Ein Menschenalter Florentinischer Geschichte (1250–1292)

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Autor: Otto Hartwig
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Titel: Ein Menschenalter Florentinischer Geschichte (1250–1292)
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 1 (1889), S. 11–48; Bd. 2 (1889), S. 38–96; Bd. 5 (1891), S. 70–120, 241–300.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1889–1891
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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Quelle: Scans auf Commons
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[11]
Ein Menschenalter Florentinischer Geschichte.
(1250–1292.)
Von
O. Hartwig.


Auf diesen Blättern soll die Geschichte von Florenz von der Aufrichtung der ersten Volksgemeinde (popolo vecchio) bis zur Vertilgung jeglichen legitimen Einflusses des Adels auf die Leitung des Gemeinwesens durch die „Ordnungen der Gerechtigkeit“ nicht in allen ihren Einzelheiten erzählt werden, wohl aber will ich auf Grund von Detailforschungen versuchen, die Ursprünge und Wendungen der treibenden Kräfte zur Darstellung zu bringen, welche trotz aller Anfechtungen von Aussen und aller inneren Spaltungen doch folgerichtig im Verlaufe eines Menschenalters für die gesammte nachfolgende Entwicklung der Stadt die sichere Bahn bereitet haben.


I.

Ein Jahrhundert war nöthig gewesen, um nach dem Tode der Markgräfin Mathilde von Tuscien (1115) die unbedeutende unfreie Landstadt des mittleren Arnothales in eine kräftig emporblühende Comune, welche sich in den Besitz aller Grafschaftsrechte gesetzt und eigene Statuten gegeben hatte, umzuwandeln. Nicht am Meere gelegen, und desshalb nicht der Vortheile theilhaftig, welche die seefahrenden Städte Ober- und Mittelitaliens seit dem Beginne der Kreuzzüge aus dem gesteigerten Handels- und See-Verkehre auf dem Mittelmeere errungen hatten, von den Gebieten alter, reicher oder kräftig emporstrebender Comunen und mächtiger Dynastengeschlechter eingeschlossen, dazu nicht von einer überaus fruchtbaren Landschaft [12] umgeben, hatte sich Florenz doch gegen die deutsche Reichsgewalt und deren Bundesgenossen von Aussen und im Inneren in wechselvollem Ringen zur Selbständigkeit emporgekämpft. Die Stadt liess sich 1218 nach dem Tode Otto’s IV. von allen Bewohnern der Grafschaft Treue schwören, und Kaiser Friedrich II. hat trotz aller Gegnerschaft gegen sie nie das schon mehrmals bei ihr misslungene Verfahren wiederholt, ihr die Grafschaftsrechte abzuerkennen, sondern nur versucht, sich der Comune durch seine Podestaten zu versichern. Beweist schon die Thatsache, dass Florenz sich nach dem Tode Kaiser Heinrichs VI. zur factischen Führung des gegen alle Reichsrechte gerichteten tuscischen Bundes, in welchem Lucca, der Hauptstadt der Markgrafschaft, nur Ehren halber die erste Rolle eingeräumt war, aufschwingen konnte, unzweideutig, dass sich die materielle Macht des kleinen Staatswesens bedeutend gekräftigt hatte, so sind die siegreichen Feldzüge, welche es gegen die kaiserlich gesinnten, waffentüchtigen und reichen Städte, wie Siena und Pisa, in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bestand, die vollgültigsten Zeugen hierfür. Wäre Florenz nicht durch innere Parteiungen, die Kämpfe zweier mächtiger Adelsfractionen, deren Namen noch heute nicht verklungen sind, geschwächt gewesen, so würde es Kaiser Friedrich II. schwerlich gelungen sein, der Stadt seine Podestaten vorzusetzen. Konnten sich dieselben doch nur mühsam dort behaupten, und zeigt die Aufrichtung der ersten Volksgemeinde, welche sich vor dem Tode des Kaisers vollzog, es zur Genüge, auf wie schwachen Grundlagen seine Macht ruhte.

Schon die älteren Chronisten von Florenz empfanden das Bedürfniss, dieses mächtige Emporkommen ihrer Stadt zu erklären[WS 1]. Nach dem Pseudo-Malispini soll die Stadt unter der Constellation des Mars und des Widders gegründet sein; da der Widder Handel bedeute und der Planet Mars den Krieg, so sei es klar, warum Florenz durch seine kriegerischen Thaten und durch seine Handelsgeschäfte sich zu seiner Grösse emporgeschwungen habe. Villani erklärt den Namen Fiorenza als gleichbedeutend mit spada fiorita, offenbar anspielend auf seine durch das Schwert begründete Blüthe. Dass die Florentiner als echte Söhne Roms sich durch Tapferkeit und Ehrgefühl hervorzuthun hätten und von ihren Feinden zu respectiren seien, klingt aus [13] den Reden und Schreiben hervor, mit denen der älteste Chronist von Florenz, der Judex Sanzanome, seine Nachrichten geschmückt hat[1]. Ohne grosse Tapferkeit und hervorragendes Kriegsgeschick seiner ältesten Bürger ist in der That das Emporkommen von Florenz nicht denkbar. Ob aber diese Tugenden sich nicht, ganz im Gegensatz zu den in der ältesten florentinischen Historiographie verbreiteten Anschauungen, viel wahrscheinlicher als Erbgüter der um das Haus ihres Schutzpatrons ganz besonders zahlreich angesiedelten altadlichen Familien langobardischen Ursprungs, oder vielmehr als eine Folge der wie überall so auch hier sich für ihre Nachkommenschaft als besonders vortheilhaft erweisenden glücklichen Verschmelzung zweier Racen werden erklären lassen, dürfte für den Unbefangenen kaum zweifelhaft sein. Die Cattani Lombardi Villanis, die auf den Burgen der Florenz umgebenden Höhen sassen und von der Stadt gezwungen wurden, sich innerhalb der Mauern niederzulassen, waren, wie zahlreiche seit Alters in der Stadt ansässige Geschlechter sicherlich germanischen Ursprungs, und man glaubt eine Erinnerung an die Stammesverschiedenheit der ältesten Bevölkerung der Stadt vor sich zu haben, wenn die Stammbäume der vornehmsten Familien der Stadt bald auf Catilina bald auf vornehme sächsische [14] Barone zurückgeführt werden[2]. Einer anderen Auffassung der in Florenz stattgehabten Vermischung verschiedener Bevölkerungselemente huldigt bekanntlich Dante, der ja von der Durchsetzung der guten alten Bürgerschaft der Stadt mit den neuen zugezogenen Bewohnern der Grafschaft die blutigen Parteiungen der Stadt und alles Unheil, das über sie kam, ableitet. Aber man wird, wenn es unzweifelhaft richtig ist, dass dies rasche Emporkommen der Stadt eine Folge der kriegerischen Tüchtigkeit ihres Adels, nicht minder aber auch des kaufmännischen Talentes des Theiles der Bürgerschaft war, welcher sich, wenn auch keineswegs ausschliesslich, so doch grösstentheils aus den zugezogenen Elementen recrutirte, Dante hierin Unrecht geben müssen, und gerade in der lebhaften Reibung und Vermischung der beiden auf verschiedenen ethnischen und socialen Grundlagen ruhenden Bevölkerungsschichten der Stadt die Ursache ihres Emporblühens und der Schöpfung ihrer Cultur zu suchen haben, – eine Auffassung der Entwicklung der Stadt, die ja auch insofern die Machiavelli’s ist, als er das Sinken der Comune von der gewaltsamen Ausscheidung des Adels aus ihr ableitete.

Und wenn man sich die weitere Frage vorlegt, wie es gekommen sein möge, dass sich gerade diese kleine nach Norden und Osten von hohen, theilweise unwegsamen Gebirgen umgebene, in einer sumpfigen Niederung gelegene Landstadt, die in der Zusammensetzung ihrer Bevölkerung sich im Wesentlichen doch nicht von vielen italienischen Comunen unterschied, zu einem der ersten Industrie- und Geldplätze des Mittelalters habe aufschwingen können, so lässt sich auch hierfür manches zur Erklärung beibringen. Die Grafschaft Florenz war im frühen Mittelalter so wenig eine „üppige“ Landschaft, wie einst Attika. Ihre Kornkammer, die Fluren von Empoli, kam erst gegen den Ausgang des 12. Jahrhunderts in den Besitz der Comune. Von früher Zeit an waren daher ihre Bewohner auf anstrengende Arbeit angewiesen und gezwungen, sich bei steigender Volkszahl nicht mit dem Landbau zu begnügen. Nach zwei Richtungen hin konnte sich ihr Thätigkeitstrieb entwickeln. Die Anknüpfungspunkte dazu befanden sich, so zu sagen, vor ihren Thoren.

War Florenz auch eine Binnenstadt, so lag doch kaum einige [15] Tagereisen am damals wasserreichen Arnostrome abwärts eine der ersten Seestädte des Mittelalters. Die Flotte von Pisa, die den Kreuzfahrern gedient und zum Schrecken der Ungläubigen von Sicilien bis zu den Balearen geworden war, hatte die Handelsthätigkeit gehoben. Die Florentiner, welche nach ihrer eigenen Tradition im Anfange des 12. Jahrhunderts Bundesgenossen der Pisaner bei den Kriegszügen gegen die Balearen gewesen waren, bedienten sich für ihren Handelsverkehr vorzugsweise Pisaner Schiffe und gaben in überseeischen Plätzen, an denen man die Flagge von Pisa kannte, während man von Florenz noch nichts wusste, bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts trotz alles heimischen Haders, sich für Pisaner aus[3]. Auch nach Accon, der wichtigsten Handelsstadt Syriens, waren die Florentiner im Gefolge der Pisaner gekommen, und als im Jahre 1291 diese Stadt in die Hände der Ungläubigen fiel, machte das grosse Banquierhaus der Peruzzi glänzende Gewinne, da bedeutende Summen, die ihm von Bewohnern Accons anvertraut waren, von den bei der Belagerung und Eroberung der Stadt Umgekommenen nicht mehr eingefordert wurden[4]. Aber wie hätten die Florentiner sich des Pisanischen Handelsverkehrs mit gutem Erfolge bedienen können, wenn sie nicht selbst eigene Waaren zu verladen gehabt hätten? Doch diese besassen sie eben.

Nicht weiter als Pisa von Florenz entfernt liegt Lucca, die Hauptstadt der Markgrafschaft von Tuscien, ein Sitz alter Cultur und wichtiger Industriezweige. Hier war die Wollenweberei schon im 9. Jahrhundert heimisch gewesen und die Verarbeitung der Seide nicht unbekannt geblieben. Von Lucca aus kann Florenz schon früh die Kenntniss der Bereitung wollener Stoffe erhalten haben, und dass es schon im 11. Jahrhundert Lucca Concurrenz machte, beweist die Thatsache, dass Kaiser Heinrich IV. in dem grossen Privileg für Lucca vom 23. Juni 1081 die Florentiner von den Handelsvortheilen ausdrücklich ausschloss, die er den Lucchesen in einigen oberitalischen Städten einräumte[5]. Thatsache [16] ist, dass im 12. Jahrhundert die Zunft der Wollenzeugweber nicht nur in Florenz in Blüthe stand, sondern schon als eine politische Corporation unter den übrigen sieben höheren Zünften Staatsverträge abschloss[6]. Ob schon damals die in der Reihe der Zünfte zweite Gilde, die Arte di Calimala, die Kaufmannszunft, welche sich im 13. und 14. Jahrhundert fast ausschliesslich aus den Händlern mit importirten nordischen Wollenstoffen, die in Florenz ein Veredlungsverfahren durchzumachen hatten, zusammensetzte, bestand, möchte ich bezweifeln. Denn in der Verpflanzung dieses Veredlungsverfahrens nach Florenz möchte ich das vornehmste Verdienst suchen, das sich der erst 1239 in Florenz auftretende Humiliatenorden um die Wollenmanufactur erworben hat. Denn dass sich dieser hier wirklich um die Förderung der Wollenindustrie sehr verdient gemacht hat, haben die Florentiner selbst 1250 urkundlich bekannt[7]. Die Humiliaten, welche schliesslich vor dem Westthore der Stadt, in der Umgebung der Kirche von Ogni Santi ihre Fabriken und Tuchrahmen aufgeschlagen hatten, waren hier dem Mugnonebache, dessen kaltes Wasser vorzugsweise zur Wollwäsche benutzt wurde[8], am nächsten.

Aber kaum würden die Florentiner die Wollenzeugfabrikation so schwunghaft haben betreiben können, wie wir dieses für die Mitte des 13. Jahrhunderts vorauszusetzen haben[9], wenn sie nicht im Besitze grosser Geldmittel gewesen wären. Diese aber standen ihnen auch zur Verfügung. Der Industrie drängte sich hier das Kapital fast ungerufen auf.

Die Finanzgeschichte der römischen Curie im Mittelalter ist noch nicht geschrieben. Wer sie uns geben würde, würde damit uns sicher das Verständniss vieler Vorgänge der mittelalterlichen Geschichte, die jetzt nur schattenhaft an uns vorüberziehen, [17] erschliessen. Wir wissen nur im Allgemeinen, dass seit dem 11. Jahrhundert der Curie immer grössere Einnahmen aus allen Ländern der Christenheit zuflossen und Rom das Centrum eines grossen Geldverkehrs war.

Wo aber in dem geldarmen Mittelalter baare Münze zusammenfloss, da bedurfte man mehr als heutigen Tages der Wechsler (campsores), und in Rom der Mittelsmänner, die in fernen Ländern den Zehnten, den Peterspfennig, die Palliengelder und dergl. eintrieben und ablieferten. Wurden dazu auch vielfach Cleriker verwendet, so waren doch diese nicht so geschickt wie Kaufleute, welche in diesen Ländern mit dem für die Curie eingezogenen Gelde Waaren kauften und in Rom dann von ihrem Hause in der Heimath die fällige Summe auszahlen liessen. Konnten die der Curie in der Ferne Verpflichteten nicht zahlen, so streckten die italienischen Geldleute die Summen wohl gegen hohe Zinsen, oder, als später das Zinsverbot durchgesetzt war, gegen eine reichliche Donation vor. So waren namentlich in England, und hier besonders seit der unwürdigen Unterwerfung Johanns ohne Land unter den Willen von Innocenz III., die Agenten der Curie thätig und wussten sich dem stets geldbedürftigen Hofe und den reichen Klöstern, denen sie den wichtigsten Ausfuhrartikel der Insel, die Wolle, abnahmen, unentbehrlich zu machen.

Es ist nicht festzustellen, in welcher Zeit die erste Verbindung der Curie mit den Florentiner Geldwechslern geknüpft worden ist. Da die Stadt seit den Zeiten Heinrichs IV. mit nur ganz verschwindenden Unterbrechungen stets auf Seiten des Papstthums gestanden hatte, zu dem sie ihre Traditionen und der religiöse, leicht in Fanatismus ausartende Sinn ihrer Bewohner[10], sowie ihr politischer Vortheil zogen, haben die Päpste sich wohl besonders gern der Florentiner als ihrer Agenten bedient. Und doch scheint es fast, als wären sie auch hierin erst die Nachfolger der Sienesen und Lucchesen geworden. Wenigstens können wir unseres Wissens keine so frühe Verbindung der Curie mit einem Florentiner Geldhause nachweisen, als z. B. mit den Sieneser Buonsignori. Selbst im 13. Jahrhundert noch finden wir, dass anfänglich lucchesische, sienesische, pistojesische Banquiers in England mehr Geldgeschäfte machen als Florentiner Häuser, die sie [18] freilich dann vom Ausgange des 13. Jahrhunderts an weit überflügeln[11]. Und doch gab es schon im Anfang des 13. Jahrhunderts in Florenz nicht unbedeutende Handelshäuser. Als die Compagnie der Scali, Amieri und Petri Söhne 1326 mit Passiven von mehr als 400 000 Goldgulden fallirte, bemerkt der in diesen Dingen wohlunterrichtete G. Villani, die Gesellschaft habe schon länger als 120 Jahre bestanden[12]. Das Uebergewicht aber, das die Florentiner in allen Geldgeschäften über ihre Concurrenten, etwa von der Mitte des 13. Jahrhunderts an, gewannen, ist die Folge von dem Emporblühen der durch die Humiliaten geförderten Wollenindustrie in der Stadt und einer grossen handelspolitischen Manipulation, welche uns den ganzen Scharfblick und das materielle Können der Kaufmannschaft dieser Stadt ins vollste Licht setzt.

Die Münznöthe des Mittelalters sind bekannt genug. Die Mannigfaltigkeit der Geldsorten, ihre Fälschungen und Verschlechterungen bilden den Gegenstand ungezählter Klagen. In Ober- und Mittelitalien gab es im frühen Mittelalter besonders zwei Münzstätten, die von Pavia für das westliche Oberitalien, die von Lucca für Tuscien[13]. Die lucchesischen Münzen wurden im 12. Jahrhundert jedoch durch Nachprägung von den Pisanern arg geschädigt, obwohl Kaiser Friedrich I. und sein Statthalter den Pisanern dies wiederholt untersagten[14]. Die Florentiner bedienten sich bei ihrer engen Handelsverbindung mit Pisa anfänglich einfach der Münzen dieser Stadt. Aber schon 1171 [19] liessen sie sich bei dem Abschlusse des vierzigjährigen Bündnisses mit der Seestadt die Hälfte des Gewinnes, den diese aus der Münzprägung zog, zusichern und waren nun ihrerseits bemüht, die Verbreitung der pisanischen Münze in den Friedensschlüssen mit unterworfenen Gegnern, z. B. mit Siena 1176 zu fördern[15]. Aber immer mehr emancipirte sich Florenz politisch und commerciell von Pisa, und im November 1252 beschloss die Comune nach Besiegung der ghibellinischen Eidgenossenschaft Tusciens einen eigenen Goldgulden, der stets aus feinem, vierundzwanzigkarätigem Gold geprägt sein und 20 Soldis und 120 Denaren entsprechen sollte, zu schlagen. Da die Florentiner Münzverwaltung stets auf die Reinheit ihres Florens (fiorino) streng hielt, gewann derselbe bald eine grosse Verbreitung und eine internationale Geltung. Man konnte in Florenz kaum Gold genug auftreiben, um für die 350 000–400 000 Stück, die im Anfang des 14. Jahrhunderts jährlich zu prägen nöthig wurde, das Edelmetall zu beschaffen. Es ist klar, welche Vortheile der gesammten Kaufmannschaft der Stadt aus dem Vorhandensein dieser Münze, die bis auf unsere Tage den Namen ihrer Geburtsstätte getragen hat, erwuchsen.

Aber noch ganz anderen Gewinn zog die Stadt aus dieser genial concipirten Neuerung. Ueberall hin begehrte man florentinische Münzmeister, nach England, Frankreich, ja nach Schwäbisch-Hall. Diese kamen dann sicher nicht mit leeren Händen in die Heimath zurück und vermehrten den Wohlstand und den Ruhm der Stadt, die bald auch als der erste Sitz der Goldschmiedekunst galt. Freilich, im 12. und 13. Jahrhundert fand diese Kunst in Florenz selbst noch keinen goldenen Boden. Denn die Florentiner lebten bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts hinein noch sehr einfach und bescheiden und nur auf Erwerb bedacht.

Die aus der Grafschaft eingewanderten Neubürger hatten in der Regel auch noch nicht viel zu vergeuden. Diesem Zuzug hat es die Stadt aber ebenso zu verdanken, dass sich deren Einwohnerzahl von 1150–1300 um das Fünffache steigerte, wie ihm ihr rasches Emporblühen als Handels- und Fabrikstadt besonders zuzuschreiben ist. Denn aus diesen Zugezogenen sind [20] zahlreiche Familien der Grosshändler und Fabrikanten hervorgegangen, welche die Handelsblüthe der Stadt herbeiführten: die Familien der Cerchi, Bardi, Franzesi, Gherardini, Frescobaldi, Mozzi und andere. Diese neu Zugezogenen, denen Dante mit Recht von seinem Standpunkte aus die Schuld beimisst, den Untergang des alten Florenz und seiner Tugenden herbeigeführt zu haben[16], hatten sich natürlich nicht im Kerne der alten Stadt, dem von dem römischen Mauerringe eingeschlossenen „ersten Kreise“ niedergelassen, den die ältesten Familien in burgartigen, mit hohen Thürmen und mit Zinnen gekrönten Häusern bewohnten[17], sondern waren in den Vorstädten, zumeist in den ihrer Heimath zunächst liegenden, geblieben. Sie füllten vorzugsweise das Quartier auf dem linken Ufer des Flusses, wo sich auch noch später genügender Raum für die Lagerhäuser, Fabriken, Tuchrahmen [21] u. s. w. der Grossindustriellen befand. Aber auch vor dem östlichen Thore (San Piero) siedelten sich Fabrikanten und Kaufleute an, und vor dem Westthor (San Pancrazio) trieben die Humiliaten, die hier die Kirche Ogni Santi erbauten, mit anderen Tuchwebern ihr Wesen. Bei dem rasch steigenden Wohlstande dieser neu Zugezogenen – „la gente nuova et i subiti guadagni“ – konnte es nicht fehlen, dass sich dieselben auch bald der alten Sitze, der befestigten Häuser und Thürme des durch die politischen Wirren und Austreibungen immer mehr herunterkommenden Adels bemächtigten. Wollte man etwas pointirt einen Vorgang namhaft machen, der den Wechsel der Machtverhältnisse und der socialen Ordnung in der Stadt Florenz an einem Privatgeschäfte recht deutlich machte und den Abschluss des Uebergangs des altadlichen Florenz in das der Grandi zur Anschauung zu bringen geeignet wäre, so könnte man den Kauf nennen, durch den die Cerchi im Jahre 1280 alle Besitzungen der Grafen Guidi, die fast das ganze Quartier von San Piero füllten, Paläste, Häuser, Höfe, Plätze u. s. w. in ihre Hände brachten. Aber nicht genug damit! Bei der in Tuscien so früh auftretenden Mobilisirung des Grundbesitzes konnten die Familien der reichgewordenen Kaufleute sich wieder in der Grafschaft, auf dem Lande, ankaufen, hier schlossartige Landsitze gründen und damit sich den alten landsässigen Familien weiter assimiliren. Sie sind die Grandi, die um die Wende des 13. Jahrhunderts eine so grosse Rolle in der Geschichte von Florenz spielen und unter deren Einfluss auch die Stadt in ihrem Aeusseren sich ganz umgestaltete.

War auf dem linken Arnoufer der jüngste Sechstheil (sestiere) der Stadt beim Beginne der Epoche, von der hier die Rede sein soll, noch nicht mit Mauern und Gräben versehen, sondern bildeten die Rückenwände der Häuser selbst die Stadtbefestigung, so verhielt sich das auf dem rechten Stadtufer anders. Hier war man jetzt bemüht, die alte römische Stadtmauer, welche die Urbs quadrata von den Vorstädten absperrte, niederzureissen, da die Vorstädte schon mit einem zweiten Mauerring umgeben waren. Und noch im 13. Jahrhundert, 1284, fasste die Stadt den Beschluss, der wie kaum ein anderer das Selbstvertrauen, den Reichthum und Opfersinn ihrer Bürger verrieth, die Thore so weit hinauszuschieben, dass innerhalb ihrer die Stadt bis auf unsere Tage (1865) Raum gehabt hat. Mochten die Florentiner [22] des 13. Jahrhunderts habsüchtig und geldgierig sein, wie von allen ihren seefahrenden und handeltreibenden Landsleuten dieses z. B. Jacob von Vitry beklagt, und durfte vielleicht von ihnen ganz besonders gesagt werden können, dass in ihnen „die Brunst zu besitzen stets brenne“[18], so haben sie dagegen auch für die Wehrhaftmachung und Verschönerung ihrer Stadt durch die Erbauung von prächtigen Kirchen und mächtigen Comunalpalästen so grossartige Opfer gebracht, wie diese nur Athen und wenige andere Städte des Alterthums darzubringen fähig gewesen sind.


II.

Seit 1246 war Kaiser Friedrich II. Herr in Florenz. Der Kaiser hatte seinen Sohn Friedrich von Antiochien, den die gleichzeitigen Chronisten wegen seiner bedeutenden Stellung König nennen, zu seinem Generalvicar von Tuscien gemacht. Anfänglich verwaltete dieser auch noch das Amt eines Podestà von Florenz, das er dann mit Vicaren und kaiserlich gesinnten Männern besetzte. Es war dem Kaiser durch die Parteiungen des Florentiner Adels, die, durch die Ermordung Buondelmontes de’ Buondelmonti seit 1215 entstanden, anfänglich jedes politischen Hintergrundes entbehrten, dann aber seit dem Ausgange der dreissiger Jahre sich zu den Factionen der Guelfen und Ghibellinen umgebildet hatten, leichter geworden, sich der Stadtherrschaft zu bemächtigen. Die geregelte Verwaltung Tusciens hatte es schon ermöglicht, den von der Kirche geschürten und geleiteten Aufstand gegen die patarenischen Ketzer und den sie beschützenden kaiserlichen Podestà schliesslich doch niederzuhalten. Aber fest begründet war die kaiserliche Herrschaft in Florenz keineswegs.

Als der Kaiser nach der Niederlage von Parma die letzte [23] Fahrt nach seiner Erbmonarchie antrat, nahm er eine Anzahl gefangener Guelfenhäupter mit sich. Denn diese Partei hatte den Versuch gemacht, die Stadt auf die päpstliche Seite hinüberzuführen, war aber dabei von Friedrich von Antiochien mit der Hilfe der Ghibellinen, namentlich der Familie Uberti, nach dreitägigem Kampfe niedergeworfen und am 2. Februar 1248 aus der Stadt getrieben worden. Damit war jedoch die antikaiserliche Strömung, welche auch die Mehrzahl der Bürgerschaft beherrschte, keineswegs vertilgt. Die Guelfen hatten die an Zahl und Besitz schwächere Adelsfaction der Stadt gebildet. Ganz natürlich daher, dass sie sich an die wohlhabende und einflussreiche Bürgerschaft anlehnte, und ferner ganz natürlich, dass diese, welche durch ihre Zünfte schon nachweislich seit dem Ende des 12. Jahrhunderts grossen Einfluss auf die Leitung der Comune hatte und durch den in ihr herrschenden kirchlichen Geist beeinflusst wurde, sich mehr zur guelfischen als zur ghibellinischen Partei hingezogen fühlte. Die ewigen Fehden der beiden Factionen in der Stadt und der Grafschaft störten Handel und Wandel; die Beisteuern, welche die Verwaltung der Stadt für kaiserliche Hilfstruppen und andere Bedürfnisse des Hofes eintrieb, hatten sie bei der Mehrzahl der Bürger verhasst gemacht. Das Verlangen nach eigener, autonomer Regierung, das sich schon seit mehr als einem Jahrhundert in diesem materiell jetzt so kräftig sich entwickelnden Gemeinwesen geregt hatte, war auch keineswegs erstickt, gewann vielmehr täglich an Kraft unter der Bürgerschaft. Was dieser noch fehlte, war lediglich eine militärische Organisation, um ihrem Willen einen nachhaltigen Ausdruck zu geben. Denn hatte auch die Bürgerschaft schon an den ungezählten Fehden mit dem Landadel und den benachbarten Comunen lebhaften Antheil genommen und sich tapfer geschlagen, so war doch der Adel, der die Reiterei stellte, ihr geborener Führer gewesen. Davon galt es sich jetzt zu emancipiren und eine Heeresordnung mit eigener Führung ins Leben zu rufen. Und hierzu hatte ihr schon die grösste organisatorische Macht des Mittelalters, die Kirche, eine vielversprechende Anleitung gegeben.

Als der Inquisitor des Dominikanerordens Fra Ruggieri 1244 von Sta. Maria Novella aus den Kampf gegen die patarenischen Ketzer, welche sich der Unterstützung einiger Adlicher und des [24] Podestà der Pesamigola erfreuten, eröffnen wollte, stellte er die Orthodoxen als die von den Ketzern Bedrohten dar und sammelte zu ihrem Schutze eine Leibgarde der Gläubigen um sich. Der hl. Peter von Verona hatte durch seine Predigten die Massen des Volkes genügend dazu aufgeregt. Er theilte seine Schaaren, um sie besser zur Hand zu haben, in 12 Compagnien und stellte an die Spitze derselben je einen Capitän mit Fahnenträger. So vortrefflich bewährte sich diese Organisation dieser Duodici di Sta. Maria, dass die Ketzer mit sammt dem Podestà in zwei blutigen Strassenkämpfen geschlagen wurden.

Das hatte das Volk noch nicht vergessen, als 1250 die Unzufriedenheit über die Verwaltung der Stadt durch das ghibellinische Stadtregiment, das immer nur Steuern für die Rüstungen des Kaisers auflegen musste, in demselben Masse wuchs, als das kaiserliche Ansehen in Oberitalien zusammenschwand. Der Kaiser selbst weilte scheinbar unthätig im fernen Apulien, sein heldenhafter Sohn, der König Enzio, war von den Bolognesen gefangen, Friedrich von Antiochien, der im Sommer 1250 noch in Florenz anwesend gewesen war, um den Kampf gegen die vertriebenen Guelfen zu beleben und die Heeresrüstungen zu beschleunigen[19], war krank geworden und entfernte sich dann wohl bald nach Unteritalien, und der Podestà Ranieri aus Montemurlo scheint wenig Energie besessen zu haben. Eine Niederlage, welche seine Truppen bei der Belagerung einer Feste im Oberarnothal, die von vertriebenen Guelfen von Florenz vertheidigt wurde, im September erlitten, beschleunigte den Ausbruch einer Erhebung der Bürgerschaft[20]. So reif waren die Dinge, dass diese Revolution, welche das Stadtregiment im Gegensatz zu der durch eine Adelsfaction unterstützten kaiserlichen Oberherrschaft in die Hände [25] der Bürgerschaft brachte, zunächst ohne alles Blutvergiessen ablief.

Nachdem sich die Führer der Bewegung mehrere Tage lang an verschiedenen Orten versammelt hatten, traten sie am 20. October, nachdem sie 36 Volkshäupter (Caporali) gewählt hatten, mit ihren fertigen Projecten hervor, und die Umgestaltung der militärischen und bürgerlichen Verfassung der Stadt wurde vom Volke sofort angenommen. Es war vorerst keine radicale Verfassungsveränderung, deren Spitze sich sofort gegen die kaiserliche Gewalt gerichtet hätte, geplant. An der Spitze des Gemeinwesens blieb der Podestà. Man entsetzte Ranieri di Montemurlo keineswegs[21]. Derselbe wurde aber kurz darauf, angeblich an dem Todestage Kaiser Friedrichs II. (am 13. December), in seinem Bette von einem auf ihn herabfallenden Gewölbe erschlagen. Neben dem Podestà wurde jetzt aber ein ganz neues Amt eingeschoben, der Volkshauptmann (Capitano del popolo), welcher der Vertreter der Interessen und Rechte des Volkes im Gegensatz zum Adel und der Führer der bewaffneten Bürgerschaft sein sollte. Diese war in zwanzig Compagnien getheilt, von denen eine jede einen besonderen Befehlshaber haben sollte und eine sie auszeichnende Fahne hatte. Eine Glocke, deren Geläute nur dem Volkshauptmann zur Verfügung stand, rief die Compagnien unter die Waffen. Die waffenfähige Mannschaft der Grafschaft, die nach 6 Pfarreien (pivieri) eingetheilt war, war der der einzelnen Stadtsechstel angegliedert. Zog dieses Bürgerheer, zu dem sich die gesunden Einwohner vom 15. bis zum 70. Lebensjahre stellen mussten, ins Feld, so war seine Ordnung etwas von der, die es als Bürgergarde des Volkshauptmanns erhalten hatte, verschieden[22]. Denn im Felde befehligte nach wie vor der Podestà, der zu Hause die Republik aber nur im Verein mit dem Volkshauptmann nach Aussen vertrat[23] und oberster Träger der Justizgewalt war. [26] Der Volkshauptmann, der einen Rath von 12 Aeltesten (anziani), je zwei aus einem Sechstheil der Stadt, zur Seite hatte, schloss mit dem Podestà Bündnisse und Verträge der Comune ab, war bei Veranlagung der städtischen Steuern thätig und beeinflusste die gesammte Politik der Comune vom Standpunkt der Interessen der Bürgerschaft aus. Hierfür haben wir sowohl für die innere als die äussere Politik der Stadt die deutlichsten Zeugnisse.

Dass die Erhebung des Volkes zunächst gegen das gesammte Adelsregiment ohne Unterschied der Parteien gerichtet war, wenn auch die zuletzt herrschende, die ghibellinische, namentlich die Familie der Uberti, die verhasstere war, beweisen zwei Thatsachen. Das Volk brach die hohen Thürme der Adlichen in der Stadt sämmtlich bis auf die Höhe von 50 Ellen nieder, um die ewigen Fehden der Adelsfactionen einzuschränken. Mit dem hierdurch gewonnenen Materiale wurde die erste Stadtmauer um das Sechstheil auf dem linken Arnoufer gebaut. Eine andere hierfür zeugende Thatsache ist die, dass sich unter der Zahl der ersten Stadtältesten, die gewählt wurden, ein Führer der ghibellinisch-ketzerischen Partei von 1244 befand. Die vertriebenen Guelfen wurden auch keineswegs sofort zurückgerufen. Aber kaum war die Nachricht von dem Tode des Kaisers nach Florenz gelangt, als die innerste Tendenz der Bewegung zum Durchbruch kam.

Todesfälle ihrer Herrscher hatte diese Comune stets auszunutzen [27] gewusst: den Tod der Grossgräfin nicht minder als den Heinrichs VI. und Otto’s IV. Wie hätte sie den Tod dieses Gewaltigen unbenutzt lassen sollen? Jetzt wurden die vertriebenen Guelfen zurückgerufen und damit direct ein Act der Auflehnung gegen die kaiserliche Autorität begangen, kraft deren jene ausgewiesen waren. Doch wurden die Zurückgerufenen angehalten, sich mit ihren ghibellinischen Gegnern zu versöhnen. Schien damit einer friedlichen Entwicklung im Innern Raum geschafft, so waren die Gegensätze doch schon so geschärft, dass der geringste Anstoss von Aussen genügte, sie heftiger als je wieder zu entzünden. Die Führer der Ghibellinen, an ihrer Spitze die kraftvollen Häupter der stolzen Familie der Uberti, sahen sich von der Einwirkung auf die Verwaltung der Stadt ausgeschlossen. Als Podestaten derselben hatte man einen Mailänder Adlichen, Uberto de Mandello, aus altguelfischer Familie berufen, der erste Volkshauptmann Uberti d’Orlando de’ Rossi war ein guelfischer Luccheser.

Der natürliche Expansionstrieb der von allen Seiten von ghibellinischen Städten und Herren eingeschlossenen Comune und die Interessen der Fabrikanten und Kaufleute der Stadt, welche sich durch die politische Stellung der Heimath von der natürlichen Verbindung mit der See abgeschnitten sahen, mussten bald zu einem Conflicte mit den Nachbarn treiben. Und sollten die Ghibellinen von Florenz ihre eigenen Parteigenossen befehden helfen und sich selbst damit jeder Hoffnung, einmal wieder zu Hause zur Herrschaft zu kommen, berauben? Sie sollten die Probe bald bestehen. Zunächst suchte sich die Stadt von Pisa handelspolitisch unabhängig zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, kam sie aber nicht nur in Conflict mit dieser Comune, sondern zu gleicher Zeit mit Siena. Denn um südlich von Pisa an die See zu kommen, mussten die Florentiner sich mit den Feinden Sienas, den Grafen Aldobrandeschi, verständigen. Das thaten sie auch in den ersten Monaten des Jahres 1251. Auch mit der alten Feindin Sienas, Montalcino, nahmen sie die alten Verträge wieder auf. Schon am 30. April schlossen sie mit den Grafen Wilhelm und Hildebrand de’ Aldobrandeschi einen Vertrag ab, in Folge dessen ihnen nach Wahl die Seehäfen von Talamone oder Porto Ercole und die Strassen dahin offen stehen sollten[24]. Kaum [28] hatten die Sieneser und Pisaner Kunde hiervon erhalten, als sie am 19. Juni 1251 zu Pontedera ein Schutz- und Trutzbündniss auf ewige Zeit miteinander abschlossen, in das sie auch die von Florenz zunächst bedrohte Stadt Pistoja aufnahmen. Dieser Eidgenossenschaft traten schon nach drei Tagen die Ghibellinen von Florenz und Prato, nebst den Ubaldini aus dem Mugellothale oberhalb von Florenz bei, der Graf Napoleone von Mangona folgte rasch nach. In Folge hiervon wurde am 24. Juli in Siena ein neuer Bundesvertrag geschlossen, in dem auch die Rechte und Pflichten der Ghibellinen von Florenz, solange sie noch in der Stadt seien und wenn sie aus derselben vertrieben werden sollten, genau stipulirt wurden[25]. Denn diesem Vorgehen der Ghibellinen gegenüber verhielten sich die Florentiner nun keineswegs passiv. Sie griffen im Juli rasch Pistoja an, ohne jedoch Entscheidendes zu erreichen. Da die Ghibellinen sich diesem Zuge gegen die gesinnungsverwandte Stadt einer Bestimmung des abgeschlossenen Vertrags entsprechend widersetzt hatten, wurden die verhasstesten Geschlechter, unter ihnen die Uberti und Lamberti, aus der Stadt vertrieben. Diese entfalteten nun im Dienste der Eidgenossenschaft die Fahne der Stadt gegen die Heimath. Darum veränderte das Bürgerheer die seinige und nahm statt der weissen Lilie in rothem Felde die rothe Lilie im weissen Felde an.

Da die Mehrzahl der Glieder des Grafenhauses der Guidi sich der Eidgenossenschaft anschlossen, der noch im November des Jahres die Stadt Arezzo beitrat, so konnte Florenz in diesem Jahre keine wesentlichen Erfolge erringen. Aber müssig waren seine Führer nicht. Sie brachten einen nicht verächtlichen Gegenbund zu Stande. Mit San Miniato, wo jetzt kein deutscher Reichsvicar befehligte, und Lucca wurde am 17. August ein Bund geschlossen, dann mit Orvieto am 10. September, und am 10. November einigten [29] sich Florenz und Lucca mit Genua[26]. Jetzt ging Florenz zum Angriff vor. Im Januar 1252 schlug es seine Feinde im oberen Arnothale, Pisaner, Sienesen, die Ubaldini, Guidi und die exilirten Ghibellinen, im Sommer die Pisaner ganz furchtbar bei Pontedera, nachdem diese die Lucchesen besiegt hatten. Dann zog das Volksaufgebot wieder ins obere Arnothal, wo Figline am 30. September capitulirte. Der junge Graf Guido Novello übergab die Feste unter der Bedingung, dass die vertriebenen Ghibellinen nach Florenz zurückkehren dürften. Im Spätherbste wurde an der Südgrenze Tusciens Montalcino gegen Siena für Winter mit Proviant versehen. Auch im folgenden Jahre behaupteten sich die Florentiner gegen ihre Feinde, wenn sie auch gegen die Sienesen, die überall Söldner geworben und sich auch eine bürgerfreundliche Verfassung gegeben hatten, kleine Schlappen erlitten. Auch verproviantirten sie in diesem Herbst wieder Montalcino. Seine Hauptkraft hatte Florenz an die Bezwingung Pistojas gesetzt, die auch schliesslich gelang. Am 1. Februar 1254 schloss diese Stadt mit den Guelfen einen Frieden, durch den sie aus der ghibellinischen Eidgenossenschaft ausschied[27].

Dieser Erfolg ermuthigte die Florentiner zu um so energischerem Vorgehen gegen den Rest ihrer Feinde. Eine Vermittlung, welche die Curie schon seit dem März 1252 versucht hatte, verhinderte den Fortgang der kriegerischen Unternehmungen nicht. Die ghibellinischen Städte wendeten sich desshalb an König Konrad IV. nach Unteritalien, der ihnen die Eroberung Neapels angezeigt hatte. Aber auch dieser, der ja bald starb, konnte ihnen nicht helfen. Die Sienesen, von den Florentinern im Frühjahre hart bedrängt, mussten am 11. Juni 1254 zu Stemmenano Frieden schliessen. Auf dem Rückwege nach Hause bemächtigte sich das florentinische Heer Poggibonzi’s, brachte Volterra in seine Gewalt und zog nun gegen Pisa, das, der schweren Niederlage von 1252 gedenkend, am 4. August auch seinen Frieden mit der unwiderstehlichen Stadt schloss. Mit Stolz durften die Florentiner dieses Jahr das [30] siegreiche nennen. Der Friedensschluss war um so demüthigender für die reiche Seestadt, als sie, um auch mit Genua zum Frieden zu kommen, den Schiedsspruch über die mit dieser Stadt streitigen Punkte Florenz übertragen musste, das für sich wesentliche Handelsvortheile, freien Zugang zum Meere u. s. w., bedang. Die Nachricht Villani’s, dass die Pisaner die Währung von Florenz hätten annehmen müssen, ist selbstverständlich unrichtig. Nicht einmal nach der furchtbaren Niederlage, die Pisa im Sommer 1256 von den Florentinern am Serchio erlitt, als die von ihren Feinden bis aufs Blut gepeinigte Stadt sich nicht dem Schiedsspruche der Florentiner hatte unterwerfen wollen und noch einmal das Waffenglück versucht hatte, wurde diese Bedingung gestellt[28]. Pisa stand jetzt auch ganz allein in Tuscien. Denn am 31. Juli 1255 hatte Siena ein Bündniss mit Florenz geschlossen und am 24. März 1256 war Arezzo diesem Beispiele gefolgt.

Man würde irren, wenn man glauben wollte, dass während dieser Jahre beispielloser Erfolge gegen ihre äusseren Feinde die Augen der Florentiner nur auf diese gerichtet gewesen seien. Man kann ohne Uebertreibung behaupten, dass die Pflege der inneren Entwicklung der Stadt mit den Waffenerfolgen gleichen Schritt hielt. Von der Einführung der Goldwährung war schon die Rede. Dem Mangel eines Stadthauses, das dem Podestà und seinem Gerichtshofe zum Sitz gedient hätte, wurde jetzt abgeholfen. Die ältesten Theile des Palazzo del Podestà (Bargello) sind im Herbst 1255 vollendet. Eine dritte feste Brücke über den Arno am Westende der Stadt wurde mit Unterstützung eines reichen Bürgers rasch erbaut. Die Stadtverwaltung kaufte fortwährend Terrain in der Stadt für öffentliche Zwecke an. Nicht minder in Volterra, wo sie ein Castell erbauen wollte, und von den Grafen Guidi und Alberti erwarb sie für grosse Geldsummen Schlösser und Besitzungen in der Umgebung von Florenz von Montevarchi bis Empoli[29]. Auch an die Regelung und Sicherung der inneren Verwaltung legte man jetzt die Hand.

[31] Einer Ordnung liebenden, kaufmännisch gebildeten regierenden Bürgerschaft musste es vor Allem darauf ankommen, eine feste urkundliche Nachweisung über den Besitzstand an Rechten und Gütern der Comune herzustellen. Man beschloss daher eine Sammlung von Abschriften aller der Urkunden zu veranstalten, beziehungsweise wieder aufzunehmen, „in quibus comune Florentie interesse aliquod haberet“. Der Capitano del Popolo Lambertino Guidonis Lambertini legte diese Sammlung, die den libri jurium oder pactorum anderer mittelalterlicher italienischer Städte entspricht[30], 1252–53 an, und sein Nachfolger Guglielmus Rangonis setzte sie fort. Die Arbeit fusste auf einer schon vorhandenen Grundlage, die aller Wahrscheinlichkeit nach 1215–1218, als die Comune sich das Contado huldigen liess, von einem Jacobus felicis memoriae Henrici Imperatoris tabellio angelegt ist. Diese älteste Sammlung[31], die uns in Band XXVI c. pag. 1–85 der Registerbände des Florentiner Archivs vorliegt, wurde 1252 fortgesetzt; doch fehlen ganze Reihen von Urkunden in ihnen, die uns theilweise anderwärts, z. B. in Siena, erhalten sind. Da die Urkunden aus der Zeit des ghibellinischen Stadtregiments ebenso fehlen, wie die von 1260–67, während Urkunden von 1250–60 in Hülle und Fülle da sind, so scheint es, dass die Redaction des ältesten Registrums, das uns jetzt nur in der Fassung von 1282 vorliegt[32], jene Zeit sammt den in ihr von der ghibellinischen Regierung geschlossenen Verträgen und anderen Urkunden absichtlich unberücksichtigt gelassen hat, wenn dieses für die Jahre 1235–50 nicht schon von Lambertino 1252 so [32] angeordnet war. Dass sich unter diesen Abschriften nicht die des Reichsregiments finden, durch welche den Florentinern die Grafschaft abgesprochen oder nur beschränkt verliehen wurde, und ähnliche, versteht sich von selbst. Pflegte man ja doch häufig bei Vertragsabschlüssen selbst nur den Theil der Urkunden aufzuheben, der Rechte verlieh, während man die Aufbewahrung der correspondirenden Verpflichtungen dem Partner überliess. Entspricht so die Anlage des Registrums durchaus nicht den Anforderungen, welche wir an eine vollständige Urkundensammlung stellen, so zeigt sie doch, wie sehr das damalige Stadtregiment auf die Wahrung aller Rechte der Comune bedacht war.

Es war ein überaus rühriges, thätiges, für seine Interessen leidenschaftlich arbeitendes Geschlecht dieses „popolo vecchio“; rauh und hart in seiner eigenen Lebensführung, streng über die Erfüllung aller seiner Ordnungen wachend, unerbittlich gegen seine Feinde. Angehörige der Grafschaft, welche ein Castell an Guido Novello übergeben hatten, band man zwischen Bretter und sägte sie in Stücke. Ihre kriegerischen Erfolge nützten die Stadt und ihre einzelnen Bürger bis aufs äusserste aus. Neben charaktervollen, uneigennützigen Rathsmännern bildete sich aber schon früh, durch die florentinische Redegabe unterstützt, ein Geschlecht von ehrgeizigen, demagogischen Parteimännern aus. G. Villani weiss schon von einem Geiste des Uebermuths und der Ueberhebung zu berichten, der sich der Volksmenge zu bemächtigen begonnen habe. Dieser sollte noch einmal blutig gedämpft werden.


III.

