschichtswissenschaft und Tagespolitik vielfach zu einer gefährlichen Intimität entwickelt. In der Natur der Sache liegt es, dass dabei die mächtigeren Strömungen des Tages am meisten hervortreten und die charakteristischsten Beispiele bieten. Das Bedenkliche in der Verbindung kirchlicher Politik mit Geschichtsforschung wird auch von vielen besonnenen Vertretern dieser Richtung nicht geleugnet, und andererseits ist es dem Wesen wissenschaftlicher Forschung nicht minder zuwider, wenn etwa eine sonst streng wissenschaftlich gehaltene Abhandlung über einen mittelalterlichen Chronisten in eine persönlich zugespitzte Verherrlichung gegenwärtiger Zustände ausläuft.
Auch auf unser Zeitschriftenwesen erstrecken sich diese Beziehungen; einige der allgemeineren Organe unserer Wissenschaft vertreten, zum Theil ausgesprochenermassen, zum Theil in mehr zurückhaltender Weise bestimmte politische Richtungen. Eine Zeitschrift aber als solche wird, was der Einzelne kaum vermag, völlig parteilos sein können, und der ehrliche Versuch dazu soll hier gemacht werden.
Es gilt hier lediglich die Förderung der historischen Forschung, der Wahrheit um der Wahrheit willen, unbekümmert, wem zu Leid und wem zu Freud, in voller Unabhängigkeit von jeglicher Parteirichtung. Die entgegengesetzten Auffassungen werden sich, soweit sie sich an den gegebenen historischen Stoff halten, frei äussern können; das äusserliche Hineintragen der Tagespolitik in die Forschung aber wird streng zu verpönen sein, einerlei von welcher Seite es auch kommen mag, und soweit die Redaction als solche zum Wort gelangt, wird sie sich in allem, was dieses Gebiet berührt, äusserster Zurückhaltung befleissigen. Es geschieht, um die Wissenschaft frei zu halten von schädigenden Nebenrücksichten; zugleich wird dadurch auch die Möglichkeit [9] der Verständigung gefördert zwischen denen, die sich überhaupt verständigen wollen.
Dass die Zeitschrift sich auch in wissenschaftlicher Beziehung in vollster Unabhängigkeit von jeder einseitigen Richtung, ausser Zusammenhang mit irgend einer „Schule“, frei von persönlichen Einflüssen behaupten solle, war ein Hauptgedanke bei der Erörterung des Planes. Zeitweilig bestand die Absicht, diesem Gedanken und überhaupt dem ganzen Programm der Zeitschrift Ausdruck zu geben durch Bildung einer Art von Redactionsausschusses; doch wurde schliesslich davon abgesehen, da vielleicht gerade das Gegentheil erreicht wäre und das neue Unternehmen als das Organ eines bestimmten mehr oder minder geschlossenen Kreises erschienen wäre, was es nun und nimmer sein und werden soll.
So hat denn der Herausgeber allein die Verantwortung auf sich genommen, in dem vollen Bewusstsein, die Berechtigung dazu erst erweisen zu müssen und ohne wohlwollende Unterstützung der Fachgenossen ihr nicht entfernt gewachsen zu sein. Das Vertrauen, diese Unterstützung zu finden, und die Ueberzeugung, eine Aufgabe von dringendem Allgemeininteresse zu ergreifen, für die doch aus naheliegenden Gründen nicht so leicht ein Anderer eintreten wird, haben den Muth gegeben, das Wagniss zu beginnen.
Rom, 18. October 1888.