Es ist das naturnothwendige Schicksal aristokratischer Genossenschaften, dass sie sich um rein persönlicher Angelegenheiten willen leicht spalten und dass in ihnen gar häufig nicht die Führung an ihre begabtesten und tüchtigsten Männer fällt, sondern an solche, die durch ihre Geburt aus besonders vornehmer Familie oder durch ihre Stellung an der Spitze einer überaus zahlreichen Clientel als die geborenen Führer angesehen werden, ohne dass sie sich durch ihre persönlichen Eigenschaften hierzu eigneten. Das Glück, einen solchen lediglich durch das Ansehen seiner Familie, nicht aber durch Tapferkeit und sonstige Tüchtigkeit ausgezeichneten Mann an der Spitze seiner Gegner zu sehen, hatte Florenz fast das ganze Menschenalter hindurch, von dem [33] wir hier sprechen. Es war das der Graf Guido Novello von Modigliana. Dieser gehörte der bekannten Grafenfamilie der Guidi an, die langobardischen Ursprungs durch ihre Verbindung mit der Markgräfin Mathilde und später mit Kaiser Friedrich I. sich zu grossem Reichthum aufgeschwungen hatte. Gamurrini gibt ein unvollständiges Verzeichniss ihrer Güter, zählt aber doch 199 auf. In Tuscien hiessen sie im 12. und 13. Jahrhundert die Grafen (Conti) schlechthin. Rings um Florenz, bis nahe an die Stadt heran, hatten sie ihre Städte und Schlösser. In der Mitte des 13. Jahrhunderts war ihre Macht zwar schon sehr zurückgegangen und das um so mehr, als die Familie nach den Parteien des Landes gespalten war. Aber so gross war doch noch das Ansehen des Erstgeborenen der Familie, des Grafen Guido Novello, dass er gegen den Brauch noch nicht dreissigjährig zum Podestà des ghibellinisch gesinnten Arezzo gewählt wurde. Er trat dann 1251 den tuscischen Eidgenossen als selbständiges Bundesglied bei, beeilte sich aber die Feste Figline an die Florentiner zu übergeben und mit denselben Frieden zu machen, weil er sich von Verräthern umgeben glaubte. Und ähnlich hat er sein Leben lang gehandelt. Aufgeblasen und roh im Glück, war er ebenso kleinmüthig und verzagt in der Stunde der Entscheidung. Habsüchtig und eigennützig plünderte er Florenz aus, um sein Schloss Poppi auszurüsten, als er als Podestà und später als Generalvicar König Manfreds, seines Schwagers[33], dort hauste, um dann die Stadt kopflos ohne Widerstand den Guelfen zu überlassen. Durch Papst Gregor X. mit den Florentinern 1273 ausgesöhnt, griff er darauf bald wieder in die Kämpfe der Parteien in der Romagna ein. Die letzten Jahre seines langen Lebens, er starb im Januar 1293, hat er noch dadurch entehrt, dass er am Tage des Entscheidungskampfes der ghibellinischen und guelfischen Parteien Tusciens am 11. Juni 1289 von dem Schlachtfelde von Campaldino mit seinen Reisigen davonritt, ohne verabredetermassen in das Gefecht einzugreifen, während Corso Donati, der florentiner Podestà von Pistoja, sich gegen Befehl in den Kampf stürzte und rief: „Unterliegen wir, so will ich mit meinen Landsleuten sterben, siegen wir, wer wird mich in Pistoja verdammen?“ In [34] dem Gegensatze der Gesinnung dieser beiden Männer drückt sich das endliche Geschick der Kräfte, die hier miteinander rangen, aus. Denn standen auch auf Seiten der Ghibellinen hochherzige, tapfere, vaterlandsliebende Männer, wie Farinata degli Uberti in Florenz und Provenzano Salvani in Siena, so waren sie doch nicht so mächtig, dass sie dauernd die Führer ihrer Partei hätten bleiben können. Freilich hätten auch einzelne geniale Führer die ghibellinische Sache nicht retten können. Den Gang einer grossen Culturbewegung, und das ist doch das Fortschreiten der italienischen Comunen aus den Banden feudaler Institutionen, können weder die Tapferkeit noch die Klugheit Einzelner aufhalten. Aber die Partei wäre doch in Tuscien ehrenvoller erlegen, wenn sie nicht einen so feigen und kopflosen Mann an ihrer Spitze gehabt hätte, namentlich da sich ihr noch einmal von Aussen eine starke Hand zur Rettung bot.

Hatten die Pisaner 1253 in ihrer grössten Noth den König Alfons von Castilien zum römischen Kaiser ausgerufen, so schlossen sich jetzt die Ghibellinen Tusciens nach dem Tode König Konrads IV., der schon nicht ohne Verbindung mit ihnen gewesen war, an König Manfred an. In seinem Kampfe mit der Curie musste es diesem von Werthe sein, eine Seemacht wie Pisa auf seiner Seite zu haben und das Patrimonium Petri von Norden her bedrängt zu wissen. Gesandte Manfreds kamen desshalb nach Tuscien und tuscische gingen nach Unteritalien. Die Anfänge dieser Abmachungen liegen in Dunkel gehüllt. Aber seit 1257 machen sie sich deutlich fühlbar. Nur konnte König Manfred seinen Freunden noch keine militärische Hilfe leisten. Die Pisaner wurden daher 1256 niedergeschlagen, der ghibellinische Podestà von Pisa 1257 vertrieben und von den Uberti und ihren Anhängern in Florenz einige im offenen Kampfe erschlagen, die Mehrzahl ward (42 werden namentlich aufgezählt) aus der Stadt getrieben (Ende Juli 1258).

So leidenschaftlich war hier die Bürgerschaft aufgeregt, dass auf den blossen Verdacht hin, Verbindung mit den vertriebenen Ghibellinen unterhalten zu haben, der Abt Tesoro Beccaria von Camaldoli, ein Pavese aus ghibellinischer Familie, im September 1258 gefangen nach Florenz gebracht, gefoltert und enthauptet wurde. Der Papst verhängte desshalb das Interdict über die Stadt, und am 22. October sprach der Erzbischof Friedrich von [35] Pisa im Namen des Papstes die Excommunication über sie aus. Doch bald war die Eintracht zwischen der Curie und den Florentinern wieder hergestellt. Der Papst konnte die florentiner Banquiers, die er damals in England schützte, nicht entbehren und fürchtete, auch sie in die Arme König Manfreds zu treiben. Da die Florentiner eine Gesandtschaft an Alexander IV. abschickten, die den Justizmord, den sie an dem Abte begangen, in einen Act der leidenschaftlich erregten Volksmassen umdeutete, wurde die Excommunication schon im November wieder aufgehoben.

Man hatte sich auch durch sie nicht in seinem Vorgehen gegen die Beschützer der vertriebenen Ghibellinen beirren lassen. Da sich diese nach Siena gewendet hatten, so wurde noch im October diese Stadt aufgefordert, die Flüchtlinge auszuweisen. Zu diesem Verlangen war Florenz durch den Bündnissvertrag von 1255 durchaus berechtigt. Aber die Sienesen, von den florentinischen Flüchtlingen aufgestachelt, kamen der Aufforderung nicht nach. Um nun gegen die Florentiner, welche gegen alle ihre Nachbarn, z. B. die Grafen Alberti, aus ganz nichtigen Vorwänden vorgingen, sobald diese nur im Verdacht standen, ghibellinisch gesinnt zu sein, einen festen Schutz zu haben, wurden die Verhandlungen mit König Manfred um so eifriger betrieben. Siena leistete am 9. Mai dem König den Treueid, und dieser nahm am 19. die Comune in seinen Schutz. Gegen die römische Kirche dem König beizustehen, sollte sie aber nicht verpflichtet sein. Manfred hielt sich hiergegen vorläufig wenigstens noch sein Verhältniss zu Florenz offen[34]. Er kannte noch nicht die Gluthhitze [36] des Hasses der Parteien in Tuscien. Bald wurde er auch in die von diesem entzündeten Kämpfe hineingezogen. Ich übergehe die Einzelheiten. Am 18. Mai 1260 kam eine kleine deutsche Reiterschaar, welche Manfred auf inständiges Bitten den Sienesen zu Hilfe geschickt hatte, in ein wildes Handgemenge mit dem grossen florentinischen Heere, das Siena belagern wollte. Tollkühn stürzten sich die hundert Reiter auf das Lager der Feinde, das sie in völlige Verwirrung brachten. Schliesslich wurden die Verwegenen aber niedergeschlagen und verloren die Fahne des Königs, welche die Florentiner, nach Hause zurückgekehrt, durch den Koth schleiften. Das erforderte eine Bestrafung. Giordano d’Anglano, der Generalvicar des Königs in Tuscien, der den Sommer über im Verein mit den Sienesen Montalcino, die Bundesgenossin von Florenz, belagert hatte, vollzog sie in furchtbarer Weise.

Auf die Nachricht hin, dass ein grosses Heer der Florentiner und ihrer Bundesgenossen – seine Stärke wird nicht zu hoch auf 30–40,000 Mann berechnet – sich gegen Siena in Bewegung gesetzt habe, um später Montalcino zu entsetzen und zu verproviantiren, wandte er sich mit einer von Manfred neuerdings gesendeten Reiterschaar Ende August gegen den Siena bedrohenden Feind. Nachdem dieser die Stadt ohne Erfolg zur Uebergabe aufgefordert hatte, zog er an Siena vorüber, um seinen Proviant, der auf 20,000 Eseln mitgeführt wurde, nach Montalcino zu bringen. Die Florentiner Heeresführung benahm sich auf diesem Flankenmarsche sehr ungeschickt und unvorsichtig. Als das mit dem unendlichen Trosse beschwerte Heer am 4. September früh seinen Marsch fortsetzen wollte, griffen es die Truppen Manfreds, der Sieneser und ihrer Bundesgenossen von allen Seiten an. Florentiner Ghibellinen, die den Heereszug mitmachten, entfalteten nach dem ersten Angriffe der Sieneser verrätherisch die ghibellinischen Feldzeichen von Florenz[35] und steigerten dadurch [37] von Anfang an die Verwirrung. Mehr als zwei Drittel des florentinischen Heeres wurden bei Montaperti erschlagen oder gefangen genommen. G. Villani fasst das Endergebniss dieses Tages dahin zusammen: damals wurde die alte Volksgemeinde von Florenz gebrochen und vernichtet, die zehn Jahre lang siegreich und machtvoll gewaltet hatte.

Die Kunde von der furchtbaren Niederlage wirkte betäubend auf die in Florenz zurückgebliebenen Guelfen. Zugleich mit den Flüchtlingen des Heeres flohen sie am 9. September, besonders nach Lucca, die gut bewehrte Stadt den Siegern ohne Schwertstreich überlassend. Diese zogen schon am 12. September in sie ein. Unterwegs hatten sie in einer Versammlung zu Empoli darüber gestritten, ob Florenz nicht dem Erdboden gleich zu machen sei. Der hochherzige Farinata degli Uberti rettete aber seine Heimath vor den rachedürstenden Sienesern und Pisanern[36]. Da die Stadt den Siegern widerstandslos die Thore öffnete, lag auch für den Generalvicar König Manfreds[WS 2] kein Grund mehr vor, dieselbe zu verderben, namentlich da sein Verhältniss zu Pisa keineswegs ein gesichertes war. Die Früchte ihres Sieges hatten [38] die Sienesen in ihren Händen und sie liessen sich dieselben in dem Friedensschlusse mit ihrem Rivalen, der am 25. November erfolgte, nicht entgehen. Es wurde ein Schutz- und Trutzbündniss nebst Handelsvertrag abgeschlossen, die Florentiner verzichteten auf alle ihre Ansprüche auf die südlich von Siena gelegenen Gebiete, Städte und Castelle, wie Montalcino, Montepulciano u. s. w., welche die Ursache des Krieges gebildet hatten, nicht minder aber auch auf die seit einem Jahrhundert strittigen Grenzdistricte zwischen den Grafschaften beider Städte, auf Castiglioncello dello Trinoro, Poggibongi, Staggia u. s. w. Es mochte dem florentinischen Adel nicht leicht werden, diese Orte, um die ihre Vaterstadt so lange gekämpft hatte, wieder herauszugeben. Aber dagegen war jetzt kein Widerstand möglich. Erfreulicher war ihm sicher der Umsturz der Verfassung von 1250.

Die Volksgemeinde sammt den Anzianen wurde aufgehoben. Wie früher war ein Rath von dreihundert Mitgliedern der Träger der höchsten Gewalt, der über Krieg und Frieden, neue Steuern u. s. w. in letzter Instanz beschloss. Neben ihm fungirte ein zweites Colleg von 90 Rathsherren, zu deren Berathungen ein Ausschuss von 24 Buonuomini, eine Credenza, die Anträge vorbereitete. Durch einen Aufruf des Generalvicars, der sich sehr masshaltig benommen zu haben scheint, wurden die flüchtigen Guelfen zur Rückkehr aufgefordert, die Ausbleibenden gebannt. Dass die Ghibellinen, deren Häuser 1257 zerstört worden waren, sich jetzt an ihren Feinden durch ähnliche Gewaltthaten rächten, versteht sich von selbst. Es werden nicht weniger als 59 Thürme aufgezählt, welche [39] zwischen 1260 und 1266 ganz oder theilweise zerstört worden sind[37]. Die Executive wurde, nachdem die Stadt dem König Manfred gehuldigt hatte, von dessen Stellvertreter, dem zum Podestà eingesetzten Grafen Guido Novello, übernommen. Wie G. Villani berichtet, benutzte dieser Mann die Zeit seiner Amtsführung dazu, Florenz eines Theiles seiner Waffen und Kriegsgeräthe zu berauben und damit die Rüstkammer seines Castells zu Poppi zu füllen. Und doch hatte die ghibellinische Partei in Tuscien die Waffen noch sehr nöthig.

Zwar hatten sich die ihr zugethanen zehn Städte unter der Einwirkung Giordano’s d’Anglano endlich am 28. Mai in Siena zu einem jährlich zu erneuernden Bunde zusammengeschlossen, der die dauernde Aufstellung von 500 Reisigen anordnete. Es ist für die Machtverhältnisse der Städte Tusciens doch recht bezeichnend, dass selbst nach der Niederlage von Montaperti Florenz hiervon 150 zu stellen im Stande war, während Pisa und Siena nur je 130 aufbrachten. Aber dieser Bund, so überlegen er auch den guelfischen Städten Lucca, Massa und Fucecchio an Macht war, hatte doch keine rechte Lebenskraft. Abgesehen von dem Particularismus, dem die Glieder desselben naturgemäss huldigten, wirkten besondere zahlreiche Umstände dazu mit.

An der ersten Stelle des Bundes stand wieder Pisa. Die immer mehr herunterkommende Seestadt hielt an ihren alten Ansprüchen fest und trieb die kurzsichtigste Krämerpolitik. Erst seit 1257 von dem Kirchenbanne befreit, der seit der Gefangennahme der zum Lyoner Konzil reisenden Kirchenfürsten auf ihr gelastet hatte, wollte sie keine Verpflichtung übernehmen, gegen die römische Kirche aufzutreten. Dagegen sollten die tuscischen Verbündeten ihr die von den Lucchesen abgenommenen Castelle und Städte wiedergewinnen helfen. Der Krieg der tuscischen Union gegen Lucca, in dem alle vertriebenen Guelfen des Landes eine Zufluchtsstätte gefunden hatten, wäre viel rascher beendet worden, wenn nicht die Sonderinteressen Pisas im Wege gestanden hätten. Wenn die Erzählung Villani’s, dass Karl von Anjou, welcher im Mai 1265 von einem furchtbaren Sturme auf seiner Fahrt von der Provence nach dem Kirchenstaate nach Porto Pisano geworfen worden war, nur desshalb [40] nicht von dem Generalvicar König Manfreds gefangen worden sei, weil die Pisaner den Eintritt dieses in ihren Hafen von der vorherigen Abtretung des Castells von Mutrone abhängig gemacht hätten, und jener nur dadurch Zeit zur Flucht gewonnen habe, selbst wenn diese Erzählung Villani’s, sage ich, nicht richtig sein sollte, so charakterisirt sie doch vollkommen die Selbstsucht der Pisaner und die Unfähigkeit Guido Novello’s.

Was aber fast noch schlimmer als diese Selbstsucht der Bundesglieder wirkte, war ihre politische Unsicherheit und ihre Unzuverlässigkeit. In jeder Weise schürte die Curie die Zwietracht in den einzelnen Städten. Man könnte glauben, dass die Parteiverhältnisse in denselben jetzt ziemlich gleichartig gewesen seien. Das würde aber ein grosser Irrthum sein. War in Florenz der Adel politisch gespalten, nur die Mehrheit desselben ghibellinisch gesinnt, so gehörte das Volk vorzugsweise der guelfischen Partei an; in Siena war es umgekehrt: die alten vornehmen Geschlechter, die Tolomei, Salimbene u. s. w. waren guelfisch, die Volksgemeinde unter Provenzano Salvani schlug die Schlacht von Montaperti. Da die tuscischen Städte der Curie nun schon seit längerer Zeit ihre Banquiers geliefert hatten und die Waaren ihrer Kaufleute auf den grossen Marktplätzen des westlichen Europas überall verbreitet waren, ergab sich hieraus für viele einflussreiche Kreise der Bundesglieder ein wesentliches Hinderniss ihrer Actionsfreiheit. Die Päpste, Alexander IV., Urban IV., Clemens IV., knüpften durch ihre Banquiers, denen sie die ihnen schuldigen Summen nicht auszuzahlen drohten, Verbindungen mit deren Heimathsorten an. Wenn diese sich nicht fügten und von Manfred nicht abfielen, so drohte man, man werde Jedem die Freiheit geben, sich ungestraft der Waaren ihrer Bürger zu bemächtigen. Die Päpste übten auf diese Weise eine Art von geistlichem Repressalienrecht aus. Und das wirkte. Wir finden in den Jahren nach 1262 sich die Uebertritte der reichen Handelsherren zur päpstlichen Partei immer mehren, trotzdem dass bis 1265 der äussere politische Einfluss Manfreds in Tuscien im Steigen war. Die Curie, der jedes Mittel recht war, Manfred zu stürzen, hetzte in den aristokratisch regierten Städten, wie in Florenz, die Kaufleute und Fabrikanten, z. B. die Wollweberzunft, gegen das Stadtregiment auf, während sie in Siena die Aristokratie stützte und in Pisa wieder mit den [41] Volksführern anknüpfte. Denn seit 1254 hatte sich hier eine Verfassungsumwälzung vollzogen, ähnlich der von Florenz im Jahre 1250. Das Volk, der Kämpfe der Adelsfactionen müde, hatte sich als Gemeinde constituirt und einen Capitano del popolo an seine Spitze gestellt. Wir sind leider über diese Vorgänge, die wir nur aus den Ausstellern von Staatsurkunden und der Notiz einer späteren Chronik als ein Factum kennen, sehr schlecht unterrichtet[38]. Eine Anzahl ganz wankelmüthiger und treuloser Adlicher und Kirchenfürsten, wie den kriegerischen Bischof von Arezzo, Guglielmo de’ Ubertini, der von Jahr zu Jahr seine Parteistellung wechselte und dadurch in die wunderbarsten Verhältnisse kam, so dass er bald die Guelfen in dieser und die Ghibellinen in jener Stadt von seinen Bündnissen ausnahm, zog die Curie, als die sich in ihren Zielen allein vollkommen consequent bleibende und rücksichtsloseste Macht, doch schliesslich auf ihre Seite.

Aber alles hätte doch noch eine für Manfred günstige Wendung nehmen können, wenn seine Partei einen tüchtigen Führer in Tuscien gehabt hätte. In der Wahl dieser vergriff sich aber Manfred vollkommen, wenn er die Wahl hatte. Giordano d’Anglano, der tüchtig war, wurde Anfangs 1262 abgerufen[39]. Sein Nachfolger, Francesco Semplice, machte den Versuch, Guelfen und Ghibellinen zu versöhnen, was eine Unmöglichkeit war. Dann wurde der unglückliche Guido Novello im Herbste 1264 Generalvicar. Hatte er als Podestà von Florenz sich den Hass der Bürger aufgeladen, als er die Stadt zu seinem Vortheil ausplünderte, so war er jetzt nicht einmal im Stande, sie gegen Lucca und die vertriebenen Guelfen zu schützen. Er musste gegen diese 1262 ein Hilfscorps von Siena schleunigst herbeirufen, und 1263 wäre die Stadt abermals fast durch eine Kriegslist in die Hände dieser Feinde gefallen. Das thatkräftigste Parteihaupt der Florentiner Ghibellinen, Farinata degli Uberti, starb am 27. April 1264. Schliesslich musste sich aber doch im Herbste 1264 Lucca dem Generalvicar, der eine grosse Kriegsmacht [42] aufgeboten hatte, ergeben. Aber der Frieden dieser Stadt mit Siena und Pisa kam erst im Juli 1265 zu Stande. Guido Novello, der das Schiedsrichteramt übernommen hatte, scheint hierbei doch ganz ohne Einfluss geblieben zu sein. Jetzt erst räumten die tuscischen Guelfen die Stadt und flohen nach Oberitalien namentlich nach Bologna, oder gingen nach Frankreich und England, von wo aus sie dann zur Hebung des Handelsverkehrs ihrer Vaterstadt wesentlich beitrugen. Noch ungeschickter und, man möchte fast sagen, geradezu zweideutig, benahm sich Guido Novello gegen Manfred selbst. Nachdem er Karl von Anjou in Pisa hatte entschlüpfen lassen, wollte Manfred, vom Süden vordringend, mit Hilfe der von Norden her heranrückenden tuscischen Heereskräfte den Papst und seinen Schützling Karl einschliessen und womöglich gefangen nehmen. Waren doch die Truppen Karls noch nicht in Italien angelangt. Obgleich nun die tuscische Union am 23. Mai 1265 in Pisa erneuert worden war und auf wiederholtes Drängen Manfreds sich das Heer derselben in der Richtung nach Rom in Bewegung setzte, kam es nicht weit. Es hielt sich bei der Belagerung ganz unbedeutender Burgen und Städte auf und zog dann wieder nach Hause. Ebensowenig trugen die verbündeten Städte etwas dazu bei, den Marsch der Truppen Karls aus der Lombardei nach dem Süden aufzuhalten, während die Guelfen sich mächtig regten.

Nicht nur dass die aus Florenz Vertriebenen sich dem Heere Karls anschlossen und auf dem Schlachtfeld von Benevent siegreich für ihre Rückkehr in die Heimath stritten, die Guelfen Tusciens überhaupt hatten unter sich einen Bund geschlossen, von Clemens IV. hierzu in aller Weise angetrieben. Am 2. Juli 1265 wurde der Bischof von Arezzo, Guglielmo de’ Ubertini, von Hause aus und auch später wieder ein eifriger Ghibelline, unter Vermittlung eines vertriebenen Florentiners in Perugia, wo der Papst sich aufhielt, zum Bundeshauptmann dieser Guelfenliga auf ein Jahr gewählt. Die Katastrophe von Benevent brachte diesen Bund, der von jetzt an die Geschicke von Florenz bestimmen sollte, zur Herrschaft in Tuscien. Der ghibellinische Adel, der sich schon unter den günstigsten Bedingungen zu den Lebzeiten König Manfreds, als dieser noch eine gewisse Einheit der ghibellinischen Partei in sich verkörperte, unfähig gezeigt hatte, in Tuscien die Suprematie zu behaupten, war jetzt gar nicht mehr im Stande, der von Rom [43] aus einheitlich und zielbewusst geleiteten guelfischen Partei das Gleichgewicht zu halten. Er kämpfte nur noch um seine Duldung. Und das mit schlechtem Erfolge.


IV.

Wird an den mittelalterlichen Florentinern ganz besonders ihre Habgier hervorgehoben, so wird nicht minder ihre Rachsucht von den Commentatoren der Divina Comedia und den Sittenpredigern der Zeit beklagt[40]. Die Leidenschaftlichkeit der Parteikämpfe zog damals selbst die Frauen in ihre wildesten Kreise[41]. Um so mehr muss man über die Vorgänge staunen, welche sich in Florenz nach dem Tode König Manfreds abspielten. Die ghibellinische Partei musste wissen, was für sie auf dem Spiele stand. Der leidenschaftliche Papst Clemens IV., der unerbittlich harte Karl von Anjou, die von ihrer Heimath vertriebenen und um Hab und Gut gebrachten Guelfen von Florenz, eine solche Dreizahl von Feinden hätte selbst einen Guido Novello, so sollte man meinen, zur Energie aufrütteln sollen. Aber er fand weder den Muth, sich der siegreichen Coalition rückhaltslos zu unterwerfen, noch sich tapfer und entschlossen derselben zu erwehren.

Noch bestand die ghibellinische Union (taglia) von Tuscien. Sie war sogar erst am 10. Februar 1266 in Siena erneuert worden. Ihr Capitän, Guido Novello, lag mit der Mannschaft des Bundes, unter der sich die besonders gefürchteten deutschen Reisigen befanden, in Florenz. Der von ihm eingesetzte Podestà Graf Napoleon von Mangona, aus dem Grafengeschlechte der Alberti, legte aber schon auf sein Geheiss im April seine Stelle nieder, nachdem er im März in seinem und der Comune Namen eine Gesandtschaft an den Papst nach Perugia abgeschickt hatte. Clemens IV. nahm die vier Botschafter wohl auf, als sie um Aufhebung der Excommunication und des Interdicts baten und in den Gehorsam der Kirche zurückzukehren versprachen. Am 25. März forderte er den angesehenen Cardinal Ottaviano degli [44] Ubaldini, den Freund Kaiser Friedrichs II. und ghibellinisch gesinnt, auf, die Stadt von den kirchlichen Censuren zu befreien, wenn 60 solvente Kaufleute der Stadt sich mit Hab und Gut für den Gehorsam ihrer Comune verbürgen würden. So sicher sah er schon die Unterwerfung der Florentiner an, dass er an demselben Tage an seinen Legaten in Frankreich, zugleich mit der Nachricht von der Schlacht von Benevent, dieses meldete[42]. In der That löste der Cardinal schon am 7. April die Stadt vom Banne. Diese hatte sich damit aber keineswegs einem guelfischen Regimente unterwerfen wollen. Das guelfische popolo vecchio hatte sechs Jahre vorher „die Arbia blutigroth gefärbt“, die Häupter des guelfischen Adels waren ausserhalb der Stadt, die Ghibellinen waren noch im Besitze der Herrschaft. Da glaubte Guido Novello seinen Feinden entgegenkommen zu sollen.

An Stelle des ausschliesslich ghibellinischen Stadtregiments sollte jetzt, in Nachahmung eines ähnlichen Versuchs in Piacenza (1254), ein zweiköpfiges Podestatenamt errichtet werden. Der eine der „Rectoren“ sollte der ghibellinischen Partei, der andere der guelfischen angehören. In Verbindung mit 36 Rathsmännern (buoni uomini), die dem wohlhabenden Bürgerstande angehörten und gleichfalls den beiden Parteien entnommen waren, sollten sie die Stadt regieren. Die Wahl für die beiden Podestaten fiel auf zwei Bolognesen, welche zu dem nicht lange vorher entstandenen Ritterorden der glorreichen Jungfrau Maria, gewöhnlich Frati godenti, vom Volk wohl auch Capponi (Kapaune) genannt, gehörten. Es waren der Guelfe Catalano de’ Malavolti und Loderingo d’Andalò. Der Papst, der die naturnothwendigen Folgen eines so constituirten Regimentes von Anfang an übersah und seine Aufgabe nur als eine vorübergehende bezeichnete, musste die Beiden erst von ihren Ordensgelübden entbinden und in sie drängen, diese zweideutige Mission anzunehmen[43]. Ihr sind [45] sie denn auch zum Opfer gefallen. Sie haben es keiner Partei recht machen können und sind von Dante als Verräther für immer gebrandmarkt worden. Wie hätte es auch anders kommen sollen?

In der Stadt lag Guido Novello mit seinen Reisigen, die Lohn verlangten. Mit Ausnahme von Siena, das sich in seiner Parteistellung behauptete, waren die Glieder der ghibellinischen Union sämmtlich in das feindliche Lager übergegangen. Pisa verhandelte mit dem Papste seit dem März, in Lucca war der Capitän der vertriebenen Guelfen von Florenz, der guelfische Vetter Guido Novellos, der Graf Guido Guerra, Podestà geworden. Da sollte nun das Volk von Florenz die Truppen der Union bezahlen. Es wollte aber nicht einmal seine Rectoren und deren Beamten besolden. Der Papst musste seinen beiden Figuranten desshalb erlauben, dem Volke eine Steuer aufzuerlegen, befahl aber gleichzeitig, alle deutschen Söldner zu entlassen. Das wollte aber der ghibellinische Adel, der wehrlos gemacht werden sollte, nicht dulden. Sein Verhängniss zog sich schon von allen Seiten her zusammen. Die Zünfte wurden zu politischen Zwecken neu organisirt. Die sieben oberen erhielten je einen Capitano, Consuln und Bannerträger; der Papst verlangte für die Guelfen die Erlaubniss der Rückkehr in die Stadt, er drohte mit der Absendung eines Stadthauptes seiner Wahl, des Jacobo de Collemedio, der die Frati godenti ersetzen solle. Dieser Mann war Justitiar König Karls in den Abruzzen, die Absicht des Papstes, sich und seinem Schützling die Stadt zu unterwerfen, ganz durchsichtig. Es kam alles darauf an, dass das Stadtregiment mit dem ghibellinischen Führer einig blieb. Aber dieser, ungeschickt und brutal wie er war, trieb kopflos die Dinge einer Krisis entgegen.

Guido Novello verlangte eine hohe Umlage von der Bürgerschaft, zehn Soldi von hundert. Die Rathsherren der Stadt erklärten die Auflage in dieser Form für unmöglich, sie wollten auf andere Art das Geld schaffen. Guido Novello erwiderte, er könne nicht warten. Nachdem die Sienesen auf ihre Kosten noch im October die Schaaren der Söldner in Florenz verstärkt hatten, erhoben sich zunächst die Lamberti am 11. November und sprengten mit ihrer Gefolgschaft den Stadtrath auseinander. Die ganze Stadt gerieth darüber in Aufregung. Ein [46] Ghibelline aus der angesehenen Familie Soldanieri stellte sich an die Spitze der Bürgerschaft, welche die Strassen mit Barricaden sperrte. Ein vereinzelter Versuch, diese zu brechen, misslang. Guido Novello verlor allen Muth. Mit seinen Schaaren ritt er, von drei Rathsmännern umgeben, die ihn gegen die Geschosse und Steinwürfe aus und von den Häusern schützen sollten, von San Giovanni nach dem Palazzo des Podestà, um von den Frati godenti, die dort residirten, die Schlüssel der gesperrten Stadtthore zu verlangen. Diese riefen ihm zu, sich zu beruhigen, sie würden das Geld beschaffen, er solle nur nach seinem Palazzo reiten. Aber der Feigling hatte den Kopf verloren. Durch das „Ochsenthor“ führte er die Schaaren der deutschen Söldner ostwärts aus der Stadt, dann zog er mit ihnen nordwärts im Bogen um sie herum und kam noch des Abends in Prato unversehrt und unbelästigt an. Es hätte unter den so schmählich Geflüchteten kein einziger tapferer Mann sein müssen, wenn sich nicht doch einiges Schamgefühl unter ihnen geregt hätte. Man beschloss, wieder nach Florenz zurückzukehren. Als man aber am folgenden Tage, jetzt von Westen kommend, vor die Stadt kam, fand man die Thore geschlossen, die Mauern besetzt. Das schien sehr bedenklich, und Guido Novello ritt abermals von dannen, auf seinem Rückzuge seinen Muth durch die Erstürmung eines elenden Schlösschens kühlend.

Jetzt war der Moment gekommen, in dem Clemens IV. energischer und erfolgreicher eingreifen zu können gedachte. Er war von seinen Agenten natürlich von dem Vorgefallenen sofort unterrichtet und angeblich gebeten worden, Florenz einen Podestà zu senden. Aber noch immer wollte man sich hier nicht auf Gnade und Ungnade unterwerfen. Noch waren die angesehensten ghibellinischen Familien, wie die Uberti, Fifanti, Scolari in der Stadt, das Stadtregiment gemässigt ghibellinisch, d. h. in diesem Falle autonomistisch, gesinnt. Der Umstand, dass der von Clemens IV. bestimmte päpstliche Podestà Jacobo von Collemedio lieber in den Abruzzen bleiben, als sich in das ihm zugedachte Florenz begeben wollte, erleichterte den Florentinern ihren Widerstand. Der Papst schrieb Brief über Brief am 20., am 22., am 23. November, wollte das Amt eines Capitano del popolo wieder ins Leben gerufen sehen, schickte einen in den tuscischen Dingen sehr erfahrenen Geistlichen, Elias Peleti, nach [47] dort und verabschiedete die Frati godenti. Der Brief vom 27. December beweist aber, dass er doch nichts von allem dem, was er wünschte, erreicht hatte. Da die Frati, vom Papste aufgegeben, beim Volke keinen Rückhalt hatten, legten sie ihr Amt in den letzten Tagen des Decembers nieder[44], als der von den Florentinern selbst berufene Podestà Ormanno de’ Monaldeschi und der Volkshauptmann P. Bernardini von Orvieto angekommen waren. Das reizte den Zorn des Papstes so sehr, dass er die Stadt excommunicirte und Karl von Anjou aufforderte, Truppen nach Tuscien zu senden. Florenz liess sich zwar dadurch nicht schrecken und forderte im Januar 1267 Guelfen und Ghibellinen auf, in die Stadt zurückzukehren. Das geschah. Versöhnungsfeste wurden jetzt zwischen den Parteien gefeiert und Ehen zwischen Familien abgeschlossen, die schon Menschenalter lang die Stadt mit ihren Kämpfen erfüllt hatten. Aber dieser patriotische Enthusiasmus konnte nicht von langer Dauer sein. War auch Guido Novello in die Stadt zurückgekehrt und hatte seine Tochter dem Forese Adimari zum Weib gegeben, sein Vetter Guido Guerra kehrte mit den fanatischsten Guelfen von Lucca nicht zurück.

Diese wollten nichts von Versöhnung mit den Ghibellinen, sondern nur von deren Vertilgung hören. Sie wussten, dass sie mächtige Freunde in Rom und Neapel hatten. Es war kaum nöthig, dass der Papst sie ermahnte, neben der Taubeneinfalt nicht der Klugheit der Schlangen zu vergessen[45]. Wodurch man bei Karl von Anjou am besten wirke, hatte man in Unteritalien selbst erlebt. Auf die Kunde, dass er in Rom angelangt sei, rafften die Guelfen in Lucca zusammen, was sie an Geld und Geldeswerth noch hatten und sendeten es an Karl, damit er ihnen einige hundert Söldner zur Unterwerfung ihrer Vaterstadt ablasse. Dazu war Karl jetzt um so eher bereit, als Pisa sich dem Papste ganz unterworfen hatte und Nachrichten nach Rom gekommen waren, die von Verhandlungen zwischen Guido Novello und dem Sohne Konrads IV. berichteten. Karl von Anjou beauftragte einen seiner zuverlässigsten Heerführer, den Grafen Philipp[46] von Montfort, dem er den Juristen Robert [48] de Lavena zur Seite stellte, mit der Führung der Schaaren, die im Dienste des Papstes Florenz unterwerfen sollten. Von diesem im Voraus hiervon benachrichtigt, erhoben sich in Florenz die Guelfen, Guido Guerra kam von Lucca herbei, und damit auch der Segen der Kirche nicht fehle, wurden zwei Mönche mitgeschickt, die alle vom Banne lösen sollten, welche sich als an der Berufung der Orvietaner unbetheiligt ausweisen könnten. Am 10. April 1267 kündete der Papst ferner den Florentinern an, dass er nur so lange, als der Kaiserthron unbesetzt sei, den König Karl zum Friedensstifter (paciarius) in Tuscien bestellt habe, den sie zu unterstützen hätten. Die florentiner Ghibellinen wussten im Voraus, was dieser Friedensstifter zu bedeuten habe. In der Nacht vom 16. auf den 17. April, es war die Nacht vor dem Ostertage, verliessen sie auf die Nachricht von dem Herannahen der französischen Truppen die Stadt. Ihre Herrschaft sollte hier nimmer wieder auferstehen.     (Schluss folgt.)



[38]
(Fortsetzung.)
V.

Die im Jahre 1267 nach dem Sturze König Manfred’s unter Beihilfe seines Besiegers nach Florenz zurückkehrenden guelfischen Verbannten setzten sich aus verschiedenen Gruppen zusammen. Zu ihnen gehörten vornehme guelfische Adliche, welche die Siege König Karl’s mit erfochten hatten und die theilweise um so leidenschaftlichere Gegner der gestürzten Regierung waren, als sie Familien entstammten, die ihrer Tradition nach ghibellinisch gesinnt waren. Ganz begeisterte Anhänger des Papstes waren natürlich die Mönche und Geistlichen, welche das dem Geruche der Ketzerei verfallene Regiment mit besonderem Hasse verfolgten. Aber auch zahlreiche Kaufleute und wohlhabende Bürger, welche das Brod der Verbannung gekostet hatten und die Treppen Fremder auf und nieder gestiegen waren, kamen in die ersehnte Heimath zurück. Nicht als ob zu diesen viel niederes Volk gehört hätte. Unter den Kaufleuten und Banquiers, welche sich jetzt wieder des Anblicks von „San Giovannis Hürde“ erfreuten, befanden sich auch Sprossen adlicher Geschlechter, welche die Noth zu tüchtigen Geschäftsleuten gemacht hatte, denn „bisogno fa produomo“. Ausdrücklich wird der grosse Aufschwung, welchen Florenz im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts in commercieller Hinsicht nahm, mit der Vertreibung der Guelfen aus der Stadt [39] im Jahre 1260 in Verbindung gebracht. Sie, in alle möglichen Länder zerstreut, hätten den Verkehr ihrer Heimath mit diesen angeknüpft und gesteigert[47]. Diese Männer, kühle Rechner und praktische Geschäftsleute, waren die erbittertsten Gegner des feudalen Regimentes, das die Stadt im Inneren zu keiner geordneten Verfassung und nach Aussen zu keinem Frieden mit der geldbedürftigen, aber auch geldspendenden Curie kommen liess. Jetzt wollten sie aber vor Allem für die in den bösen sieben Jahren erlittenen schweren Verluste, die ihre Habe in der Stadt erfahren hatte, entschädigt sein. Viele der Verbannten waren doch auch arm geworden und gar manche fanden ihre Häuser und Burgen zerstört oder in fremdem Besitze.

Um das so Verlorene wieder zu gewinnen und Rache zu nehmen an den Zerstörern des heimathlichen Heerdes, galt es zunächst eine kräftige, rücksichtslose Parteiregierung einzusetzen, welche hierzu sowohl die sofort zu ergreifenden, mehr transitorischen Massregeln traf, als auch bleibende Verfassungsveränderungen ins Leben rief, welche die Rückkehr des ghibellinischen Feudaladels unmöglich machten. Darum durften die Heimgekehrten die Parteiorganisation, die sie zusammengehalten und den Sieg mit herbeigeführt hatte, nicht nur nicht auflösen, sie mussten sie vielmehr zu einer bleibenden, womöglich die ganze Comune beherrschenden machen. Und das ist auch geschehen. Die Constituirung der guelfischen Partei in der Stadt zu einer geschlossenen, unter eigenen Vorständen sich selbst regierenden, unabhängigen und reichen Körperschaft, welche die Comune beeinflusste, sich aber von allen Wandlungen derselben in ihren eigenen Institutionen kaum anfechten liess, das ist das wichtigste Ergebniss der 1267 mit fremder Hilfe herbeigeführten Umwälzung dieses Gemeinwesens für dessen ganze spätere Entwicklung. Dass diese Revolution sich aber nur durch Beihilfe von Aussen hatte vollziehen und dann behaupten können, das zeigt schon die Umgestaltung, welche man der Spitze der comunalen Behörden geben zu müssen glaubte.

Die Stadt hatte bis dahin ihre Selbständigkeit gegen Kaiser und Papst durch die von ihr selbst jährlich vollzogene Wahl [40] ihres höchsten Beamten, des Podestà, zu erringen und zu sichern gewusst. Jetzt machte man aber den vom Papste zum „Friedensstifter Tusciens“ ernannten Führer der Guelfenpartei ganz Italiens, den König Karl von Anjou, zunächst für den Rest des Jahres 1267 und dann sofort auf sechs[48] weitere Jahre als Podestà zum Haupte der Stadtverwaltung. Wie zwanzig Jahre zuvor „König“ Friedrich von Antiochien die Stadt durch Vicare regieren liess, so jetzt ein anderer König. Was man damals auf jede Weise zu beseitigen gesucht hatte, fand jetzt die Guelfenpartei ganz in der Ordnung. Einen bedeutenden Unterschied gab es freilich. Hatte der Sohn Friedrich’s II. damals mit Hilfe eines undisciplinirten Adels die Stadt verwaltet, so stand jetzt neben dem Vicar König Karl’s ein aus zwölf Mitgliedern bestehender Stadtrath. Diese zwölf Buonuomini, je zwei von den Sechsteln (sesti) der Stadt gewählt, verwalteten ihr Amt zwei Monate. Man rief damit die zwölf Vorsteher (anziani) des Volkshauptmanns (capitano del popolo) von 1250 wieder ins Leben, nur dass sie eine andere Stellung im Organismus der Verfassung erhielten. Dieser erlitt jetzt überhaupt eine gründliche Umbildung.

Waren vor 1250, je nach dem Stande der kaiserlichen Autorität in Florenz, bei der Berathung der wichtigsten Angelegenheiten, dem Abschluss von Verträgen, der Veranlagung von Steuern, bei Kaufverträgen und Kriegserklärungen u. s. w. nur die Vorstände der oberen sieben Zünfte und dann die Vertretung der gesammten Comune, der grosse und kleine Stadtrath (consiglio generale et speciale del Comune), gefragt worden, und waren diese Rathskörper auch noch nach 1250 bestehen geblieben, so verschob sich jetzt der Schwerpunkt der Regierung, sowohl was die Gesetzgebung als was die Verwaltung betrifft. Er befand sich nicht mehr in dem aus Adlichen und Bürgerlichen zusammengesetzten Rathe der Comune oder des Podestà, sondern in dem Volksrathe (consiglio del popolo), der ebenso wie der andere sich aus zwei Räthen zusammensetzte. An diesen Rath brachten die zwölf Rathsmänner ihre Anträge zunächst, und der Volkshauptmann leitete die Verhandlung in seinem Rathe. Dann erst kamen sie an den Gemeinderath. Denn so neuerungssüchtig [41] man in Florenz auch war, so wenig radical verfuhr man hier. Wenigstens jetzt noch nicht. Die bestehenden constitutionellen Factoren wurden keineswegs beseitigt und sofort durch neue ersetzt. Zeigten sich in der Staatsmaschine Fehler, so riss man das vorhandene Räderwerk nicht weg, sondern schob zwischen dasselbe ein neues Element ein, welches die Reibungen des alten verhindern und die Gangart der Maschine ausgleichen und regeln sollte. Dadurch entstand freilich eine sehr zusammengesetzte und schwerfällige Staatsmaschine; doch wusste man ihren Betrieb dadurch wieder zu beschleunigen, dass man die Sitzungen der verschiedenen Räthe in ein und dasselbe Gebäude und ziemlich auf dieselbe Zeit verlegte. Aus der Kapelle einer Kirche, in der dieser Rath Beschluss gefasst hatte, kam die Proposition in Dringlichkeitsfällen an den anderen Rath, der in derselben Kirche, aber in einem zweiten Raume tagte, und so konnte man doch ziemlich rasch fertig werden. Von der grössten Wichtigkeit war es jedoch, wer eine Proposition zuerst zu berathen hatte. Da der Volksrath dem des Podestà jetzt voranging, so hatte jener also die Initiative in den wichtigsten Staatsangelegenheiten. Ohne ihn konnte keine wichtige Angelegenheit und keine Ausgabe beschlossen werden. Diese nacheinander Beschlüsse fassenden Räthe, von denen der erste aus den Zunftvorständen und Vertrauensmännern, der Credenza, bestand, denen dann der grosse Rath des Capitano, der 190 Köpfe zählte, folgte, und der kleine und grosse Rath des Podestà, welcher 300 Mitglieder hatte, bildeten in ihrer Gesammtheit die sogenannten consigli opportuni, d. h. die Gesammtheit der constitutionellen Körperschaften. Die Erledigung wichtiger Fragen, die Besetzung der Aemter aller Art u. s. w. musste durch sie erfolgen[49]. In grossen [42] Lebensfragen des Staatswesens trat, alle diese Räthe überragend, dann noch das Parlament zusammen, d. h. die Gesammtheit aller Bürger.

War durch die Vielheit der Räthe, deren Competenzen nicht streng geregelt waren, so dass man häufig erst über sie beschliessen musste, die Thätigkeit vieler Bürger schon sehr in Anspruch genommen, so geschah dieses fast noch mehr durch die Wahlen zu ihnen selbst. Diese erstreckten sich nämlich nur auf kurze Wahlperioden und waren keineswegs einheitlich geregelt. Denn die Räthe wurden auf sechs Monate[50], und theilweise wenigstens von localen Wahlkörpern, bei denen sich der Einfluss der alten und reichen Familie geltend machte, nach den Sesti, bestellt. In dem Rathe der Comune waren Adel und Volk zu gleichen Theilen vertreten, im Rathe des Popolo nur dieses. Die Wählbarkeit in einen Rath war an das Alter von 25 Jahren gebunden[51].

War durch diese Verfassung dem Volke ein sehr bedeutender, – ja man würde sagen können: Ausschlag gebender Antheil an der Regierung gesichert, wenn der durch seine historische Stellung, durch seine Geschäftskenntniss und allgemeine Bildung und Waffentüchtigkeit dem gemeinen Bürgersmann doch weit überlegene und zum Herrschen erzogene Adel seinen Einfluss nicht noch persönlich zu behaupten verstanden hätte, so waren die Prärogativen der guelfischen Partei noch grössere. Denn einen Bestandtheil der Magistratur bildeten ferner zwei andere Behörden, von denen die eine ihrer Natur nach nur eine transitorische Bedeutung haben konnte, und die andere streng genommen nur der Vorstand einer Privatgesellschaft war. Und doch [43] waren es Behörden von der grössten actuellen Bedeutung für die Comune: ich meine die sechs Hauptleute der Partei der Guelfen und die sechs Capitani der Genossenschaft gegen die Verbannten (Societas confinatorum). Mit den zwölf Rathsherren des königlichen Vicars lag den zwölf Vorständen dieser beiden Genossenschaften die Reinigung der Stadt von allen ausgesprochen ghibellinischen Elementen ob. Sie konnten verbannen und zurückrufen. Eine Sentenz von ihnen war unwiderruflich gültig, wenn nur von jeder der drei Körperschaften ein Mitglied bei ihr thätig gewesen war. Sie haben denn auch bis zum Jahre 1269 die Stadt methodisch und gründlich gesäubert. Die Ghibellinen wurden in zwei grosse Classen geschieden, von denen die eine wieder in vier Unterabtheilungen zerfiel. Da gab es die einfach ghibellinisch Gesinnten, als verdächtig (sospetti) verzeichneten, die man nach dem Grade ihrer Verdächtigkeit, bald aus der Stadt, der Grafschaft und dem District, bald nur aus der Stadt und der Grafschaft, bald nur aus der Stadt selbst auswies oder in ihr zurückbehielt, jedoch so, dass sie jeden Augenblick ihrer Ausweisung gewärtig zu sein hatten. Von diesen vier Kategorien Verdächtiger, deren Zahl man auf 1600 angegeben findet, waren die echten, aus der Stadt ausgezogenen Ghibellinen, an deren Spitze, wie immer, die Uberti, Lamberti u. s. w. standen, geschieden. Zwischen diesen und der Stadt, die sie als Rebellen ansah, war jedes Verhältniss abgebrochen. Man lebte auf Kriegsfuss miteinander. Dieser Rebellen waren es ungefähr 1400. Auf Grund einer Durchmusterung der ganzen Stadtbevölkerung und der darüber aufgenommenen Specialacten, von denen uns nur einige Reste erhalten sind, wurde ein Gesammtverzeichniss dieser 3000 Personen angefertigt, die nach den Sesti geordnet in ihm aufgeführt werden[52]. Die Rückkehr der so Proscribirten war jedoch nicht ganz ausgeschlossen. Die drei Behörden hatten über jeden einzelnen Fall zu befinden. Die Eidesformel, welche der wieder zu Gnaden Aufgenommene vor ihnen zu leisten hatte, ist uns aufbewahrt[53].

[44] Deuten schon diese Anordnungen auf eine planmässige, den Schein willkürlicher persönlicher Vergewaltigung vermeidende Verfolgung und Ausrottung des Ghibellinismus in Florenz hin, so tragen andere Massregeln diesen Charakter noch schärfer zur Schau. Nur dass sie kaufmännischer gehalten sind. Die 1260 nach Florenz zurückgekehrten Ghibellinen hatten die Thürme, Häuser und Güter ihrer Feinde in junkerlichem Hasse und Uebermuthe geschädigt oder zerstört. Jetzt kamen diese zurück und trieben ihre damaligen Verluste mit Wucherzinsen wieder ein. Zunächst wurde eine Taxation des Schadens, den die Guelfen an Haus und Hof von 1260 bis 1267 erlitten hatten, vorgenommen. Aus den einzelnen Posten zusammengesetzt, ergab sich hieraus eine Summe von 172 160 Lire. Es lag nahe, sich hierfür an die Güter der jetzt vertriebenen Ghibellinen zu halten. Um das mit bleibendem Erfolge und einer Art von legalem Hintergrunde zu thun, wendete man sich an den Usurpator der Reichsrechte in Tuscien, den Papst, und dessen Mandatar, den König Karl, und bat sich Verhaltungsmassregeln aus. Auf ihr Geheiss, d. h. auf ihre Zustimmung hin, wurden nun die Güter der Ghibellinen eingezogen und in drei Theile zerschlagen: den einen erhielt die Stadt, den anderen die vertrieben gewesenen Guelfen, den dritten die Parteiverwaltung der Guelfen als solche. Indem so die Interessen der Comune und der guelfischen Partei aufs Unlösbarste aneinander gekettet wurden, war es den Ghibellinen fast unmöglich hier je wieder zu ihrem Besitz zu kommen. Der mächtige Cardinal Ottaviano degl’ Ubaldini, der Freund Friedrich’s II., dem man das Wort in den Mund legt: Wenn es eine Seele gibt, so habe ich sie für die Ghibellinen verloren, soll auf die Kunde hiervon sofort gesagt haben: Seitdem die Guelfen von Florenz Geld machen[54], kehren die Ghibellinen nimmer zurück. In der That, seitdem die guelfische Parteiorganisation [45] in den Besitz von grossen Geldmitteln gekommen war, aus denen sie der Stadt gelegentlich Vorschüsse machte, und sich einen vollständigen Beamtenstaat ausbildete, war sie die erste Macht der Comune geworden. Sechs Hauptleute stellte sie an ihre Spitze, von denen drei dem Adel, drei dem Bürgerstande angehörten. An dieser Zusammenstellung ist nie etwas geändert worden; durch sie blieben die adlichen Familien, selbst nachdem sie aus allen öffentlichen Aemtern verdrängt waren, doch noch immer mittelbar von einigem Einflusse auf die Geschicke der Stadt. Ein grosser und ein kleiner Rath wurde gebildet, ganz nach dem Muster der Stadtverfassung, ein Syndicus gewählt, dessen erste Aufgabe es bildete, die Ghibellinen anzuklagen, und ein Siegelbewahrer. Ehe die Partei sich einen eigenen Palast erbaute, der jetzt noch in seinen unteren Stockwerken erhalten ist, versammelten sich ihre Räthe und Magistrate in der Kirche von Santa Maria sopra Porta.

Die Ghibellinen, deren Muth stets erst dann gewachsen zu sein scheint, wenn sie sich ausserhalb der Heimath befanden, verzichteten einer solchen furchtbaren Organisation ihrer Feinde gegenüber keineswegs auf eine gewaltsame Rückkehr in die Stadt. Sie gaben sich eine ähnliche Verfassung wie diese. Nur wenige, so scheint es, gingen zur siegenden Partei über und wurden dann die wüthendsten Guelfen. Alle Hoffnung aufzugeben, hatten die Ghibellinen auch noch nicht nöthig. Denn keineswegs hatten sich alle tuscischen Städte dem Machtgebote des Papstes und dessen Vicar gefügt. Das von Parteihader ganz zerrissene und haltlos hin und her schwankende Pisa stand jetzt auf ghibellinischer Seite. Siena führte das Schwert der Partei. Ihnen gegenüber hatte sich jetzt eine Reihe kleinerer Orte mit Florenz und Lucca zu einem neuen tuscischen Bunde vereinigt, dessen Heerhaufen der Generalvicar König Karl’s anführte. Florenz überragte in diesem aber alle Glieder weitaus. Namentlich als Geldkraft. Als der König 1268 eine Umlage ausschrieb, wurde Florenz mit 1992 Pfund eingeschätzt; die übrigen elf Guelfenstädte, Lucca ausgenommen, die reichen Guelfen Sienas aber mit eingeschlossen, hatten 2436 Pfund aufzubringen[55]. Einen Bundesgenossen hatten die Ghibellinen an der Raubsucht und Grausamkeit [46] der Franzosen. Schon im August 1267 sah sich der Papst veranlasst, seinem „Friedensstifter“ in Tuscien zu schreiben und ihn zu bitten und zu ermahnen, die Grausamkeit in seinen und der Seinigen Thaten zu vermeiden und sich mehr als Sieger denn als Vollstrecker der Rache zu zeigen[56]. Aber die Bewohner Tusciens waren zu sehr vom Parteihass besessen, als dass sie den Sicilianern hätten ein Vorbild liefern können. Sie mordeten sich lieber untereinander. Eine grosse Zahl der vornehmsten Exulanten von Florenz hatte sich in ein Castell des Sievethales, San Ellero, geworfen. Jm Juni 1267 zogen die Florentiner unter der Führung des Marschalls der französischen Truppen gegen diese Feste aus, belagerten und eroberten sie. Die Sieger schonten Niemanden. Selbst Weiber und Kinder wurden umgebracht. Als die Florentiner das Castell von Gressa erstürmten, stürzte sich ein Jüngling aus der Familie Uberti von dem Thurme der Kirche herab, um nur nicht den Todfeinden der Seinigen, den Buondelmonti, in die Hände zu fallen.

Im Grossen und Ganzen waren jedoch die Fortschritte, welche die Guelfen machten, nicht von Belang. Den Muth der Ghibellinen belebte die Hoffnung, dass doch Conradin von Schwaben, den sie gerufen hatten, nach Italien herabsteigen und ihnen Hilfe bringen werde. Da beschloss König Karl die Führung des Krieges selbst in die Hand zu nehmen, und das Geschick schien ihm auch hier zu lächeln. Alles liess sich gut an, um jetzt sogar Siena zu unterwerfen. Die reichen Banquiers des Papstes aus dieser Stadt waren zu Verräthern an ihrer Heimath geworden. Die gewaltsam von ihr unterworfenen kleineren Comunen im Süden und die adlichen Herren der benachbarten Castelle fielen zu ihren Feinden ab. Montepulciano ging über. Aber der Handstreich auf Siena selbst blieb resultatlos. Dafür sollte Poggibonzi, die vielfach umstrittene Grenzfeste der Grafschaften von Florenz und Siena, in die sich jetzt an 1200 Ghibellinen geworfen hatten, erobert werden. Alle guelfischen Städte Tusciens sendeten dem Marschall Karl’s Hilfstruppen dazu, als er Mitte Juli sich vor der Stadt lagerte. Die aber war nicht so leicht zu gewinnen. Am 20. Juli läutete man in Siena Sturm, um den Freunden zu Hilfe zu ziehen. [47] Die Einschliessung zog sich in die Länge und König Karl musste sich entschliessen, selbst den Oberbefehl über die Belagerung zu übernehmen. Doch ehe er dieses that, besuchte er im August Florenz, wo er, ehrenvollst empfangen, acht Tage verweilte[57]. Aber auch der berühmte Krieger vermochte nichts gegen die tapferen Vertheidiger Poggibonzis. Nur vom Hunger getrieben, ergab sich die Besatzung erst am 30. November gegen freien Abzug mit Hab und Gut. Der Cardinal Ottaviano d’Ubaldini vermittelte den Vertrag[58]. Karl benutzte diesen Erfolg, der ihm aber kein Geld eingetragen hatte, um seine Freunde zu besteuern. Er legte im Februar 1268 den verbündeten Städten eine Umlage auf zur stärkeren Befestigung Poggibonzis; dazu hatten die Florentiner allein jene 1992 Pfund beizutragen. Aber der Bau der Mauern Poggibonzis kam nicht zu Stande, und Karl, den der Papst nicht ohne Grund einen Armen genannt hat, der sein Gut unordentlich verzehre[59], steckte das Geld in seine Tasche. Mehr noch hoffte er durch die Niederwerfung von Pisa herauszuschlagen. Denn gegen diese Stadt zog der König vom 16. December von Poggibonzi ab, obwohl die Nachrichten, die ihm Clemens IV. über den Stand seiner Angelegenheiten in Rom und dem Königreiche zukommen liess, ihn nach dem Süden hätten rufen sollen. Auf die Kunde von der nahe bevorstehenden Ankunft Conradin’s von Schwaben war fast das gesammte Königreich Sicilien von dem Fürsten von des Papstes Gnaden abgefallen und der Abenteurer Heinrich von Castilien, der in Rom zum Senator gewählt war, stellte sich immer deutlicher in die Reihe von dessen Feinden. Aber Karl zog gegen Pisa, verwüstete dessen Gebiet, gerirte sich als kaiserlicher Vicar, wozu ihn der Papst damals noch nicht bestellt hatte, und borgte den Feinden Pisas, den Lucchesen, [48] 600 Pfund Pfennige ab[60]. Sogar den Florentinern wurde dieses Aussaugungssystem des „Friedensstifters“ zu arg. Es wäre interessant, einmal aus den Actenstücken des florentinischen und neapolitanischen Archivs zusammenzustellen, welche Summen dieser Podestà und Generalvicar den anhaltsamen Florentinern abgepresst hat. Denn was darüber bisher veröffentlicht, ist gänzlich ungenügend[61]. Ich habe keine Zeit gefunden, bei Durchsicht der Registerbände der Capitoli mir alle die Summen zu notiren, die an König Karl gezahlt worden sind, und will hier nur zusammenstellen, was sich für die ersten Monate des Jahres 1268 nachweisen lässt.

Schon am 18. Januar stellte Karl zu Porto Pisano eine Vollmacht an seinen Marschall Johann de Braysilva aus, in der dieser ermächtigt wurde, 600 Goldgulden, welche die Florentiner ihm versprochen hätten, einzunehmen. Am 13. Februar quittirte der Mandatar des Marschalls dem Florentiner Kämmerer, dem Cisterziensermönch Francesco von San Salvatore di Settimo[62] im Namen des Königs und seiner Barone über diese oder eine andere Summe. Am 11. Februar wurden Niccolo de Barro und Mercaderio de Grassa von Karl beauftragt, jene 1992 Pfund als Beitrag der Stadt zum Aufbau von Poggibonzi einzuziehen. Als Karl im März Tuscien verliess, kaufte die Stadt von dem inzwischen vom Papste zum Reichsvicar in Tuscien bestellten Könige[63] dasselbe Poggibonzi für 20 000 Pfund. Am 17. Februar erklärt der Mandatar Karl’s und seiner Barone der Doctor der Decretalen Egidio de Fuscarulis, von dem eben genannten Kämmerer der Comune 3854 Pfund und vier Soldi als Restbetrag [49] auf die Summe von 72 000 Pfund, welche die Comune dem Könige und den Seinigen, und zwar 30 000 Pfund an den Marschall, 30 000 Pfund an den König als Anleihe und 12 000 Pfund als Geschenk an den König, seinem Caplan und seinen Baronen versprochen habe, erhalten zu haben. Der König fand aber, dass mit dieser Summe sein Guthaben an die Stadt noch keineswegs beglichen sei, und verlangte, dass Egidio derselben einen kurzen und peremtorischen Termin setze; dabei taucht das Verlangen auf, nicht nur den Rest des geborgten und geschenkten Geldes, sondern auch die Quote, welche Florenz für die 166 Reisige, die die Stadt zu den 500 Rittern des tuscischen Bundes zu stellen hatte, zu erhalten. Wir sind über den Erfolg dieser Thätigkeit des Doctor decretalium nur theilweise unterrichtet. Als Beitrag für den Sold erhielt er jedenfalls am 14. März 5810 Lire pisanischer Kleinmünze ausgezahlt. Es scheint, als habe der König, der vom 24.–30. März in Florenz sich aufhielt, dann noch einmal selbst am 27. März quittirt[64]. Mit diesen Contributionen von Seiten der Comune war aber der Aderlass, den Karl an Florenz vornahm, noch lange nicht abgeschlossen. Für die Ertheilung von Privilegien und dergleichen an Florentiner Kaufleute, z. B. für die Erlaubniss, aus Pisaner Häfen Waaren auszuführen, was jetzt verboten war, mussten diese dem Reichsstatthalter ordentlich bezahlen.

Und doch nützten alle diese Geldopfer der Stadt jetzt wenig. Der König hatte über Arezzo am 31. März Tuscien verlassen, am 7. April landete Conradin jubelnd empfangen in Pisa. Sofort entbrannte wieder der grosse Krieg im unteren Arnothale zwischen Pisa und Lucca, und das von den Florentinern theuer erkaufte Poggibonzi, welches von einer schwachen Besatzung von Sangeminianesen bewacht war, fiel sogleich an Conradin ab. Dieser versuchte seine Kräfte nicht an dem von einer französischen Ritterschaar vertheidigten Florenz, sondern suchte sich im Juni nur mit dem Senator Heinrich von Castilien in Rom zu vereinigen, um nach seinem Erbreiche zu ziehen. Das suchten die Florentiner mit dem Marschall König Karl’s zu verhindern. Am 24. Juni zogen sie aus der Stadt in der [50] Richtung nach Südosten, um Conradin die Strasse von Siena nach Rom zu verlegen. Die Florentiner hatten den Marschall Johann von Braysilva bis Montevarchi geleitet. Als die Ortskundigen getrauten sie sich nicht in das Defilé hinein, welches bei Laterina den Eingang in die Thalebene von Arezzo bildet. Um so sorgloser drangen die provençalischen Ritter in demselben vor, wurden aber hier von dem Herzog Friedrich von Oesterreich, welcher von Siena herbeigeeilt war, überfallen und fast gänzlich aufgerieben. Die so schwere Niederlage der Franzosen führte einen Rückschlag der allgemeinen Stimmung zu Gunsten Conradin’s in ganz Tuscien herbei. So stark war derselbe, dass selbst Florenz schwierig oder doch unsicher wurde. Clemens IV. musste den Podestà des Königs, den Provençalen Isnard Hugolin, den Grafen Guido Guerra, ja sogar seinen eigenen Legaten Wilhelm von Tonneux auffordern, keine Veränderung in der Stadtverfassung zu Ungunsten des Königs zuzugeben und sich nicht, wie er vernommen, in Verhandlungen mit dessen Feinden einzulassen[65]. Doch glaubte der Papst selbst in persönlichen Fragen einlenken zu müssen. Einzelne Florentiner, die noch von ihm excommunicirt waren, weil sie dem von ihm gesendeten Podestà Jacopo de Collemedio[66] das Salar noch schuldeten, wurden wieder in den Schoss der Kirche aufgenommen. Doch bald war der Papst wieder von aller Sorge frei. Die Niederlage Conradin’s bei Tagliacozzo[67][WS 3], welche der König den Florentinern und Lucchesen sofort anzeigte, und die Hinrichtung des letzten legitimen Sprosses des staufischen Hauses gab der guelfischen Partei ein Uebergewicht wie nie zuvor. Sei es nun, dass die französischen Podestaten Karl’s sich in Florenz sehr missliebig gemacht hatten, [51] oder man in der Stadt fürchtete, der König könne seinen Sieg auch gegen sie zu stark ausbeuten: durch Vermittlung des Papstes suchte man beim Könige die Ernennung eines Podestaten italienischer Nationalität zu erreichen[68]. Der Papst empfahl dem Könige, den Grafen Guido Guerra zu bestellen. Das that der König zwar nicht, doch ernannte er in der That einen Italiener, der ihm vom Papste im Allgemeinen empfohlen war, einen Malatesta de Verolo (Verucolo) von Rimini. Im November 1268 ist er schon in Florenz nachweisbar[69]. In Verbindung mit ihm haben dann die Guelfen die Stadt von allen ghibellinischen Elementen gründlich gereinigt. Ist doch die grosse Verbannungsliste vom 12. December 1268 datirt[70]. Weniger energisch zeigte sich die Comune gegen die ghibellinischen Feinde der Nachbarschaft. Sie unternahmen erst im Mai des folgenden Jahres einen erfolglosen Zug gegen Poggibonzi, den die Sienesen mit einem Einfall ins Elsathal beantworteten, als König Karl in der Person des Jehan Bertauld Herrn von Nangis[71] einen Vicar mit einer Abtheilung französischer Ritter nach Tuscien geschickt hatte. Dieser warf sich am 17. Juni 1269[72] mit seiner und der Florentiner Reiterei höchst ungestüm auf die Sienesen, welche im Begriff waren, die Belagerung von Colle aufzugeben, da sie den Anmarsch des florentinischen Fussvolks in Erfahrung gebracht hatten. Die guelfischen Reiterschaaren erfochten einen vollständigen Sieg. Guido Novello salvirte sich glücklich mit seiner Umgebung, aber Provenzano Salvani, die Seele der ghibellinischen Partei, blieb mit den gefürchteten deutschen Reisigen auf dem Schlachtfelde. Die Franzosen gaben keinen Pardon, die Florentiner schlugen ihrem verhassten, viel gefürchteten Feinde den Kopf ab. Ein rachesüchtiger Sienese [52] trug diesen, auf eine Lanze gespiesst, durch das Lager. Es war eine schwere Niederlage, welche hier die Sienesen erlitten. Doch ist es übertrieben, wenn die Florentiner Chronisten sie mit der von Montaperti vergleichen. Denn das guelfische Heer wendete sich nicht gegen Siena, sondern zog nach Florenz zurück, obwohl das Fussvolk von drei Stadtsechsteln von Florenz nach Colle nachgezogen kam. Der Tod Provenzano Salvani’s, welcher in Siena, ohne in Amt und Würden zu stehen, seit einem Jahrzehent der einflussreichste Mann gewesen war, war der unersetzlichste Verlust, den die ghibellinische Partei erlitt. Denn nun regten sich in Siena die reichen guelfischen Adelsfamilien wieder und besetzten Montalcino. Pisa machte im April 1270 auch seinen Frieden mit König Karl auf erträgliche Bedingungen hin, und der neue Statthalter des Königs, Guido von Montfort, bedrängte mit neuen Truppen Siena vom Süden her. Durch seine Verheirathung mit einer Tochter des Grafenhauses der Aldobrandeschi, das schon seit lange mit Siena verfeindet war, gab dieser dem Kampfe noch einen persönlichen Charakter. Doch waren die Bedingungen, unter denen die Sienesen jetzt mit dem Könige abschlossen, noch ganz glimpfliche. Dieser wollte offenbar vor seiner Expedition nach Tunis wenigstens für den Augenblick in Tuscien Frieden haben und der Pisaner Flotte sicher sein. Die Sienesen versprachen ihre Stadtverfassung zu reformiren und die Guelfen zurückzurufen. Aus vier von der Comune vorgeschlagenen, der römischen Kirche gehorsamen Personen wählte der König oder sein Vicar den Podestà und Capitano del popolo aus; die Gefangenen werden gegenseitig ausgetauscht; den Sienesen sind dieselben Handelsvortheile zugestanden wie den Pisanern; erst wenn die städtischen Parteien untereinander Friede geschlossen haben, darf der König oder sein Vicar die Stadt betreten[73]. Auf diese und andere Bedingungen hin einigten sich am 4. August die Vertreter der Comune und Guido von Montfort in Lucignano. An die Stelle des Podestaten Guido Novello trat Palmerius Martini von Fano, der sich von Gottes und des [53] Königs Gnaden Podestà nennt[74]. Die Sienesen feierten am Himmelfahrtstage ihrer Schutzpatronin, den 15. August, ihr grosses Stadtfest, als wäre nichts vorgefallen. Aber kurze Zeit darauf mussten doch die Ghibellinen die Stadt verlassen, in der jetzt das Ansehen des Königs Karl fast unbedingter herrschte, als in Florenz.

Hier hatte nach dem Siege von Colle das Bürgerheer der Stadt in Verbindung mit den französischen Truppen allerlei Vortheile über die ghibellinischen Adlichen der Grafschaft erfochten. Das Castell von Ostina, das den Pazzi gehörte, wurde geschleift. Dann zogen die Schaaren den Lucchesen zu Hilfe gegen die Pisaner, welche sich hinter ihren Mauern hielten. Es kam zu keinem bedeutenden Zusammenstosse mehr. Seit dem October hatten entsetzliche Regengüsse den Arno über seine Ufer getrieben. Holzstämme, welche der Strom von den Bergen herabgeführt, und die an den Brücken der Stadt sich festgesetzt hatten, stauten das Wasser in die Höhe, das so hoch und so rasch in die Stadt drang, dass viele Menschen ertranken. Die dritte der alten Brücken, Ponte della Trinità, wurde von dem Wasserschwall schliesslich hinweggerissen. Dasselbe Schicksal erlitt darauf die unterste, Ponte della Carraja. Ein böser Winter folgte. Die Stadt konnte ihren Geldverpflichtungen kaum nachkommen. Noch im December erklärte sie an den königlichen Vicar, sie werde, den königlichen Briefen entsprechend, hundert neue Reisige in ihren Sold nehmen, aber nicht mehr nach dem alten Bundesvertrage die alten bezahlen. Der Vicar, der die Stadt in Strafe genommen, und dessen Söldner sich an Hab und Gut der Stadt und einzelner Bürger schadlos gehalten hatten, musste sich dazu bequemen, seine Ansprüche zurückzuziehen und alle Forderungen mit der empfangenen Summe von 7740 Pfund kleiner Pfennige als erledigt zu erklären[75]. Jetzt erhoben die Florentiner auch direct ihre Stimme bei dem Könige und baten um die Zusendung eines Podestà italienischer Nationalität, um Schutz ihrer Rechte gegen ihre auswärtigen Feinde und die Uebergriffe seiner Statthalter. In einem ausserordentlich gnädigen Rescripte vom [54] 4. Januar 1270, in welcher Karl die Stadt ihrer Treue wegen höchlichst belobte und ihre Interessen mit den seinigen identificirte, versprach er alle die ihm „weise, wohl und ehrerbietigst“ vorgetragenen Wünsche der Stadt zu erfüllen[76]. Doch ernannte der König den Grafen Taddeo von Montefeltre und Urbino, den ihm der Papst schon früher empfohlen hatte, erst nach langem Zögern, am 13. Juli 1271, zu seinem stellvertretenden Podestà in Florenz[77]. Da Pisa im April 1270 mit dem Könige Frieden geschlossen hatte, konnte die Feindschaft zwischen den alten Anhängern Karl’s und der Seestadt nicht fortbestehen. Am 2. Mai kam in Pistoja der Friede zwischen Pisa und Florenz nebst einzelnen kleinen tuscischen Städten wirklich zu Stande. Die alten Feindseligkeiten sollen vergeben und vergessen sein, keine Partei soll den Feinden der anderen beistehen, ausgenommen die Verpflichtung gegen den König Karl, die Pisaner verzichten auf jede Verbindung mit den Ghibellinen von Florenz; sie wollen alle von dieser Stadt Vertriebenen als auch von ihnen gebannt ansehen, mit Ausnahme derjenigen, die seit zwei Jahren in Pisa ansässig sind. Alle tuscischen Feinde des Königs werden binnen 60 Tagen nach Veröffentlichung des Vertrags aus Pisa ausgewiesen; die Florentiner in Pisa sollen vor dem Strafgerichte behandelt werden wie Pisaner, die ihnen entzogenen Güter zurückgegeben und alle Pisaner freigelassen werden; sie dürfen mit ihren Waaren Pisa und dessen Gebiet frei passiren, Salz und Lebensmittel von dort frei einführen und haben von ihren übers Meer kommenden Waaren nur die bisherigen, nicht zu erhöhenden Zölle zu bezahlen. Die Florentiner versprachen volle Gegenseitigkeit in allen den ihnen zugestandenen Begünstigungen gegen Pisa und wollen sich auch bemühen, mit Beihilfe des Königs den Papst zu bestimmen, die über Pisa ergangenen geistlichen Censuren zurückzunehmen. Zweitausend Pfund Gold wurden als Strafe für den Brecher dieses am 5. Mai in Pisa ratificirten Friedens festgesetzt[78].

[55] Man sieht, dieser Friede, der im Wesentlichen dem von 1256 entspricht, zeigt die beiden Städte noch als gleichwerthige Mächte. Man kann bezweifeln, dass sich Florenz zu demselben verstanden hätte, wenn König Karl ihn nicht dringend gewünscht hätte, und die Stadt selbst nicht in Folge ihrer Verheerung durch den Arno der Ruhe bedürftig gewesen wäre.

Da also Siena seinen Frieden mit König Karl gemacht hatte, auch Pisa und Lucca im September ihre ewigen Kriege durch einen Friedensschluss unterbrachen, so könnte man glauben, es seien für Tuscien jetzt bessere Zeiten heraufgezogen. Das war aber doch nur im Allgemeinen der Fall. Die Ghibellinen, welche jetzt aus den grossen Städten ausgestossen wurden, setzten sich überall wie gehetztes Wild zur Wehre. Einzelne Burgen, die noch in ihrem Besitz waren, mussten ernstlich belagert werden, der Kleinkrieg war noch das ganze Jahr hindurch in vollem Gang. Die Florentiner leisteten dem Vicar des Königs hierbei willig Heeresfolge. Gewiss stellten sie auch den grössten Theil der Truppen dazu, deren Befehlshaber aber der Vicar des Königs war. Ihre Chronisten erzählen die Vorgänge aber so, als ob sie der leitende Theil bei denselben gewesen seien. In Folge hiervon sind sie denn auch so consequent, Thaten, die ihrer Gesinnung wenig zur Ehre gereichen würden, auf ihre Rechnung zu setzen. So soll die Comune bei König Karl im Frühjahre 1270 angefragt haben, was sie mit einigen auf ihrer Flucht von Siena nach dem Casentino aufgegriffenen Ghibellinen aus der Familie Uberti anfangen solle; der König habe befohlen, sie zu köpfen und einen noch unmündigen Knaben ihm zu senden, den er dann in den Kerkern von Capua habe umkommen lassen. Die Thatsache ist unzweifelhaft richtig, dass am 8. Mai 1270 mehrere Nachkommen des Retters von Florenz in dieser Stadt hingerichtet worden sind. Das geschah aber im Namen des königlichen Vicars. Ist der König selbst hierüber vorher befragt worden, so hat das auch sein Stellvertreter gethan[79]. Die tapferen und [56] hochgemuthen Söhne Farinata’s degli Uberti sollen mit einem Scherz auf den Lippen in den Tod gegangen sein.

Nachdem sich Fucecchio und andere Castelle der siegreichen Partei ergeben hatten, musste sich auch Poggibonzi dem Guido von Montfort unterwerfen. Die alte Ghibellinenfeste wurde dieses Mal bis auf den Grund zerstört. Die guelfisch-angiovinische Partei war die Siegerin geblieben und König Karl’s Macht schien für immer befestigt zu sein. So sah er auch selbst jetzt seine Lage an. Denn nun erst liess er seine vier Kinder, welche bis dahin vorsorglich in der Provence zurückgeblieben waren, zu sich nach Italien kommen. Am 11. Mai 1270 verliessen sie seine getreue Stadt Florenz auf der Durchreise nach dem Süden.

Und doch gab es Elemente genug, welche Italien noch in Aufregung erhielten. Mit Karl hatten die leitenden Mächte Italiens, das Papstthum und das aufstrebende Bürgerthum der Städte, den ersten, später oft wiederholten Versuch gemacht, einen Feind ihrer nationalen Entwicklung durch einen anderen zu verdrängen. Sie empfanden es gleich damals, dass sie nur einen Herrn mit einem anderen vertauscht hatten. Und ein sanfter und uneigennütziger Gebieter war König Karl am allerwenigsten. Auch seine provençalischen Ritter erwarben sich nirgends Freunde. Wie selbst die Florentiner sie gerne wieder los geworden wären und sie mit italienischen Statthaltern vertauscht gesehen hätten, sahen wir schon. Wie hätte sich der specifisch italienische Geist – denn von einem Nationalgefühl in unserem Sinne zu reden, wäre für diese Zeiten noch verfrüht – nicht auch in der Institution regen sollen, die wie kaum eine andere ein Product dieses Geistes ist?

Papst Clemens IV. war am 29. November 1268 gestorben. Drei Jahre lang liess es der Gegensatz der italienisch und französisch gesinnten Cardinäle zu keiner Papstwahl kommen. Ein kirchliches Interregnum war eingetreten wie das politische nach dem Tode Kaiser Friedrich’s II. Der Mittelpunkt des hierarchischen Systems der Kirche schien sich auflösen zu wollen und alles, was dem Volke im Getümmel der Zeit noch heilig geblieben [57] war, untergehen zu sollen, und das in dem Momente, in welchem der angeblich schlimmste Feind der Kirche gänzlich niedergestreckt war und das dogmatische System der mittelalterlichen Kirche sich in seinem alles umspannenden bis ins feinste Detail gegliederten Aufbaue zur nie übertroffenen Ausbildung zusammenfasste. In Viterbo, wohin jetzt der Sitz der Curie verlegt zu sein schien, erschlug der Statthalter König Karl’s in den geweihten Räumen der Cathedrale aus Blutrache den von dem Kreuzzug zurückkehrenden und darum ganz besonders umfriedeten Prinzen Heinrich von England, den Sohn Richard’s von Cornwallis, und liess den Leichnam durch die Kirche und die Strassen der Stadt schleifen. Eine solche Schandthat an heiliger Statte, die freilich späteren Zeiten nur als Vorbild für die Ausbildung der Mordtechnik in geweihten Räumen und in besonders heiligen Momenten dienen sollte, erregte ungeheures Aufsehen. Selbst König Karl konnte sich dem Eindrucke, den sie gemacht, nicht ganz entziehen. Doch verzieh er dem hohen Mörder bald wieder. Dagegen erhob das Gewissen des italienischen Volkes seine Stimme gegen die hadernden Cardinäle durch den heiligen Bonaventura. Zum ersten Male wurden ihnen Conclavezellen gebaut, über denen man schliesslich das Dach wegnahm, damit der heilige Geist sich leichter auf sie herabsenken könne, wie einer der internirten Cardinäle scherzte. Endlich wurde am 1. September 1271 Theobald von Piacenza, also ein Italiener, gewählt. Er weilte freilich zur Zeit noch als Patriarch von Jerusalem im heiligen Lande.

Diese seine bisherige Stellung musste die Blicke Gregor’s X. über die Wirren Italiens hinaus auf die Weltstellung des Papstthums, auf die dringenden Bedürfnisse der gesammten Christenheit lenken. Diese verlangte nach Schutz des heiligen Landes, das die Ungläubigen nach und nach wieder ganz in ihren Besitz zu bringen drohten. Um aber einen Zug zur Wiedereroberung des Verlorenen unternehmen zu können, war es nöthig, vor Allem in der Christenheit selbst den Frieden wieder herzustellen und die lediglich egoistische Politik Karl’s zu brechen und den höheren Zwecken dienstbar zu machen. Nicht als ob der Papst die Macht des Königs habe zerstören wollen. Er trat vielmehr zunächst für seine Machtstellung in Tuscien und der Lombardei ein. Aber wie in Deutschland geordnete Zustände [58] hergestellt und ein Friede zwischen dem römischen Könige und Karl von Anjou angebahnt werden sollte, so sollten auch die an sich unbedeutenderen, aber um so näher liegenden Conflicte in Italien beseitigt werden. Dazu setzte der Papst nun auch in Florenz seine Macht ein, von wo aus ja die Parteinamen, die jetzt alle Welt erfüllten, ausgegangen waren.

Nach seiner Inthronisation hatte der Papst eine allgemeine Kirchenversammlung nach Lyon für das Jahr 1274 ausgeschrieben. Auf der Reise dahin kam er schon am 18. Juni 1273 nach Florenz. In seinem Gefolge befand sich das Cardinalscolleg. Der König Karl und dessen Schwiegervater, der vertriebene Kaiser Balduin von Constantinopel, waren schon seit dem 14. Juni dort. Der Papst stieg im Palast seiner Banquiers, der Mozzi[80], in Oltrarno ab, die Fürsten in verschiedenen Quartieren. Sofort begann der Papst seine auf die Aussöhnung der Parteien in Florenz gerichtete Thätigkeit. Am 12. Juli hatte er die Genugthuung, das Friedensinstrument durch die Syndici der Parteien unterzeichnen und die vor seinem Palaste in der Nähe der Brücke Rubaconte bis in das Flussbett des Arno hinein versammelte Volksgemeinde den Frieden beschwören lassen zu können. Es war fast mehr ein Friede zwischen den Führern der ghibellinischen Partei in Tuscien, den Grafen Guido Novello und Simone, dessen Bruder, und den Florentinern als zwischen den beiden Parteien dieser Stadt. Wie die Dinge aber jetzt lagen, mussten die Grafen und die Vertriebenen die Kosten des Versöhnungswerkes fast allein tragen. Die Grafen unterwerfen sich dem Könige, dessen Vicar und der Kirche vollständig. Sie öffnen ihre Burgen in Tuscien dem Könige, der sie besetzt hält, solange er Reichsvicar ist, und nach ihm der Kirche für zwei Jahre oder länger. In einer besonderen Urkunde wird dem Grafen Guido Novello noch garantirt, dass er für das, was er vor der Ernennung Karl’s zum Reichsvicar in Tuscien gethan, nicht diesem und dessen Vicare, sondern allein dem Papste zu Rechte stehen soll. Die Ghibellinen von Florenz können nur mit Einwilligung [59] des Königs in ihre Heimath zurückkehren, nachdem sie Geisseln gestellt wie die Grafen. Nur ihre Frauen und die Kinder unter 10 Jahren sollen heimziehen und die Familien ihren Immobilienbesitz zurückerhalten. Denen, welche nicht zurückkehren, weist der König den Aufenthaltsort an. Alle werden von dem Kirchenbanne gelöst[81].

Trotzdem dass durch diesen Frieden den Ghibellinen nur ein Aeusserstes zugestanden war, wollte ihn König Karl nicht zur Ausführung kommen lassen. Es scheint fast so, als ob er den Papst, welcher vielleicht den alten Plan, Reichstuscien zum Kirchenstaate zu schlagen, wieder aufgenommen hatte, fast mehr fürchtete als die florentinischen Ghibellinen. Auf keinen Fall sollten aber diese ein Stützpunkt bei der Ausführung desselben werden. Vier Tage nach dem Abschlusse des Friedens bedeutete der Befehlshaber König Karl’s den Unterhändlern der Ghibellinen, die Stadt zu verlassen[82][WS 4]. Das geschah auch eilends, und der Papst folgte ihnen bald nach. Er begab sich ins Mugellothal zum Cardinal Ottaviano degli Ubaldini. War der Papst wohl auch gegen den König persönlich erbittert, wie die Chronisten das versichern, so verhinderte ihn doch seine Umgebung und die allgemeine Lage der Dinge seinem Missmuth einen zu deutlichen Ausdruck zu geben. Dafür wurde aber der Kirchenbann über Florenz verhängt. So gross war der Groll des Papstes gegen die Stadt, dass er im December 1275 auf der Rückkehr von Lyon nach Rom die Stadt zwar wieder von ihm löste, weil er sie passiren musste, um über den stark angeschwollenen Arno setzen zu können, sie aber sofort wieder excommunicirte, nachdem er glücklich wieder ausserhalb ihrer Thore angekommen [60] war[83]. Die Florentiner freuten sich desshalb des Todes dieses feindseligen Papstes, der wenige Tage hierauf, am 12. Januar 1276, bei Arezzo eintrat. Die Stadt hatte den Papst auch nicht nur durch ihren unversöhnlichen Hass gegen ihre eigenen Söhne gereizt, fast noch verletzender hatte sie dessen Pläne mit Pisa durchkreuzt. Ja sie hatte sich dieser Nachbarin gegenüber noch guelfischer gezeigt als König Karl – vorausgesetzt dass dessen officielle Politik eine ehrliche war[84]. So schwach war noch das nationale Empfinden in ihr und ganz von kleinlichem Particularismus und roher Habsucht überwuchert. Nichts ist daher thörichter als die guelfische Partei zur Trägerin der nationalen Idee zu machen. Sie war es so wenig, als die ghibellinische.

Pisa war mit der Kirche und dem Könige ausgesöhnt. Die Stadt zahlte diesem 1273 7500 Pfund pisaner Pfennige zu dessen schmählichem Kriege mit Genua. Im folgenden Jahre stellte sie fünfzig Söldner dazu. Das verhinderte die Guelfen Tusciens aber nicht, einen Kriegszug gegen die noch immer sehr reiche Stadt zu unternehmen und deren Grenzburgen, welche sich in den Händen päpstlicher Castellane befanden, wegzunehmen. Zum Vorwande diente, dass die Pisaner einige Häupter der guelfischen Partei aus der Stadt vertrieben hatten[85]. Mit dieser schlossen die Florentiner, Lucchesen, Sienesen, Pistojesen, Aretiner und anderen Guelfen am 30. September 1274 einen neuen Bundesvertrag. [61] Der Krieg begann sofort, gegen den Willen des Königs, wie selbst die Pisaner annahmen, und den des Papstes, der die Alliirten durch den Predigermönch Johann von Viterbo excommuniciren liess[86]. Die Pisaner verloren am 5. November 1274 das Castell von Montopoli, wurden am 9. September 1275 sehr empfindlich bei Asciano geschlagen und mussten sich 1276 ihren Feinden unterwerfen, nachdem diese ihre mit einem tiefen Wassergraben (fosso Rinonichi) verstärkte Landwehr am 9. Juni 1276 forcirt hatten[87]. Gesandte des neuen Papstes, Innocenz’s V., der am 3. März dem König Karl das Reichsvicariat über Tuscien erneuert hatte, waren schon mit Boten des Königs vor dieser Niederlage am 6. Juni in Pisa angekommen, um den Frieden herzustellen. Gegen ihr Verbot war der Angriff der Guelfen am 9. Juni erfolgt. Am 13. Juni wurde dann der definitive Frieden geschlossen: die Pisaner mussten die vertriebenen Guelfen wieder aufnehmen, an Lucca einige Castelle ausliefern und den Florentinern die Zollfreiheit zugestehen, welche die Pisaner bei ihnen genossen, ein Resultat also, das zu dem durch drei Jahre sich hinziehenden Kriege in gar keinem Verhältnisse stand[88].

Die innere Entwicklung von Florenz hatten diese jährlichen, immerhin doch nur auf kurze Zeit stattfindenden Mobilmachungen auch nicht aufhalten können. Da man jetzt mit Siena in Frieden lebte, war die Ruhe im Arnothale doch eine viel grössere als früher, wenn auch die ghibellinische Partei hier ebenso wenig ausgerottet war, als in Unteritalien. Immer noch fanden die aus den Städten vertriebenen Adelsgeschlechter auf den Burgen ihrer Parteigenossen im Mugello und in den Grenzgebieten der Romagna sichere Zufluchtsstätten. Um so mehr waren daher die Städte darauf bedacht, diese durch Gewalt oder durch Kauf an sich zu bringen. Wie die Lucchesen gegen die Dynasten von Corvaria vorgingen, hat [62] einer von diesen uns erzählt. Nicht viel anders verfuhren die Florentiner gegen die Guidi. Die Familie war in sich gespalten und arg verschuldet. Was der eine Zweig der Familie noch von dem Districte von Empoli, Montemurlo und Montevarchi u. s. w. besass, kaufte die Gemeinde von dem Pfalzgrafen Guido Salvatico im August 1273, um dessen Florentiner Gläubiger zu befriedigen und die Hintersassen des Grafen der Gerichtsbarkeit der Stadt zu unterwerfen. Bei dem engen Bunde, in welchem die Comune mit dem König Karl stand, fanden diese guelfischen Feudalherren keinen Rückhalt bei ihm. Er hatte von Mitte Juni 1273 bis in den August hinein in Florenz residirt und zahlreiche persönliche Beziehungen angeknüpft und befestigt. Das machte sich auch für die innere Entwicklung der Stadt sehr bemerklich.

Zahlreiche Florentiner traten in den Dienst des Königs. Manche wurden zu Podestaten der von dem Könige abhängigen Städte Tusciens und der Lombardei ernannt. Aber auch in seinem unteritalischen Reiche finden wir so viele höhere Beamte aus Florenz, wie aus keiner anderen Stadt Italiens. Ein Gherardo aus Florenz war Vicar in Malta, ein Taddeo Castellan von Clarenza in Achaja, ein Lucasino Commandant von Aquila in den Abruzzen, zwei seiner höchsten Justizbeamten, ein Aldobrandino und jener Taddeo waren von dort, wie sein Leibarzt Tommaso, der zugleich Mitglied der staatlichen Prüfungscommission für Mediciner an der Universität Neapel war. Saly und Bello aus Florenz dienten dem König als Abschreiber von Handschriften[89]. Die Geldmänner, deren Karl vor Allem bedurfte, – hatte er doch seine Kronjuwelen an tuscische Kaufleute versetzt, von denen er sie 1274 wieder einlöste – erfreuten sich seines besonderen Schutzes gegen gute Bezahlung, und so verbreiteten sie sich rasch in seinem Reiche von Sicilien bis tief nach Frankreich hinein[90]. [63] Als Karl die Augustalen Kaiser Friedrich’s II. durch seine Carlinen ersetzen wollte, berief er 1278 den Florentiner Francesco Formica als Münzmeister. Im Castello Capuano schlug dieser seine Münzstätte auf[91].

Noch in einer ganz anderen Beziehung war die Einwirkung König Karl’s auf die Stadt von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Der König beschleunigte den Auflösungsprocess der alten Feudalaristokratie. In den Städten war der Gegensatz von Adel und Bürgern zwar stets vorhanden, aber doch immerhin ein fliessender gewesen. Wie wäre sonst z. B. der Streit möglich, ob Dante adlicher oder bürgerlicher Abkunft gewesen sei. Bekannt ist ja auch das Wort des Dichters über den Werth des Adels, das doch nur der Reflex der Zeitstimmung ist:

Du bist ein Rock, der schnell Verkürzung leidet,
Den, setzt man nicht tagtäglich wieder an,
Die Zeit mit ihrer Scheere rings beschneidet!

Der Adel und der Betrieb des Waffenhandwerkes hatten sich früher gedeckt. Jetzt, nachdem die bürgerlichen Handwerker Waffen zu tragen gelernt hatten, und sogar anfingen, Reiterdienste zu thun, schwand der Gegensatz der Stände immer mehr zusammen. Nicht nur nach siegreichen Schlachten erhoben die Könige tapfere Krieger in den Ritterstand. Karl von Anjou, der selbst gegen die Rechtsanschauungen des Mittelalters Herr in Unteritalien geworden war, hatte kein Interesse an der Aufrechterhaltung der schon durch Kriege und Hinrichtungen stark decimirten Adelsgeschlechter. Entstammten ihnen doch in Ober- und Unteritalien seine erbittertsten Feinde. Er wollte daher einen neuen kriegerischen Adel um sich sammeln, den Kreis der Aristokratie erweitern. Es ist ein moderner Zug, möchte man fast sagen, der ihn hierbei leitete. Und ihm ist er nicht nur in der Provence und Unteritalien, sondern auch in Florenz gefolgt. Er hat vielen Florentinern den Ritterschlag gegeben. Aber er [64] nicht allein. Als 1272 König Eduard von England in Florenz auf seiner Rückreise vom Kreuzzuge weilte, ertheilte er zahlreichen Bürgern den Ritterschlag[92]. Ich möchte nicht bezweifeln, dass gute Bezahlung hierbei, namentlich bei König Karl, keine ganz untergeordnete Rolle mitgespielt hat.

Durch diese Creirung eines neuen Adels[93] kam König Karl einer socialen Bewegung entgegen, welche sich in der Arnostadt immer unaufhaltsamer vollzog. „Das Geld vermischt die Stände“, hat schon Theognis geklagt. Die reich gewordenen Bürgerssöhne der Arnostadt heiratheten, wie einst in Megara, die Töchter des Adels und verarmte Adliche reiche Bürgermädchen. Das Exil und seine Noth hatte seit 1260 schon ausgleichend gewirkt. Es bildete sich eine neue Aristokratie, die der Grandi, so genannt, „nicht weil sie sämmtlich edel von Blut waren, sondern um anderer Nebensachen willen“[94]. Da sich unter den alten Geschlechtern manche Feiglinge befanden – Guido Salvatico von Dovadola, der Heerführer der Florentiner gegen Forli, 1278, scheint nicht viel tapferer gewesen zu sein als sein Vetter Guido Novello – während die Popolanen sich um das Caroccio der Stadt niederhauen liessen, erblasste allmählig sogar der Respect vor der einzigen Tugend, die man noch am Adel bewundert hatte, und die Bürger waren um so weniger geneigt, diese vornehmen Herren in die „Kunst des Friedens und der Regierung“ sich hineinreden zu lassen. Noch weniger ertrug der Kern der Bürgerschaft, die buoni popolani, die Tyrannei der Emporkömmlinge. Die Bildung des neuen Geldadels hatte die Stärkung des streng bürgerlichen Elementes im unmittelbarem Gefolge. Wäre dieses nicht noch von der guelfischen Parteiströmung beeinflusst und damit aufgehalten worden, so würde es wohl noch früher zur Alleinherrschaft gekommen sein. Noch waren aber die alten Parteibildungen stärker als die neuen Standesgegensätze, und so bildete sich zunächst die Comune in der Richtung jener in diesen Jahren vollends [65] aus. Nicht nur die Volksgemeinde (il popolo), sondern das ganze Staatswesen identificirte sich dergestalt mit der guelfischen Partei, dass man alle Ghibellinen von der Wahl zu irgend einem Staatsamte (officium) in der Stadt und Grafschaft ausschloss. Auch zum Vorstande irgend einer Zunft konnte kein Ghibelline gewählt werden. Wer einen solchen zu wählen wagte, und ebenso jeder Ghibelline, der etwa eine Wahl annahm, wurde hart bestraft. Wenn eine derartige Bestimmung in das Gemeindestatut des Podestà aufgenommen wurde, wie aus der Urkunde vom 12. Februar 1278 hervorgeht[95], so stand sie sicher und erst ganz selbstverständlich im Statut des Volks, des Capitanos. In die Statuten der Zünfte, die uns freilich erst aus späterer Zeit erhalten sind, hat sie gewiss damals auch schon Aufnahme gefunden[96]. Den Abschluss dieser Entwicklung bildet die Vereinigung der Würde des Hauptmanns (capitano) der guelfischen Partei mit der des Volkshauptmanns der ganzen Stadt, die sich in diesen Jahren vollzog. Das Jahrzehnt von 1269 bis 1277 bildet den Höhepunkt der guelfisch-angiovinischen Entwicklung der Stadt. Brunetto Latini, Rathsschreiber der Stadt – notarius necnon scriba consiliorum comunis Florentiae – und ein zu diplomatischen Sendungen gebrauchter Gelehrter, welcher sein Hauptwerk nicht etwa in lateinischer oder italienischer, sondern in französischer Sprache abfasste, kann als der literarische Repräsentant dieser Epoche[97] gelten. Ich glaube auch nicht zu irren, [66] wenn ich das allgemeinere Eindringen des karolingischen Sagenkreises in den Gesichtskreis der Florentiner und die Verknüpfung desselben mit den Stadtlegenden als vorzugsweise in ihr vollzogen ansehe. Würde diese Richtung sich länger behauptet und das angiovinische Regiment sich dauernd durchgesetzt haben, Dante wäre auf diesem Boden sicher nicht erwachsen. Aber eine von der Curie ausgehende Reaction des italienischen Wesens und das willkürliche Stadtregiment der guelfischen Granden bewirkten, wenn auch nicht einen Umschwung, so doch eine Wendung in der politischen Entwicklung der Stadt. Sie machte sich zunächst als eine Ablenkung von der einmal eingeschlagenen Bahn geltend.


VI.

Die Grundlage, auf der die politischen Zustände Italiens, wie die von Florenz, beim Beginne des letzten Viertels des 13. Jahrhunderts ruhten, bildete die Einigkeit der drei Factoren, welche sie geschaffen hatten, die Einigkeit der Curie, der guelfischen Partei und König Karl’s von Neapel. Das Auftreten verschiedener Tendenzen innerhalb dieser drei Mächte haben wir schon beobachtet. Sie vermochten die einmal eingeschlagene Entwicklung zu retardiren, nicht aber sie aufzuheben. Wenn aber die in den Städten herrschende Partei sich zu spalten begann und gleichzeitig die Curie und der König sich miteinander überwarfen und sich entgegenarbeiteten, dann mussten Stockungen und Störungen in ihr eintreten, welche ihr Bestehen ganz in Frage stellten. Und beides trat ein.

Wir kennen die Ursachen nicht genau, welche in Florenz den guelfischen Adel spalteten und namentlich die Adimari mit den Donati, Tosinghi und Pazzi entzweiten[98]. Der Uebermuth, [67] der, um mit Theognis zu reden, die Kentauren ins Verderben gestürzt, hat auch an dem Arno die Gewalthaber zu Falle gebracht, wie einst die von Megara, Smyrna und Kolophon. Die guelfische Partei spaltete sich wegen der Feindschaft dieser altadlichen Familien und mit ihr die ganze Stadt. Die Feinde der Adimari verdächtigten diese, sie könnten über ihre Köpfe hinweg mit den vertriebenen Ghibellinen abschliessen und die Stadt das Opfer dieses Friedens werden. Und das lag nicht ganz ausserhalb des Bereiches der Möglichkeit. Denn die beiden Bundesgenossen der guelfischen Partei, die Curie und der König Karl, hatten sich jetzt auch miteinander verfeindet.

Nachdem das Jahr 1276 drei Päpste hatte sterben sehen, und Johann XXI. 1277 auch abberufen worden war, folgte dieser Creatur Karl’s ein Mann auf dem Stuhle Petri, welcher sich als Italiener und Angehöriger des römischen Adelsgeschlechtes der Orsini von dem französischen Gebieter Italiens abgestossen, ja persönlich beleidigt fühlte. Aus einem früheren Anhänger des Königs war er dessen bitterer Feind geworden. An dem Könige Rudolf von Habsburg, der nach seiner Wahl den entscheidenden Sieg auf dem Marchfelde erfochten hatte, war ihm eine brauchbare Stütze gegen den hochmüthigen Angiovinen erwachsen, die, gefällig gegen die Kirche und bescheiden in der Geltendmachung der Reichsrechte in Italien, ganz nach dem Herzen dieses ehrgeizigen und herrschsüchtigen, moralisch sonst aber tadellosen Kirchenfürsten war. Karl hatte dies sofort zu erfahren.

Er musste nicht nur dem neuen Papste seinen Lehnseid in strengster Form leisten und auf seine Stellung als Senator von Rom verzichten, sondern auch das Reichsvicariat in Tuscien niederlegen[99].

[68] Die Kunde hiervon und von grossen Plänen des Papstes, nach denen unter anderem ein selbständiges Königreich Tuscien errichtet werden solle, konnten den überall durch ihre Handelsverbindungen gegenwärtigen Florentinern in ihrer vollen Tragweite nicht unbekannt bleiben. Ein anscheinend ghibellinisch gesinnter Papst wird zu jener Zeit die Staatsmänner Italiens ebenso überrascht haben, wie dieses vor vierzig Jahren ein liberalisirender that. Es war um so nothwendiger, dass die noch herrschende, aber in sich gespaltene Partei von den sich vorbereitenden Dingen nicht überholt wurde, als die freilich auch in sich zerfallenen Ghibellinen eine Gesandtschaft an den Papst geschickt und um Ausführung des 1273 von Gregor X. abgeschlossenen, aber von den Guelfen gestörten Friedens gebeten hatten. Nach vielen Parteiberathungen beschlossen die Guelfen im Stillen, auch eine Gesandtschaft an den Papst zu senden und ihn zu bitten, die Stadtgemeinde mit den verbannten Ghibellinen zu befrieden. Drei Angehörige alter guelfischer Adelsfamilien, unter welchen sich aber kein Mitglied der jetzt miteinander verfeindeten Geschlechter befand, Cardinale de’ Tornaquinci, Gherardo de’ Buondelmonti und Fortebraccio de’ Bostichi, und der Jurist Oddone Altoviti, wurden 1279 an den Papst geschickt, um mit ihm über das Friedenswerk zu verhandeln. Dieser Schritt wird den Guelfen nicht leicht geworden sein. Hatte die Stadt doch noch die ihr von Karl eingesetzten Vicare, einen Baglione von Perugia bis zum 1. Juli 1279 und dann einen anderen, Scurta della Porta von Parma, beibehalten, obwohl der König sein Vicariat über Tuscien längst niedergelegt hatte. Ein Druck von Seiten des Papstes scheint diesen Entscheidungen vorausgegangen zu sein. Denn wie sollten sonst die Florentiner Gesandten dazu gekommen sein, dem Papste die Unterwerfung der Stadt unter seine Entscheidung bei einer Strafe von 50,000 Mark Silber zu versichern[100]. Vielleicht [69] fürchteten die Florentiner, und das mit Recht, der Papst werde auch ihnen, wenn sie ihre Parteien nicht miteinander aussöhnten, den Frieden dictiren, wie er das 1278 für Bologna gethan hatte. Denn wenn auch Florenz nicht wie diese Stadt der Kirche von Rudolf von Habsburg abgetreten war, so stand der Papst jetzt, nachdem sich ihm im Sommer 1279 die Romagna unterworfen hatte, so mächtig da, dass sich die Florentiner des Schlimmsten vor ihm versehen konnten. Er nahm denn auch die ihm angetragene Friedensvermittlung an. Es ist möglich, dass er, wie Ammirato meint, den Glauben gehegt hat, König Karl habe die Zwistigkeiten der Stadt geschürt, um ihrer Herr zu bleiben. Dass dieselben aber tiefer lagen, sollte sich bald herausstellen.

Mit der Befriedung der Stadt beauftragte Nicolaus III. den Sohn seiner Schwester, den Cardinal Latino Frangipani de’ Brancaleoni, einen durch Frömmigkeit, Rednergabe und Gelehrsamkeit ausgezeichneten Dominicaner. Er war schon seit 1278 als päpstlicher Legat neben dem Generalvicar Berthold Orsini in der Romagna mit grossem Erfolge thätig gewesen. Jetzt, im Herbste 1279, zog er mit einem Gefolge von 300 Reisigen über den Apennin in die ruhelose Stadt, deren Geistlichkeit, Behörden und Volksmassen ihn am 8. October aufs Ehrenvollste und Festlichste einholten. Er nahm seine Wohnung zunächst in seinem Ordenskloster Santa Maria Novella. Erst nachdem er die Verhältnisse an Ort und Stelle näher studirt hatte, traf er seine Entscheidung. In einem auf den 19. November auf dem Platz vor seinem Kloster einberufenen Parlamente aller constitutionellen Factoren der Stadt, dem Podestà und dem Vicar des Königs, dem Capitano der Guelfenpartei, den Zwölfmännern, den Räthen (consigli) und der gesammten Bürgerschaft, stellte er in einer Ansprache die ihm gewordene Aufgabe dar und knüpfte die Uebernahme derselben an Bedingungen. Er wolle die Streitigkeiten zwischen Guelfen und Guelfen, Ghibellinen und Ghibellinen und dann zwischen den beiden grossen Parteien selbst schlichten, wenn [70] ihm hierzu von allen Anwesenden die nöthigen Machtbefugnisse, eine sogenannte balía, gegeben werde. Diese bestanden darin, dass er alle Städter und Grafschaftsbewohner zum Gehorsam gegen seinen Schiedsspruch zwingen und alle Ungehorsamen verbannen könne; dass er sich aller Häuser, Castelle, Güter u. s. w. der Widerspenstigen bemächtigen und mit ihnen nach seinem Gutdünken verfahren dürfe; dass er in höchster Instanz Strafen verhängen, Geisseln fordern und sich aller festen Plätze versichern könne; alle Processe und Strafen, welche hieraus erwachsen, sollten angesehen werden, als gingen sie vom gesammten Volke aus; alle Beamten der Stadt müssen sich seiner Autorität fügen, ohne sich gegen seine Befehle auf die Statuten und die Gewohnheiten der Stadt berufen zu können; thäten sie es doch, so müsse er das Recht haben, sie zur Unterwerfung zu zwingen, und wenn sie sich widersetzten, sie mit geistlichen und weltlichen Mitteln zu strafen. Man sieht, der Cardinal liess sich das Amt eines Dictators übertragen. Nicht durch eine Ueberrumpelung, sondern mit freier Zustimmung aller Florentiner sollte das aber geschehen. Nachdem er seine Bedingungen gestellt und sie angenommen worden waren, forderte er nochmals auf, Jedermann, der gegen diese Uebertragung solcher Machtbefugnisse etwas einzuwenden habe, solle sich frei aussprechen. Alle stimmten zum zweitenmal bei. Jetzt erst liess der Cardinal durch einen Notar ein öffentliches Instrument über diese Machtertheilung aufnehmen[101].

So tief hatte die reiche und mächtige Stadt sich noch nie vor einem Fremden gebeugt. Ein mächtiges Verlangen nach [71] Frieden oder arger Schrecken vor dem Papste muss durch die ganze Bürgerschaft gegangen sein. Am stärksten vielleicht durch die altadlichen Geschlechter, denen ja dieses Mal noch die drei Gesandten an den Papst angehört hatten, die aber kaum im Unklaren darüber sein konnten, was ihnen bevorstehen werde, wenn die Stadt sich dem Papst widersetzen und in der populären Richtung weiter entwickeln werde. Die Leichtigkeit, mit der man in ihr, namentlich in späteren Zeiten, sich in den verschiedensten künstlichen Verfassungsexperimenten versuchte, tritt bei dieser Gelegenheit zum erstenmal hervor.

Es konnte wohl auch manchem bedächtigen und erfahrenen Bürger scheinen, dass dieses Mal ein dauernder Frieden und eine den verschiedenen Interessen gerecht werdende Verfassung werde hergestellt werden. Denn unzweifelhaft war der Mann, dem die Stadt die Balía anvertraut hatte, tüchtig und eifrig. Schlug er auch hier fast denselben Weg ein und verwendete dieselben Mittel, die er bei der Befriedung von Bologna gebraucht hatte, so schien er doch auch in Florenz mit unparteiischem Sinne, mit Schonung und unter Berücksichtigung des Alleinmöglichen an sein schwieriges Werk heranzutreten. Und – doch verlohnt es sich kaum, dasselbe hier in allen seinen Einzelheiten, welche uns durch die Urkunden vollständig aufbewahrt sind, darzulegen. Von so kurzer Dauer war dieser letzte Versuch, allen Elementen, welche bisher in dem Leben der Stadt eine Rolle gespielt hatten, gerecht zu werden und sie auch für die Zukunft zu verwerthen. Dass dieser Versuch schon nicht mehr aus dem Schosse der Stadt selbst direct hervorging, sondern, wie es allerdings damals vielfach Sitte war, von einem Fremden gemacht werden musste, verräth die Unhaltbarkeit des ganzen Versuchs. Wie einst in dem kleinen hellenischen Staatswesen ähnliche Verfassungskünsteleien nirgends[102] von Bestand gewesen sind, so auch jetzt nicht in diesen mittelalterlichen italienischen Comunen.

Allein wenn auch das Werk des Cardinals Latino nicht von langer Dauer war, so bildet es doch einen Factor der späteren Entwicklung, nicht nur desshalb, weil seine Ordnungen [72] in die Statuten der Stadt aufgenommen wurden, sondern weil wichtige Verfassungsvorgänge unmittelbar daran anknüpften.

Die Aufgabe, der sich der Cardinal zu unterziehen hatte, setzte sich aus drei Theilen zusammen: Er hatte die feindlichen Parteien zu versöhnen, eine Verfassung zu schaffen, welche für die Zukunft den geschlossenen Frieden aufrecht zu erhalten versprach und diese mit Garantien zu umgeben, die eine Beseitigung unmöglich zu machen schienen. Um diese schwierigen Aufgaben zu lösen, hatte er sich über die dem Streite zu Grunde liegenden Thatsachen und über zahllose Personenfragen von eingeborenen und kundigen Florentinern belehren zu lassen[103]. Sie mussten ihn auch bei dem Fortgange des Versöhnungswerkes unterstützen. Er berief dazu vierzehn angesehene Männer, sechs, so scheint es, aus jedem Stadttheil, nur Oltramo und San Piero, Scheraggio stellten je drei. Acht von ihnen sollten Guelfen und sechs Ghibellinen sein. Es waren geschäftskundige Männer, zwei ersten Adelsfamilien der Stadt angehörend. Es begegnen uns unter ihnen die Namen Buondelmonti, Cavacanti, Donati, Tornaquinci, della Tosa u. A. Der Cardinal beschloss, dieses Vierzehnmännercolleg, deputati super bono statu civitatits Florentie et tractatu pacis, sofort auch äusserlich bei seiner ersten grösseren Action in Thätigkeit treten zu lassen. Das geschah in einem Parlament der gesammten Comune, das auf dem Platz von Santa Maria Novella am 18. Januar 1280 abgehalten wurde, und in dem er seinen Schiedsspruch zwischen den Parteien verkündete. Sämmtliche Räthe der Stadt, deren Beamte und Magistrate wohnten demselben bei. Eine Reihe von hohen Würdenträgern der Kirche, der Erzbischof von Bari[104], die Bischöfe von Lucca, Pistoja, Arezzo u. A. umgaben den Legaten des Papstes. Dieser hatte schon am 13. beziehungsweise 15. Januar die ganze [73] Gemeinde und die Massa dei Guelfi, d. h. hier die Volksgemeinde, zwei rechtsgelehrte Vertreter (sindici) der einen der beiden Parteien feierlich bestellen lassen, nachdem die vertriebenen Ghibellinen in Forli, im Mugello und in Pisa schon kurz nach seinem Einzuge in die Stadt gleichfalls zwei Vertreter mit den nöthigen Vollmachten ausgestattet hatten.

Der Cardinal leitete am 18. Januar die Verkündigung seines Schiedsspruches mit einer Rede ein. Alle Zeitgenossen rühmen seine grosse Redegabe. Dann las er seinen Spruch[105].

Die Guelfen und Ghibellinen schliessen miteinander Frieden und[WS 5] verzeihen einander alle bisher einander begangenen Unbilden und Feindseligkeiten. Zum Zeichen hiervon geben die Sachwalter der Parteien einander den Friedenskuss[106].

Die Güter, Mobilien oder Immobilien, welche in fremde Hände übergegangen sind, werden ihren Eigenthümern ohne Rückhalt zurückgegeben. Dieses wird durch fünfzig Angehörige jeder Partei besonders bestätigt. Wo Güter in gemeinschaftlichem Besitze waren und ein Theilhaber der einen Partei ohne die Einwilligung des Theilhabers der anderen Partei dessen Antheil veräussert hat, treten besondere Bestimmungen in Kraft, über die der Volkshauptmann summarisch befindet.

Den mit Schulden beladenen Ghibellinen wird eine Zahlungsfrist [74] von vier Monaten gewährt, wenn sie nicht in der Lage sind, sofort zu zahlen.

Sind auf dem Grund und Boden von Guelfen oder Ghibellinen von der Comune Kirchen, Plätze, öffentliche Wege etc. angelegt worden, ohne dass die Eigenthümer dafür bezahlt worden sind, so werden dieselben jetzt nach der Schätzung der Stadtältesten (sapientes) entschädigt werden. Für den Fall, dass ein Guelfe auf den Grund und Boden eines Ghibellinen gebaut hat und umgekehrt, sind besondere Bestimmungen vorgesehen, die der Billigkeit entsprechen. Auch die Ghibellinen, welche ohne verbannt gewesen zu sein, dennoch ihren Verpflichtungen gegen die Comune nicht nachgekommen sind, sollen von den Wohlthaten dieses Friedens nicht ausgeschlossen sein. Es sind dieses nur die, welche vor Jahren in Valdarno Kleriker und Prälaten erschlagen hatten und schon von Papst Clemens X.[107] in Strafe genommen waren. Ebenso erstreckt sich der Friede nicht auf gewöhnliche Fälscher, Räuber und Mörder u. s. w., während alle die, welche im ausgesprochenem Dienste ihrer Partei ein Verbrechen begangen haben und desshalb in die Acht (bando) erklärt waren, hiervon freigesprochen bleiben sollen.

Wenn man die Gesammtlage der Parteien ins Auge fasst, so wird man kaum umhin können zu bemerken, dass die materiellen Vortheile, welche diese Entscheidung einer der beiden Parteien bot, fast ganz auf Seiten der ghibellinischen lagen. Da die zur Recht bestehende Verfassung ganz nach den Bedürfnissen der guelfischen Partei eingerichtet war, so kamen auch die meisten Veränderungen an ihr der ghibellinischen Partei zu Gute.

Zunächst soll ein Monat nach der Ratification des Friedens eine Reform aller Räthe der Stadt und der Beamten des Podestà und des Capitano der Massa dei Guelfi stattfinden[108]. Diese [75] haben zwölf Männer zu wählen, von denen sechs Guelfen, sechs Ghibellinen sind, die ein Alter von 21–70 Jahren haben müssen. Diese zwölf Männer theilen die Bürger der Stadt in Guelfen, Ghibellinen oder Neutrale[109] d. h. solche, die zu keiner der beiden Parteien gehören wollen. Die Räthe und Beamten der Stadt werden gleichmässig aus Guelfen und Ghibellinen zusammengesetzt. Doch sind auch Neutrale zulässig. Acht Tage, nachdem so die Räthe reformirt sind, sind taugliche Leute zu wählen, welche die Statuten zu revidiren haben. Um die Einheit des Regiments zu sichern und jeden Anlass von Spaltungen zu vermeiden, ernennt der Papst den Podestà und den Capitano. Der Volkshauptmann darf sich nicht mehr Capitano einer Partei nennen, sondern allein Capitano von Florenz und Conservator des Friedens. Beide Beamten üben ihr Amt zu Gunsten beider Parteien aus nach den Statuten. Finden sich in den Statuten unbillige Satzungen, die dem göttlichen Rechte und der kirchlichen Freiheit widersprechen, so sind sie aufgehoben und die genannten Beamten nicht an sie gebunden. Damit sie ihr Amt aber ausüben können, erhält jeder von ihnen hundert Ritter (cavalieri) und ebensoviel Fusstruppen zu seiner Verfügung, die nicht der Stadt oder der Grafschaft entstammen dürfen. Da die Comune sie zu bezahlen hat, werden drei Männer ernannt, die mit dem Stadtkämmerer vereint sich von dem Vorhandensein und dem guten Stand der Truppen zu überzeugen haben. Die Podestaten und Capitani, welche der Papst nach Ablauf der Amtszeit der gegenwärtigen auf zwei Jahre bestellen wird, werden fünfzig wohl bewaffnete Cavaliere und Fusstruppen mit sich bringen. Die Soldtruppen, welche im Dienste der Comune oder der beiden Parteien stehen, werden vierzehn Tage nach der Ratification des Friedens bis auf die entlassen, welche der Volkshauptmann hat. Für zehn Jahre soll kein Podestà oder Volkshauptmann ohne die Zustimmung des Papstes ernannt werden. Nie darf ein Feind der Kirche zu diesen Würden gelangen. Nachdem die neuen Räthe (consigli) der Stadt einen Monat lang im Amt gewesen sind, soll eine neue Steuerveranlagung der Stadt- und der Grafschaftsbewohner von geeigneten (discreti) und beiden Parteien entnommenen Männern stattfinden. Alle Eidgenossenschaften [76] beider Parteien gegeneinander oder sonstige Vereinigungen des Adels und des Volks, mit Ausschluss der Handelscompagnien und Zünfte, werden aufgelöst. Nur nach Uebereinkunft der Stadthäupter mit den Zunftvorständen werden sich diese erlaubten Genossenschaften versammeln. Die Feier der Gedenktage der beiden Parteien wird untersagt.

Um diese, wie man sieht, doch sehr einschneidenden, wenn auch im Einzelnen noch sehr unbestimmt gelassenen Verfassungsveränderungen und den geschlossenen Parteifrieden zu sichern, ordnete der Cardinallegat noch verschiedene sehr kräftige Massregeln an. Geistliche und weltliche Mittel mussten bei einem Frieden, der von einem Papste ausging, selbstverständlich einander ergänzen.

Für die beiden Parteien werden hundert und mehr Bürgen gestellt, die für das Brechen des Friedens von Seiten ihrer Angehörigen fünfzigtausend Mark Silber zu bezahlen haben. Zeigt sich die gesammte Gemeinde widerspenstig, so verfällt sie in dieselbe Strafe, verliert alle ihre Privilegien und wird mit Interdict belegt. Drei Castelle, Ampinana, Montaguto und Piliccione bleiben einstweilen in der Hut des Papstes, der auch Geisseln erhält, die gegen andere geeignete von ihren Angehörigen (parenti) umgetauscht werden können.

Zum Wächter über diesen Frieden ist vor Allem der Volkshauptmann bestellt, der, von den Zunftvorständen und allen Bürgern unterstützt, für seine Aufrechterhaltung verpflichtet ist. Dem Podestà soll damit freilich nichts von seinen Amtsbefugnissen genommen werden und er nach wie vor auch für Ruhe und Frieden in der Stadt und dem District sorgen. Alle Bestimmungen von Statuten, Privilegien, Gemeindebeschlüssen u. s. w., welche mit den Satzungen dieses Friedens in Widerspruch stehen und der Ausführung desselben im Wege sein könnten, sind aufgehoben. Dies Friedensinstrument selbst bildet einen integrirenden Theil der Statuten der Comune. Alle Podestaten und Volkshauptleute haben seinen Inhalt zu beschwören, wie ihn auch die Syndici der Parteien noch besonders beschwören müssen. Den Ghibellinen wird noch einmal besonders eingeschärft, dass sie in alle Zukunft sich dem römischen Stuhle treu zu erweisen haben, sich an keiner Rebellion gegen denselben weder direct noch indirect durch Unterstützung Anderer betheiligen dürfen. Um alle [77] in den Frieden der Kirche aufzunehmen, werden schliesslich noch die, welche wegen ihres Widerstandes gegen den von Gregor X. 1273 aufgerichteten Frieden noch mit kirchlichen Strafen belegt sein könnten, von dem Interdict gelöst.

Wenn der für diese Friedensstiftung so eifrig bemühte Cardinallegat, der seinen Spruch mit einer herzlichen Bitte an Gott schloss, auch Alles geordnet zu haben glauben konnte, was zur Wiederherstellung und bleibenden Aufrechterhaltung der Ruhe geschehen müsse, so konnte er doch keinen Augenblick übersehen, dass bei leidenschaftlichen Menschen der persönliche Hass stärker zu sein pflegt, als alle Vernunft und aller guter Wille. Wie konnten die Männer, die seit Jahren einander nicht nur in offener Feldschlacht gegenüber gestanden, sondern sich auf allen Wegen und Stegen, bei Tag und Nacht verfolgt hatten, jetzt ruhig in den Strassen der Stadt mit einander wandeln oder gar in denselben Rathsversammlungen sitzen? Dazu war das Elend, das sie abwechselnd einander zugefügt, doch noch zu frisch und das vergossene Blut noch zu warm. Die in den Augen des Volks gefährlichsten Unruhestifter und schlimmsten Feinde der bürgerlichen Ordnung und Gerechtigkeit konnten unmöglich sofort in die Stadt zurückkehren. Es wurden desshalb fünfundfünfzig Häupter der ghibellinischen Partei von der sofortigen dauernden Rückkehr in die Heimath ausgeschlossen. Sie sollen sich innerhalb eines Monats nach dem Patrimonium Petri zurückziehen und nach Anweisung des Papstes zwischen Orvieto und Rom Wohnung nehmen, bis der Papst ihre Rückkehr in die Heimath für ungefährlich hält. Aber nicht mittellos sollen diese vornehmen Adlichen, unter denen vor allen die noch lebenden Söhne Farinata’s degli Uberti und andere Glieder dieser Familie neben den Lamberti, Fifanti, Scolari, Soldanieri[110] genannt sind, in der Fremde leben. Die Comune soll ihnen bis zu ihrer Rückkehr [78] eine Art Pension regelmässig auszahlen. Der Graf Guido Novello darf gleichfalls nicht in der Stadt verbleiben, aber kann sich ausserhalb ihr und dem District aufhalten, wo er will. Hatte der Graf, ebenso wie die Pazzi aus dem Valdarno schon durch Syndici diesem Frieden im Voraus zugestimmt, so beschwor er ihn auch jetzt mit seinen Geschlechtsgenossen, den Contalberti von Mangona, den Pazzi u. A. am 27. Februar persönlich vor dem Cardinallegaten und vielen Zeugen im Palazzo Mozzi. Dort leisteten auch zahlreiche andere Adliche aus der Grafschaft und der Stadt den Eid, welchen schon am 18. Februar in einer feierlichen Versammlung auf der Piazza Santa Maria Novella alle Magistratspersonen der Stadt und die angesehensten Guelfen und Ghibellinen nach den Sechstheilen geordnet abgelegt hatten; für alle Zuwiderhandlungen gegen ihn nahmen sie die angedrohten Strafen auf sich. Am 7. März vollzogen eben dort die Syndici der oberen sieben Zünfte dieselbe Eidesleistung. Die Namen der, man möchte fast sagen, unzählbaren Bürger, Syndici, Procuratoren und der Männer, die diesen Frieden persönlich für sich beschworen, sind uns noch aufbewahrt. Er wurde auch in das Statut der Comune aufgenommen. Noch die italienische Bearbeitung der Statuten des Podestà von 1355 enthält die Sentenza des Cardinals.

Dieser verliess erst am 26. April die Stadt, um sich nach Bologna zu begeben und dort die schon einmal befriedeten, aber bald wieder verfeindeten Parteien – die ghibellinischen Lambertazzi waren aus der Stadt getrieben – auszusöhnen und zu bestrafen. Am 24. April beschlossen der Volkshauptmann und das Vierzehnmännercolleg mit den zugezogenen Rathsherren (sapientes), dem Cardinallegaten für seine Mühewaltung und die gehabten Auslagen zu den schon vorher festgesetzten und deponirten 1000 Goldgulden und Kleinodien (zoia) noch weitere 500 Florene für ihn und seine Begleiter (familia) und 60 Gulden dem Magister Bonamore, dem Notar des Cardinals, für seine Thätigkeit, namentlich[WS 6] für die Ausfertigung des Friedensinstrumentes, durch die Rathscollegien der Stadt (consilia oportuna) bewilligen zu lassen, was auch sicher geschehen ist[111].

[79] Es wird schwer sein, sich ein zutreffendes Urtheil über diesen Versuch, einen dauernden Frieden in Florenz herzustellen, zu bilden. In der Stadt selbst war man zunächst mit ihm im Allgemeinen wohl zufrieden. Die Räthe der Stadt erkannten die Verdienste des Cardinallegaten dankbar an, wenn wir auch in ihren Berathungen bei besonders wichtigen Punkten schon während seiner Anwesenheit auf tiefgehende Meinungsverschiedenheiten stossen. So konnte man sich z. B. schon am 7. Februar nicht über die Reformation des Statuts des Capitano einigen. Die Organisation der Guelfenpartei war zu eng mit ihm verbunden[112]. Die Chronisten preisen indirect das Werk des Cardinals, indem sie die „Wohlthaten des Friedens“, den er geschaffen, rühmen. So Dino Compagni und G. Villani, der sein Zeugniss nur dadurch abschwächt, dass er sagt, die Stadt sei nach ihm „buono tempo“ in einem friedlichen, guten und ruhigen Zustande verblieben. Dass dieser nicht lange angehalten habe, scheint Villani in dem Augenblicke nicht bedacht zu haben. Denn das ist wohl die schwerwiegendste Instanz, welche man gegen den Werth des Friedenswerkes anrufen kann: dass es ebenso wie das in Bologna aufgerichtete nur ganz kurze Zeit Stand gehalten hat. Wollte man seinen Werth nach dem Effect allein beurtheilen, dann könnte man es wie alle ähnlichen Versuche nur verurtheilen. Aber es kamen hier wirklich eigenthümlich widrige Verhältnisse zu den nicht zu beseitigenden Schwierigkeiten noch hinzu, und diese machten es scheitern. Das Reformwerk in Florenz war ein Werk der Kirche und ausdrücklich unter ihren Schutz gestellt. Aber die Kirche ist niemals die stille, unveränderliche Grösse gewesen, zu der sie ihre Angehörigen machen. In jenen Zeiten, in denen sich französisch und italienisch gesinnte Parteien im Cardinalscolleg gegenüberstanden und durch rasch aufeinanderfolgende Sedisvacanzen in ihren Parteistellungen sich entgegenstehende Pontifexe den Stuhl Petri bestiegen, kann gar nicht hiervon die Rede sein. Die Coalition, welche das staufische Haus in Unteritalien gestürzt, war durch Nicolaus III. vollständig aufgelöst. Aber wie nun, wenn dieser Papst, der Florenz soeben dem Einflusse des dritten Bundesgenossen entzogen hatte, bald das Zeitliche segnete und ein von König Karl [80] abhängiger Mann die dreifache Krone sich aufs Haupt setzte? Und dieser Fall trat ein. Der Cardinallegat hatte noch nicht vier Monate Florenz verlassen, als sein Onkel am 22. August die Augen schloss.

Sechs Monate dauerte im Conclave der Kampf der Parteien. Endlich drang die französische Partei durch Bestechung und Gewalt durch, und Martin IV., ein Franzose, wurde gewählt. Es vollzog sich damit ein vollständiger Umschwung in der päpstlichen Politik, der auch auf Florenz seine Rückwirkung sofort äussern musste. Und kann man glauben, dass König Karl in den vorausgegangenen Jahren seine Augen ganz von dieser Stadt abgewandt und alle Verbindungen mit seinen dortigen Freunden abgebrochen habe? Ein, wir möchten jetzt sagen, anachronistisches Vorgehen des deutschen Königs Rudolf, das von den Florentinern jener Tage aber doch nicht so aufgefasst wurde, musste diesem dort sehr zu statten kommen.

Nicolaus III. war nicht nur in Florenz als Friedensstifter aufgetreten. Die gesammte Christenheit sollte unter den Flügeln des Papstthums friedlich und sicher ruhen. Nach vielen Verhandlungen hatte die Curie ein Abkommen zwischen dem deutschen König und dem Herrn der Provence und Unteritaliens zu Stande gebracht: der deutsche König belehnte den Angiovinen mit der Provence und Forcalquier, erkannte ihn als König von Neapel an, wogegen dieser alle Reichsrechte in Italien zu schützen versprach; zur Sicherung des Friedens sollte Clementia, die Tochter Rudolf’s, den ältesten Enkel König Karl’s heirathen.

Dieser Pact, dessen Anfänge noch in das Pontificat Gregor’s X. hinaufreichen und von dem die reellen Vortheile ganz auf Seiten des Königs und der Curie lagen, da sie den Kirchenstaat von der Umklammerung durch Eine Macht befreiten, wurde auch von Martin IV. und dem Könige Karl aufrecht erhalten, und König Rudolf sandte seine Tochter nach Italien. Sie wurde auch in Florenz im März 1281 aus Rücksicht auf den ihr in Bologna durch Procuration angetrauten Gatten freundlich aufgenommen[113]. Gegen die Gesandten ihres Vaters, die sie bis nach Orvieto begleitet hatten, den Bischof Johannes [81] von Gurk und den Hofkanzler Rudolf verhielten sich die Florentiner dagegen, als diese vom päpstlichen Hoflager mit Briefen des Papstes vom 21. Mai, welche sie und alle Reichsangehörigen Tusciens zum Gehorsam gegen den König Rudolf aufforderten, zurückkehrten, nichts weniger als freundlich und gefügig[114].

Die Stimmung, welche die Florentiner der neuen Entfaltung der Reichspolitik in Tuscien entgegenbrachten, war von vornherein eine äusserst feindliche. Hatten die Cardinäle während der Sedisvacanz im Januar 1281 ein Schreiben an alle Markgrafen, Städte u. s. w. Italiens erlassen, welches sie aufforderte, die Tochter König Rudolf’s, Clementia, auf ihrer bevorstehenden Reise zur Vermählung mit dem Enkel König Karl’s ehrenvoll aufzunehmen und hierher zu geleiten, so kamen die Florentiner wie die übrigen Städte Oberitaliens diesem Gebote wohl nach, sie erneuerten aber sofort wieder auf ein Jahr einen Bund mit den guelfischen Städten des Landes, Lucca, Siena, Prato, Pistoja und Volterra zu gegenseitigem Schutze und zu friedlicher Schlichtung der Streitigkeiten unter den Freunden der Kirche. Alle drei Monate solle ein Tag der Verbündeten abgehalten werden, die 500 Reisige in ihren Sold nehmen[115]. Gegen wen anders konnte dieses Bündniss gerichtet sein, als gegen den deutschen König? Denn Niemand bedrohte die Städte, als dieser; ihm war ja die Geltendmachung der Reichsrechte durch den Vertrag, den Nicolaus III. zwischen Rudolf und dem Könige Karl zu Stande gebracht, eingeräumt worden. Die Nachricht über diesen Vertrag kann man in Florenz auf die verschiedenste Weise erhalten haben. Allein es liegt nahe, daran zu denken, dass König Karl die ihm so werthvolle Stadt auf die ihr möglicherweise drohenden Gefahren hingewiesen und sich dieselbe zu sichern gesucht hat.

Schon Muratori hat vermuthet, König Karl habe in Florenz insgeheim dem deutschen König entgegengewirkt. Eine zweideutige Wendung in jenem Schreiben vom 24. Mai scheint ihn hierauf gebracht zu haben[116]. Sicher beweisen lässt sich das allerdings nicht, aber doch bis zu einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit erheben. Und ob die Wahl des Unterhändlers [82] und Dolmetschers, den sich der Hofkanzler Rudolf für seine Unterhandlungen mit den Florentinern gewählt, eine glückliche war, erscheint uns auch nicht zweifellos. Denn wer war doch jener Guido von Suzaria, von dem es in der Consulta vom 20. Mai heisst, er erwarte den Hofkanzler in Florenz und habe dem Rath dessen an ihn gerichtetes Schreiben gezeigt? Wir kennen ihn nur zu gut als einen alten Diener Karl’s, der an dem Tage, als Conradin in Neapel hingerichtet wurde, hundert Goldunzen – beiläufig 6090 Francs damaliger Währung – als Professor in Neapel ausgezahlt erhielt, von seinen Schülern aber das Gerücht verbreiten liess, er habe im Rathe der vom Könige einberufenen Rechtskundigen der Verurtheilung Conradin’s aufs lebhafteste widersprochen. Seitdem war der in modern bunter Tracht einherstolzirende Professor freilich in den Diensten Vieler gewesen und hatte dem Hofkanzler schon bei dessen früherer Fahrt nach der Lombardei und der Romagna 1275 als Dolmetscher gedient, indem er das, was Rudolf literaliter gesagt hatte, da dieser der lateinischen d. h. hier der italienischen Sprache nicht mächtig war, in die Volkssprache übersetzte[117]. Jetzt hielt sich Guido in Bologna auf. Ob dieser Mann aber die Interessen des Hofkanzlers ganz treu vertreten hat, scheint mir nicht recht sicher. Als der Rath der Stadt beschloss, dem Könige Karl auf sein ostensibles Schreiben vom 24. Mai durch eine Commission von drei Rechtskundigen und drei Stadthäuptern (? capitudines) antworten zu lassen, was dem Recht und der Ehre des Königs und der Comune entspreche, da war man wohl sicher, dass der höflich abwehrende Bescheid den König nicht sonderlich verletzen werde[118]. Das Stadtregiment lag ja damals schon [83] wieder ausschliesslich in der Hand der Guelfen, und zwar der guelfischen Magnaten und Geldmänner, die mit der Curie und Karl Geschäfte machten. Und die waren also wahrlich keine Freunde des deutschen Königs. Wie hätte das unter den vorliegenden Verhältnissen auch anders kommen können?

Factisch war ja nach dem Spruch des Cardinallegaten das Uebergewicht im Stadtregimente doch in den Händen der Guelfen verblieben. Sie hatten ihre Parteiorganisation trotz der entgegenstehenden Bestimmungen des Friedensinstrumentes nicht aufgelöst. Man hielt damals schon den Cardinal hin, und die Comune borgte bei der Parteicasse, wie sich aus den Consulte ergibt. Nachdem der Cardinal abgereist war, und dann gar nach dem Tode Nicolaus’ III. hat sich daran sicher nichts geändert. Jetzt stellte man die Zahlungen an die in der Verbannung lebenden Ghibellinen ein und trieb diese dadurch zur Wiederaufnahme von Gewaltthätigkeiten. Ueber den 1. Juni 1281 hinaus scheint ihnen gar nichts mehr gezahlt worden zu sein. Denn am 19. Februar 1282 kommt in einer Rathsversammlung zur Sprache, dass man von diesem Termine an den Ghibellinen mehr als 2000 Pfund Pensionen schulde[119]. Die gesammte Entwicklung der Comune drängte in die alten Bahnen zurück.

Die herrschenden adlichen Guelfenfamilien, welche, untereinander entzweit, vor allem anderen die Bitte an den Papst gerichtet hatten, die Stadt zu befrieden, um ihre Herrschaft nicht ganz zu verlieren, sahen sich nach dem Tode des Papstes von diesen Gefahren befreit. Einen schlimmeren Feind unterschätzten sie vielleicht noch. Denn das aufstrebende Bürgerthum war ihnen gefährlicher. Und dieses regte sich jetzt sehr lebhaft.

Der Cardinallegat hatte zur Befestigung der von ihm eingesetzten Regierung dieser eine aus fremden Söldnern gebildete Leibwache von zweihundert Mann beigegeben. Diese Söldner mussten bezahlt werden. Hatte die Comune nun auch schon früher fremde Söldner in ihrem Dienste gehabt, so war dieses doch immer nur als ein vorübergehender Zustand für Kriegszeiten angesehen worden[120]. Jetzt waren ständige Söldnerschaaren [84] zu bezahlen. Wer sollte dazu das Geld schaffen? Das konnte doch nur die Bürgerschaft, d. h. der gewerbe- und handeltreibende Theil der städtischen Bevölkerung, welcher allein im Besitz flüssigen Geldes war. Sollte diese sich aber nun, wenn sie vorzugsweise die Geldmittel zur Erhaltung des Staates aufbringen musste, von dem relativ wenig zahlreichen Adel, der von seinem alten Uebermuthe und seinen Gewaltthätigkeiten nicht lassen konnte, weiter regieren lassen? Und hatte nicht gerade der guelfische Adel, freilich sehr gegen den Willen des Friedensstifters, durch die neue Verfassungsordnung eine neue Stärkung erfahren, die zu besonderem Widerstande reizte? Dass sich ihnen einzelne sehr reich gewordene Familien bürgerlicher Herkunft angeschlossen und mit ihnen eine neue Parteigruppe, die der Granden, gebildet hatten, die ungefähr nur aus sechzig Familien bestand, das konnte die Bürgerschaft, in der sich eine andere Generation zu einem neuen popolo (im Gegensatz zum popolo vecchio von 1250) heraufarbeitete, noch weniger an der Verfolgung ihrer Interessen hindern. Es galt vor Allem sich in einer der leitenden Behörden dauernd festzusetzen. Der Cardinallegat hatte das Vierzehnmännercolleg, das mit dem Volkshauptmann über den geschlossenen Frieden und die Erhaltung des guten Standes der Stadt wachen sollten, ins Leben gerufen und die ersten Mitglieder desselben selbst ernannt. Ueber den Wahlmodus dieser Vierzehn sollte nun das neue Statut des Volkshauptmanns entscheiden. Schon Ende April 1280 wird hierüber im Rathe des Capitano verhandelt und ein Beschluss gefasst, den wir jedoch nicht genau kennen[121]. Aber immer wieder wird über die Wahl dieses Collegs von Neuem gehandelt. Die herrschende Partei wollte sie in ihrer Hand behalten und womöglich das Colleg alle paar Monate nur durch sich selbst erneuern lassen. Jedenfalls sollten die Vierzehn zu den Wahlmännern ihrer Nachfolger gehören. Die andere Partei suchte den Zunftvorständen die ausschlaggebende Stellung bei dieser Wahl zu schaffen. [85] So hat man sich in den Rathsversammlungen hin und her gestritten, bis dass dann das ganze Colleg aus der Reihe der verfassungsmässigen Gewalten vollkommen eliminirt war. Das geschah nach und nach, wenn auch in dem kurzen Zeitraum von zwei Jahren, auf relativ friedliche Weise. Der Weg dazu war dieser, dass man den Rath der Vierzehn durch den Volkshauptmann in Verbindung mit (vierzehn) Wahlmännern (sapientes), aber doch auch schon unter der Mitwirkung jener Behörde ernennen liess, welche eben den Rath der Vierzehn verdrängen und ersetzen sollte, unter der der Prioren nämlich[122]. Dieser Wahlmodus setzt voraus, dass das Priorat, d. h. die Behörde, welche bis zum Untergange der Republik als die Signoria schlechthin – später allerdings nur nominell – an der Spitze der Republik gestanden hat, schon einige Zeit neben dem Rath der Vierzehn existirt hat[123]. Wenn uns auch kein zeitgenössischer Chronist das aufbewahrt hat, so beweisen es uns zahlreiche Rathsprotocolle. Offenbar hat man versucht, wie neben den Räthen des Podestà (der Comune) der Rath des Capitano (des Volks) eingeschoben war, dem Rath der Vierzehn, in dem Adel und Volk vertreten war, einen neuen Rath, der ausschliesslich aus den Zünften, d. h. dem Popolo, hervorging, nebenzuordnen. Das ging natürlich nicht so leicht. Denn wenn man sich wohl hüten muss, unsere modernen Unterscheidungen von executiven und legislativen Factoren des Staatswesens auf die mittelalterlichen Verfassungen zu übertragen, so steht doch so viel fest, dass das Vierzehnmännercolleg und die Prioren mehr die Executive, die grossen Räthe aber die Legislatur vertraten. Die Executive verträgt aber solche Spaltungen nicht, wie die Legislative. Es begreift sich daher vollkommen, was Villani [86] unter dem grande volume e confusione[124] versteht, die mit dem Rath der Vierzehn beseitigt worden sei.

Haben uns die Chronisten nichts von dem Nebeneinanderbestehen der Vierzehnmänner und der Prioren, das ein Jahr lang dauerte, berichtet, so geben sie uns dagegen den Zeitpunkt der Entstehung des Priorats genau an, während uns die noch vorhandenen Rathsprotocolle hierüber im Dunkeln lassen. Denn die Consulte sind uns aus dem Frühjahre 1282 und aus dem Sommer 1283, in welchem die Vierzehnmänner verschwinden, nur bruchstückweise erhalten[125]. Dino Compagni, der uns von seiner persönlichen, hervorragenden Theilnahme an der revolutionären Bewegung erzählt, welche zur Einsetzung des Officiums der Prioren führte, hat in Uebereinstimmung mit Villani den 15. Juni 1282 als den Tag genannt, an welchem die ersten auf zwei Monate gewählten Prioren zu amtiren begonnen hätten. Die Verfassung des Cardinals Latino, welche nach einem Bestande von kaum anderthalb Jahren so widerstandslos zusammenbrach, hatte also offenbar keinen festen Boden in Florenz gefunden.

Eine der mittelbaren Ursachen hiervon haben wir schon in den pecuniären Anforderungen gefunden, welche sie dauernd an die Comune stellte. Die Ausgaben, welche der Stadt zugemuthet wurden, stiegen so zu sagen tagtäglich. Hatte man sich auch nicht gegen des Königs Hofkanzler Rudolf und dessen Nachfolger, Dithalm von Guttingen, die ziemlich ungefährlich und machtlos in San Miniato del Tedesco eine wenig ehrenvolle Existenz fristeten, mit einer irgendwie bedeutenden Heeresmacht [87] zu vertheidigen[126], so suchte man ihn doch durch Geldzahlungen bei guter Laune zu erhalten. Im September 1282 beschliesst z. B. der Rath der Stadt, dem Hofkanzler bis vierhundert Pfund Goldgulden und zehn Pfund Kleinmünze auszahlen zu lassen. Mit derartigen Zahlungen erkaufte man von dem Kanzler die Hinausschiebung des Treueeides und die Versicherung, dass er die Stadt nicht weiter belästigen wolle, bis der Kaiser selbst nach Italien komme und alle bisher ergangenen Vorladungen zurückziehe[127]. Wie die Florentiner diese Zahlungen an den Reichsvicar ansahen, ergibt sich zur Genüge, wenn wir lesen, dass in derselben Rathsversammlung, in welcher diese Summe ausgesetzt wurde, auch der Beschluss gefasst wurde, den Thürhütern (hostiarii) des Papstes sechs Goldgulden zu geben, damit die Geschäfte der Stadt mit der Curie rascher expedirt würden! Theurer aber als diese Handsalben kamen der Comune die Söldner zu stehen, welche sie zur Unterstützung des Papstes und der Guelfen in der Romagna gegen den verschlagenen und tapferen Ghibellinenführer Guido von Montefeltro stellen musste. Und noch grössere Summen verschlang die Beihilfe, welche Florenz für König Karl gegen die aufständischen Sicilianer und gegen König Peter von Aragonien seit dem Sommer 1282 in grossem Massstabe leistete. Schon im Juni 1282, so lesen wir in den Rathsprotocollen[128], haben sich mehrere Rathsherren des Podestà und des Capitano in den Dienst Karl’s begeben und wollen abreisen, so dass man neue Rathsherren bestellen muss. Im October wird darüber berathen, woher man das Geld für den zweimonatlichen Sold der Reisigen im Dienste des Königs nehmen [88] solle. Von bedeutenden Vorschüssen einzelner Privatpersonen wird gleichfalls aus dieser Zeit berichtet. Villani erzählt uns dann auch, dass der Graf Guido von Battifolle fünfzig Ritter und ebensoviele Junker (donzelli), im Ganzen fünfhundert Berittene, dem Könige zum Feldzug gegen Messina im Namen der Stadt zugeführt habe. Sie legten bei ihm wenig Ehre ein. Die Messinesen erbeuteten beim Rückzuge der Belagerer die Stadtfahne von Florenz, welche sie in ihrem Dome aufhingen. Gleichzeitig mit den Geldforderungen für diese Truppen soll die Comune hundertundsechzig Pfund als Quote für die dreihundert Reisigen des tuscischen Bundes aufbringen, die unter dem Grafen Guido Salvatico noch gegen die Romagnolen verwendet wurden! Das sparsame Volk von Florenz musste viel Geld hergeben, das den damit bezahlten Adlichen zu gute kam. Hierüber aber wollte es mit, und zwar entscheidend mit zu berathen haben. Und das um so mehr, als sich die herrschende Classe, die guelfischen Granden, auf jede Weise von den Bestimmungen der zu Recht bestehenden Verfassung frei zu machen suchte. Sie wollten nicht mehr mit den Ghibellinen in einem Rathscolleg sitzen, versichert der Guelfe Villani, und Dino Compagni, das Mitglied der Zunft der Seidenweber und mehr volksfreundlich als guelfisch gesinnt, erzählt, die Guelfen hätten von Tag zu Tag den Bestimmungen des Friedensvertrages zuwider zu handeln begonnen, den ausgewiesenen Ghibellinen ihre Pensionen vorenthalten, die Staatsämter ohne Ordnung besetzt, die Ausgewiesenen zu Rebellen erklärt, den Ghibellinen die Aemter und Ehren entzogen, so dass die Zwietracht, so führt er weiter aus, in der Stadt stets gewachsen sei. Da hätten einige Bürger, welche der Entwicklung der Dinge mit Besorgniss entgegengesehen hätten, sich an angesehene Männer des Popolo gewendet und sie gebeten, auf Heilmittel für das durch Zwiespalt bedrohte Vaterland zu sinnen. Sechs volksfreundliche Bürger (cittadini popolani), unter denen sich Dino Compagni selbst befunden habe, hätten sich dann, gegen die Bestimmungen der Gesetze, welche er wegen seiner Jugend nicht gekannt habe[129], zusammengethan, sie hätten darauf ihre Mitbürger durch ihre Reden an sich gezogen, so dass drei [89] Zunftvorstände, Bartolo di Jacopo de’ Bardi, Salvi del Chiaro Girolami und Rosso Baccharelli zu einer Behörde gewählt worden seien, welche die Kaufleute und Handwerker da, wo es nöthig sei, unterstützen sollten. Diese Behörde habe ihren Sitz in San Brocolo aufgeschlagen und sich bald so kräftig gefühlt, dass sie Ordnungen und Gesetze erlassen habe, die es schwer gewesen sein würde wieder zu entfernen. Nachdem diese drei Prioren zwei Monate ihres Amtes gewartet hatten, seien am 15. August sechs andere nach den Stadttheilen gewählt worden, welche ihre Residenz in den Thurm della Castagna in der Nähe der Badía verlegt hätten, um eventuell einer Vergewaltigung von Seiten der Magnaten Widerstand leisten zu können. Sie hätten das Recht gehabt, ständig Waffen zu tragen und sechs Diener und sechs Sbirren zu halten.

Aus dieser kurzen, aber prägnanten und authentischen Darstellung der Entstehung des Priorats ergibt sich, dass diese Behörde in erster Linie zum Schutze der arbeitenden und steuerzahlenden Bürgerschaft gegen die Vergewaltigungen der Verfassung durch die Granden ins Leben gerufen war. Ausdrücklich hebt Dino Compagni hervor, die neue Behörde habe eine Controle über das Vermögen der Stadt ausüben sollen. Wir wissen, welche Summen aufgebracht werden mussten. Und wie schwierig musste das namentlich in einem Jahre sein, in dem, wie im Winter 1282/83, eine solche Hungersnoth in Tuscien herrschte, dass der Scheffel Getreide fast einen halben Goldgulden kostete, und ein Theil der Stadt am 25. December durch den Arno unter Wasser gesetzt war.

Unter solchen Umständen fassten sich die Zünfte zu einer Einheit zusammen und gewannen rasch auf die Leitung der Staatsgeschäfte den entscheidenden Einfluss. Denn darin besteht das Epochemachende der Einsetzung des Priorencollegs, dass von jetzt an die Zünfte, und zwar zunächst die sieben, wenige Jahre darauf die zwölf oberen Zünfte, nicht mehr als einzelne Corporationen, sondern durch ein von ihnen selbst gewähltes Regierungscolleg[130] die Herrschaft in ihre Hand brachten. Von der mächtigsten dieser Zünfte, der Arte di Calimala, ging [90] die ganze Bewegung aus[131], wie denn auch der erste Prior Bartolo dei Bardi dieser Zunft der Händler mit ausländischen Tuchen angehörte. Es kam nur darauf an, ob die Zünfte untereinander einig blieben. Und das geschah.

In Florenz gab es schon 1266 einundzwanzig Zünfte, von denen damals sieben die oberen, vierzehn die unteren (maggiori e minori) genannt wurden. Sehen wir von der der Theorie nach ersten Zunft, der der Richter oder Notare, ab, so repräsentiren die Mitglieder der übrigen sechs oberen Zünfte (der Tuchhändler, der Wechsler, der Wollweber, der Aerzte und Materialisten, der Seidenweber und Pelzhändler), die Geschäftsleute, welche mit dem Auslande in ständiger Verbindung standen und welche die grössten Geldmittel und die reichste Geschäftserfahrung besassen. Erst durch sie war die Stadt und die übrigen Geschäfte in ihr zu grösserer Bedeutung gelangt. Von den Zünften, in die sich diese abschlossen, waren naturgemäss die wichtigsten, deren Genossen für den täglichen Bedarf der Stadt zu sorgen hatten: die Tuchkrämer, die Metzger, die Schuster, die Bauhandwerker, die Schmiede und Schlosser. Diese fünf Zünfte bildeten die oberen Zünfte der vierzehn niederen. Sie schlossen sich dann mit den ursprünglichen sieben oberen Zünften zu einer neuen Einheit zusammen. Diese Veränderung scheint sich ohne blutige Reibungen nach und nach in den nächsten Jahren vollzogen zu haben. Ich finde die oberen zwölf Zünfte als solche zuerst im Januar 1285 erwähnt[132]. Es scheint aber so, als ob, wie man die Vierzehnmänner noch eine Zeitlang neben den Prioren fungiren liess, die Vorstände der sieben oberen Zünfte noch neben denen der fünf anderen eine Zeitlang eine Art Vorzugsstellung inne hatten, bis auch diese verschwand. Die Nachricht Villani’s, dass erst nach der Schlacht von Campaldino (1289) die sieben oberen Zünfte sich mit den fünf anderen aus Furcht vor den Granden zusammengeschlossen hätten, bedarf danach der Berichtigung[133].

[91] Die Bewegung, welche seit dem Frühjahre 1282 die Bevölkerung von Florenz ergriffen hatte, war also von breiten Schichten der gewerbetreibenden Stände ausgegangen und darum unwiderstehlich. Diese Stände mussten wohl auch tüchtige Führer haben, welche zuzufassen verstanden. Denn kaum sind die Prioren in Thätigkeit getreten, so sehen wir sie nicht allein in einer Weise in den Staatsorganismus bestimmend eingreifen, die geradezu in Erstaunen setzt, sondern auch die Zünfte sich durch neue Institutionen schützen und der durch den Adel und die Granden bisher geübten Gewaltherrschaft einheitlich entgegentreten. Gewährte schon das Priorencolleg, das an drei Tagen der Woche allen Bürgern Audienz gab, dem Volke einen mächtigen Schutz gegen alle Vergewaltigungen, so fanden die Zünfte sich doch noch veranlasst, einen besonderen Defensor ihrer Rechte an ihre Spitze zu stellen. Ich finde denselben zum erstenmal im November 1282 mit seinem Rathe erwähnt, der sich wie üblich aus einem grösseren und kleineren (generale et speciale) zusammensetzte. Der erste namentlich bekannte Defensor artificum et artium war Bernadino della Porta, der für 1283 dann zum Volkshauptmann gewählt wurde. Ueber die Entstehung, die Amtsbefugnisse u. s. w. dieses neuen Beamten erfahren wir aus den Rathsprotocollen nichts. Er ist plötzlich da und tritt sofort, die Geschäfte mitbestimmend, auf. Man wird sich hierüber nicht wundern können, wenn man liest, welchen Einfluss die Prioren wenige Monate nach ihrem „schwachen Anfange“ auf die Gesetzgebung der Comune ausübten.[134][WS 7]

Das Friedenswerk des Cardinallegaten hatte eine neue Bearbeitung der Statuten des Podestà (Comune) und des Capitanos zu seiner Voraussetzung gehabt. Mit dem grössten Eifer hatte man sich auch an diese Arbeit gemacht. Die uns erhaltenen Rathsprotocolle bezeugen das. Fortwährend finden wir in ihnen über Berathungen berichtet, die sich auf die Statuten beziehen. Die Richtung, welche diese Berathungen einschlugen, können wir nicht genauer verfolgen. Denn ihre Ergebnisse liegen uns nicht deutlich vor, da diese Statuten in ihrem ursprünglichen Tenor uns nicht erhalten sind, geschweige denn die älteren, zu deren [92] Ergänzung und Erläuterung sie bestimmt waren, und da die Rathsprotocolle sich damit begnügen, nur die Anfangsworte vieler einzelner Paragraphen derselben anzuführen. Nachdem aber über diese Statutenredaction in vielen Einzelberathungen 1280–83 verhandelt worden war, berief der Podestà Aldighieri von Senazza (Adegherius de Senacza) auf den 5. Januar den Rath der Neunzig ein und legte ihm und zwei Prioren, welche dazu von den übrigen autorisirt waren, die zweiundfünfzig neuen Rubriken der Statuten vor[135]. Von diesen Paragraphen, welche sämmtlich Wort für Wort vorgelesen wurden, werden vierzig, als für das Jahr 1283 gültig, sofort gutgeheissen, zwölf dagegen den Prioren der Zünfte überwiesen und beschlossen, dass das, was diese über die vorliegenden Ordinamenta befinden sollten, von dem Rathe gebilligt sei. Die Prioren nehmen dann elf von diesen zwölfen an und einen verwerfen sie[136].

War die junge Behörde schon damals von solchem Einflusse auf die Gesetzgebung, so konnte es ihr auch nicht schwer fallen, sich der Executive zu bemächtigen, zur wirklichen Signoria zu werden. Wie weit ihr hierbei Spaltungen des Adels und der Granden zu Hilfe gekommen sind, oder andere Umstände mitgewirkt haben, wird sich nach dem vorliegenden Materiale nicht sicher ermitteln lassen. Die lakonische Kürze der meisten Rathsprotocolle und der Wechsel der Rathsherren gestatten mir wenigstens keinen tieferen Einblick. Glaubt man aus der Abstimmung eines der namhaftesten Vertreter der alten Fraktionen, z. B. des einflussreichen und rasch zufahrenden Bonaccorso di Bellincione degli Adimari, den Schluss ziehen zu dürfen, dass er sich mit grosser Bestimmtheit auf die Seite der Zünfte für die Machterweiterung der Prioren im Gegensatze zu dem Rath der Vierzehn gestellt habe, so scheint dieser Tendenz wieder ein anderes Votum desselben Mannes zu widersprechen. Auch der schroffste Repräsentant des gewaltthätigen Adels dieser Tage, Corso Donati, von Hause aus ein Freund Bonaccorso’s, zeigt sich [93] in einzelnen Abstimmungen den Zünften geneigt. Brunetto Latini tritt in den Rathssitzungen nicht besonders hervor[137]. Der Hass gegen den halbaufgezwungenen Frieden des Cardinals Latino, an den das Colleg der Vierzehn stets erinnerte, mag manchem der guelfischen Adlichen die Gefahren, die ihm von den Zünften her drohten, in einem ungefährlicheren Lichte haben erscheinen lassen. Waren doch die Zünfte guelfisch gesinnt und gehörten ihnen auch schon adliche Familien an. Zahlreiche Söhne derselben, welche jetzt, im Dienste der Comune gut bezahlt, die Ritterwürde und andere Ehren erwarben, fühlten sich augenblicklich in ihrem Dasein wohl auch ganz befriedigt. Einen Verzicht auf ihre Herrschaft hatten ja auch die grossen Familien noch keineswegs geleistet. Was man nicht auf directem Wege für sich beanspruchen konnte, das war vielleicht auf einem Umwege zu erreichen und neu zu befestigen. Nach heissem Ringen, das sich durch das nächste Jahrzehnt hinzieht, sollten sich aber die Grandi in dieser Hoffnung bitter betrogen sehen.




1. Excurs zu S. 60.

Es mag an einem Beispiel gezeigt werden, wie schwierig die Feststellung des Thatsächlichen hier bei den scheinbar genauesten Angaben ist und Villani’s so oft mit Recht angefochtene Erzählungen auch einmal wahr sein können. Villani erzählt (VIII, 50), der Papst sei am 18. December 1275 in der Grafschaft von Florenz angekommen, habe über den Arno setzen wollen, dieses nicht gekonnt, da der Arno zu stark angeschwollen gewesen sei, habe desshalb die Brücke Rubaconte passirt und die Stadt durch das Thor San Niccolò wieder verlassen, nachdem er dieselbe wieder excommunicirt und das Psalmenwort über sie gesprochen: In camo et fraeno maxillas eorum constringe. In der Badia a Ripoli habe er übernachtet und sei dann sofort weitergereist. Mit Villani stimmt im Wesentlichen Paolino Pieri überein, auf den sich Villani bei seiner Angabe zu berufen scheint. Nur ist er nicht so detaillirt in seinen Angaben wie Villani.

Guido de Corvaria hat die Notiz: Die Jovis XIII Decembris [94] transivit Dominus Papa, scilicet Gregorius X., per Florentiam, et fecit Pascha Nativitatis tunc sequens apud Aretium… Die Veneris X Januarii decessit Dominus Papa. Muratori, Scr. r. Ital. XXIV, p. 685.

Ptolomaeus Lucensis schreibt in den Annalen von Lucca: Eodem anno Gregorius rediens de concilio venit Florentiam, ibique stetit per mensem ad tractandum pacem inter cives, et inde recedens venit Aretium etc.

Der Papst selbst schreibt in einem vom 1. Januar 1276 aus Florenz datirten Briefe (Potthast Nr. 21 097) an König Karl, er sei am XVIII. kal. Januarii zu Santa Croce in der Diöcese Florenz angekommen, ubi die una solito itineris intermisso labore deinde versus Aretium procedentes, festum nativitatis dominicae ibi proponimus celebrare, dann wolle er, wenn es sein Zustand gestatte, nach dem Kirchenstaate aufbrechen.

Alle diese Nachrichten, selbst das päpstliche Schreiben, enthalten falsche Angaben. Die Nachricht des Tolomeo von Lucca ist die unrichtigste. Der Papst konnte sich keinen Monat in Florenz aufhalten, er konnte damals keinen Frieden schliessen. Es ist eine Verwechslung mit dem früheren Aufenthalte des Papstes in Florenz, die Tolomeo hier begeht.

Die Zeitangabe des Guido de Corvaria ist gleichfalls falsch. Das ergibt sich aus dem Briefe des Papstes, der an Karl schreibt, er sei am 15. December in der Villa des Cardinals Ottaviano de’ Ubaldini zu Santa Croce im Mugellothale, nordöstlich von Florenz, an der Strasse von da nach Bologna, angekommen. Das Datum des 13. December bei Guido ist auch schon desshalb falsch, weil dieser Tag gar kein Donnerstag war.

Aber auch die Datirung des Briefes des Papstes an König Karl vom 1. Januar ist unrichtig. Raynaldus hat das auch schon wohl gesehen, da er den Brief ohne Datum und noch zum Jahre 1275 setzt. Ist der innere Widerspruch schon entscheidend, da der Papst dem Könige am 1. Januar nicht geschrieben haben kann, dieser möge nach der Feier des Weihnachtsfestes und der sich ihm anschliessenden Feste nach Rom, oder wo er, der Papst, sich aufhalten werde, kommen, so ergibt sich die falsche Datirung des Schreibens ebenso sicher aus dem Factum, dass der König schon am 25. December 1275 den Brief des Papstes empfangen hat. Denn an diesem Tage ernennt Karl seinen Neffen, den Grafen Robert von Artois, zu seinem Generalvicar im Königreich diesseits des Faro, da er sich nach Rom zum Papste begeben müsse. (Arch. Stor. S. III, Vol. 24, p. 400.) Ich vermuthe daher, dass das Schreiben des Papstes an Karl wohl schon in Santa Croce geschrieben, aber von Florenz aus datirt ist, weil der Papst Florenz auf seiner Reise passirend (versus Aretium procedentes, s. oben) es dort vielleicht dem Vicar Karl’s zur Weiterbeförderung übergeben wollte. Das genaue Datum war in das Concept, nach dem der Abdruck bei Campi, Storia di Piacenza II, 485, und Raynaldus erfolgte, noch nicht eingetragen. Diese Vermuthung setzt allerdings voraus, dass es möglich war, von Florenz eine Estafette nach Neapel in 6–8 Tagen gelangen zu lassen. Ich halte das in diesem Falle nicht für ausgeschlossen, wenn auch Handelscouriere von Florenz nach Neapel 10–12 Tage in der Regel brauchten. [95] (Peruzzi, Storia del commercio, p. 218.) Da wir von einem früheren Briefe des Papstes an König Karl nichts wissen, der König noch am 5. Januar 1276 von Anagni aus Geldsendungen für ihn nach Viterbo, oder wo er sich sonst aufhalten werde, zu richten befiehlt (Arch. stor. S. III. T. 29, p. 19), diese Ordre der ungenauen Angabe, die der Papst ihm in dem fraglichen Briefe über seinen Aufenthalt (ut ibi [Romae] vel exinde alibi, ubi tunc erimus etc.) gemacht hat, vollkommen entspricht, so halte ich für erwiesen, dass der Brief des Papstes, der von Florenz datirt ist, schon am 25. December in den Händen des Königs war und der König auf ihn hin seine Reise nach dem Norden anzutreten beschlossen hat. Der Gesundheitszustand des Papstes musste ihn auch bestimmen, bei dessen etwaigem Ableben in der Nähe der Todesstelle, beziehungsweise des Conclaves zu sein. Karl ging auch sofort nach Empfang der Nachricht vom Tode des Papstes, die er schon am 13. Januar in Rom hatte, nach Arezzo und befiehlt, dorthin grosse Geldsummen zu senden. l. c. T. 25, p. 21.

Die richtige Chronologie möchte folgende sein:

Am 15. December war der Papst nach seiner Angabe in Santa Croce angekommen. Den 16. ruhte er dort. Am 17. machte er sich auf den Weg nach Florenz. Es ist unmöglich, in einem Tage von Santa Croce bis nach der Badia von Ripoli zu kommen. Der Papst passirte also am 18 oder 19. Florenz. Da Villani, beziehungsweise dessen Quelle, sagt, der Papst sei am 18. in der Grafschaft Florenz angekommen, und Guido de Corvaria berichtet, er habe an einem Donnerstag Florenz passirt, der 19. aber ein Donnerstag war, so halte ich dafür, dass an diesem Tage der Papst durch Florenz gekommen ist. Die Zahl XIII bei Guido ist ein Schreib- oder Druckfehler. Die nächsten Tagesnamen stimmen bei ihm sonst mit den Tageszahlen. Dass die Lösung und Bannung der Stadt so erfolgt sein kann, wie der streng kirchliche Villani berichtet, scheint mir nicht zweifelhaft. Perrens, der bei dieser Gelegenheit sein kritisches Licht besonders leuchten lassen will (II, 131, Anm. 3), verwirft die Erzählung Villani’s mit dal Borgo, Bonucci, Bonaini. Es passirt ihm aber dabei, dass er Villani sagen lässt, der Papst sei am 18. September nach Florenz gekommen, dass er Santa Croce für identisch mit Florenz hält, offenbar weil er etwas von Santa Croce in Florenz weiss, aber nicht von Santa Croce im Mugello, u. s. w.




2. Excurs zu S. 81.

Leider sind wir durch die Consulte (p. 47, 49, 50) nur über die Zeit und den Modus der ersten Verhandlungen mit dem Kanzler Rudolf, den die italienischen Chronisten Loddo nennen, aber nicht über deren Resultat unterrichtet. Die Consulte sind uns gerade hier, wie leider nur zu oft, ganz lückenhaft erhalten. Am 20. Mai heisst es in ihnen, der Kanzler sei noch heute oder morgen über Arezzo zu erwarten. Das gehe aus einem Schreiben hervor, welches der Kanzler an Guido von Suzaria, der ihn im [96] Namen des Königs Karl in Florenz erwarte, gerichtet, und das dieser dem Podestà gezeigt habe. Darauf schlägt Zambertus dei Cavalcanti vor, der Podestà, der Capitano und die Magnaten sollen dem Legaten entgegengehen und ihn alacriter empfangen. Das wird wohl auch beschlossen sein. Aber der Beschluss ist nicht auf uns gekommen. Jedenfalls kam der Kanzler nicht am 20. oder 21. nach Florenz, wenn er, wie Guido de Corvaria berichtet, mit Schreiben des Papstes und des Königs dort eintraf. Denn der Brief des Papstes an die Universos marchiones… ceterosque per partes Tusciae Romano subjectos imperio (Potthast 21 757) ist vom 21. Mai aus Orvieto datirt und das Schreiben des Königs gar erst vom 24. Mai (Lami, Monumenta e. Fl. I, 459). Da auch erst am 29. Mai im Rath des Podestà über ein Antwortschreiben an den Kanzler berathen wird, so wird wohl anzunehmen sein, dass dieser erst gegen den 24. Mai in Florenz eingetroffen ist und nur das päpstliche Schreiben vorweisen konnte. Zu dieser Annahme finde ich mich durch die Notiz des wohlunterrichteten Chronisten Paolino Pieri gedrängt, der da sagt, die Florentiner hätten dem Kanzler geantwortet, sie könnten nichts ohne die ausdrückliche Einwilligung des Königs Karl thun. Hätte Rudolf das Schreiben Karl’s vom 24. Mai schon vorweisen können, so wäre ja diese Ausrede unmöglich gewesen. Gestützt wird diese Vermuthung über das späte Eintreffen des Briefes des Königs noch dadurch, dass die Räthe der Stadt dem König erst am 20. Juni zu antworten beschliessen. Leider unterrichten uns die Consulte nicht über die Antwort der Comune; am 29. Mai wird zwar auf den Antrag des einflussreichen Bonaccorso Bellincioni degli Adimari beschlossen, dem Kanzler sobald als möglich seinem Verlangen gemäss die Gelegenheit zu bieten, der grossen Rathsversammlung und dem Parlamente die Propositionen des Königs Rudolf vorzutragen. Das muss auch sofort geschehen sein. Denn am 30. Mai beschliesst der grosse Rath auf den Rath Lottos de Alleis dem Kanzler nicht durch den Rath, sondern durch eine Commission, deren Mitglieder bestimmt werden, und der die weitgehendste Vollmacht ausgestellt wird, zu antworten. Was aber geantwortet worden ist, erfahren wir durch die Consulte leider nicht. Jedenfalls lautete die Antwort, wenn nicht ganz abweisend, so doch hinhaltend, wie Paolino Pieri berichtet. Der Hofkanzler ging von Florenz den Arno abwärts nach der Reichsburg San Miniato del Tedesco, von wo die Reichsvicare Friedrich’s II. Tuscien verwaltet hatten.



[70]
(Fortsetzung.)
VII.

Der grosse Reiz, welchen das Studium der Geschichte von Florenz ausübt, beruht vor allem darauf, dass sich in ihr Allgemeines und Besonderes wie kaum anderswo durchdringen, dass hier das Individuelle sich unwillkürlich für das betrachtende Auge zum allgemeinen Gesetze ausgestaltet und die klar umrissene Entwicklung eines local und geschichtlich eigenartig bestimmten kleinen Staatswesens zu einem Paradigma für die Geschichte der Europäischen Menschheit wird. Die Möglichkeit dieser Entwicklung beruhte hier neben manchen mehr zufälligen und untergeordneten Bedingungen ohne Zweifel auf dem uranfänglichen Vorhandensein eines besonders günstig veranlagten, hochbegabten Menschenschlags, welcher in dem Widerspiel der Kräfte und Interessen, die hier zusammenstiessen, alle Neubildungen des politischen und socialen Lebens in rascher Folge und in scharfer und reiner Abgrenzung hervortrieb, sich selbst aber doch trotz alles Wechsels der Formen niemals in diesen ganz verlor, vielmehr Jahrhunderte lang bei aller Ausscheidung nicht mehr brauchbarer Elemente und trotz zahlloser nicht immer unblutiger Revolutionen und schwerer äusserer Heimsuchungen sich in seinem inneren Wesen, ich möchte sagen in seiner geistigen Legirung, rein behauptete und nur das äussere Gepräge wechselte.

[71] So gewiss wie die beiden grössten Geister, welche Florenz der Welt geschenkt hat, und die wie gewaltige Thürhüter an dem Ein- und Ausgange der grossen selbstherrlichen Epoche der Arnostadt stehen, Dante Aleghieri und Michel Angelo Buonarotti, bei aller zeitlich bedingten Verschiedenheit sich in ihrer geistigen Physiognomie, in ihrem tiefsinnigen Brüten über die letzten Fragen des menschlichen Seins bei aller fast das menschliche Mass überschreitenden Lebensenergie und künstlerischer Gestaltungskraft als die Söhne Einer Mutter ausweisen, so trägt auch die Gesammtgeschichte dieser Mutter selbst einen grossen einheitlichen Zug an sich. Und dieser lief darauf hinaus, die Fesseln, welche die mittelalterliche Cultur um die Europäische Menschheit geschlagen hatte, auf allen Lebensgebieten zu sprengen und die moderne Welt aus sich heraus zu setzen.

Einem so kleinen Staatswesen, wie Florenz war, und der Natur seiner örtlichen Bedingungen nach bleiben musste, konnte das selbstverständlich nicht auf allen Lebensgebieten gelingen. Aber es gibt kaum eine bedeutende Frage, welche die moderne Welt in Bewegung gesetzt hat, zu der nicht in der Florentinischen Geschichte ein Vorspiel vorhanden wäre. Auf dem Gebiete des politischen Lebens gibt es kaum eine Staatsform, zu der hier am Arno nicht eine analoge Erscheinung nachweisbar wäre. Allen diesen Entwicklungen aber musste der grosse Act der Loslösung aus den Banden der mittelalterlichen Feudalwelt vorausgehen, welchen wir in den Jahrzehnten, die wir zu erzählen begonnen haben, wenn auch nicht in allen seinen thatsächlichen Consequenzen, so doch im Principe vollständig sich vollziehen sehen.

Gleichzeitig mit dem Tode Kaiser Friedrich’s II. und dem Zusammenbruche der Reichsgewalt in Italien, welche trotz einzelner fast moderner Züge, die ihr letzter grosser Repräsentant an sich trägt, doch die festeste Stütze des feudalen, jeder geordneten Staatsgewalt widerstrebenden Adels gebildet hatte, war das Bürgerthum in Florenz siegreich auf dem Plane erschienen (1250). Der Volksrath (consiglio del popolo) löste den Rath der Stadtgemeinde (consiglio del comune), in dem der Adel noch seinen Platz behauptete, an Einfluss und Macht ab. Der Gegenschlag gegen diese erste siegreiche Erhebung des Bürgerstandes, des popolo vecchio, durch die bisher herrschenden Gewalten erfolgte [72] fast in vernichtender Weise durch den Sieg der Gegner bei Montaperti und die Wiederherstellung des aristokratischen Stadtregiments (1260). Nichtsdestoweniger war nach einem halben Menschenalter die unaufhaltsam aufstrebende Bürgerschaft wieder so weit erstarkt, dass sie ohne Blutvergiessen durch die Einsetzung der Prioren das Stadtregiment vollkommen an sich brachte (1282). Trotzdem nun der Guelfische Adel in Verbindung mit der sich ihm anschliessenden Geldaristokratie grossen Einfluss auf diese neue Signoria gewann und seine äussere Machtstellung sich durch den letzten grossen und entscheidenden Sieg, den er in erster Linie über die Ghibellinische Partei Tusciens bei Campaldino (1289) gewann, wieder gehoben hatte, musste er dennoch wenige Jahre darauf dem unwiderstehlichen Andringen des in den Zünften organisirten Bürgerthums weichend, ohne ernsten Widerstand leisten zu können, jene sogenannten Ordnungen der Gerechtigkeit über sich ergehen lassen, welche ihn als Stand zum bürgerlichen Tode verurtheilten (1293).

Nachdem wir die beiden ersten Phasen dieser Entwicklung in diesen Blättern in ihren wichtigsten Wendungen kurz erzählt haben, bleibt uns jetzt noch die dritte, inhaltsreichste und entscheidendste in ihren Hauptzügen zusammenfassend darzustellen übrig.

Wie in dem Leben eines jeden aufstrebenden Staatswesens alle die in ihm in Thätigkeit gesetzten Potenzen einander durchdringen und bedingen, die ursprünglich treibenden Kräfte sich durch die Rückwirkung der erreichten Erfolge auf sie in ihren Tendenzen verstärken, aber auch modificiren und umbilden, so sehen wir auch in der, man darf sagen mit wahrhaft staunenswerther Energie sich emporringenden Volksgemeinde von Florenz ein Spiel von Wechselwirkungen sich entfalten, das auf manchen mitlebenden Zeitgenossen nur den Eindruck fieberhafter Unruhe und krankhafter Hast machen musste, uns aber als die Frühlingsstürme einer neuen Zeit erscheint. Und nicht alle sahen die Entwicklung ihrer Stadt, wie Dante, als die eines Fieberkranken an, der auf seinem Pfühle keine Ruhe finden kann. G. Villani preist im Gegensatz hiermit den Zustand der Stadt nach der Schlacht von Campaldino als den besten, den sie je erreicht, und rühmt das Wachsen ihrer Einwohnerzahl und ihres Reichthums, den sie aus Handel, Industrie und Gewerbe (mercanzia, [73] arte e mestieri) gewonnen habe. Männer und Frauen hätten sich dieses Wohlergehens erfreut. Die schönen Maifeste hätten die jungen Männer an verschiedenen Orten der Stadt in prächtig ausgestatteten Höfen (Corti) gefeiert, Frauen und Mädchen seien in festlichen Zügen, Blumen in den Haaren und Reigen tanzend, durch die Strassen gezogen. Und das erzählt der gute, sonst etwas philisterhafte Popolano, nachdem er kurz vorher berichtet hat, wie zahlreiche Kriege, eine arge Hungersnoth (1286) und Brände und Ueberschwemmungen durch den Arno die Stadt (1287–88) heimgesucht hätten!

Gewiss hat eine jede dieser Auffassungsweisen, die des grossen, persönlich aber tief verstimmten Dichters und die des wackeren Geschäftsmannes und Chronisten ihre Berechtigung. Aber so wenig der auf die überall herzustellende Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit, auf die Abstellung alles gewaltsamen Wesens in Staat und Gesellschaft gerichtete Sinn der Florentiner, welcher sich in das für die Zeitstimmung so überaus charakteristische Schlagwort zusammenfasste, dass die „Raubsucht des Wolfes und die Zahmheit des Lammes gleichen Schritt halten und beide in einer Hürde friedlich und ruhig miteinander wohnen sollten“[138], eines idealen Hintergrundes entbehrt, und er sich der bei der Eindämmung alles Frevels nicht zu vermeidenden Härten unbewusst geblieben ist, so wenig ist auch zu verkennen, dass die Machtentfaltung der Stadt und ihrer Bürgerschaft unmöglich gewesen wäre, wenn diese sich nicht im Besitze grosser äusserer Mittel befunden hätte, wenn sie nicht in rasch wachsendem [74] Wohlstande, ja im Verhältnisse zu anderen gleichzeitigen Staaten und Comunen, sogar in Reichthum gelebt hätte und sie nicht für die Ehre, den Ruhm und die Interessen der Heimath die schwersten Opfer zu bringen bereit gewesen wäre.

Würde es uns nicht von G. Villani ausdrücklich bezeugt[139] dass sich der Wohlstand von Florenz in unserer Epoche sehr gehoben habe, wir müssten es aus der ganzen Entwicklung der Stadt erschliessen. Das aber haben wir angesichts dieses Zeugnisses nicht nöthig. Wir wissen sogar aus welchen Quellen den Florentinern jetzt ganz besonders reichlich Schätze zuströmten.

Je näher die Aera der Kreuzzüge ihrem Ende war, desto mehr verdoppelten die Päpste ihre Anstrengungen, um die letzten der den Christen im heiligen Lande gebliebenen Reste diesen zu erhalten. Auf dem Concil von Lyon (1274) hatte sich desshalb Gregor X. auf eine Reihe von Jahren den Zehnten von allen geistlichen Einkünften in der Christenheit als Beisteuer zum Zuge gegen die Ungläubigen bewilligen lassen. Man kann sich denken, dass dieser Zehnte von der Geistlichkeit im allgemeinen höchst ungern gezahlt wurde und dass es grosser Künste bedurfte, um die ungeheuren Geldsummen rechtzeitig und sicher nach Rom abfliessen zu machen. Waren nun auch hier und da Geistliche mit der Eintreibung derselben betraut, so mussten doch Tuscische, d. h. jetzt vor allem Florentinische Banquiers Hilfe hierbei leisten. Diese liefen denn auch den grossen Sienesischen und Pistojesischen Bankhäusern, den Buonsignori, Salimbeni u. s. w. bald den Rang ab. Nun wird Niemand glauben, dass diese zum Theil unsicheren und gefährlichen Geschäfte von den Mozzi, Frescobaldi, Spigliati, Alfani, Abbati, Baccarelli und wie diese Florentinischen Geldleute alle heissen mögen, deren Namen wir in den Registern Hororius’ IV. und seiner Nachfolger aufgezeichnet finden, unternommen worden sind, ohne dass ein grosser Theil der Summen in ihren Beuteln hängen geblieben wäre.

Es lässt sich das zum Theile noch genau verfolgen. So erfahren wir, dass die Alfani, welche für den Papst im Spoletanischen und dem südlichen Tuscien, aber auch im fernen Norwegen collectirten, ihren Beuteantheil durch den Ankauf von [75] Nutzungen des Reichsguts in Sicherheit zu bringen suchten[140]. Nicht minder als die Curie bedurften deren Schützlinge, die Könige von Neapel, für ihre stets geleerten Kassen der Hilfe der Florentinischen Geldleute, die auch in Frankreich und England den Höfen unentbehrlich wurden. Das für ihre Zeit colossale Vermögen der Handelsgesellschaften der Bardi und Peruzzi[141] begann sich in dieser Zeit zu bilden. Das Banquierhaus der Cerchi, die aus dem Sievethale gekommen durch ihre Verbindung mit den Scali in die Höhe gekommen waren, stand schon jetzt als eins der „ersten Geldinstitute der Welt“ da und hatte seine Filialen in Rom und Frankreich[142]. Die Verbindung, in welcher Florenz durch seine Banquiers mit der ganzen Welt stand, kam natürlich auch dem gesammten Handel und der sich grossartig entwickelnden Industrie zu gute. Alle Gewerbe fanden hier einen goldenen Boden[143]. Selbstbewusstsein, Bürgermuth und klugen praktischen Sinn finden wir, freilich auch mit dem Revers dieser Tugenden gepaart, in den Berathungen der Körperschaften sich aussprechen, welche die Geschicke der Stadt leiteten. Denn kein wahrhaft bedeutender Mann hat auch nur für die [76] Dauer weniger Jahre damals einen bestimmenden Einfluss auf sie zu gewinnen gewusst. Wie einst in der besten Zeit Roms ging hier die Bewegung des ganzen Staatswesens nicht von einzelnen hervorragenden Führern, sondern von einer breiten vorwärtsdrängenden Masse aus.

Die politischen Tendenzen dieses „Popolo“ bewegten sich, wie bei allen vorzugsweise Handel und Gewerbe treibenden Staaten, in der Richtung auf Erhaltung des Friedens im Innern wie nach Aussen. Aber so waren die Zeiten nicht geartet, dass man diesen Frieden ohne schwere und heftige Kämpfe gegen die äusseren Gegner[144], die gewaltthätigen Störer der inneren Ruhe und die Feinde einer gleichmässigen Vertheilung der Rechte und Pflichten der Bürger hätte durchsetzen können. Wenn sich unbändige Leidenschaften des Selbsterhaltungstriebes von der Einen Seite der Ausgleichung der Stände und der Herstellung einer gesicherten Rechtsordnung entgegenstellten, so überschritten dann auch von der anderen die hiergegen ergriffenen Repressivmassregeln selbst jeden Schein der Billigkeit. Es waren wahrlich keine „Lämmer“ mehr, die sich hier den räuberischen „Wölfen“ zur Wehr entgegensetzten.

Betrachten wir zunächst, wie die Comune ihrer äusseren Feinde Herr zu werden wusste.

Der nächste Angriff, den die Comune gegen ihre äusseren Feinde unternahm, war gegen die traurigen Reste der Reichsgewalt gerichtet, die in Tuscien noch dann und wann ein Lebenszeichen von sich gaben, die aber jetzt schon fast mehr den Eindruck [77] eines gespenstigen Wesens, dem das Leben entflohen, als den einer wirklichen Macht hervorriefen. Doch konnte man sie noch nicht ganz ignoriren, da sie immer wieder das Bindeglied für die noch lebenskräftigen Gegner der Comune werden konnten, welche in Tuscien selbst, im oberen Arnothale und am Ausflusse des Stromes ins Meer, der Stadt noch immer gefährlich waren.

Hatte Florenz schon den Generallegaten des Königs Rudolf, der noch dazu mit päpstlicher Unterstützung die Reichsrechte in ihr hatte geltend machen wollen, schnöde genug behandelt[145], so flösste ihr der von diesem am 28. Mai 1283 bestellte Stadtvertreter Diethalm von Guttingen womöglich noch weniger Respect ein. Bei der Berathung neuer Statuten erklärte man die reichsunmittelbaren Ortschaften Poggibonzi und Catignano der Jurisdiction von Florenz unterstellt. Nur ganz vereinzelte Stimmen sprachen sich noch gegen diese Verletzung der Reichsrechte aus[146]. Dann, nachdem sich der Generalvicar vergeblich für die beiden Gemeinden verwendet hatte, und der König selbst, an welchen die Gemeinden Bitten um Schutz gerichtet hatten, die Comune in einem Schreiben aufforderte, von ihrem Vorhaben abzustehen, erklärte man dem Boten Diethalm’s, der dieses Schreiben überbrachte, zum Scheine, dem königlichen Gebote nachkommen zu wollen. Nichtsdestoweniger beschlossen die Florentiner wenige Monate darauf das Gegentheil. Nirgends tritt aber die Tendenz der herrschenden Partei gegen das Reich deutlicher hervor, als in dem Antrage des heissblütigen Corso Donati vom 26. Februar 1285[147]. Er beantragte im Parlamente, alle an das Florentinische Gebiet grenzenden Ortschaften des Reiches zur Grafschaft der [78] Stadt zu schlagen und nur die Rechte, welche in ihnen einzelne Florentiner schon erworben hatten, vorzubehalten. Der Führer der Corso Donati entgegenstehenden Adelspartei, Bonaccorso Bellincioni degli Adimari, beantragte freilich hiergegen, diese Neuerungen (novitates) nicht sofort durchzuführen, und scheint mit der Unterstützung Bindo’s del Baschiera della Tosa hiermit durchgedrungen zu sein. Beide betonen aber ausdrücklich, dass man nur „ad praesens“ von diesen Neuerungen, von denen in ihren Consequenzen vor allem Arezzo betroffen werden musste, abstehen wolle. Wie sollte man auch in Florenz Respect vor einem Könige haben können, der sich seine Statthalter von dem Papste ernennen liess? Denn kaum ist es zweifelhaft, dass, nachdem der von König Rudolf zu seinem Generalvicar in Tuscien ernannte Johann von Avesnes[148] sein Amt nicht angetreten hatte, der Papst seinen Capellan, den Subdiakonus Percival de’ Fieschi zum Reichsverweser in Tuscien bestellte und Rudolf diesen, nachdem er schon ein Jahr amtirt hatte, dann am 22. November 1285 bestätigte[149]. Dieser Reichsstatthalter gehörte einer der ersten Guelfischen Familien Genuas an, und desshalb brachten ihm die Ghibellinen Tusciens wenig Vertrauen entgegen. Möglicherweise war das dem Könige doch auch zu Ohren gekommen und er liess desshalb durch seinen Gesandten an den Papst, den Bischof Heinrich von Basel, dem Cardinal Matteo Rosso aus der mächtigen Familie der Orsini das wichtige Amt anbieten. Aber entweder wollten die Orsini sich jetzt nicht in diese Händel mischen, oder der Papst erhob Einsprache, Percival blieb Reichsstatthalter und hatte als solcher die Florentiner zum Gehorsam gegen das Reich zurückzuführen[150]. Das war aber eine unfruchtbare Arbeit. Obwohl Papst Honorius IV. durch ein Schreiben vom 17. April 1286, das Petrus von Piperno, Canonicus von Soissons, überreichte, alle Stände Tusciens aufforderte, [79] dem von dem Könige der Römer Rudolf eingesetzten General Percival Grafen von Lavagna Gehorsam zu leisten, sah sich Florenz so wenig als Siena veranlasst, diesem Befehle zu willfahren[151]. Es blieb dem Vertreter der Reichsgewalt, der im Hochsommer des Jahres mit Gefolge nach Tuscien gekommen war und seinen Sitz auf der Reichsburg von San Miniato del Tedesco aufgeschlagen hatte, dann aber über Lucca[152] und Florenz, wo er bei den Mozzi abstieg, nach Arezzo gegangen war, doch nichts anderes übrig, als Siena und dann Florenz in hohe Geldstrafen, 30 000 und 50 000 Mark, zu verurtheilen und in den Reichsbann zu erklären. Siena und dann auch Florenz, am 20. October 1286, appellirten hierauf an den Römischen König, den Papst und jeden anderen zuständigen Richter. Der ganze Handel nimmt sich wie eine Komödie aus, welche die Florentiner mit dem Reiche spielten. Denn obwohl sie durch königliche und päpstliche Schreiben doch zur Genüge von der Bestellung Percival’s zum Reichsvicar unterrichtet waren, stellen sie sich in ihrer Appellationsschrift an, als ob er lediglich ein Prätendent dieser Würde sei[153]. Sie beriefen sich dabei auf angebliche Privilegien, die uns aber nicht mitgetheilt werden, geschweige denn erhalten sind. Percival war nicht im Stande, gegen die Florentiner den Reichsbann zu vollstrecken, und verschwand aus Tuscien. Er begab sich abermals (?) nach Deutschland zu König Rudolf, sicher nicht um diesen von der Unhaltbarkeit der Florentinischen Appellationsschrift zu überzeugen, sondern um ihm zu sagen, dass ohne Waffengewalt seine „Getreuen“ in Tuscien nicht zum Gehorsam zu bewegen seien.

Diese Reise des Generalvicars, von der die Florentiner Chronisten berichten, scheint sich bis in das Frühjahr 1287 ausgedehnt zu haben. Denn erst im Sommer erfahren wir etwas von [80] seiner Anwesenheit in Arezzo[154]. Dass die Florentiner von seiner Rückkehr für sich nichts Gutes erwarteten, beweist ihr weiteres politisches Vorgehen. Auf ihre Anregung hin wurde am 2. April 1287 in der Kirche des heiligen Laurentius zu Castel Fiorentino von den Vertretern von Siena, Pistoja, Colle, San Gemignano, Poggibonzi, Volterra und San Miniato ein neuer Bundesvertrag mit den Florentinischen Gesandten, Rainerius Hostigiarii de Pilliis und dem bekannten Judex Ildebrandinus de Cerreto unterzeichnet. Da man, wie sich aus dem Vertrage selbst ergibt, nicht nur den Generalvicar, sondern den König selbst in Tuscien erwartete, schien es den Florentinern sehr gerathen, rasch vorzugehen und ein möglichst grosses Bundesheer auf die Beine zu bringen. Lucca, das sich an der Taglia diesmal nicht betheiligte, weil es ja die Reichsrechte erworben hatte, soll doch so gut wie Arezzo zur Theilnahme aufgefordert werden. Ebenso sollen Montepulciano und Chiusi angegangen werden, zur Erhaltung der Ehre und des gegenwärtigen Zustandes in Tuscien beizutragen. Die Florentiner[155] sollen hierhin eine Gesandtschaft senden. Andere Boten sollen an den Papst und die befreundeten Cardinäle gehen, „occasione adventus regis Alamannorum et vicariatus Tusciae“ und um anderer gemeinschaftlicher Interessen willen[156]. Selbst nach Deutschland wollen die Florentiner zuverlässige Kundschafter schicken, um die Macht und die Lage des Königs zu erforschen [81] und über seine Ankunft in Tuscien und der Romagna die Bundesglieder sofort zu benachrichtigen. Der Bund, welcher seine ständigen Truppen auf 500 Reiter, und wenn Lucca beitritt, auf 600 Reiter bringt, die man durch Werbung aber auf 1500 Mann erhöhen will, hat den ausgesprochenen Zweck, die Geltendmachung der Reichsrechte in Tuscien unmöglich zu machen. Keine Comune darf desshalb einen Podestà, Rector u. s. w. annehmen, der nicht in herkömmlicher Weise gewählt, sondern von einem Dritten eingesetzt ist. Niemand soll auch eine solche Einsetzung annehmen, wie denn überhaupt jede Aufnahme eines Rectors, dominus u. s. w., welcher behauptet, ein „dominium generale“ oder eine „jurisdictio generalis“ in Tuscien zu haben, untersagt wird. Um den Widerstand gegen das Reich durchzusetzen, geloben die Bundesglieder, einer dem anderen zu Hilfe zu kommen; in den Gemeinden selbst soll Friede hergestellt werden und jede ihre Bürger und Districtualen, die Freunde der Römischen Kirche sind, durch einen Eidschwur zum Frieden oder doch wenigstens zu einem Waffenstillstand auf fünf Jahre verpflichten. Da Streitigkeiten zwischen dem Kriegshauptmann der Taglia, Rinuccius Pepponis de Farnese, der nur um der Kirche willen sein Amt verwaltet, und den Comunen von Pistoja, Colle und Prato bestanden, weil diese ihre Bundescontingente nicht vertragsmässig zum Heere gestellt hatten, sollen diese sofort beglichen werden[157].

Die Florentiner hätten nicht nöthig gehabt, den Abschluss dieses Vertrages, welchen mit einigen namhaft gemachten Clauseln die Vertreter der contrahirenden Comunen unterzeichneten und durch ihre Rathsversammlungen (consilia opportuna) anerkennen zu lassen versprachen, allzu lebhaft zu betreiben. Denn König Rudolf kam auch dieses Mal nicht nach Italien und sein Stellvertreter brachte so wenig Truppen mit nach Arezzo, dass er nichts ausrichten konnte. Im Frühjahr 1288 berief der Papst dann den Reichsvicar zu sich, der im Mai in Rieti auftaucht, um Reichsrechte in Prata in der Diöcese von Volterra zu Lehen zu geben. Ueber einen Brief von ihm, die Guelfen von Chiusi [82] betreffend, wird dann am 6. August in Perugia verhandelt[158]. Schliesslich finden wir ihn wieder in Arezzo, wo er am 22. März 1289 ein Hospital in seinen Schutz nimmt. Von diesem Augenblick an verschwindet der Reichsstatthalter aus der Geschichte Tusciens. Zur Zeit der Schlacht von Campaldino ist er vielleicht schon todt, jedenfalls in Tuscien nicht mehr anwesend gewesen. Die Florentiner hatten abermals die Einmischung des Reiches in die Geschicke Tusciens verhindert.

Wollten sie diese aber für immer unschädlich machen, dann blieb ihnen jedoch nichts anderes übrig, als auch die Comunen Tusciens, an welchen die Reichsgewalt noch immer eine gewisse Stütze fand, entweder ganz zu sich herüberzuziehen oder, wo dieses bei dem grimmigen Parteiwesen nicht möglich war, ganz zu brechen. Das war schon theilweise während der Jahre, da die machtlosen Stellvertreter des Deutschen Königs in Tuscien amtirten, geschehen, sollte ihnen aber dann gar bald darauf fast vollständig gelingen.

Die Guelfische Partei Tusciens, und an ihrer Spitze Florenz, hatte ihre grossen Erfolge zum guten Theile durch die Vernichtung der Staufischen Herrschaft in Unteritalien errungen. Der Niedergang der Angiovinischen Sieger durch die Sicilische Vesper und die Besitzergreifung Siciliens durch die Aragonesen konnte daher auch nicht ganz ohne Rückwirkung auf die Machtverhältnisse der sich befehdenden Parteien Mittelitaliens bleiben. Nur den Einfluss, dessen sich die Anjous bei allen Guelfen erfreuten, gewannen die Aragonischen Könige, soweit sie selbst ihrer Fahne treu blieben, jedoch niemals auf die Ghibellinen. Sie konnten Ghibellinisch regierte Städte nicht davon abhalten, sich untereinander in wüthendsten Kämpfen fast bis zur Vernichtung zu zerfleischen und vermochten siegreichen Parteigenossen, wie z. B. dem kriegstüchtigen Guido von Montefeltro, keine Unterstützung zu gewähren, während die Guelfen überall einander zu Hilfe kamen und die Streitigkeiten der Ghibellinen zu ihrem Vortheile ausbeuteten. So wurde der Montefeltrier auf die Bitten des Papstes Martin IV. hin[159] von den Florentinern mitbekriegt und besiegt, und in dem Kampfe zwischen den beiden Ghibellinisch [83] regierten Seestädten, Genua und Pisa, wussten sie auch gar sehr ihren und ihrer Partei Vortheil zu wahren.

Schon längst lebten die beiden grössten Seemächte des westlichen Mittelmeerbeckens, Pisa und Genua, in wüthendster Eifersucht. „Come per le femmine,“ sagt G. Villani. In der ganzen Levante, wie in Sardinien und Corsika kämpften sie miteinander. Von Sicilien bis zu den Balearischen Inseln war das Meer von den schnell segelnden Piratenschiffen der Genuesen voll, die über die Pisanischen Galeeren herfielen und selbst sich an Schiffen vergriffen, die für den Kirchenstaat bestimmt waren. Sie waren in Italien, wie auch später, da man ihre Stadt die Hure Spaniens nannte, verhasst. Die Frage Dante’s: Ahi Genovesi – – – perchè non siete voi del mondo spersi? drückt wohl die Volksmeinung Tusciens über die gewaltthätigen Beherrscher des Tyrrhenischen Meeres aus. Aber das Glück war ihnen günstig und der politische Hass der Guelfischen Städte Tusciens gegen das Ghibellinische Handelsemporium an der Mündung des Arno noch lebhafter. Mit wechselndem Glücke war der seit 1282 besonders wegen Corsika entbrannte Kampf zwischen den beiden Seestädten geführt worden. Da gelang es Genua, seinem Rivalen einen fast vernichtenden Schlag beizubringen. Am 6. August 1284 wurde die fünfundachtzig Segel starke Flotte Pisas zwischen Livorno und dem Felseneilande Meloria von hundertundsieben Genuesischen Schiffen total geschlagen[160]. Die Genuesen erbeuteten neunundzwanzig Galeeren ihrer Gegner und bohrten sieben in den Grund. Die Zahl der in der Schlacht umgekommenen Pisaner wird auf eintausend sechshundert bis fünftausend angegeben. Sicher ist, dass damals über neuntausend Gefangene, unter ihnen die Blüthe des waffenfähigen Adels von Pisa, in die Gefängnisse nach Genua kamen. Der Genueser Annalist J. Auria (Giovanni Doria) gedenkt des damals umlaufenden Sprichwortes, dass wer Pisa sehen wolle, nach Genua kommen müsse. Hatte der Adel von Pisa, wie die Sage will, in dem Kriegsrath vor der Schlacht darauf bestanden, den Kampf mit der überlegenen Flotte aufzunehmen, damit es nicht heisse, die Genuesen hätten den Hafen [84] von Pisa gesperrt, so musste er jetzt schwer für seinen Stolz büssen. Es erweckt noch heute schmerzliches Mitgefühl, wenn man in der Liste Roncioni’s bei den Namen so vieler edler Pisaner die kurze, aber unsägliches Elend verrathende Notiz: morse in prigione liest. Dass Tausende gefangener Pisaner in den Kerkern umkamen, ist aber nur ein Tropfen des Unheils, das über die Stadt jetzt hereinbrach.

Der Podestà und Admiral der Pisanischen Flotte, ein Morosini aus Venedig, war in die Genuesische Gefangenschaft gefallen. Sein Sohn, ein junger Mann, sollte nun als Stellvertreter die fremde Stadt regieren. Das war an sich unmöglich, und wäre auch unmöglich geblieben, wenn die Genuesen den Pisanern, die im ersten Schrecken alle Bedingungen ihrer Feinde annehmen wollten[161] den Frieden gewährt hätten. Aber weit hiervon entfernt, schlossen sie am 12. October in Florenz ein Bündniss mit dieser Stadt und Lucca ab, um die schon halb gebrochene Stadt nun auch noch vom Lande her einzuschliessen und womöglich zu erobern. Die Vorverhandlungen zu dieser Allianz waren, wahrscheinlich auf Ansuchen von Lucca[162] und der Guelfischen Partei von Florenz nicht lange nach der Schlacht von Meloria in Rapallo begonnen worden. Jetzt erfolgte ihr Abschluss in der Badia zu Florenz. Neben Mainetto Benincasa führte der gewandteste Florentinische Diplomat seiner Zeit, Brunetto Latini, die Sache der Stadt, und man schloss ein Bündniss auf fünfundzwanzig Jahre ab. Fünfzehn Tage nach dem Abschlusse desselben, sollen die Truppen von Florenz und Lucca gegen Pisa im Felde stehen. Dann folgen die üblichen Versicherungen, dass keine der contrahirenden Mächte ohne die andere Frieden schliessen wolle, Bestimmungen über die Vertheilung der zu machenden [85] Gefangenen und dergleichen mehr. Der Grund, dass der Vertrag gerade in Florenz abgeschlossen wurde, ist wohl in dem Umstande zu suchen, dass derselbe vielfache Interpretationen und Modificationen des Handelsvertrages enthielt, der am 7. Februar 1281 zwischen Florenz und Genua vereinbart worden war, zu denen die Einwilligung der Rathsversammlungen von Florenz nothwendig war. Die Handelsinteressen bedingten ja durchaus das politische Verhältniss beider Städte. Selbstverständlich wurde der Beitritt zu diesem Bunde den übrigen Mitgliedern der Tuscischen Taglia, die man im August 1284 zu Siena erneuert hatte, offen gehalten. Er erfolgte auch von Seiten von Prato, Pistoja, San Miniato, Poggibonzi, San Gemignano und Siena am 14., 15. und 20. October. Man hatte aber noch nicht genug Theilnehmer an ihnen. Zwanzig vornehme Pisaner, von denen der Graf Ugolino de’ Gherardeschi und dessen Söhne[163], soweit sie nicht in der Gefangenschaft der Genuesen waren, und Nino dei Visconti, der Judex von Gallura auf Sardinien, namentlich genannt werden, sollen unter gewissen Bedingungen ihm beitreten können. Es waren die Häupter der Guelfischen Partei Pisas, die mit ihrer Vaterstadt schon wiederholt in offener Fehde gestanden hatten, die man zu sich herüber ziehen wollte[164]. Oder wollte der schlaue Brunetto Latini, der die Florentiner lehrte, ihre Republik „secondo la politica“ zu leiten[165], schon nach einer Anknüpfung mit Pisa suchen, um die für Florenz so wichtige Seestadt vor der Wuth ihrer Feinde zu retten und sie nur ins Guelfische Parteilager hinüber zu führen? Fast scheint es in der That so. Der Graf Ugolino, der sein Judicat in Sardinien statt von seiner Vaterstadt von Genua zu Lehen nehmen sollte, nahm fünf Tage nach dem Abschluss des grossen Bündnissvertrags in Florenz die Würde eines Podestà von Pisa an. Die Stadt war [86] damit Guelfisch geworden[166]. Nichtsdestoweniger begannen die Alliirten ihren Zug gegen die unglückliche Stadt. Alle Florentiner mussten sie am 10. November verlassen. Unter der Führung des Hauptmanns der Tuscischen Taglia, Nello J. de’ Pannochieschi, zogen die Florentiner und Sienesen von Südwesten her aus dem Gebiete von Volterra in das Thal der Era, während die Lucchesen von Nordosten her vordrangen. Zahlreiche Burgen und Ortschaften fielen den Alliirten in die Hände. Der Bischof von Volterra, der von den Pisanern viel zu leiden gehabt hatte, übergab den Florentinern allein sechsundzwanzig Castelle. Doch kam es beim Herannahen des Winters zu keinem Angriff mehr auf die Stadt Pisa selbst. Er sollte im nächsten Frühjahre erfolgen.

Diesem Angriffe die Spitze abzubrechen, war die überaus schwierige Aufgabe des neuen Podestà von Pisa. Er, der Führer der numerisch schwachen Partei der Guelfen, war zwar jetzt auch von den in der Genuesischen Gefangenschaft schmachtenden Ghibellinischen Adlichen als Helfer in der Noth anempfohlen worden. Aber durfte er seine alten politischen Gegner jetzt so rasch in die Heimath zurückkehren lassen und hier seine Feinde damit verstärken? War doch der mächtige Erzbischof der Stadt ein enragirter Ghibelline. Er that also in dieser Richtung zunächst nichts und suchte nur seine persönliche Stellung zu befestigen. Im Februar 1285 liess er sich desshalb zum Podestà und Volkshauptmann seiner Vaterstadt auf zehn Jahre ernennen und nahm gegen das Ende dieses Jahres seinen kaum der Minorennität entwachsenen Neffen Nino Visconti, Judex von Gallura, zum Mitherrscher in das Stadtregiment auf. Darauf suchte er das Bündniss der Feinde seiner Heimath zu lockern. Er begann bei den Florentinern. Unter ihnen hatte er persönliche Freunde [87] von früheren Zeiten her[167]. Und die Handelsinteressen ihrer Stadt, um derentwillen man ausgesprochener Massen den Krieg mit Pisa allein führen wollte[168], waren sie nicht vielleicht besser geborgen, wenn unter Ugolino’s Leitung die Guelfen dort herrschten, als wenn sich am Ende die Genuesen dort festsetzten oder die Lucchesen übermächtig würden? Und welche Störungen brachte ein Auszug des Florentiner Bürgerheeres im Handel und Wandel der Stadt mit sich! Man musste dann in einer Zeit, in der die Geschäfte aufblühten, alle Comptoire und Lagerhäuser schliessen[169] und sich den Gefahren eines Feldzuges aussetzen. Alles Gründe, die dafür sprachen, sich mit Anstand von der Allianz zurückzuziehen und den Frieden mit Pisa zu schliessen, wenn man seine Zwecke doch erreichen könne. Ich glaube, diese Motive haben auf die Florentiner stärker eingewirkt, als das Gold, das Ugolino, nach Villani, in Flaschen voll goldgelben Weines nach Florenz zur Bestechung der einflussreichsten Männer geschickt hat. Es mag sein, dass persönliche Einwirkungen des Herrn von Pisa auf Guelfische Adliche von Florenz stattgefunden haben. Aber das Gold in dem goldigen Wein[170] sieht doch etwas novellistisch aus.

[88] Die Verhandlungen zur Wiederherstellung des Friedens in Tuscien wurden auf Betreiben Ugolino’s von Florenz aus officiell geführt und in den Rathsversammlungen discutirt. Man operirte einstweilen noch nach beiden Seiten. Während im März 1285 noch Vorkehrungen getroffen wurden, die Castelle an der Pisaner Grenze in Kriegszustand zu setzen, waren gleichzeitig hiermit schon Friedensverhandlungen im Gange. Die Florentiner, mit Ugolino schon im Einverständnisse, riethen vertraulich ihrem alten Parteigenossen, vor allem die Kriegslust der Lucchesen durch freiwillige Abtretung von Viareggio und Ripafratta zu mässigen. Die Lucchesen frugen auf die hierauf bezüglichen Anerbietungen Ugolino’s hin bei den Florentinern an, ob sie die Offerte annehmen sollten. Natürlich bejahten diese das[171]. Die Podestaten von Florenz und Lucca hatten eben mit grösserem Gefolge in Empoli Raths über diese Angelegenheiten gepflogen. Eine Gesandtschaft nach Genua wurde gleichzeitig abgeschickt. Hier war man aber spröde und verlangte namentlich die Auslieferung der Citadelle von Cagliari (Castrum Castri) auf Sardinien, ohne die es keinen Frieden gebe, wie man die Pisaner wissen liess[172]. Die Lucchesen liessen sich in ihrer stets etwas [89] bäurischen Selbstsucht nun zwar die Abtretung jener beiden wichtigen Küstenorte von Pisa gefallen, machten aber dennoch auf Antreiben der Genuesen, welche dem Octobervertrage gemäss eine grosse Flotte zur Eroberung von Porto Pisano ausrüsteten, auch ihr Heer mobil. Das setzte die Pisaner natürlich in nicht geringen Schrecken, und sie sandten eine Gesandtschaft nach Florenz. Hier war man in grosser Verlegenheit, wie man von dem auf fünfundzwanzig Jahre geschlossenen Octoberbündnisse schon nach einigen Monaten mit einigem Anstande loskommen könne. Die Doppelstellung musste vorläufig noch beibehalten werden: es wurde einerseits beschlossen, die Rüstungen zum Kriege ihren Gang gehen zu lassen, andererseits aber das Resultat einer an den Papst abgeschickten Gesandtschaft abzuwarten.

Was war es denn, was man über diese Dinge mit dem am 2. April dieses Jahres gewählten Honorius IV. schon zu verhandeln hatte? Die Sitzungsberichte der Rathsversammlungen geben uns hierüber keinen directen Aufschluss und in den ausführlichen Registern des Papstes findet sich keine Anspielung auf diese Abmachungen. Aber der Erfolg beweist zur Genüge, welche Wege die Florentiner betreten hatten. Konnte nicht von dem neuen Stellvertreter Gottes auf Erden ein Verbot, des Krieges mit Pisa erwirkt werden? Durfte man dann nicht den vor sechs Monaten abgeschlossenen Bundesvertrag als unausführbar erklären? Unsicher schwankten die Rathscollegien in ihren Entschliessungen hin und her. War man am 9. April noch der Meinung, wegen des bevorstehenden Krieges allen Verkehr mit Pisa abzubrechen, so ist am 8. Mai die Rede davon, die Rückkehr der Botschafter von der Curie abzuwarten[173]. Obgleich man nun in ungezählten Rathsversammlungen über die Modalitäten des Heereszuges gegen Pisa discutirte und namentlich die Frage erörterte, ob man mit dem ganzen Heere (esercito) oder nur mit den Reitern (cavalcata) ausrücken solle, war [90] man am 4. Juni sicher, dass der Papst Briefe abgesendet habe oder senden werde, in denen er der Comune von dem Kriege gegen Pisa abmahne, so dass man eine legitime Entschuldigung habe, den Kriegszug nicht zu unternehmen[174]. Am 8. Juni waren diese Schreiben wirklich angelangt und es wurde der Inhalt derselben einer Versammlung von Vertrauensmännern des Capitano am 11. Juni mitgetheilt[175]. Der Ueberbringer der päpstlichen Willensmeinung war zugleich ein persönlicher Vertrauensmann, der Bischof Jacob von Ferentino, der sich auf seiner Mission nach Aragonien befand, wo er den päpstlichen Zehnten einziehen sollte[176]. Er traf sich in Florenz mit einer Gesandtschaft der Genuesen, welche den Auszug der gesammten Heeresmacht (exercitus generalis) auf Grund des vorjährigen Vertrages heischte[177]. Es war eine bedenkliche Situation und die Stimmung in Florenz noch getheilt. Ein Compromiss wurde jedoch für den Augenblick gefunden. Man entsendete eine Gesandtschaft nach Genua, und bat den Termin des Ausmarsches zu verschieben; bis der Bote zurückgekehrt sei, wurde die Entscheidung vertagt. Die Gesandten von Genua, die nach Lucca weiterzogen, hatten übrigens ein sehr starkes Pressionsmittel auf diese in ihrer Gewalt. Brach man den Bund mit der mächtigen und gewaltthätigen Republik, so waren die zahlreichen Florentiner, die sich in Genua aufhielten, und die grossen Waarendepots derselben dort gefährdet. Die Florentinischen Geschäftsleute in Genua hatten sich darum auch schon nach der Heimath ängstlich gewendet. Hatten doch auch die Genuesischen Gesandten in Lucca, so scheint es wenigstens, in ihrem Grimme über die Winkelzüge ihres Bundesgenossen einen Edelmann aus Florenz misshandelt und beraubt[178].

Desshalb durfte man doch noch nicht abbrechen. Die Rathsversammlungen beschäftigten sich immer wieder mit den Vorbereitungen zum Heereszuge und die am meisten geängsteten Kaufleute legten einen Mobilmachungsplan vor[179]. Darüber, wie [91] den Kaufleuten am besten geholfen werden könne, waren die Ansichten sehr getheilt. Die einen, z. B. Simone de Salto, schlugen vor, man möge doch von Seiten der Comune ihnen zwanzigtausend Lire beisteuern, damit sie Reiterei und Fussvolk in Sold nehmen und den Genuesen bei der Belagerung von Porto Pisano Beistand leisten könnten. R. de’ Tornaquinci rieth dagegen, den Papst nochmals anzurufen; er solle den Genuesen bei Strafe der Excommunication verbieten, gegen die Comune und die Kaufleute von Florenz vorzugehen[180]. Am 29. Juni war man schon so weit, dass in einem Parlamente der Antrag gestellt und auch wohl angenommen wurde, eine Gesandtschaft nach Pisa abzuordnen und die Stadt aufzufordern, über ihre Streitigkeiten mit Genua Florenz zum Schiedsrichter zu bestellen und sich dem Schutze (defensioni et protectioni) dieser Comune anzuvertrauen; den Genuesen solle dagegen die Versicherung gegeben werden, dass Florenz das, was es in diesem Jahre aus Mangel an Kriegsrüstung (defectu apparatus) nicht habe leisten können, in der Zukunft nachholen werde, und derartiges mehr[181]. Die Genuesen, welche seit Juni mit einer grossen Flotte vor der Arnomündung erschienen waren, sich aber der Unterstützung ihrer Bundesgenossen bei der Belagerung von Porto Pisano[182] beraubt sahen, suchten wenigstens die Lucchesen zur Einhaltung des Vertrags zu bewegen. Aber diese benahmen sich nach beiden Seiten noch treuloser als die Florentiner. Nicht genug, dass sie Viareggio und Ripafratta, die ihnen nur abgetreten waren für den Fall, dass sie Frieden mit Pisa hielten, wie selbstverständlich für sich behielten, zogen sie gegen die Castelle der Pisaner im Serchiothale, Cuosa und Avana, welche die Pisaner räumen mussten, um die Besatzung von Porto Pisano zu verstärken. Denn dieses Bollwerk der Pisanischen Macht bedrängten die Genuesen jetzt von der Seeseite aufs lebhafteste und nahmen den Leuchtthurm am Hafeneingange. Sie wurden nicht müde, [92] die Lucchesen selbst nach Monate langem Warten zu einem Angriffe auf den Hafen von der Landseite zu bewegen. Dazu aber waren diese nicht zu haben. Der Papst hatte sie ja auch unterdessen von der Bekriegung Pisas abmahnen lassen, und so verkrochen sie sich hinter ihn und die Florentiner. Diese liessen sie Ende Juli in der That zur Theilnahme an dem Zuge auffordern; aber jetzt hatte hier, wie sie wohl wussten, die Friedenspartei das volle Uebergewicht. Als sich in den ersten Tagen des August die Rathsversammlungen mit dieser Botschaft beschäftigten, beantragte Oddo Altoviti zu erklären, die Florentiner würden gern zu Diensten stehen, wenn sie nicht persönlich und materiell in der Gewalt des Papstes ständen; die Römische Curie habe ihnen und ihren Kaufleuten schon den grössten Schaden zugefügt, und ihr müssten sie gehorchen. Desshalb möge man sie entschuldigen, wenn sie ihnen dieses Mal nicht zu Willen seien. Dieser Antrag wurde angenommen und damit hatte die Sache ein Ende. Am 5. August lichteten die Schiffe der Genuesen vor der Arnomündung die Anker und Pisa war gerettet[183]. Das Zureden des päpstlichen Legaten, der sich von Lucca nach Genua begeben hatte, scheint auf die Entschliessung der Genuesen nur geringen oder gar keinen Eindruck gemacht zu haben[184], [93] vielmehr die Erkenntniss, dass Porto Pisano, oder gar Pisa selbst, ohne den Beistand eines grossen Landheeres nicht genommen werden könne, allein den Ausschlag für den Abbruch der grösseren Kriegsoperationen in diesem Jahre gegeben zu haben.

Dieses Mal waren es die Florentiner gewesen, welche ihre alte, jetzt tief gedemüthigte und heruntergebrachte Rivalin gerettet hatten. Das war nicht aus uninteressirter Liebe geschehen; sondern kluge Berechnung und Parteitaktik, wenn wir von persönlicher Einwirkung absehen dürfen, hatten dabei den Ausschlag gegeben. Es wäre wirklich nicht klug gewesen, das grosse Handelsemporium von ganz Tuscien zum grössten Vortheile der eifersüchtigen Seestadt Liguriens ganz zu vernichten. Hatte es doch jetzt auch auf lange Zeit, so schien es wenigstens, einen Guelfischen Herrn, der mit den vornehmen Familien seiner Partei aus Florenz schon manchen Waffengang gegen seine Ghibellinische Heimath gemacht hatte. Der Adel von Florenz war es, der die Entscheidung zu Gunsten Pisas gegeben hatte. In den Rathssitzungen dieser Zeit sehen wir bei Behandlung der Pisaner Frage daher die Tornaquinci, Buondelmonti, Adimari, Donati und andere Granden das grosse Wort führen, und kaum wird je um diese Zeit in ihnen so oft auf die Zuziehung der Magnaten für die Auswahl der Vertrauensmänner verwiesen, als bei ihr. Die Kaufmannschaft war ja auch in ihrem Interesse getheilt. Denn nachdem man einmal die Curie glücklich in diese Händel verwickelt hatte, war ein Widerstand gegen diese in mancher Beziehung gefährlicher als die Feindschaft Genuas: an die Curie waren doch noch grössere Geldsummen zu verlieren, als Waarenvorräthe an die Genuesen. Desshalb einigte man sich schliesslich auch dahin, eine Gesandtschaft an den Papst abgehen zu lassen, damit dieser den Vertrag mit Genua ganz annullire[185]. Um sich den Rücken hierbei zu decken, sollte ein Parlament mit den Abgeordneten des Tuscischen Bundes, namentlich mit Lucca, abgehalten werden, auf dem die Angelegenheit zu einer ganz Tuscien verpflichtenden gemacht werde. Der diplomatische Sieg, den die Florentiner über die Genuesen davon getragen hatten, war denn auch so vollständig, dass eine Gesandtschaft von diesen, [94] welche für die Curie bestimmt war, in Florenz im September vorsprach und sich Empfehlungen an die Botschaft der Florentiner in Tivoli, dem Sitze der Curie, ausbat. Die Rathscollegien waren hierzu jetzt nicht einmal recht bereit und beschlossen, dort die Genuesischen Gesandten zwar ehrenvoll empfangen, aber nur so weit unterstützen zu lassen, als die eigenen Interessen das gestatteten[186].

Das Selbstbewusstsein der Bürgerschaft von Florenz und vor allem des Guelfischen Adels war durch den glücklichen Ausgang dieser misslichen Angelegenheit nicht wenig gehoben. Und doch war der Erfolg ein mehr scheinbarer als wirklicher. Hing er doch ganz von der Entwicklung der Dinge in Pisa ab. Und diese nahm gar bald einen für die Guelfische Partei nichts weniger als günstigen Verlauf. Ihr Schützling, der Graf Ugolino de’ Gherardeschi, ein Mann schon ganz von dem Schlage der Italienischen Tyrannen des 14. und 15. Jahrhunderts, suchte den Frieden zwischen seiner Vaterstadt und Genua, welchen die in der Gefangenschaft schmachtenden Pisanischen Adlichen und deren Angehörige betrieben, so lange als möglich hinauszuschieben. Die Rückkehr des Ghibellinischen Adels nach Pisa und der Verlust der Basis seiner Machtstellung, welche ihm durch den Frieden insofern drohte, als er sein Judicat auf Sardinien als Genuesisches Lehen annehmen sollte, schienen ja dann unvermeidlich. Das hätte den übermüthigen, hochfahrenden Mann nun bestimmen dürfen, sich wenigstens mit seinen nicht allzu zahlreichen Guelfischen Parteigenossen in der Heimath zu vertragen. Aber auch dazu war er zu herrschsüchtig. Kurz nachdem endlich im April 1288 der Friede mit Genua zu Stande gebracht war[187], wurde durch seine Ränke und Ungerechtigkeiten der gleichfalls ehrgeizige Judex von Gallura, Ugolino de’ Visconti, aus der Heimath vertrieben[188]. Dieser floh zu den ihm [95] nahe befreundeten Florentinern und fand die Hilfe der Guelfischen Taglia, während Ugolino de’ Gherardeschi sich mit seinen ihm an List und Treulosigkeit gewachsenen neuen Ghibellinischen Verbündeten in der Heimath überwarf. Nach einem erbitterten Strassenkampfe blieben die Ghibellinen unter der Führung des Erzbischofs Ruggiero degli Ubaldini Sieger und Ugolino wurde mit zwei Söhnen und zwei Enkeln gefangen genommen und in den Thurm der Gualandi geworfen, in dem er im März 1289 sein grausiges Ende fand.

Die Kräfte der zerrütteten Stadt schienen sich gänzlich aufzehren zu müssen. Und das um so mehr, als die Lucchesen und die Tuscische Eidgenossenschaft in Verbindung mit dem vertriebenen Judex von Gallura und anderen Verbannten ihr alle Besitzungen auf dem Festlande bis auf drei Burgen weggenommen hatten[189]. Desshalb beschloss der Erzbischof Ruggiero den alten, kriegserfahrenen und verschlagenen Ghibellinenführer der Romagna, den Grafen Guido von Montefeltro, aus seiner freiwilligen Verbannung in Asti nach Pisa zu rufen und ihm die [96] Vertheidigung der Stadt anzuvertrauen. Wenige Tage vor dem Tode Ugolino’s de’ Gherardeschi kam der Condottiere, den die Genuesen ruhig aus ihrem Hafen hatten abfahren lassen, in Pisa an und liess sich auf drei Jahre zum Podestà, Capitano und Heerführer ernennen. Die Florentiner mussten nun energischer als bisher in den Krieg eingreifen. Sie beschlossen zweitausend Pferde auszuheben und eine Anleihe von wenigstens vierzigtausend Goldgulden zu erheben, welche durch die Erträge der neuen Steuerumlage gedeckt werden solle[190]. Es war auch um so nöthiger, sich zu rüsten, als in Arezzo sich um den Reichsstatthalter Percival die Ghibellinische Partei dichter zusammen zu schaaren begann und den Pisanern von Süden her schon die Hand zu reichen drohte. Die Siege, welche die Aragonesen über die Anjous in Unteritalien erfochten hatten, belebten noch einmal den Muth der Ghibellinen Tusciens.

In Arezzo, einer Stadt, über deren mittelalterliche Geschichte wir sehr schlecht unterrichtet sind, hatte sich, wie wir sahen, der Reichsstatthalter Percival de’ Fieschi am längsten aufgehalten. Was ihm die Stadt besonders genehm gemacht hatte, musste doch deren politische Stellung sein. Sicher war der Adel in ihr noch mächtiger als in anderen Städten Tusciens. Hier in der Nähe, im Casentino, im Val d’Ambra und im Apennin, hatten die Grafen Guidi ihre grossen Besitzungen, im Arnothale unterhalb der Stadt sassen auf zahlreichen Castellen die Pazzi und andere gewaltthätige Herren vom Adel. Doch hatte sich das Adelsregiment innerhalb der Stadt nicht ohne Kämpfe behaupten können. Der greise Bischof der Stadt, Guglielmo, aus dem Geschlechte der Ubertini, hatte, wetterwendisch und treulos, wie er war[191], es mit allen Parteien verdorben. Er, der die politische Intrigue und das Getümmel des Feldlagers noch in seinen alten Tagen mehr liebte als die Gesänge [97] der Chorknaben, musste sich auf sein Schloss Bibbiena im Casentino flüchten. Dort belagerten ihn die Aretiner im Jahre 1284, doch, wie es scheint, ohne Erfolg. Wir erfahren dann von ihm, dass er im October 1285 mit Hilfe von fünfhundert exilirten Ghibellinen das durch seine feste Lage wichtige Castell von Poggio Santa Cecilia an der Grenze der Grafschaften von Siena und Arezzo revoltirt habe[192]. Die Sienesen, denen das Castell gehörte, obwohl es kirchlich Arezzo unterstellt war, wandten sich an ihre Tuscischen Bundesgenossen um Beistand. Im October und November finden wir die Rathsversammlungen von Florenz in vollster Thätigkeit, um über den den Sienesen zu leistenden Zuzug zu beschliessen[193]. Nachdem man Ende November die Feste zu belagern begonnen hatte, wurde sie mit Hilfe der Florentiner und der Truppen des Tuscischen Bundes unter dem Oberbefehl Guido’s von Montfort eingeschlossen. Ein Entsetzungsversuch des Bischofs schlug fehl, und nun konnten sich ihre Vertheidiger nicht mehr halten. In der Nacht vor dem Palmsonntag 1286 stahlen sie sich durch die Belagerungslinie und nur Wenige von ihnen fielen in die Hände der Sienesen, die sie als Rebellen hinrichten liessen[194].

Der Kampf um Poggio Santa Cecilia hatte das Signal zu Unruhen in ganz Tuscien gegeben. Freilich hatten sich die Sienesen und der mit ihnen verbündete Guelfisch gesinnte Theil des Grafenhauses der Guidi am 19. December 1286 einander die Erlaubniss gegeben, mit dem Bischofe von Arezzo Frieden zu [98] schliessen[195] und die Florentiner, die sich schon wiederholt mit den Angelegenheiten von Arezzo beschäftigt hatten[196], waren augenblicklich nicht so sehr von der Haltung Arezzos abhängig, als wohl früher. Hatten sie doch, da Siena Guelfisch war, einen guten Weg nach Rom und dem Süden offen. Aber bald nahmen sie wieder einen sehr lebhaften Antheil an Arezzo, weil sich diese Stadt in gleicher Weise wie die ihrige demokratisch zu entwickeln begann, und ihre Händel mit dem Reichsstatthalter es wünschenswerth machten, dass dieser in Tuscien überhaupt keinen Stützpunkt für seine Bestrebungen finde. Es hatte sich nämlich in der sonst aristokratisch regierten Stadt auch eine Volksgemeinde, ein Popolo, gebildet, und zwei Lucchesen waren 1287 auf sechs Monate an ihre Spitze berufen worden: Guelfo Falconi als Capitano oder, wie man hier sagte, als Prior, und Bernardo Lanfredi als Podestà. Die populäre Verfassung konnte sich nur im Anschlusse an die demokratische Vormacht Tusciens, an Florenz, behaupten. Diese Stadt sah jetzt ihre Stellung in Arezzo nur gesichert, wenn auch hier die Ghibellinen ausgetrieben waren. Aber der Hass des Guelfischen Adels gegen das Volk war in Arezzo noch lebhafter als seine Feindschaft gegen die Ghibellinen. Beide Adelsfactionen schlossen sich desshalb zusammen, machten dem Popolo den Garaus und ermordeten seinen „Prior“ in schmählicher Weise. Kaum aber war hier die Adelsherrschaft wieder hergestellt, so hetzten die Florentiner die Guelfen gegen die Ghibellinen auf, und diese sahen sich desshalb gezwungen, den Bischof Guglielmo zurückzurufen, mit dem sie dann vereint die Guelfen aus der Stadt jagten[197]. Jetzt erstarkte hier die Florenz feindliche Partei um so mehr, als sich nun auch der Reichsvicar mit einem Haufen Leute hier niederliess[198] und die [99] Ghibellinen der Umgegend und die Florentinischen Exilirten so einen festen Mittelpunkt fanden. Da die aus Arezzo vertriebenen Guelfen, welche sich der Burgen von Rondine und Monte San Savino bemächtigt hatten, Schutz und Beistand von Florenz und dem Tuscischen Bunde erhielten[199], bereiteten sich grössere kriegerische Ereignisse im oberen Arnothale rasch vor. Die kampflustigen und kriegstüchtigen Schaaren des Ghibellinischen Adels, zu denen sich auch Bonconte, der Sohn des Montefeltriers gesellte, unternahmen schon im Februar 1288 einen Ritt in die Grafschaft Florenz; dann zogen sie nach dem Süden gegen Chiusi, wo die Guelfen aus der Stadt gejagt wurden.

Die Florentiner durften sich die Verwüstung ihrer Grafschaft nicht gefallen lassen und konnten der immer stärker werdenden Ansammlung ihrer geschworenen Feinde in einer benachbarten Grafschaft nicht passiv zusehen. Der Ausbruch eines grossen Krieges stand für den Sommer 1288 bevor. Vergeblich bemühte sich der soeben gewählte Papst Nicolaus IV. denselben zu beschwören. Im April sendete er seinen Capellan Ruggiero von Salerno mit Briefen an die Guelfen von Florenz, Siena und Arezzo und forderte sie auf, Syndici an ihn zu einem Termin abzusenden, den ihnen sein Bote angeben werde, um seine Entscheidung über die Streitigkeiten und die argen Scandale, die in der Provinz Tuscien zum Ausbruch gekommen seien, zu vernehmen. In gleicher Weise wurde der Bischof von Arezzo nach Rom beschieden und dem Reichsstatthalter aufgegeben, sich innerhalb fünfzehn Tagen persönlich in Rom zu stellen, die feindlichen Parteien aber von jedem gewaltsamen Zusammenstoss abzuhalten[200]. Jetzt waren aber die Florentiner nicht so geneigt auf die Friedensworte des Papstes zu hören, wie vor drei Jahren. Sie zogen vielmehr ein grosses Heer aus Tuscien und der Romagna zusammen und brachten eine Truppenmacht in Bewegung, [100] wie sie sie seit dem unglücklichen Zuge zur Verproviantirung Montalcinos im Jahre 1260 nicht ins Feld gestellt hatten[201]. Am 23. Mai wurden die Fahnen der Republik feierlich in das Hauptquartier gebracht, das bei der Badia von Ripoli, auf dem linken Arnoufer wenige Miglien vor den Thoren der Stadt stromaufwärts aufgeschlagen war. Der Krieg wurde den Aretinern feierlich und förmlich angesagt. Nochmals versuchte der Papst, der Kriegslust der „treuesten Söhne“ der Römischen Kirche Einhalt zu thun. In einem Schreiben vom 29. Mai[202] forderte er die Florentiner und Sienesen auf, sich jedes Angriffs auf Arezzo zu enthalten, da er die Ordnung der Angelegenheiten dieser Stadt selbst in die Hand genommen habe. Obwohl den Bischöfen von Florenz und Siena durch besondere Briefe empfohlen worden war, den Frieden kräftig zu unterstützen, fruchtete jetzt nichts mehr. Das Heer, zweitausendzweihundert Reiter und zwölftausend Mann Fusstruppen, setzte sich am 1. Juni in Marsch. Einer solchen Uebermacht fühlten sich die Aretiner doch nicht gewachsen. Sie zogen sich hinter die Mauern ihrer Stadt zurück. Diese regelrecht zu belagern, waren ihre Gegner zu ungeschickt und zu schwach, und so begnügten sie sich damit, das flache Land in der Grafschaft Arezzo und dem den Grafen Guidi gehörigen Val d’Ambra zu verwüsten. Dazu sollen sie vierzig Burgen und bewaffnete Ortschaften erobert haben. Dass Lupo degli Uberti ihnen das wohlverproviantirte Laterina auslieferte, ist der einzige Makel, der an der Waffenehre dieser tapferen Familie haftet. Die Sienesen, die dann noch mit vierhundert Reitern und dreitausend Mann Fussvolk zu dem Hauptheere stiessen, fanden kaum noch etwas zu thun, wenn man nicht Arezzo selbst stürmen wollte. Das war aber eine zu schwere Aufgabe. Die üblichen Verhöhnungen des Gegners: das Wettlaufen unter den Mauern der Stadt, die Ertheilung des Ritterschlags an viele junge Cavaliere und dergleichen mehr liessen sich leichter vornehmen. Nachdem dies besorgt war, trennten sich die Alliirten. Die grosse Heeresmasse zog wieder das Arnothal hinab und kam unversehrt nach Florenz. Schlimmer ging es den Sienesen. [101] Kaum vier Miglien von Arezzo entfernt, fielen sie bei Pieve del Toppo in einen ihnen von den kriegskundigen Aretinern gelegten Hinterhalt und wurden trotz heldenmüthiger Tapferkeit Einzelner sehr übel zugerichtet. Es blieben allein dreihundert der vornehmsten Adlichen der Stadt und der Landschaft, unter ihnen der vorjährige Capitano der Tuscischen Taglia, Reinuccio Farnese, und der durch Dante berühmt gewordene Lano.

Diese empfindliche Niederlage der Sienesen hatte alle Verluste der Aretiner wieder ausgeglichen. Die Florentiner unternahmen desshalb im September einen neuen Zug gegen sie. Das Heer war dieses Mal nicht so gross wie im Sommer. Immerhin bestand es aus tausend Reitern und viertausend Fussgängern. Von Laterina aus, das die Florentiner besetzt gehalten hatten, boten sie den Aretinern eine Schlacht an. Aber die einen wie die anderen wollten den Arno nicht durchwaten, obgleich er wenig Wasser hatte. Nachdem das Heer wieder eine Anzahl Burgen, namentlich der Pazzi, eingenommen und die Gegend nochmals verwüstet hatte, ging es nach Hause zurück. Ihm folgte die Reiterei der Aretiner bald nach. Bis nach Ponte a Sieve, zehn Miglien von Florenz (13. October 1288) liessen nun diese die Grafschaft von Florenz und Fiesole in Rauch aufgehen.

Glücklicher als hier gegen Osten waren die Florentiner im Westen gewesen. Hatte der Reichsstatthalter nach dem Abzuge der Florentiner von Arezzo im Sommer des Jahres den von den Lucchesen und Florentinern hart bedrängten Pisanern etwas Luft zu schaffen versucht und eine von ihm geworbene Reiterabtheilung vom Süden her denselben zu Hilfe geschickt, so war das erfolglos geblieben. Am 14. August wurde der Befehlshaber dieser Schaar, der Conticino von Elci aus der Familie Pannochieschi, bei Colle Salvetti in der Maremme von Pisa von den Truppen der Tuscischen Taglia schmählich in die Flucht geschlagen[203]. Hatte sich der Führer des Reichsvicars in dem [102] Treffen feige gezeigt, so war der Führer der Söldner der Florentiner um so tapferer gewesen.

Der Winter machte hierauf den kriegerischen Operationen ein Ende. Aber kaum trat das Frühjahrswetter ein, so regten sich die Ghibellinischen Schaaren von Arezzo. In den Tagen, in welchen den Guelfen in Guido von Montefeltro in Pisa ein gefährlicher Feind erwuchs (13. März 1289), zogen die leichten Truppen von Arezzo gegen Montevarchi und die Burgen des oberen Arnothales, drangen sogar bis sieben Miglien von Florenz, bis San Donato in Collina vor. Wie die Florentiner vor Arezzo die Stadtulme gefällt hatten, hieben die Aretiner auch jetzt hier das Wahrzeichen des Ortes an. Man sah in Florenz ostwärts die Rauchsäulen aus dem hochgelegenen Dorfe aufsteigen, rührte sich aber nicht. Denn die Stadt war so von Parteihader zerrissen, dass der Verdacht bestand, die Feinde seien im Einverständniss mit den einheimischen Verräthern so weit gekommen. Hatte doch der Prior Arrigo di Grazia mit Zustimmung seiner Collegen am 28. Februar den Beschluss durchgesetzt, dass eine Anzahl verdächtiger Personen, namentlich aus der Classe der Magnaten theils aus der Grafschaft, theils nur aus der Stadt ausgewiesen wurden[204].

Aber solche Streifzüge bis fast vor die Thore ihrer Stadt durften die Florentiner doch nicht ungerächt geschehen lassen. Nur hatte es seine schweren Bedenken, einen grossen Heereszug auch in diesem Jahre wieder zu unternehmen. Einmal hatte die Stadt schon im vorigen Jahre eine grosse Anleihe aufnehmen müssen und die Auflagen wurden immer drückender. Durch die Anhäufung von zahlreichen Schaaren adlicher Reiterei schien die Partei der Magnaten in der Stadt zu sehr die Uebermacht zu gewinnen. Dazu zeigte sich der Papst sehr übel gesinnt. Hatte er doch [103] einen Führer von vierhundert Reitern, Balduino von Soppino, welchen Florenz in Sold genommen, verhindert, seinen Zusagen nachzukommen[205].

Aber es blieb doch nichts anderes übrig, als zum Kriege zu rüsten, und die Ankunft König Karl’s II. in Florenz schaffte der kriegerisch gesinnten Adelspartei vollends das Uebergewicht. Am 2. Mai 1289 traf der Herrscher von Neapel nach vierjähriger Gefangenschaft auf seiner Reise von Aragonien in Florenz ein. Den Sohn des Fürsten, der die Guelfen Italiens zur freilich noch umstrittenen Oberherrschaft auf der ganzen Halbinsel geführt hatte, sahen die Florentiner als ihren natürlichen Vorkämpfer und geborenen Parteichef an. Der Gegensatz gegen das Deutsche Reich, das noch immer seine Ansprüche, wenn auch in den bescheidensten Formen, geltend zu machen versucht hatte, steigerte jetzt die Anhänglichkeit an den Angiovinen. Darum hatten schon im vorigen Jahre die Florentiner bei ihrem grossen Auszuge gegen Arezzo die Standarte des Königs unter ihre Feldzeichen aufgenommen, während die Aretiner unter dem Reichsadler fochten. Jetzt baten sie den König ausdrücklich um Verleihung seiner Fahne und Abtretung eines tüchtigen Heerführers. Solchen Wünschen kam Karl II. gnädig entgegen und überliess ihnen den jugendlichen Amerigo (Aymeric) von Nerbona (Narbonne), der mit einem Haufen von hundert Französischen Rittern unter der Leitung eines ergrauten Kriegsmannes, Guglielmo Berardi von Durfort, in die Dienste der Comune trat[206]. Nur drei Tage hielt sich der König in der Stadt auf, durch Geschenke und Feste hoch geehrt[207]. Als sich das Gerücht verbreitete, die Aretiner wollten [104] den König in der Grafschaft Siena sammt seinem kleinen Gefolge aufheben, zog ein Bürgerheer hinter ihm drein und begleitete den königlichen Bundesgenossen bis zur Grenze des Patrimoniums Petri[208]. Triumphirend kehrten diese Schaaren darauf nach der Heimath zurück, um sich gegen Arezzo zu wenden.

Ehe es aber hier zum Schlagen kam, sollte zuvor noch einmal ein Intriguenstück aufgeführt werden, das uns die tiefe Zerklüftung der Ghibellinischen Partei und die Ursache ihres Unterliegens deutlich verräth.

Der alte verschmitzte Bischof Guglielmo von Arezzo wollte noch einmal die Farbe wechseln, wie er das schon wiederholt gethan hatte. Er mochte wohl gefunden haben, dass die Guelfische Partei doch in Tuscien die mächtigere sei, und bei einem neuen Heereszuge derselben die Verwüstung seiner Burgen und des Bisthums fürchten. Vielleicht hatte er auch kein Vertrauen zur Führung seiner Bundesgenossen. Und das mit vollem Rechte. War doch der Graf Guido Novello Podestà von Arezzo! Thatsache ist, dass er mit den Prioren von Florenz Verhandlungen anknüpfte; diesen versprach er mit seinen Leuten Arezzo zu verlassen und ihnen seine Burgen als Unterpfand zu übergeben, wenn ihm eine Jahresrente von 3000 Goldgulden, die das Bankhaus der Cerchi verbürgen solle, ausgezahlt werde. Die Signoria von Florenz war solchen Anträgen gegenüber sehr getheilter Meinung. Die Kriegs- und die Friedenspartei widerstrebten einander. Schliesslich siegte die friedliebende Partei der Bürger, und man einigte sich dahin, die Burgen von dem Bischof anzunehmen und nicht zu zerstören.

Der Prior Dino Campagni wurde mit der Führung der hierauf bezüglichen Verhandlungen betraut[209]. Dieser sendete den [105] M. Durazzo Vecchietti, welchen der Bischof vor nicht langer Zeit zum Ritter geschlagen hatte, an diesen ab. Das Abkommen war dem Abschluss nahe. Da theilte der Bischof seine Verhandlungen den Führern der Ghibellinischen Partei mit und forderte sie auf, gleich ihm Frieden zu schliessen; er wolle sein Schloss Bibbiena im Casentino gegen die Florentiner vertheidigt sehen, sonst mache er definitiv Frieden mit diesen. Zorn und Schrecken ergriff die von dieser Kunde Ueberraschten. Man plante den Treulosen zu erschlagen. Das wollte aber des Bischofs Neffe, Guglielmo de’ Pazzi, jetzt nicht mehr zugeben. Hätte man ihm vorher nichts davon gesagt, meinte er, so würde er nichts dagegen gehabt haben, so aber wolle er sich nicht mit einer solchen Blutschuld beladen. Um den zweifelhaften Bischof fest zu halten, zogen jetzt die Aretiner ohne weitere Berathung mit ihrer ganzen Heeresmacht, achthundert Reiter und achttausend Mann Fusstruppen stark, ins Casentino und lagerten sich hier zwischen dem Heere der Florentiner und dem bischöflichen Schlosse.

Die Florentiner hatten wieder ein überaus stattliches Heer ins Feld gestellt. Die Zahl der Ritter betrug dreizehnhundert. Villani zählt sogar sechshundert mehr. Das Fussvolk war zehntausend Mann stark. Die Guelfen ganz Tusciens, ja darüber hinaus, die Bolognesen und Romagnolische Edle waren zur Heerfahrt erschienen. Am 2. Juni setzte sich von der Badia von Ripoli aus, wie das Jahr zuvor, der siegreiche Carroccio von Florenz in Bewegung. Im Kriegsrath der Verbündeten hatten sich anfänglich zwei verschiedene Ansichten über die einzuhaltende Richtung geltend gemacht. Die Einen wollten den sicheren Weg wählen und im Arnothale aufwärts ziehen, die Anderen über das Gebirge direct ins Casentino hinabsteigen und Arezzo im Rücken fassen. Die Verhandlungen mit dem Bischof hatten gezeigt, was diesem besonders am Herzen lag, und so wurde in geheimer Abstimmung mit Kugeln beschlossen, den beschwerlichen und gefährlichen Weg zu wählen und gegen Bibbiena zu marschiren.

[106] An der Spitze des Florentinischen Heeres stand, wenn in unserem Sinne von einem Oberbefehlshaber des ganzen Heeres gesprochen werden kann, Amerigo von Nerbona[210]. Aber auch der Podestà der Stadt, Ugone de’ Rossi, befand sich beim Heere. Die Hilfstruppen der Lucchesen und Pistojesen befehligte der stürmische Corso Donati aus Florenz, Podestà von Pistoja. Wer die Aretiner commandirte, ist nicht sicher. Es scheint fast so, der alte kriegerische Bischof Guglielmo selbst. Doch war er schon sehr kurzsichtig.

Unter ihm fochten eine ganze Anzahl der kriegskundigsten Führer der Ghibellinischen Partei, wie vor allem Guglielmo de’ Pazzi aus dem Arnothale, der junge Montefeltrier und viele tapfere Männer, die viel zu gewinnen, aber nichts als das Leben zu verlieren hatten. Schlimm war es aber, dass man dem Podestà von Arezzo, dem stolzen und feigen Grafen Guido Novello, einen Theil der schon schwachen Reiterschaaren hatte unterstellen müssen.

Die Aretiner fühlten sich dieses Mal dem Feinde gewachsen. Im Arnothale, am Fusse des Hügels von Poppi, der die Burg Guido Novello’s noch heute in Trümmern zeigt, stellten sie sich im Blachfelde von Campaldino zum entscheidenden Kampfe auf. Am 11. Juni, an dem Tage des heil. Barnabas, wurden die Heere handgemein. Das Heer der Florentiner war in vier Treffen getheilt, zunächst die Vorhut, leichte Reiterei und Fussvolk, die sogenannten Feditori, unter dem tapferen Bankier Vieri de Cerchi; dann kam das Gros des Heeres; ihm folgte die Masse des die Bagage führenden und bewachenden Trains. Die Nachhut, etwas seitwärts aufgestellt, bildete ein Haufen von zweihundert Reitern und Fussvolk, vorzugsweise Lucchesen und Pistojesen, unter dem energischen Corso Donati. Aehnlich waren die Aretiner geordnet, die den Angriff mit ihrer aus den tüchtigsten Soldaten gebildeten und sehr starken Vorhut eröffneten. Die Florentiner nahmen ihn ruhig stehend in der Defensive auf. Ihre Vortruppen wurden von den übermächtig vorstossenden Feinden rasch auf das Hauptheer zurückgeworfen, in das die Aretiner siegreich eindrangen, die Pferde der Reisigen mit Dolchen von unten durchbohrend; [107] das Mitteltreffen der Florentiner wich zurück. Diesen Augenblick nahm jedoch Corso Donati wahr, um sich mit der Nachhut in das Getümmel zu stürzen. Ihm war bei Todesstrafe verboten, sich ohne Befehl in den Kampf zu werfen. Als er aber seine Freunde weichen sah, brach er hervor mit dem Rufe: Werden wir geschlagen, so will ich mit meinen Landsleuten sterben; siegen wir, so komme Einer nach Pistoja, um mich zu bestrafen! Sein Angriff entschied die Schlacht, da der Graf Guido Novello, statt sich ihm entgegen zu werfen, mit seinen Reisigen davon ritt, um seine Burgen zu schützen. Die Aretiner, von den beiden Flügeln des Mitteltreffens der weit zahlreicheren Florentiner umfasst, erlitten eine furchtbare Niederlage. An siebzehnhundert Todte bedeckten den Kampfplatz. Unter ihnen befanden sich fast sämmtliche Führer: der alte, fast blinde Bischof selbst, sein Neffe Guglielmo de’ Pazzi, der Montefeltrier[211] und zahlreiche Glieder der Familien der Uberti, Abbati, Griffoni u. A. Auch der Träger der kaiserlichen Standarte, Guideretto d’Alessandro von Orvieto, fiel. Ueber zweitausend Gefangene fielen in die Hände der Sieger. Doch entwischten von ihnen viele in der Nacht und es kamen nur siebenhundertundvierzig gefesselt in die Gefängnisse von Florenz[212].

In den Provisionen sind zahlreiche Beschlüsse enthalten, die sich auf diese Gefangenen beziehen. Es wird Umtausch gegen gefangene Sienesen und Florentiner, die in Arezzo sind, beschlossen, Miethe für Häuser verwilligt, in denen die gefangenen Aretiner untergebracht sind u. s. w. u. s. w. Nach Paolino Pieri starb die Mehrzahl in der Gefangenschaft. Es werden aber auch erkrankte Gefangene in die Hospitäler gebracht, um sie zu curiren.

Die Florentiner büssten nur wenige hervorragende Ritter ein. Unter ihnen befand sich Guglielmo von Durfort, der Bailly Amerigos von Nerbona[213].

[108] Die Trümmer des geschlagenen Heeres flüchteten sich, von den Söldnern der Feinde der Beute wegen eine Strecke verfolgt nach Arezzo zurück. Die Stadt wurde sofort in Vertheidigungszustand versetzt, so dass, als die Florentiner, welche sich mit der Eroberung und Zerstörung Bibbienas acht Tage aufgehalten hatten[214], vor deren Mauern erschienen, auf kräftigen Widerstand stiessen. Von Florenz sandten die Prioren, von denen zwei zum Heere abgesendet wurden, kräftigen Nachschub, und auch die Sienesen kamen herbei, um sich an der Belagerung zu betheiligen. Diese aber machte keine Fortschritte. Ein Sturm auf die Festungswerke wurde abgewiesen und die Belagerungsthürme der Florentiner in der darauffolgenden Nacht in Brand gesteckt. So musste [109] man sich damit begnügen, eine Anzahl kleinerer Castelle einzunehmen, vor den Mauern der belagerten Stadt die üblichen Umzüge zur Verhöhnung der eingeschlossenen Gegner vorzunehmen und die ganze Grafschaft zu verwüsten[215]. Am 24. Juli zog das Heer wieder in Florenz im Triumph ein.

Die leitenden Männer der Comune mochten wohl geglaubt haben, dass mit dem entscheidenden Siege über die Aretiner die kriegerische Thätigkeit für dieses Jahr abgeschlossen sei. Der sieggekrönte Führer der Französischen Söldnerschaar, Amerigo di Nerbona, trat aus dem Dienst der Republik in den des Tuscischen Bundes, zu dessen Hauptmann er am 21. Juni gewählt wurde, und die Consiglien beschlossen an demselben Tage, Gesandte nach Campanien zu senden, um Verträge mit zwei Condottieren, deren Hilfe man nun nicht mehr nöthig zu haben glaubte, rückgängig zu machen. Das Geld, das sie schon erhalten, sollten sie wo möglich zurückzahlen, oder Waffen und Pferde dafür liefern[216]. Aber zwischen diesem Datum und dem 12. Juli scheint der Wind wieder umgeschlagen zu sein. Es wurde beschlossen, eine neue Anleihe zum Kriege gegen Arezzo zu machen, und kurz darauf sendete man auf Verlangen der Lucchesen vierhundert Reiter und zweitausend Fusssoldaten zum Kampfe gegen Pisa. Es ist begreiflich, dass die Pisaner den Abzug der Lucchesen gegen Arezzo benutzt hatten, um verschiedene Burgen, welche ihnen entrissen waren, zurück zu erobern. Es entsprach das ganz der vorsichtigen Kriegsführung Guido’s von Montefeltro, der seine Gegner nicht zur Ruhe kommen liess, aber jeder grösseren Entscheidung hinter den Mauern Pisas auswich. Er hatte das Castell von Caprona eingenommen. Nun zogen die Truppen des Tuscischen Bundes herbei, nahmen dieses Castell nach achttägiger Belagerung am 12. August wieder ein, mussten aber nach Verwüstung verschiedener in den Pisanischen [110] Bergen gelegener Landstriche und Verhöhnung der Pisaner von der Belagerung Vico-Pisanos abstehen und nach Hause gehen. Dieser Kriegszug hatte fünfundzwanzig Tage gedauert. Da eröffnete sich plötzlich den Florentinern die Aussicht, Arezzo durch einen Handstreich zu nehmen. Die Ghibellinen waren dieses Jahr fast überall und fast vernichtend geschlagen worden. Waren sie doch auch in Chiusi, wo sich ein Uberti und ein Buondelmonti einander gegenüberstanden, unterlegen. Da konnten wohl Bewohner von Arezzo daran denken, ihre Stadt den Florentinern auszuliefern. Im November wurde auf eine hierüber eingelaufene Nachricht hin die ganze berittene Mannschaft der Stadt plötzlich aufgeboten und gegen Arezzo in Bewegung gesetzt. Schon war die Schaar bis Civitella, neun Miglien von Arezzo, gekommen, als die Verschwörung in Arezzo durch einen Zufall entdeckt und unterdrückt wurde. Darauf zogen sich die Florentiner rasch zurück[217].

Nicht einmal den Winter hindurch konnten diese in voller Ruhe verbringen. Der unglückliche Judex von Gallura benachrichtigte im Februar die Florentiner von Verhandlungen, die zwischen Lucca und seiner Vaterstadt geführt würden, und bat um Rath. Die Pisaner hatten wohl auch versucht, mit ihren nächsten Feinden Frieden zu schliessen. Denn auch die Volterraner sollten sich in Verhandlungen mit ihnen eingelassen haben, wie in Florenz bekannt wurde[218].

Der heimathlose Pisanische Aristokrat ruhte nicht eher, bis wieder der Krieg gegen seine Vaterstadt in vollem Gange war. Im März benachrichtigte er im Verein mit den Lucchesen die Florentiner von Truppenbewegungen zu Gunsten der Pisaner, dann ist er selbst in Florenz, um den Krieg, der seine persönlichsten Angelegenheiten betraf, zu betreiben. An Corso Donati fand er einen gleichgearteten Freund, der sich seiner Sache warm [111] annahm. Da konnte es nicht fehlen, dass die Führer der Volkspartei anderer Meinung waren und den Krieg mit Arezzo zunächst zu Ende geführt sehen wollten. Doch erhielt der Judex im Frühjahr und im Sommer eine Schaar von berittenen Söldnern zu seiner Verfügung, um den Krieg gegen Pisa vertheidigungsweise fortzuführen. Er commandirte die Florentinischen Schaaren im unteren Arnothale, wie Amerigo von Nerbona die im oberen Arnothale gegen Arezzo operirenden.

In dieser Stadt hatten sich die Verhältnisse nach dem unglücklichen Ausgange des Krieges natürlich sehr geändert. Die Ghibellinen hatten eine Gesandtschaft an den Papst geschickt, der einen neuen Bischof, Ildebrandino von Romena, aus dem Guelfischen Zweige der Grafen Guidi, eingesetzt hatte, und sich bereit erklärt, seinen Befehlen zu gehorchen. Darauf hatte der Papst die vertriebenen Guelfen aufgefordert, einen Bevollmächtigten an ihn abzusenden. Sie fragten desshalb bei den Florentinern an, diese aber antworteten vorsichtig, sie müssten ja am besten wissen, was ihnen fromme; man sei mit allem einverstanden, was sie thun würden, wenn nur dadurch die zwischen ihnen bestehenden Verträge nicht verletzt würden[219]. Der Befehlshaber der Florentinischen Soldtruppen im oberen Arnothale wurde jedoch angewiesen, den Guelfischen, aus der Stadt verbannten Aretinern zu Diensten zu stehen. Doch die Verhandlungen der Parteien zerschlugen sich. Auch die Vermittlungsversuche des Bischofs von Arezzo hatten keinen Erfolg. Abermals sollte ein grosser Heereszug des ganzen Tuscischen Bundes gegen Arezzo unternommen werden. Die Gesandten zum Parlament der Taglia, das in Empoli im April tagte, wurden dem entsprechend instruirt. Schon im Mai sollte der Zug nach der Ansicht Einiger unternommen werden. Aber so rasch ging es doch nicht. Am 1. Juni setzte sich das Heer, eintausendfünfhundert Reiter und sechstausend Mann Fusstruppen, in Bewegung. Dieses Mal sollte es den Arno aufwärts ziehen und die Grafschaft von Arezzo abermals gründlich heimsuchen. So geschah es auch. Der Führer der Ghibellinen von Arezzo, ein Tarlati, hielt sich in der Stadt, [112] welche die Florentiner nicht zu belagern unternahmen[220]. Ob Anghiari anzugreifen sei, also dem Heereszuge eine grössere Ausdehnung gegeben werden sollte, war der Gegenstand sehr lebhafter Verhandlungen in den Rathsversammlungen zu Florenz, als das Heer schon längst im Felde stand[221]. Schliesslich begnügte man sich damit, die Landschaft zu verwüsten, und auf dem Rückzuge durch das Casentino die Burgen des Grafen Guido Novello, darunter Poppi, einzunehmen und zu schleifen[222]. Darauf kehrte das Heer nach neunundzwanzig Tagen nach Florenz zurück.

Für einen Frieden war damit nicht viel gewonnen. Aber die Aretiner Guelfen waren bessere Patrioten als die Pisaner Aristokraten. Statt die Florentiner immer von Neuem gegen ihre Vaterstadt aufzureizen, wie dieses der Judex von Gallura und der nun auch in den Tuscischen Bund aufgenommene Conte Guelfo de’ Gherardeschi, ein Sohn Ugolino’s, thaten, suchten sie Frieden zu stiften. Durch wiederholte Botschaften versuchten sie die Florentiner zu bestimmen, ihnen zur Aussöhnung mit den Ghibellinen ihrer Vaterstadt die Erlaubniss zu geben und Frieden mit dieser zu schliessen. Hatten sie doch ihren eigenen Podestà und waren durch Vertrag an Florenz gekettet. Sie stiessen dabei am 13. und 21. September auf Widerstand bei den Räthen und mussten im November und December neue Verhandlungen einleiten[223]. Erst seit dem 7. Februar 1291 kam es zu einer Art von Friedensschluss. Die Gefangenen wurden freigegeben und die Strassen für den Verkehr geöffnet. Von [113] den genommenen Burgen blieben wenigstens einzelne im Besitz der Florentiner. So kam Laterina erst 1304 wieder an Arezzo[224].

Während nun so im oberen Arnothale der Friede eingezogen war und die verwüsteten Aecker, abgehauenen Olivenbäume und verbrannten Weinberge wieder nachwachsen konnten, wüthete an der Mündung des Flusses der Krieg immer weiter. Die Lucchesen hatten einen Vertrag mit den Genuesen abgeschlossen, nach dem sie einen Theil des Soldes für die Schiffsmannschaft zahlen und dafür den dritten Theil der Beute und die Hälfte der Gefangenen erhalten sollten. Nachdem die Insel Elba von den Genuesen glücklich erobert war[225], verständigte man sich über einen gemeinsamen Angriff auf Porto Pisano. Die Lucchesen wollten dazu die Landarmee stellen und forderten die Florentiner auf, ihnen Zuzug zu leisten. Der Judex von Gallura war wiederholt in Florenz, um die Angelegenheit persönlich zu betreiben und es wurde schliesslich am 18. August beschlossen, den Capitano Amerigo di Nerbona mit seinen Schaaren und einer Anzahl Florentinischer Ritter und tausend Mann auserwählter Fusstruppen abzusenden. Die Sienesen und Pistojesen sollten aufgefordert werden, während des Kriegszuges für die Sicherheit der Grafschaft Florenz zu sorgen[226].

Das Resultat dieses Kriegszuges ist bekannt. Die Genuesen [114] forcirten den Hafeneingang von Porto Pisano, eroberten die denselben beschützenden Thürme, deren Besatzung in Pisa Weiber und Kinder als Unterpfänder hatte lassen müssen, dass sie sich nicht übergeben würden. Damals wurde die Hafenkette, die man jetzt im Campo Santo in Pisa sieht, im Triumph mit nach Genua geschleppt und der Hauptarm des Arno durch ein versenktes Schiff gesperrt. Eine Belagerung von Pisa selbst trauten sich die Verbündeten jedoch nicht zu, und so zogen sie kurz nach der Mitte September wieder ab[227].

Kaum aber hatten die Florentiner sich nach Hause gewendet, so brach der rastlose Guido von Montefeltro, „mehr Fuchs als Löwe“ nach Dante, wieder aus Pisa hervor und nahm ihnen eine der von ihnen eroberten Burgen nach der anderen wieder weg, so dass sich ihre Söldner nochmals zu einem Kriegszuge im Spätherbste verstehen mussten.

Dazu kam noch, dass in Volterra ein Streit unter den Guelfen ausbrach und sich eine Partei derselben um Unterstützung nach Florenz wendete. Eilig wurde Amerigo de Nerbona mit seinen Schaaren nach dort gesendet, der sich auch der Stadt bemächtigt hat. Damit war aber dem Hader noch kein Ziel gesetzt. Schliesslich gelang es aber doch Florenz, sich in der wichtigen Bischofsstadt, von der aus die Pisanische Maremme überwacht und jeder Zuzug für die bedrängte Stadt von Süden her abgeschnitten werden konnte, festzusetzen und für die in sie zu legende Besatzung eine feste Burg (cassero) zu erhalten[228]

Gegen Pisa nahm dann der Krieg im Herbste (October) 1291 auf Betreiben der Lucchesen und der Guelfischen Pisaner seinen Fortgang. Doch erlahmte er ersichtlich. Die Consulten (z. B. II, 44 vom 10. Juli) zeigen, dass man in den Rathsversammlungen [115] die Beschlüsse nicht mehr mit den sonst üblichen grossen Majoritäten fasste. Welchen Nutzen hatte die Bürgerschaft von Florenz auch von diesen ewigen Scharmützeln ihrer Söldner mit den Schaaren des Montefeltrier’s? Nur Unkosten und nicht selten Schande. Denn die Bewohner der den Pisanern abgenommenen Burgen, welche die Florentiner zum Theil noch befestigt und ausgebaut hatten, hielten es im Geheimen mit ihren alten Herren und verriethen diesen die neuen. Die Schattenseiten des Söldnerwesens zeigten sich jetzt auch schon deutlich. So wurde die von den Florentinern als neue Grenzfeste angelegte und erweiterte Burg von Pontedera, von der Villani wohl übertreibend sagt, sie sei das festeste Castell Italiens von allen in der Ebene gelegenen gewesen, am 23. December 1291 von Guido von Montefeltro in der Nacht im Einverständnisse mit einem zur Besatzung gehörigen Pisaner überfallen und genommen, weil der Commandant kaum den dritten Theil der Truppen effectiv gehalten hatte, welche er von Florenz bezahlt erhielt. Eine andere Burg, Vignale di Camporena, war von den Pisanern gleichfalls genommen worden. Als die Florentiner dann diese den San Miniatesen gehörige Burg mit grosser Heeresmacht einschlossen und ihre Uebergabe bevorstand, gelang es der ganzen Besatzung sich zur Nachtzeit durch die Reihen der Feinde zu schleichen.

Um diesem unnützen Blutvergiessen ein Ende zu machen, sandte der Papst eine Gesandtschaft nach Florenz. Ihm lag die Wiederherstellung des Friedens jetzt doppelt am Herzen. Sein Bestreben, nach dem Fall von Ptolemaïs einen Kreuzzug zu Stande zu bringen, wurde durch die fortwährenden Kämpfe in seiner nächsten Nähe von vornherein vereitelt. Am 14. Januar wurde beschlossen, die Mitglieder des Tuscischen Bundes aufzufordern, beglaubigte Botschafter nach Florenz zu senden, um über die Vorschläge der Curie zu verhandeln[229]. Darauf werden am 12. April zwei Syndici für dieses Parlament in Florenz gewählt, M. Ranieri di Ostigiani de’ Pigli und M. Albizzo Corbinelli, der Eine ein Adlicher, der Andere ein Rechtsgelehrter[230]. Gleichzeitig wird aber auch dem Podestà, Capitano und den Prioren Vollmacht gegeben, [116] alle Vorbereitungen zu einem Kriegszuge gegen Pisa zu treffen. Wenn nun gleichzeitig hiermit auch dem Papste versichert wurde, man werde seinen Befehlen Folge leisten, so kann man Angesichts dieser Rüstungen wohl ermessen, was die damals noch herrschende Partei gegen Pisa wirklich im Schilde führte. Da nun Nicolaus IV. schon am 4. April gestorben war, hatten die Freunde kriegerischer Actionen ganz das Uebergewicht. Im Juni 1292 setzte sich ein Heer gegen Pisa in Bewegung, wie es der Tuscische Bund kaum je ins Feld gestellt hatte. Nicht weniger als zweitausendfünfhundert Reiter und achttausend Mann Fusstruppen zogen unter Gentile degli Orsini von Rom[WS 8] stromabwärts, verheerten die Umgebung Pisas von Neuem aufs gründlichste, kehrten dann aber, nachdem sie dreiunddreissig Tage im Felde gestanden hatten, wieder nach Hause zurück.

Die Unfruchtbarkeit und Kostspieligkeit einer derartigen, Jahre hindurch fortgesetzten Kriegsführung musste schliesslich doch die Mehrzahl der Bürger von Florenz auf den Gedanken bringen, derselben ein Ende zu machen. So lange man mit Pisa keinen Frieden hatte, gab es keine Ruhe in der Grafschaft. Die aus der Stadt Verbannten hatten bei dem Sohne Guido Novello’s, Manfred, Aufnahme gefunden und beunruhigten von dessen Burgen Ampinana und Raggiolo aus das Mugello und Casentino. Wurden diese auch eingenommen und geschleift[231], so blieb den Verbannten doch immer noch Pisa als Schlupfwinkel übrig. Hier hatten sich die von der Familie Uberti noch überlebenden Männer, vor allen Tolosato degli Uberti, eine angesehene Stellung erkämpft. Mit grossem Erfolge hatte er gegen die abgefallenen Judices auf Sardinien die Sache Pisa’s verfochten[232].

Und wer hatte allein Gewinn von diesen ewigen Scharmützeln und Kriegsfahrten? Die Partei in Florenz, die gewaltthätig und [117] herrschsüchtig, wie sie war, keinen Frieden in der Stadt aufkommen liess, die, Familie gegen Familie, untereinander sich bis aufs Blut bekämpften, aber einig waren, den arbeitsamen, steuerzahlenden Bürger hochmüthig und rechtlos zu vergewaltigen. Diese adlichen Herren, noch dazu nicht immer zuverlässig und dem Golde der Feinde nicht unzugänglich, wie das Volk glaubte, hatten ihre gute Bezahlung für ihre Dienste im Kriege, da sie für jeden Verlust, der sie an ihren Pferden u. s. w. traf, reichlich entschädigt wurden. Sie führten in den Parlamenten das grosse Wort und leiteten die diplomatischen Verhandlungen, alles Dinge, welche der Masse der Gewerbetreibenden, die daran waren, der Zügellosigkeit und der Unbotmässigkeit dieser Granden enge Schranken zu setzen, nicht behagen konnten. Die Friedenspartei in der Stadt musste unter diesen Umständen rasche Fortschritte machen. Und das um so mehr, als auch die Pisaner sich überzeugten, dass sie, wenn es so weiter gehe, dem sicheren Untergange verfallen seien. Der grosse Reichthum der Stadt schwand immer mehr zusammen, die Söldner verzehrten den letzten Rest der Habe. Von hier aus gingen daher die Friedensanträge im Winter 1293 aus.

Anfang Februar hatten die Florentiner eine Gesandtschaft nach San Miniato del Tedesco geschickt, wo eine Verhandlung zwischen Abgeordneten des Tuscischen Bundes und Vertretern von Pisa und anderen Ghibellinen stattfand. Am 12. Februar wurde in einer Rathsversammlung auf die Anfrage dieser Gesandten eine Instruction berathen. Es war in der Zeit der höchsten Spannung der Parteigegensätze. Giano della Bella trat drei Tage später in die Signoria, welche die „Ordnungen der Gerechtigkeit“ einführen sollte. Dass die Parteigruppirungen in Betreff der wichtigen inneren Fragen sich auch der äusseren bemächtigen mussten, liegt in der Natur der Dinge. Nur hatten die Granden in der Behandlung der äusseren Politik noch viel vor den Popolanen voraus. Sie setzten sich also hier fast stärker zur Wehre als bei der Einführung jener furchtbaren neuen Gesetze. Die Berathungen verliefen daher wiederholt (10. und 11. Februar) resultatlos, und am 22. Februar kam es zu einem heftigen Conflicte in einer Rathsversammlung zwischen dem hitzköpfigen Vertreter der Aristokratie Berto Frescobaldi und dem „Kleon“ von Florenz, Dino di Giovanni genannt Pecora, einem [118] Fleischer. Am 3. und 10. März wurden neue Versammlungen gehalten, in denen sich vor Allen Dino Compagni, wie schon früher, vermittelnd und im Interesse des Friedens aussprach. Am 10. März wurden die Streitfragen in Anwesenheit der drei nach San Miniato abgeschickten Botschafter genauer präcisirt. Man stritt besonders noch um drei Punkte. Die Pisaner wollten den Ort Buti den Lucchesen nicht lassen. Sie wollten sich auch ihr neues Stadtregiment wählen, so lange ihr jetziger Podestà Guido von Montefeltro noch da sei, während der Judex Nino von Gallura, jetzt Befehlshaber des Tuscischen Bundes, verlangte, diese Wahl solle erst stattfinden, nachdem der Graf die Stadt verlassen habe; der dritte Punkt betraf die Reform von Arezzo, wo die Guelfen noch nicht mit den Ghibellinen ausgesöhnt waren, oder sich schon wieder überworfen hatten. Ueber diese Fragen wurde einzeln abgestimmt. Die Parteien hielten sich fast das Gleichgewicht; mit verschiedenen zum Theil winzigen Mehrheiten siegte bald die Friedens- bald die Kriegspartei. In einer neuen Versammlung am folgenden Tage drang aber die Friedenspartei in allen Fragen durch. Damit war freilich der Frieden noch nicht erreicht. Denn die Lucchesen waren mit diesen Bedingungen keineswegs einverstanden und der Judex Nino erst recht nicht. Am 19. Mai, am 8. und 12. Juni kam es zu neuen Verhandlungen, zuletzt in Anwesenheit einer Tuscischen Gesandtschaft. Die Friedensaussichten schienen sich zu verdunkeln. Da brachte der Wechsel der Prioren am 15. Juni, an deren Spitze als Gonfaloniere della Giustizia Dino Compagni stand, die Entscheidung im friedlichen Sinne. Die Lucchesen hatten sich durch Vermittlung der Florentiner mit den Pisanern verständigt, und so kam am 29. Juni in Florenz ein endgültiger Beschluss zu stande, auf Grund dessen dann in dem alten Schlosse von Fucecchio am 12. Juli der definitive Frieden zwischen Pisa und den Theilhabern des Tuscischen Bundes, Lucca, Florenz, dem Grafen Ugolino de’ Visconti und den Guelfischen Pisanern, Siena, Pistoja, Volterra, Prato, San Gimignano, San Miniato, Colle und Poggibonzi, endlich abgeschlossen wurde. Die Contrahenten geben einander die gemachten Gefangenen frei, die Bürger der verschiedenen Städte haben Handels- und Bewegungsfreiheit in Pisa und umgekehrt; die Pisaner wählen einen Podestà und Capitan auf ein Jahr aus einer der übrigen Tuscischen Comunen, [119] doch keinen aus den von dort Verbannten; innerhalb eines Monats verlässt Guido von Montefeltro mit allen in Pisa seit der Verbannung des Judex von Gallura sich aufhaltenden Ghibellinen die Stadt; Pisa stellt hierfür fünfundzwanzig Geiseln, die acht Tage nach dem Ausmarsch des Montefeltrier’s und der Einsetzung der neuen Regierung zurückgegeben werden. Von der Gluth des Parteihasses, der noch immer in Pisa glimmte, legt die Thatsache ein beredtes Zeugniss ab, dass sofort im Eingang der Urkunde die beiden noch lebenden Söhne des verhungerten Ugolino, Lotto und Guelfo, und dessen Enkel und alle Nachkommen von diesem Frieden ausgeschlossen sind, ebenso wie die Uppezinghi, die Grafen von Collegarli und Montecucchari. Diese letzteren können aber von Pisa wieder zugelassen werden, wenn ihre Burg unter die Botmässigkeit der Pisaner zurückgekehrt sein wird[233].

Man wird zugeben müssen, dass diese Friedensbedingungen für Pisa so günstig wie möglich waren, wenn man auch nicht sagen kann, dass der Frieden eher von den Ghibellinen dictirt, als von ihnen angenommen sei[234]. Denn es war doch ein grosser Gewinn für den Tuscischen Bund, dass nun Pisa zur Guelfischen Partei übertrat. Freilich wurden durch ihn die Guelfischen Pisaner aufgeopfert, wie schon Ptolemäus von Lucca richtig hervorhebt. Denn wenn es auch dem Grafen Nino freistand, nach Pisa zurückzukehren, so getraute er sich doch nicht das zu thun, sondern begab sich nach Genua, wo er sich zum Bürger machen liess, aber schon 1296 noch jugendlich mit Hinterlassung einer Wittwe und einer einzigen Tochter starb. Pisa hatte es dem grossen Geschick Guido’s von Montefeltro zu verdanken, dass es nicht zu Grunde gerichtet worden ist. Wie er die Stadt als Kriegsherr, „mehr Fuchs als Löwe“, geschickt vertheidigt hatte, so hat er sie auch bis zuletzt vor den Intriguen der eingeborenen Guelfen zu bewahren gewusst, die ihr Vaterland den Verbündeten lieber gefesselt als frei zum Friedensschlusse ausgeliefert gesehen [120] hätten[235]. Aber auch das grösste politische und militärische Genie hätte Pisa nicht retten können, wenn seine Feinde nicht aus verschiedenen Gründen des Kriegens müde gewesen wären. Das haben wir jetzt in einem anderen Zusammenhange zu betrachten.

(Schluss folgt.)     



[241]
(Schluss.)
VIII.

Die Florentiner führten in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ihre zahlreichen grösseren Kriege mit Heeresmassen, welche sich aus drei Bestandtheilen zusammensetzten. Das eigentliche Gros der Armee bildete die waffenfähige städtische Bürgerschaft. Diese zog theils als einfache Infanterie ins Feld, theils zu Specialwaffendienst ausgebildet. Daneben gab es aber auch eine Reiterei von Bürgern, in der nach Villani die Blüthe des Adels, il fiore della buona gente di Firenze, diente. Diese Reiterschaar wurde dadurch gebildet, dass hervorragenden Bürgern der Stadt das Halten eines oder mehrerer Pferde zum Kriegsdienste gegen Entschädigung, namentlich bei dem Verluste der Pferde, auferlegt wurde. Es waren nicht mehr die alten milites, welche hoch zu Rosse ins Feld zogen, sondern städtische Reiterschaaren, unter denen die Söhne des alten Geschlechtsadels neben den Sprösslingen der jungen bürgerlichen Aristokratie einherritten.

Bei dem sich durch viele Jahre hinziehenden Kriegszustande, in dem sich die Comune mit den ihr feindlichen Nachbarstädten befand, und bei der grösseren Schlagfertigkeit, die sich die Deutschen, Französischen und später auch die Spanischen Berufssoldaten angeeignet hatten, wäre es nöthig gewesen, dass [242] Florenz stets einen Theil seiner Bürgerschaft unter Waffen gehalten hätte, um die Grenzfesten besetzt zu halten und den plötzlichen Einfällen von feindlichen Reiterschaaren und fliegenden Corps mit Erfolg entgegenzutreten. Das war aber nicht nach dem Sinn der grossen Masse der Bürgerschaft. War diese auch wohl noch zu bewegen, auf einige Wochen sich aus einer gewerbetreibenden Bevölkerung einer Industriestadt in ein tapferes Kriegsheer zu verwandeln, so war sie doch durchaus nicht gewillt, diesen Kriegsdienst Jahre hindurch auf sich zu nehmen und sich im Sommer und Winter den Feinden zu stellen. Der Uebergang, der sich in der Cultur der Stadtbevölkerung im allgemeinen vollzog, und der darauf hinaus lief, überall grössere Stetigkeit und Gesetzlichkeit in alle Verhältnisse zu bringen und die Standesunterschiede auszugleichen, wirkte vor allem auf die Ausbildung des Militärwesens zurück. Wie man aber in der Ordnung der gesammten politischen Institutionen nicht zu der Idee einer wirklichen Repräsentativverfassung gelangen konnte, sondern bei der Bildung von politischen Körperschaften stehen blieb, die aus der Vertretung von kleineren, sei es localen, sei es berufsmässigen Corporationen erwachsen waren, so vermochte man auch nicht, nachdem sich die alte Ordnung des Kriegswesens mit den neuen Culturbedingungen als unvereinbar herausgestellt hatte, eine Organisation eines comunalen Wehrsystems zu schaffen, das die Vertheidigung der Heimath in neuen Formen auf die Schultern der Bürgerschaft gelegt hätte. Dem bedenklichen Auskunftsmittel, das bei den zurückgebliebenen Zuständen der Nachbarvölker nahe lag und das überall da ergriffen worden ist, wo rasch aufblühender Handel und Gewerbfleiss eine grosse pecuniäre Ueberlegenheit und eine einseitige Pflege dieser Ueberlegenheit hervorgerufen hat, ist auch Florenz erlegen: es nahm Söldner in seinen Dienst. Waren die Schaaren des tüchtigen popolo vecchio bei Montaperti vor allem den Streichen der kleinen reisigen Schaar, die König Manfred nach Siena entsendet hatte, erlegen, so suchte man jetzt, diesen gefürchteten Deutschen Geschwadern die Haufen von gemietheten Französischen und anderen „ultramontanen“ Reitern entgegenzustellen, die jahraus jahrein im Dienste der Comune den Angriffen der Feinde entgegentreten und bei grösseren Kriegsfahrten den Kern des Heeres bilden sollten. [243] Die Existenz des Bundes der Guelfischen Städte Tusciens begünstigte hier in mancher Beziehung noch die frühe Ausbildung des Söldner- und Condottieriwesens. Es war viel einfacher, die Contingente der einzelnen Bundesglieder zusammen zu halten, wenn diese aus Soldtruppen bestanden, als wenn die Bürgerheere der verschiedenen Städte ins Feld ziehen mussten. Denn waren diese wohl für die eigene Heimath noch in Bewegung zu setzen, so versagten sie doch zu leicht, wenn sie zur Vertheidigung einer gar häufig noch mit Eifersucht und stiller Furcht betrachteten Bundesgenossin ins Feld ziehen sollten. Darum hat auch Florenz von dem Zuzuge der Bürgerheere seiner Verbündeten, welche bei jeder grösseren Expedition den dritten Bestandtheil des Heeres bildeten und mit der Hauptmacht nur in einem losen Verband standen, wenig wirkliche Unterstützung gehabt. Nur wenn derartige Hilfstruppen zufällig unter dem Befehl tapferer Florentiner standen, wie bei Campaldino, wo Corso Donati als Podestà von Pistoja die Schaaren dieser Stadt und die Lucchesen commandirte, war effectiver Beistand in der Stunde der Gefahr zu erwarten[236]. Vollzog sich daher die Ausbildung des Söldnerwesens für Florenz mit einer Art von Naturnothwendigkeit als das Product der merkantilen Entwicklung der Stadt, so wirkte dieselbe umgekehrt dann wieder mit derselben Nothwendigkeit als ein wesentlicher Factor auf die ganze innere Organisation der Comune zurück. Hatten die Bürger nicht mehr die Neigung und auch in ihrem grösseren Theile nicht mehr die Fähigkeit, sich persönlich für ihre Stadt zu schlagen und ihr Opfer an Zeit und Blut zu bringen, so mussten sie jetzt hierfür mehr von dem geben, was sie hatten, [244] sie mussten stärker für die Comune zahlen. Es ist ganz bezeichnend, dass die erste genauere Nachricht, welche wir über das[WS 9] Florentinische Steuerwesen von einem Chronisten überliefert erhalten haben, in Verbindung mit einer Nachricht über die Bezahlung von Reiterschaaren auftaucht, die zum Theile sicher Soldtruppen waren. Das führt uns zu einer Betrachtung des Finanzwesens der Comune in dieser Periode überhaupt[237].

[245] Die Stadt Florenz bestritt in der Zeit, von welcher wir hier sprechen, ihre Ausgaben aus denselben Einnahmequellen, welche noch heutigen Tages von den modernen Staaten in Anspruch genommen werden: durch directe und indirecte Besteuerung ihrer Bürger, durch Anleihen und durch Einnahmen aus eigenem Besitz. Wir finden die verschiedenen Besteuerungsweisen schon am Anfange unserer Epoche vor. Es ist nur die Frage, wann und wie sie entstanden sind.

Wir können uns hier nicht tiefer auf die Controverse einlassen, welche sofort bei dem Eintritt in diese Untersuchung jedem Forscher winkt und die desshalb um so unerquicklicher ist, weil sie theilweise wenigstens mit nationalen Vorurtheilen zu kämpfen hat. Denn es erhebt sich hier sofort die Frage nach dem Fortleben der Römischen Municipalverfassung und des Römischen Steuerwesens in den mittelalterlichen Comunen. Sind die Italiener im allgemeinen leicht bereit, die historischen Bildungen ihrer mittelalterlichen Geschichte in die engste Verbindung mit dem antiken Römischen Staatswesen zu bringen, schon weil ihnen das aus ihrem nationalsten Dichter ganz geläufig ist, so haben sie in dieser Auffassung bekanntlich noch von auswärts die kräftigste Unterstützung erhalten. Wenn nun auch eine eindringendere Forschung gezeigt hat, auf wie schwachen Füssen die Beweisführung von dem Fortwirken der politischen Triebkraft des antiken Roms in den mittelalterlichen Comunen Italiens beruht, und es meines Erachtens kaum fraglich ist, dass es für die Italienische Nation ehrenvoller sei, die Grundlagen des modernen Staatswesens aus sich heraus neu erzeugt, statt sie von Rom oder richtiger von Byzanz ererbt zu haben, so kann man doch nicht sicher darauf rechnen, dass eine objective historische Forschung einem bestehenden nationalen Vorurtheile gegenüber leicht durchdringen wird. Völker sind, wie die Individuen vielfach, auf ererbten Besitz noch stolzer als auf selbst erworbenen. So stösst man denn auch an der [246] Schwelle des Werkes von Canestrini sofort auf die Behauptung von dem Fortwirken und Wiederaufleben der hier im Herzen Italiens niemals erloschenen Römischen Tradition, wenn er das auch weniger direct behauptet als manche Andere, welche das Fortleben der Römischen Municipalverfassung mit den scholae und collegia u. s. w. in Florenz fast als selbstverständlich ansehen. Denn er sagt nur: sembra ch’ abbia voluto rinnovare [in Florenz] la forma e la base dell’ antico censo romano con quelle istituzioni che chiamò allibrazione lira o estimo[238]. Aber auch dieser Schein ist trügerisch. Ohne in Abrede stellen zu wollen, dass sich in einzelnen Gegenden Italiens das Römisch-Byzantinische Steuersystem bis ins Mittelalter hinein erhalten hat, ist so viel sicher, dass es in Florenz nicht fortgelebt hat. In einer Stadt, welche, wie jetzt auch Ausgrabungen unwiderleglich bewiesen zu haben scheinen, an zwei Jahrhunderte in Trümmer gelegen haben muss und nur sehr schwach bevölkert gewesen sein kann[239], können sich unter der Herrschaft der Langobarden unmöglich Römische Traditionen lebendig oder gar in praktischer Uebung erhalten haben. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass auch hier die ältesten städtischen Steuern als Abgaben entstanden sind, die an die Markgrafen und dann an das Reich zu entrichten waren. Wir besitzen allerdings keine dieses beweisende Urkunde. Aber warum sollte es hier anders gewesen sein als z. B. in Lucca, wo 1160 die markgräflichen Rechte und 1162 die Regalien gegen eine jährliche Geldzahlung abgelöst wurden[240]. Dass es [247] in Florenz im 12. und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts schon städtische Umlagen gab, geht übrigens aus zahlreichen Urkunden hervor, nach denen sich Comunen und Ortschaften und Burgen der Grafschaft nur unter der Bedingung unterwarfen, dass sie von der städtischen libra oder dem estimo befreit blieben[241]. Schon 1203 wurden alle Geistlichen und Laien der Grafschaft besteuert und 1208 wird schon ein um die Comune verdienter Mann von allen Abgaben auf ewige Zeiten befreit. Jeder Heerd (focolare) und so jede Haushaltung der Grafschaft hatte um diese Zeit sechsundzwanzig Denare jährlich als Herdsteuer zu zahlen[242]. Die erste systematisch durchgeführte Einschätzung aller Grafschaftsbewohner (libbra, lira, allibratio, extimum) ist wohl mit der Volkszählung im Frühjahr 1233 verbunden gewesen. Ein Capitel der Statuten von Florenz, das am 24. Februar 1233 beschlossen wurde, ordnete an, dass im Mai dieses Jahres sich alle Bewohner der Grafschaft nach der Stadt zu begeben hätten und dort vor dem dazu bestimmten Notare des Sesto, zu dem die Ortschaft des Declarirenden gehörte, zu erklären hätten, ob sie milites aut nobiles, factitii vel alloterii seien[243]. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass dieser Standeserklärung und Volkszählung der Bewohner der Grafschaft eine ähnliche Aufnahme der Stadtbevölkerung vorausgegangen sein wird, und dass diese nicht aus rein statistischen Interessen [248] hervorgegangen ist, vielmehr mit einer Regelung der directen Abgaben zusammenhängt. Die Stadt hatte ja auch damals grosse Ausgaben zu den Kämpfen mit Siena zu machen und später hat sie Kaiser Friedrich II. ordentlich in Contribution genommen. Denn zu der Zeit, als dieser die Verwaltung Tusciens neu ordnete (1238), war ja auch Florenz ihm unterworfen und hatte direct Podestaten von ihm eingesetzt erhalten[244]. Der Podestà musste sammt seinen Truppen von der Stadt bezahlt werden, und der Kaiser forderte ausser einem Hilfscorps, z. B. zur Belagerung von Faenza, noch die Ablieferung der Reichssteuern in seine Kasse. Da damals die Ghibellinische Partei die herrschende in der Stadt war, fiel das Odium dieser Abgaben ihr zur Last, obwohl der Kaiser es war, der sie verlangte und verbrauchte. Villani gibt daher als Ursache der ersten und entscheidenden Umwälzung in der Stadt und der Bildung der alten Volksgemeinde (popolo vecchio) die Bedrückung der Comune durch unerträgliche „gravezze, libbre ed imposte“ von Seite der Ghibellinen an. Libbra oder Lira ist aber der technische Ausdruck sowohl für die Steuerveranlagung als für die auf Grund dieser Veranlagung von den Einwohnern der Stadt und Grafschaft von allem Einkommen von beweglicher und unbeweglicher Habe erhobene Steuer selbst[245]. Diese libbra schaffte man nun aber nach Beseitigung des kaiserlichen Regiments 1250 keineswegs ab. Denn wir finden dieselben technischen Ausdrücke in Urkunden von 1254 und 1256 wieder, nach denen der Bischof von Florenz für seine Güter mit 30000 Lire jährlicher Einkünfte eingeschätzt war und dem Einsammler der Lira im Jahre 1256 300 Lire nachzahlen musste, zu denen er 1254 bei einer Umlage „ad rationem soldorum viginti pro centenario sine quarto“ herangezogen war, die er aber bis dahin noch nicht gezahlt hatte. Und in demselben Jahre zahlte der Kämmerer des Bischofs dem Erheber der Lira für das Sesto der Porta del Duomo 125 Lire als Quote für das Jahr 1256[246].

Wenn G. Villani nun als Grund der Unzufriedenheit mit [249] dem Regimente des Generalvicars von Tuscien, dem Grafen Guido Novello, die Umlage einer Lira von 10 Soldi auf das Hundert angibt, so kann das nur ein Vorwand gewesen sein, wenn der Graf nicht kurz zuvor schon einmal dieselbe Steuer ausgeschrieben hatte[247]. Denn 1254 hatte man ja 20 Soldi vom Hundert eingetrieben. Doch scheint es so, dass diese Steuer besonders verhasst war. Denn das Colleg der sechsunddreissig Rathsmänner, aus den sieben oberen Zünften gebildet, um für die Geldbedürfnisse der Comune zu sorgen, war ja bereit, das zur Bezahlung der Reiterschaaren nöthige Geld auf andere Weise als durch eine Lira zu beschaffen. Wahrscheinlich wurde besonders die Ausführung der Umlage als eine ungerechte empfunden, denn ihre Neugestaltung bildete auch einen Theil des Reformprogrammes des Cardinals Latinus vom Jahre 1280, der aber auch nicht sofort zur Ausführung kam[248]. Denn erst ein Beschluss des Parlaments, welcher am 26. Februar 1285 auf Antrag des Dominus Bindo del Baschiera della Tosa und des Schusters Neri in der Kirche Santa Reparata gefasst wurde, brachte die Angelegenheit in Fluss[249]. Am 13. März 1285 begannen die Verhandlungen über die wichtige Angelegenheit in einer Sitzung der Vorstände der oberen zwölf Zünfte und zahlreicher Rathsmänner in Anwesenheit des Volkshauptmanns und der Prioren. Es müsse eine neue Einschätzung (extimum, estimo) in Stadt und Grafschaft vorgenommen werden, so wurde hier ausgeführt, damit die Umlagen (libbre) und Anleihen (prestanzie) gerechter vertheilt werden könnten; die zur Zeit noch geltende Einschätzung sei vor langer Zeit (diu) gemacht, und seitdem habe sich der Besitzstand der Bürger stark verändert; viele seien reicher, unzählige ärmer geworden. Die grossen Geldbedürfnisse der Stadt veranlassten daher viele Ungerechtigkeiten in der Besteuerung der Einzelnen und hätten desshalb endlose Beschwerden in den Rathsversammlungen hervorgerufen; eine neue Steuerveranlagung sei daher für die Comune durchaus nützlich und nothwendig; der Capitano (Balduino degli Ugoni) verlange daher den Rathschlag der Anwesenden: quid, quomodo [250] et qualiter et qua forma videtur et placet Consilio providere et provideri debere utilius pro Comuni predicto in predictis et circa predicta[250].

Die verschiedensten Ansichten machten sich bei der Berathung sofort geltend. Die Technik des Einschätzungsverfahrens war in Vergessenheit gerathen, was nicht Wunder nehmen kann, wenn die letzte Veranlagung, die ja vor langer Zeit (diu) stattgefunden hatte, im Jahre 1233 ins Werk gesetzt worden war. Es wurde desshalb wiederholt der Antrag gestellt, es möge eine Commission nach Lucca, Siena, Pistoja, Arezzo u. s. w. gesendet werden, welche die dort üblichen Methoden der Steuerveranlagung studiren solle; erst wenn dieses geschehen sei, solle man Beschlüsse fassen[251]. In der That war es hier auch noch besonders schwer, einen gerechten Besteuerungsmodus zu finden. Denn die Bürgerschaft war noch keineswegs eine einheitliche, sondern in Classen geschiedene. Die Versammlung, welche jetzt über die neue Steuerveranlagung beschloss, gehörte ausschliesslich den Zünften und der Bürgerschaft an, in welche sich wohl einzelne Adliche hatten aufnehmen lassen. In ihr, sowie in dem Rath der Comune (des Podestà) bildete der Adel numerisch einen verschwindenden, vielleicht den sechsten Theil der Mitglieder. Die Magnaten schätzten sich desshalb selbst ein und verhandelten mit der Bürgerschaft über die von ihnen aufzubringende Quote[252]. Nicht weniger hatte die Volksgemeinde in Verbindung mit dem Rath des Podestà über den Antheil an der Steuersumme, die umgelegt werden sollte, für die Grafschaft zu befinden, und man kann sich leicht denken, dass bei der herrschenden [251] Selbstsucht man mit dieser nicht allzu glimpflich umging. Sollte z. B. eine Umlage von 20 000 Goldgulden gemacht werden, so wurde beantragt, hiervon 11 000 Gulden auf die Stadt zu werfen und 9000 Gulden auf die Grafschaft, eine Vertheilung der Lasten, die sicher ganz ungerecht war.

Die Verhandlungen über die neue Einschätzung verloren sich seit dem März ganz ins Detail. Schliesslich einigte man sich jedoch darüber, dass eine neue Veranlagung nothwendig sei, dass bei ihr alle constitutionellen Factoren, die „consiglia opportuna“, mitzuwirken hätten, zunächst aber eine Volkszählung und Aufzeichnung auch alles Hausgeräthes (massaricie) vorzunehmen sei. Erst nachdem diese stattgefunden habe, sollte über die Höhe der aufzubringenden Umlage, deren Veranlagung und Vertheilung beschlossen werden. Der Podestà, der Capitano, die Prioren und die von fern zuziehenden Rathsherren sollten alles vorbereiten[253].

Die ganze Angelegenheit wurde auf diese Weise in die Länge gezogen und verschleppt. Im Juli 1285 wollen Einige, dass Geldsummen noch nach der alten Einschätzung aufgebracht werden sollen, während Andere dieses ganz unbestimmt auf die Zeit verlegt sehen wollen, bis die neue Veranlagung vollendet sein werde[254]. Diese aber liess auf sich warten. Leider lassen uns für die nächsten Jahre die Bücher der Consulte sowohl als die Provisionen im Stiche. Sie sind verloren gegangen. Nur das eine wissen wir indirect, dass im April 1286 ein wichtiger Beschluss in Betreff der Steuerverhältnisse gefasst sein muss. Denn in zahlreichen späteren Rathsbeschlüssen wird der April 1286 als die Grenze für die Eintreibung der noch nicht bezahlten directen Steuern festgehalten, während die vor diesem Normaltermin rückständigen Abgaben fallen gelassen werden[255]. [252] Wahrscheinlich hat man damals aber nur beschlossen, die alte Steuerveranlagung von ihren gröbsten Fehlern zu reinigen. Denn es werden in einer Urkunde Beamte aufgeführt, die hierzu bestellt waren[256]. Offenbar war das Widerstreben eines grossen Theiles der Bürgerschaft gegen eine ganz neue Steuerveranlagung sehr lebhaft. Da aber die Räthe, worüber auch jetzt schon, wie später, lebhaft geklagt wird, bei Verwilligung von Ausgaben sehr freigebig waren, mussten sie doch auch wieder Geld herbeischaffen. Es half nichts, da auch die zu den Kriegen gegen Arezzo und Pisa nöthigen Geldsummen stets anwuchsen, man musste eine neue Steuerveranlagung über sich ergehen lassen. Nachdem schon im Sommer 1288 verschiedene Beschlüsse in Betreff der Beitreibung der rückständigen Steuern gefasst worden waren (z. B. am 20. Juli), welche aber wenig gefruchtet haben werden, und die Aufnahme einer Anleihe (?) von 40 000 Goldgulden, zu der der Adel der Grafschaft „50 solidi pro centenaro“, beisteuern sollte und „animo et spe rehabendi“ zahlte[257], decretirt worden war, trat man am 5. August in die Berathung über die für nothwendig erklärte Reform der alten Steueranlage wieder ein. Die Partei, welche gegen dieselbe war, gab aber auch jetzt noch ihren Widerstand nicht auf. Es erhoben sich verschiedene Redner, welche die Beschlussfassung bis zum Allerheiligentage verschoben sehen und abermals die Einschätzungsmethode benachbarter Tuscischer Städte studirt wissen wollten. Andere Redner gefielen sich in Empfehlungen sehr verschiedener und künstlicher Veranlagungsweisen. Schliesslich beschloss der Rath, wie vor drei Jahren, dass eine neue Einschätzung vorgenommen werde, den Modus derselben aber der Podestà, der Capitano, die Prioren und die von ihnen nach Belieben zu wählenden Vertrauensmänner (buoni uomini) ausarbeiten und den [253] beiden Räthen des Capitanos und der Zünfte (Consilium generale et speciale) zur endgültigen Beschlussfassung vorlegen sollen. Jetzt ging man endlich auch ans Werk.

Ob schon bei dieser Einschätzung der später sicher übliche Modus beliebt wurde, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu behaupten. Doch ist es wahrscheinlich. Dieser Modus ist nun folgender. Von bestimmten dazu ernannten und bezahlten Beamten (Officiales deputati ad allibrandum) wurden alle Immobilien und Mobilien auf ihren jährlichen Ertrag nach Gutdünken niedrig eingeschätzt. Dieser Ertrag wurde zu fünf oder sechs Procent capitalisirt. Hatte man so das Vermögenscapital (valsente) gefunden, so gewann man die Steuereinheit (das Simplum), indem man ¾ bis 1 Procent, in der Regel 5/6 Procent, oder wie man es ausdrückte: denari due per lira (nach Karolingischem Münzfusse: 1 Lira = 20 soldi = 240 denari) hiervon als Einheit annahm und dann diese je nach der Höhe des taxirten Vermögens vervielfachte. Diese so gewonnene Summe wurde in den Büchern der Einschätzer (Allibratoren) zu den Namen der Steuerzahler gesetzt und diente als Basis (regula, lume) der nach der Gesammtsumme der aufzubringenden Steuer (lira) oder Anleihe (prestanza) für den einzelnen Fall zu zahlenden effectiven Abgaben[258]. In der Regel betrug die Steuerumlage [254] den zehnten Theil der eingeschätzten Rente, oder wie man es ausdrückte, dieci lire la lira. Später wurde die Steuer auf 2 Denare für den Gulden festgelegt und es waren alle Köpfe vom 15. bis 70. Jahre taxirt[259].

Man kann sich leicht denken, dass bei dem herrschenden Parteigeiste und der ungewohnten Arbeit viele Fehler und Ungerechtigkeiten bei dieser Einschätzung begangen wurden[260]. Nachtragsbestimmungen und Verbesserungen wurden sofort nöthig. Davon sind uns aber nur einzelne bekannt geblieben, z. B. die, dass die Leistungen der Gemeinden, welche das von den Pisanern erworbene Pontedera bewacht und besetzt gehalten hatten, bei der Besteuerung in Anschlag gebracht werden sollen (25. August 1288). Man kam daher mit der definitiven Festsetzung auch keineswegs rasch zu Ende. Wir haben zwar ein Zeugniss, dass im Mai 1289 eine zum Sesto del Duomo gehörige Ortschaft eingeschätzt war[261], aber aus einer Provision vom 12. Juli d. J. ergibt sich, dass die neue Einschätzung noch nicht überall durchgeführt ist. Erst im Jahre 1290 scheint dieselbe ganz durchgeführt gewesen zu sein. Doch war man keineswegs einig, die neue Veranlagung sofort ganz durchgreifend anzuwenden. In einer Berathung des Volksrathes am 25. October wurde vorgeschlagen, die Hälfte der Steuer nach dem alten, den Rest nach der neuen Veranlagung einzuziehen, und dergleichen mehr. Da man sich nicht einigen konnte, beschliesst man, die Sache dem Podestà, dem Capitano, den Prioren und ihren Vertrauensmännern zu überlassen[262]. Fest steht [255] nur, dass man den Kriegszug gegen Arezzo (1289) durch eine Libbra deckte, die über 36 000 Goldgulden eintrug.

Diese Summe ist gewiss eine hohe, und sicher waren schon jetzt die Einnahmen der Stadt Florenz so gross, wie die manches Königreichs, mit denen sie Villani ein Menschenalter später zusammenstellt[263]. Und doch genügten sie nicht in diesen Zeiten eines fast permanenten Kriegszustandes und bei der leichtsinnigen und unüberlegten Verwilligung von Ausgaben, für die man dann keine Deckung zu schaffen wusste. Hiergegen musste sich also, wenn dem Uebel gesteuert werden sollte, zunächst eine Reaction geltend machen. Es geschah dies auf eine, nach unseren Begriffen höchst merkwürdige Weise. Denn man sollte denken, die Florentiner hätten mit ihren Rathsversammlungen, von denen wir, ausser Vorbesprechungen und dem Parlamente, die beiden Räthe des Capitano und des Podestà in fortwährender Thätigkeit sehen, wirklich genug gehabt, und es hätte bei ihrer sonstigen Sparsamkeit mit der Zeit, die sie dazu trieb, sich alle Mühewaltungen für die Comune in klingender Münze bezahlen zu lassen, kein Verlangen bestanden, noch ein neues Rathscollegium einzurichten. Aber fast noch merkwürdiger ist, dass von der Gründung des Rathes der Hundert, der für die Behandlung aller finanziellen, ja aller wichtigen Fragen zu der Comune für die nächste Zeit von der grössten Bedeutung wurde, weder bei den zeitgenossischen Chronisten, noch den neueren Historikern der Stadt die Rede ist[264]. Und doch datirt [256] die Entstehung des Rathes der Hundert aus dem September 1289. Wir wissen nicht, von wem die Bildung dieser vorberathenden Finanzcommission der Comune ausgegangen ist, kennen aber sehr wohl die hierbei massgebende Tendenz. „Da die allzu schweren und grossen Geldausgaben, welche der Comune Florenz häufig wegen der unvorsichtig und in vielleicht schlecht besuchten Rathsversammlungen beschlossenen Ausgaben erwachsen“, so heisst es in der Einleitung der Rubrica 14 der von Gherardi auszugsweise mitgetheilten Kämmereiordnung von 1289, „die Taschen der Bürger fast unerträglich leeren, und es billig erscheint, dass die zunächst die Nützlichkeit der Ausgaben genau prüfen, welche wohlhabend die Lasten der Ausgaben vorzugsweise zu tragen haben, so wird beschlossen“ u. s. w.[265] Hier wird, so weit ich sehe, zum ersten male im Mittelalter, ein steuerpolitisches Princip theoretisch ausgesprochen, das die Entwicklung nicht nur der Stadt Florenz, sondern aller modernen Verfassungsstaaten aufs Tiefste beeinflusst hat: die Einwirkung, welche die verschiedenen Classen der bürgerlichen Gesellschaft auf die Leitung der Staatsangelegenheiten direct oder indirect dadurch ausüben, dass sie die Steuerbewilligung in die Hand bekommen, ist nicht mehr abhängig von der Angehörigkeit der Bürger an einen durch Geburt oder sonst wie bedingten Stand [257] derselben, sondern von der Höhe der von ihnen individuell geleisteten Geldbeiträge zur Erhaltung des Staatshaushaltes. Damit ist ein Census für die Wahlen eingeführt[266]. Dem entsprechend wird der Rath der Hundert von den Prioren nach den Sesti aus den Bürgern auf sechs Monate gewählt, die mit 100 Lire oder höher eingeschätzt und mit ihren Steuern nicht im Rückstande waren. Zu einer gültigen Beschlussfassung mussten von ihnen Siebenzig in der Sitzung anwesend sein[267]. Sie mussten jedesmal zusammengerufen werden, wenn es sich um Ausgaben handelte, die die Kämmerer zu leisten hatten und die denselben nicht ausdrücklich durch die Kämmereiordnung zu machen erlaubt war. Diese Zahlungen sind einzeln genannt und beziehen sich nur auf die Gehalte der ständigen und unständigen Beamten der Comune, gewisse Ehrenausgaben für die Stadt und für Wohlthätigkeitszwecke. Für den Titel: Insgemein, wie wir etwa sagen würden, oder für die spese facoltative, wie die Italiener heutigen Tages sagen, also für unvorhergesehene Ausgaben, die der Kämmerei zu leisten erlaubt waren, sind täglich nur zehn Soldi zu machen gestattet, so jedoch, dass dieselben von einem Tag auf den andern übertragbar waren[268]. Jede andere Ausgabe musste durch die Majorität der anwesenden Mitglieder des Rathes der Hundert durch geheime, sorgfältig überwachte Abstimmung mit Kugeln beschlossen werden. Gewann ein Antrag nicht die Mehrzahl der Kugeln, so durfte er gar nicht an die andern Rathsversammlungen gebracht werden und auch nicht vor sechs Monaten, also nicht bei denselben Rathsherren, die [258] schon einmal über ihn abgestimmt hatten, neu eingebracht werden. In dringenden Fällen konnten die Prioren mit dem Rath der Hundert, ohne die anderen Rathsversammlungen zu fragen, die Auszahlung von 25 Lire verfügen. Doch durften in einem Monat nicht mehr als 100 Lire angewiesen werden.

Damit hatten die Prioren sich einen Rath geschaffen, der, aus den Höchstbesteuerten der Stadt zusammengesetzt, nicht nur in die Finanzangelegenheiten derselben wirksam retardirend eingriff, sondern auch bald fast alle wichtigeren Angelegenheiten vor sein Forum zog. Um seinen Bestand zu sichern, wurde sein Fundament, die Kämmereiordnung, mit ganz ausserordentlichen Garantien umgeben: Alle Behörden, Podestà, Capitano und Prioren waren gehalten, sie unverbrüchlich zu beobachten, und jeder, der etwas unternehme oder nur anrathe, das ihnen zum Abbruch gereichen könne, in eine Strafe bis zu 500 Lire verfallen und für immer infam erklärt; die Vorstände der zwölf oberen Zünfte wurden in einem festgesetzten Turnus für die Vertheidigung derselben ganz besonders verpflichtet und jede Zunft erhielt desshalb eine Abschrift derselben[269].

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass der Rath der Hundert, wenigstens in seinen Anfängen, der ihm gewordenen Aufgabe, die Ausgaben der Comune in etwas einzuschränken und in ein besseres Verhältniss zu den Einnahmen zu bringen, entsprochen haben wird. Gehörten ihm doch auch von seiner Entstehung an die einflussreichsten Berather der Comune an. Brunetto Latini ergriff im ersten halben Jahre fast in allen Zusammenkünften das Wort; neben ihm Paccino Peruzzi, ein Tornaquinci, der sich aus der Reihe der Granden einer Zunft angeschlossen hatte. Dass der Rath der Hundert bei seinen Geldbewilligungen aber nicht kleinlich und knauserig verfuhr, beweisen die grossen, ja übergrossen Summen, welche in den nächsten Jahrzehnten nicht nur für die Bezahlung der Soldtruppen, sondern vor allem zur Herstellung der neuen Stadtmauern, zum Umbau und der Wiederherstellung der Arnobrücken, zur Verbreiterung und Canalisirung zahlreicher Strassen und [259] öffentlicher Plätze und Erbauung der öffentlichen Paläste und Kirchen, die den architektonischen Charakter der schönen Arnostadt bis auf den heutigen Tag bestimmt haben, durch den Rath der Hundert neben vielem Anderen, das in anderen Ländern erst in viel späterer Zeit Berücksichtigung fand, mit grossen Majoritäten genehmigt worden sind. So wenig die einzelnen Bürger geneigt sein mochten, ihre Dienste unentgeltlich der Comune zu widmen[270], und so viele Abgaben, Strafgelder u. s. w. an die Kämmerei nicht freiwillig eingezahlt, sondern durch die härtesten Strafbestimmungen beigetrieben werden mussten, es geht in diesen Jahrzehnten doch durch die ganze Verwaltung der Comune, man kann nicht anders sagen, ein grossartiger, rastlos vorwärts drängender Zug, der alle Kräfte zur Hebung und Ausschmückung der Vaterstadt einsetzen lässt[271][WS 10]. [260] Wie es aber in der Regel der Fall ist, dass, wenn neue Finanzmassregeln getroffen werden, es zunächst ein Deficit zu decken [261] gibt, so hatten auch die Hundertmänner, welche am 1. October 1289 den neuen Rath eröffneten, sich mit Anleihen zu befassen, welche die Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben ausgleichen sollten. Man stand im Februar 1290 vor einem Deficit von mehr als 20 000 Gulden, und Geld zur Bezahlung der Soldtruppen war nicht vorhanden. Die zunächst liegende Aushilfe war, eine solche Summe bei dem Schatz der Parte Guelfa zu borgen. Erhielt diese doch auch relativ geringe Zinsen. Aber auch diese reiche Kasse war zu leeren. Dann kamen die grossen Geldcompagnien in Betracht. Diese nahmen schon höhere Zinsen in Anspruch und verlangten Sicherheiten, z. B. Anweisungen auf fällige Zolleinnahmen u. dgl. Versagten auch diese, dann blieb nichts anderes übrig, als eine Zwangsanleihe zu machen, welche fast nur eine Nebenform der gewöhnlichen Umlage war und sich von dieser, welche ja auch nicht in regelmässigen Zwischenräumen erhoben wurde, dadurch unterschied, dass sie höher gegriffen war als diese und zurückgezahlt werden sollte. Ob dieses regelmässig gehalten worden ist, möchte ich bezweifeln, und man griff desshalb auch nur im äussersten Nothfalle zu einer prestancia. Am 22. Februar 1289 rieth Brunetto Latini unter der Beistimmung fast aller Hundertmänner, von einer Zwangsanleihe abzusehen und dem Podestà, Capitano und den Prioren das gewiss nicht leichte Geschäft, Geld zu finden, zu überlassen; sie sollten den Banquiers Anweisungen auf die Einkünfte und Zölle der Comune geben dürfen und so viel Zinsen verwilligen, als ihnen gut scheine[272]. In der That hatte [262] die Commune aus Zöllen und anderen Quellen hohe regelmässige Einnahmen. Ich will dieselben jetzt hier in der Reihenfolge aufzählen, in der sie in den Einnahmeregistern der Kämmerei gebucht wurden[273].

Da sind zuerst genannt die Einkünfte aus den Strafzahlungen der Verurtheilten, die Erträge aus den Gütern der Verurtheilten und Vertriebenen, die Loskaufsummen (riscatti) für die zur Verwüstung verurtheilten Besitzungen und die Taxen für die Rückkehr der Ausgewiesenen und Verurtheilten. Die widerwärtigste Seite des politischen Lebens der Comune tritt uns mit ihnen entgegen. Denn abgesehen davon, dass die fiscalischen Zwecke der Rechtsprechung, welche nur zu deutlich aus den Strafbestimmungen des Criminalrechts der Zeit sprechen, sich hier vor allem bemerklich machen, werden wir durch sie an die jedem höheren Rechte hohnsprechenden barbarischen Massregeln erinnert, welche die herrschenden Parteien gegen die ihr unterlegenen Opfer zu ergreifen pflegten. Sind die Strafsätze für reine Polizeistrafen schon hoch gegriffen, so überschreiten die Strafgesetze für politische Vergehen fast alles Mass, namentlich wenn sie gegen die Magnaten in Anwendung kamen. Doch werden wir hierüber in einem anderen Zusammenhange zu reden haben. Hier, wo wir nur von der finanziellen Seite dieser Zustände sprechen wollen, mögen folgende Bemerkungen genügen. Wir wissen für unsere Zeit nicht, wie hoch sich der aus diesen Strafen für den Stadtsäckel ergebende Reinertrag belief. Dass er in ihnen, wo noch so viele Ghibellinen ausserhalb der Stadt lebten, nicht gering war, lässt sich aber leicht denken. Wenn [263] man nur liest, dass im Jahre 1291 dem Notar Tommaso di Matteo für die Anlage einer vollständigen actenmässigen Zusammenstellung der seit 1279 Verbannten die Summe von 40 Goldgulden ausgezahlt wird, dann mag man sich eine Vorstellung davon machen, wie viele dieser Unglücklichen gewesen sein mögen. Natürlich wurden auch über die Personen, welche zu reinen Geldstrafen aus irgend welchen Gründen verurtheilt waren, Bücher geführt. Nur die Namen derer, die zu einer Strafe unter 25 Lire verurtheilt waren, wurden in diese nicht aufgenommen, wenn sie ihre Busse sofort erlegten. Die der Comune aus diesen trüben Quellen erwachsende Gesammteinnahme betrug ein Menschenalter später, als die alten Parteiungen sich fast gelegt hatten, 7000 Goldgulden jährlich aus den Gütern der Verbannten und 20 000 Goldgulden aus den Strafgeldern. Die Einnahmen aus der Justizverwaltung lieferten 1338 fast den zehnten Theil der gesammten Einkünfte!

War diese höchste Strafgewalt, welche die Comune seit der Vernichtung der Deutschen Reichsgewalt an sich gebracht hatte, mit ihren Geldbussen zum Besten der Stadtkasse früher eine Regal gewesen, so waren dieses auch die in den folgenden Rubriken eingetragenen Einnahmeposten aus der Münzprägung, über die schon gehandelt ist, und aus dem Ertrag der Salinen und des Salzmonopols. Hatte man dieses früher so gehandhabt, dass man Salzmagazine anlegte, welche auf Kosten der Comune namentlich mit Seesalz aus der Provence und der Romagna gefüllt wurden[274], und aus denen jeder Bürger der Stadt und Bewohner des Contados seinen Bedarf entnehmen musste, so verpachtete man schon 1299 den Salzverkauf an einzelne Bürger und Gesellschaften und setzte einen Maximalpreis, 12 Soldi kleiner Münze für den Scheffel, fest, zu dem die Pächter das Salz liefern mussten. Sechsmal musste diese Verpachtung ausgeschrieben und dann dem Höchstbietenden zugesprochen werden. Jeder Salzschmuggler hat 100 Lire Strafe zu zahlen, von denen die eine Hälfte an die Comune, die andere an den Pächter des Monopols zu entrichten war. Später stieg der Preis des Salzes auf 40 Soldi für die Stadtbewohner und 20 [264] für die Landbevölkerung, und das Salzmonopol warf ein Vierteljahrhundert darauf jährlich 14 350 Goldgulden ab.

Der Weinzoll, der in der folgenden Rubrik der Einnahmen figurirt, wurde von allem in Florenz ausgeschenkten Weine erhoben. Ein gewisses Quantum Wein durfte sich jeder vor dem 1. November einlegen; vom 1. November an, an welchem Tage der neue Wein zuerst verschenkt werden durfte, hatten die Weinwirthe Taxen, die nach den Terminen, bis zum 1. Februar, 1. Mai und 1. November festgesetzt waren[275]. Später war die Weinsteuer verpachtet und trug z. B. im Jahre 1298 nicht weniger als 11 225 Lire ein[276]. Im folgenden Jahre, so scheint es wenigstens, ging man zu einem anderen Erhebungsverfahren über. Man setzte fest, dass von jedem Fass (congio) Wein so viele Soldi Kleinmünze zu zahlen sei, als das Quart Wein Denare koste. Nur für den Wein aus Griechenland, den Vino vernaccia und den der Riviera, die übrigens nicht in unbeschränkter Quantität an die Einzelnen ausgeschenkt werden durften, wurden höhere Abgaben normirt. Für jede Salma von dem Vernaccia waren 20, für den Griechischen und den Rivierawein 10 Lire zu zahlen. Im Jahre 1328 warf dieser Weinzoll jährlich 58 300 Goldgulden ab.

Eine weitere Rubrik nahm die Einkünfte auf, welche aus der „vendita dei mercati e di quella dei divieti“, wie es bei Gherardi heisst[277], einkamen. Unzweifelhaft, wenn man Abgabenverzeichnisse späterer Zeiten damit vergleicht, erwuchs diese Einnahme aus dem Verkaufe von Marktgerechtigkeiten an die Orte der Grafschaft, die auch Wochenmärkte hielten, und aus den Gebühren, welche die Verkäufer namentlich von lebenden Thieren dort entrichten mussten. Die Erhebung dieser Abgaben wurde jährlich an die Höchstbietenden verpachtet[278]. Einen der wichtigsten [265] Einnahmeposten bildeten aber die Abgaben, welche von den in die Stadt eingeführten und ausgesandten Waaren erhoben wurden. Jeder Fremde, der Waaren ein- und ausführte und keine directe Steuer (Lira) in Florenz zahlte, musste den Zoll für seine Waaren entrichten, welchen seine Vaterstadt erhob und das Pedagium bezahlen[279]. Die einzelnen Gegenstände, welche bei ihrem Eingang in die Stadt verzollt werden mussten, hier aufzuzählen, würde zu weit führen. Es war in der That fast nichts ausgenommen[280]. Dafür warf dieser Thorzoll aber auch 1338 mehr als 90 000 Goldgulden ab.

Wenn man glauben wollte, dass mit diesen Einnahmen alle Abgaben, welche die Florentiner am Ausgange des 13. Jahrhunderts in klingender Münze zu zahlen hatten, erschöpft seien, so würde das ein grosser Irrthum sein. Abgesehen von Einnahmen, welche die Stadt aus Verkauf von eigenem Grundbesitz und Verpachtung von Häusern, Lagerstätten, Ländereien, den Boutiquen auf den Arnobrücken[281], Bogengängen und Vorbauen über die Strassen hatte, kamen noch bedeutende Summen aus allen möglichen Steuern ein. So wurde eine Abgabe von jedem öffentlichen Verkaufe von Grundstücken und Häusern erhoben; von einer Mitgift, die eine Frau mit in die Ehe brachte, musste der Gatte drei Denare von jeder Lira zahlen; für das Tragen von Pretiosen, Perlen und edlen Metallen in der Form von Kronen und in anderen Fassungen hatte jede Florentinerin jährlich 50 Lire zu entrichten, auch wenn die Kostbarkeiten nachgemacht waren; alle Empfänger von Geldsummen aus der Kämmerei mit Ausschluss der höchsten Beamten, hatten eine Art Zählgeld zu entrichten, indem sie von jeder ausgezahlten Lira 4 Denare abzugeben hatten; jeder, der mit einem andern handgemein geworden war, jedoch ohne dass es zur Anwendung von Waffen und anderen Werkzeugen gekommen war, musste, [266] sobald die Sache zur Anzeige gekommen und ein Instrument über die Aussöhnung aufgenommen war, 40 Soldi zahlen; und endlich, um dieser schon zu ausgedehnten Aufzählung ein Ende zu machen, waren alle, welche die Wasserkraft der Flüsse und Bäche der Stadt und Grafschaft zu Mahlmühlen oder Walkmühlen verwendeten, zu einer nach der Lage der Mühle abgestuften Abgabe für jedes getriebene Rad verpflichtet.

Alle diese Einnahmen flossen in der Kämmereikasse zusammen, welche am Ende des Jahrhunderts von vier Kämmerern, von denen einer dem geistlichen Stande angehörte und der Reihe nach aus bestimmten Mönchsorden genommen wurde, verwaltet. Das Alter derselben, die Dauer ihres Amtes, ihr Wahlmodus, ihr Gehalt u. s. w. waren genau bestimmt. Dazu kamen noch zwei Zahlmeister, verschiedene Notare und zahlreiche andere Beamte. Diese Beamten mussten sämmtlich Bürgen stellen und dem Volkshauptmann schwören, ihr Amt gewissenhaft erfüllen zu wollen. Einnahmen und Ausgaben wurden in zwei verschiedenen Büchern eingetragen, und jährlich wurde ein Abschluss über das Guthaben und die Schulden der Comune gemacht.

Diese Uebersicht über die Einnahmen der Stadt Florenz, welche leicht mit noch weit mehr Details hätte belastet werden können[282], bezeugt vor allem die Energie, mit der die Volksgemeinde (popolo), welche fast alles aufbrachte, die finanzielle Leistungsfähigkeit und damit die politische Machtstellung der Comune steigerte. Viele Florentiner jener Tage werden wohl schon damals mit G. Villani in den Stossseufzer ausgebrochen sein, in den dessen berühmte Darstellung des Finanzhaushaltes von Florenz aus der Zeit des grossen Krieges mit Mailand ausklingt: „Mässiget, meine Liebsten, Euer ungeordnetes Begehren und Ihr werdet Gott gefallen und nicht das unschuldige Volk bedrücken!“

Dies viele Geld, das die Bürger aufbringen mussten, schreckte sie vor den „tollen Unternehmungen“ (folle imprese) ab. Nicht minder trieb es aber auch die Steuerzahler an, eine grössere Gerechtigkeit und Billigkeit in der Vertheilung der Lasten anzustreben. [267] Der Kampf gegen die Privilegirten wurde dadurch auch auf diesem Gebiete entzündet. Den Beamten, welche mit Veranlagung und Beitreibung der Umlagen beauftragt waren, wird nichts mehr eingeschärft, als alle vermeintlichen Privilegien aufs Sorgfältigste zu prüfen und gegen die mit Strafen vorzugehen, die um ihrer vermeintlichen Privilegien willen Steuern hinterzögen. Dass die Beamten hierbei gegen die Magnaten, namentlich in der Grafschaft nicht immer gerecht und billig vorgegangen sein werden, lässt sich bei dem Charakter dieser Commissare aus der Bürgerschaft und dem hochfahrenden und gewaltthätigen Sinne dieses in ganz anderen Traditionen aufgewachsenen Adels leicht begreifen. Die alten Parteigegensätze zwischen Guelfischen und Ghibellinischen Familien, und solche gab es auch unter der Bürgerschaft, haben gewiss auch nicht dazu beigetragen, dem Laufe der Gerechtigkeit die Bahnen zu ebnen. Wie entschlossen die Bürgerschaft aber war, da, wo wirkliche Ungerechtigkeiten und Ungesetzlichkeiten begangen wurden, Wandel zu schaffen, ersieht man aufs Deutlichste aus dem allerdings nicht gelungenen Versuche, die sich immer mehr steigernden Missbräuche, welche aus der rechtlichen Sonderstellung der Geistlichkeit erwuchsen, einzuschränken.

In Florenz bedeutete ein guter Bürger so viel als ein Freund der Römischen Kirche. Alle höheren Beamten der Comune mussten schwören, gute Guelfen und Freunde der Römischen Kirche zu sein. Das verhinderte aber die Bürgerschaft nicht, über ihre Rechte, oder richtiger gesagt, was sie für ihr gutes Recht hielt, eifersüchtig zu wachen. Zu diesen Rechten gehörte, dass die Comune Eigenthümerin des Kirchengutes war und in Folge davon weder der Bischof der Stadt noch irgend eine geistliche Corporation etwas von dem Kirchengut veräussern oder vertauschen durfte, wozu nicht die Comune ihre Einwilligung gegeben hatte[283]. Früher hatten, so scheint es, die Geistlichen auch in Florenz, wie in anderen Tuscischen Städten, wegen Vergehen oder in Vermögenssachen keinen eximirten [268] Gerichtsstand gehabt. Das war aber im Laufe der Zeiten anders geworden. Die Geistlichkeit suchte ihren Gerichtsstand überall auszudehnen: die Laien in Sachen, welche früher den geistlichen Gerichten nicht unterstellt gewesen waren, sich zu unterwerfen, sich selbst aber von den weltlichen Gerichten immer mehr zu emancipiren. Die Heranziehung der Geistlichkeit zu den Staatsabgaben wurde auch der Gegenstand von Streitigkeiten[284]. Brachen diese nun irgendwo zwischen der Comune und der Klerisei aus, so pflegte diese mit ihren geistlichen Waffen sofort gegen die Vertreter der Rechte der Comunen vorzugehen und sie mit ihren Censuren zu belegen, nöthigenfalls diese über die ganze Comune zu verhängen, worauf diese dann mit der Erklärung der Friedlosigkeit über die Geistlichkeit zu antworten pflegte. Bis zu welchem Grade nicht selten die Gereiztheit zwischen der Bürgerschaft und der Geistlichkeit in dieser Zeit anwuchs, beweist der bekannte Beschluss des Rathes von Padua, der auf die Ermordung eines Klerikers die Strafe von 32 Denaren festsetzte, worauf eine Menge Geistlicher erschlagen wurden[285].

In der That waren die Zustände, welche sich aus dem Zusammenwohnen von zwei Classen von Bürgern ergaben, die ganz verschiedenen Gesetzen unterstanden und von verschiedenen Personen ihr Recht empfingen, selbst in dem Falle ganz ausserordentlich schwierige, wenn von beiden Seiten die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ganz legal innegehalten und angewendet wurden. Wie aber jedes Privilegium Auswüchse erzeugt, die es dem von ihm nicht Geschützten noch verhasster machen müssen, so war auch in den mittelalterlichen Städten durch die Vorrechte, die die Kleriker genossen, ein Unfug eingerissen, der [269] allen ernsten und die Gerechtigkeit liebenden Männern unerträglich werden musste. Jedermann kennt ja die Prachtexemplare von Pfaffen, die Boccaccio verewigt hat. Gab es deren schon genug unter den wirklichen Geistlichen, so waren die „falschen und erdichteten“ Pfaffen noch viel schlimmer. Sie waren eine wahre Landplage für die Städte und die Grafschaften und werden desshalb in den Statuten der verschiedensten Comunen, z. B. in denen von Bologna, geradezu für rechtlos erklärt. Es waren diese „clerici falsi et ficticii“ Menschen, die, wenn sie irgendwo die unteren Weihen empfangen und nicht die Urkunden hierüber gefälscht hatten, nur von den Vorrechten ihres Standes Gebrauch machten und sich dem Arme der weltlichen Obrigkeit entzogen, wenn sie irgend ein Verbrechen begangen oder Bankerott gemacht hatten[286]. Waren sie in allen Comunen der damaligen Zeit verbreitet, so hatten sie in Florenz, wo die kirchliche Disciplin durch eine lange Sedisvacanz des bischöflichen Stuhles stark gelockert sein musste[287], um diese Zeit besonders grosses Aergerniss gegeben. Es ist von den „malleficia [270] et enormia delicta“ dieser falschen Priester in den Debatten der Rathsherren von Florenz wiederholt die Rede, und man scheint kurz vor 1280 in den Statuten der Stadt besonders scharfe Bestimmungen gegen sie aufgenommen zu haben. Denn der Cardinal Latinus, ein unzweifelhaft frommer, aber doch von den hierarchischen Ideen seiner Zeit erfüllter Priester, fand in seinem „Frieden“ für nöthig, alle gegen die kirchlichen Freiheiten etwa gerichteten Bestimmungen der Statuten für aufgehoben zu erklären.

Wenn nun schon in einem Paragraphen dieses Statuts, von dem uns eine Abschrift aus dem Jahre 1267 vorliegt[288], festgesetzt war, dass kein Podestà oder Richter einen Geistlichen in Civil- oder Criminalsachen vor sein Forum ziehen dürfe, wenn es sich nicht um Processe wegen Schulden, die vor dem Eintritte in den geistlichen Stand contrahirt seien, handle, sondern ihn seinem Bischofe zur Verurtheilung überlassen müsse, und dass kein Podestà einen Geistlichen gegen den Willen des Bischofs in den Klöstern verhaften lassen solle, so hatte man sich wohl zur Zeit des Friedens des Cardinals Latinus nicht um die Statutenparagraphen gekümmert und ihn vielleicht durch einen neueren anderen ersetzt, der ihn beschränkte oder aufhob. Wie nun auch das ganze Friedenswerk des Cardinals nicht von langer Dauer war, so blieben auch den thatsächlichen Verhältnissen gegenüber seine Cautelen gegen die Beschränkungen der kirchlichen Freiheiten nicht von Bestand. Die Bürgerschaft war über das Treiben der unwürdigen Geistlichen, die sich in den Kneipen herumtrieben, würfelten und nicht nur allerlei Unfug, sondern auch schwere Verbrechen begingen, so empört, dass bei der Berathung der neuen Statuten sofort Anträge auftauchten, diese übertriebenen Freiheiten des Klerus einzuschränken.

Als am 26. März 1281 eine Statutenberathung vor dem Stadtrath und den Vorständen der sieben oberen Zünfte stattfand, stiess man auf das heikle Capitel, das De facto clericorum [271] handelt[289]. Ueber den Inhalt dieses Paragraphen sind wir leider nicht unterrichtet. Wir können denselben nur aus der Discussion erschliessen. Zwei Parteien standen einander gegenüber: Gegner und Vertheidiger der klerikalen Ansprüche. Von diesen macht Simone di Salto geltend, das Statut, das mit den Worten anhebe „Ne nostra jura municipalia“ sei zu tilgen, da es gegen die kirchlichen Freiheiten verstosse. Ihm entgegen rieth ein in Rathsversammlungen damals häufig auftretender Redner, Lotto degli Agli, diesen Paragraphen nicht nur bestehen zu lassen, sondern auch alle ihm entgegenstehenden übrigen Bestimmungen aufzuheben. Dieser Meinung war auch ein Grande Adimare degli Adimari. Schliesslich einigte man sich, wie es öfter zu geschehen pflegte, wenn man über die Sache selbst nicht zur Uebereinstimmung kommen konnte, dahin, die Angelegenheit der Executive, dem Podestà, Capitano u. s. w. zur Vorberathung zu überlassen: die von diesen gefassten Beschlüsse sollten dann dem Stadtrath zur definitiven Beschlussfassung vorgelegt werden. Am 31. März wurde dann weiter beschlossen, an den Papst einen Syndicus der Comune abzusenden, der Briefe zur Vertheidigung der Comune und ihrer Rechte gegen alle wider sie erhobenen Angriffe erhalte.

Wir wissen nicht, ob dieser Syndicus wirklich abgegangen ist; die ganze Angelegenheit scheint ihre praktische Bedeutung verloren zu haben, wenn selbstverständlich auch in den Statuten etwas festgesetzt sein musste. Ich möchte glauben, dass die klerikale Partei den Sieg damals davongetragen hat. Denn sonst hätte der Streit einige Jahre später nicht wieder so heftig entbrennen können. Wenn auch das Object 1285 nicht mehr ganz dasselbe war, wie 1281, sondern sich auf die „clerici ficticii“ beschränkte, so erwuchs der Streit doch aus derselben Quelle und entzündete sich wieder bei der Berathung der Statuten am 30. Juni 1285. Die Bürgerschaft im engeren Sinne nahm sich diesmal der Sache und zwar mit Eifer an. Die Beschlussfassung musste freilich bis auf den 1. September vertagt werden. Aber schon am 28. August kam es zu anderen Verhandlungen, deren gereizter Ton das Rubrum des Protokolls zur Genüge verräth. Man discutirt „super facto clericorum ficticiorum et [272] commitentium malleficia et alia enormia delicta, volentium se defendere praetextu clericalis beneficii“[290]. Ein durch einen ungenannten Kleriker begangenes Verbrechen hat offenbar den Eifer des Volksraths angefacht. Der Pfaffe, der sich in der Gewalt des Podestà befand und den der Bischof von Volterra aus dem Klerus stossen sollte, wurde von der weltlichen Obrigkeit mit Strafe bedroht. Schon am 28. August rieth einer der Rathsherren, wenn der Bischof den verhafteten und geständigen Verbrecher nicht aus dem ordo entferne, mit ihm lediglich als einem Laien zu verfahren. Der Klerus war darüber aufgebracht und griff zu den üblichen Hilfsmitteln zur Vertheidigung seiner Vorrechte, und drohte die Executivbeamten der Stadt, den Podestà und seine Räthe u. s. w., und dann die Stadt selbst mit den kirchlichen Censuren zu belegen. Jetzt wurden Rathsversammlungen über Rathsversammlungen gehalten, zu denen vorzugsweise Kenner des bürgerlichen und canonischen Rechtes zugezogen wurden. Aber auch Adliche, Kaufleute und Handwerker ergreifen das Wort. Die Magnaten stehen meistens auf Seiten des Klerus. Nur Bonaccorso Bellincioni degli Adimari räth zur kräftigsten Abwehr der geistlichen Ansprüche. Dabei wird er von dem fortgeschrittensten Mitglied der damaligen Popolanen, dem Schlachthausbesitzer Dino di Giovanni, genannt Pecora, aufs Kräftigste unterstützt. Dieser rieth schon am 30. August, allen Staatsangehörigen zu untersagen, den Klerikern ihre Ländereien zu bebauen und in deren Häusern zu wohnen; den verbrecherischen Pfaffen, den man in der Hand habe, solle man nach dem Rechte strafen[291]. Noch kräftigere Massregeln schlägt er am 10. September vor. Wenn die Kleriker nicht binnen drei Tagen den Process zurückzögen, den sie gegen die Comune angestrengt haben sollten, so möge man ihnen den Rechtsschutz der Comune entziehen, so dass sich jeder an ihnen vergreifen könne[292]. Soweit beabsichtigte aber die Mehrheit der Rathsherren keineswegs zu gehen. Die Geistlichkeit, welche besonders darüber aufgebracht war, dass man jene Paragraphen der Statuten, die von ihren Privilegien handelten, getilgt hatte, schritt dagegen zum Aeussersten und [273] verhängte das Interdict über die Stadt. Keine Messe wurde gelesen. Doch der Papst hatte noch nicht gesprochen und diesen zu gewinnen war das Bestreben der Mittelpartei. Denn in dieser Weise pflegten häufig Conflicte zwischen den Städten und ihrem Klerus beigelegt zu werden, dass man die Curie für sich gewann und dann die kirchlichen Censuren aufgehoben wurden. Da in der Regel eine derartige Mediation nicht ohne bedeutende Geldopfer von Seiten der Comune zu Stande kam, war es doch vielleicht kürzer, sich untereinander zu verständigen. Aber wer sollte den Anfang machen? Die Comune mit der Zurückziehung der Streichung des Statutenparagraphen oder der Klerus mit Zurückziehung der geistlichen Censuren? So gerieth die Streitfrage immer mehr in die Hände der Juristen, wenn auch einzelne Geschäftsmänner, wie der tüchtige Seidenhändler und Prior Dino Compagni, nicht ohne Erfolg sich um sie bemühten. In Conferenzen der Sachwalter der Comune mit dem Propste und bischöflichen Vicare kam es zu einem Vergleich. Dieser stand am 22. October im Grossen Rathe des Capitans zur Verhandlung. Nach ausführlichen Mittheilungen über den Verlauf jener Conferenzen und der Vorschläge des Capitels der Florentinischen Kirche machten sich zwar noch verschiedene Ansichten geltend, aber es überwog doch das Friedensbedürfniss. Ein Rathsherr wollte sofort zu den Klerikern geschickt sehen, damit noch an demselben Tage die Messe wieder gelesen werde. Schliesslich übertrug man den Rectoren, Prioren und Rathsherren die Reformation des Statuts, von dem der ganze Streit ausgegangen war. Dafür hatte sich das Capitel herbeigelassen, eine Verordnung gegen die clerici ficticii zu erlassen. Der gegen dieses Statut Zuwiderhandelnde könne die Hilfe des Capitels nicht anrufen, so wird am Schlusse desselben erklärt, nachdem vorher im Einzelnen aufgezählt ist, was diesen Priestern alles verboten ist: das Tragen von Waffen, das Betreiben weltlicher Geschäfte u. s. w. Dieses Zugeständniss des Klerus an die bürgerliche Rechtsordnung wurde in die Statuten der Comune aufgenommen und hat in allen späteren Redactionen derselben, z. B. von 1324 und 1355, seine Stelle behauptet[293]. Damit aber [274] war der Streit noch keineswegs zu Ende. Der Klerus verlangte eine feierliche Erklärung von den Stadthäuptern, dass sie seinen Befehlen (mandatis) in Betreff der streitigen Paragraphen der Statuten Folge gegeben. Noch einmal machten sich die alten Gegensätze in einer Rathsversammlung im Priorenpalaste am 4. November geltend[294]. Francesco Torselli rieth, Gewalt gegen die Kleriker zu gebrauchen und alle Rechtsfragen bei Seite zu lassen, da diese gegen alles Recht ihre Sentenz gegen die Rectoren der Comune und diese selbst geschleudert hätten. Wieder riethen einige Adliche zur Nachgiebigkeit, doch überwog jetzt die Ansicht, wirklich eine Gesandtschaft an den Papst zu senden und diesem den Thatbestand klar zu legen. Das scheint jedoch nicht nöthig geworden zu sein. Der Papst, bei dem sich eine Abordnung des Klerus aufhielt, die, wie man schon am 4. November wusste, Briefe, wenn auch noch nicht untersiegelte, für die Comune erhalten habe, sendete am 5. November Raymund Algier, Decan von Puy[295], als seinen Legaten nach Florenz. Dieser sollte die Stadt, welche sich neuerdings Statuten gegeben habe, die den kirchlichen Rechten zuwider seien, auffordern, binnen vierzehn Tagen durch Gesandte sich vor ihm in Rom zu verantworten. Am 28. November fand in dem Hause der Prioren eine sehr besuchte Rathsversammlung statt, in welcher Lapo Saltarelli[296], ein in jener Zeit viel genannter eleganter Jurist, es durchsetzte, dass eine Deputation von sechs Vertrauensmännern (sapientes) an den Legaten abgeschickt werde, welche demselben in Anwesenheit der Canonici ihre Vergleichsvorschläge so zu unterbreiten hätten, dass auch diese erklärten, sie seien mit der Comune im Einverständnisse. Daraufhin kam denn auch der Frieden jetzt zu Stande: der Klerus concedirte seinen Erlass gegen die clerici ficticii, welcher im Grunde selbstverständlich war, und die Comune opferte ihren Statutenparagraphen, der gegen die Freiheiten und Rechte der Kirche verstossen sollte. Freilich war auch hiermit kein dauernder Frieden zwischen [275] den beiden Gewalten hergestellt. Einige Jahre später mussten die Florentiner längere Zeit Gesandte bei der Curie halten, die sie in den Händeln mit der Klerisei vertreten sollten[297]. Und ein Nothbehelf und der ganzen Richtung der sonstigen Rechtsentwicklung der Comune widersprechend war auch die Auskunft, die man jetzt dahin traf, dass wenn ein Geistlicher (praesbiter, clericus vel religiosa persona) einen Laien aus der Stadt, der Grafschaft und dem Districte angegriffen habe oder habe angreifen lassen, sein Vater, Bruder, Sohn, Neffe oder Onkel, wenn er solche Verwandte habe, die Strafsumme, welche der Angreifer hätte zahlen müssen, wenn er ein Laie gewesen wäre, aufbringen musste[298].

Florenz befand sich damals nicht in einem Zustande, welcher ihm einen Sieg über die einer bürgerlichen Rechtsordnung widerstrebenden Elemente des Klerus hätte sichern können. Finanziell war ein guter Theil der Bürgerschaft von der mächtigen Beschützerin aller Sonderrechte der Klerisei, der Römischen Curie, abhängig. Und wenn einmal das umgekehrte Verhältniss eintrat, und diese momentan die Unterstützung der geldkräftigen Stadt dringend bedurfte, wie zur Zeit, als Bonifacius VIII. in seinem Kampfe gegen die Colonnas sich auf die Beihilfe von Florenz angewiesen sah, und die Comune dann diese Situation sofort auch für ihren Kampf gegen die Durchbrecher aller Rechtsordnung mit Erfolg auszubeuten verstand, so war dieser Vortheil doch nur ein vorübergehender. In einem Moment, in dem sich der Papst anschickte, alle Consequenzen des Systems zu ziehen, das den Sturz der Reichsgewalt herbeigeführt hatte, konnte sich [276] keine auch noch so lebensvolle und kräftig aufblühende Stadt den praktischen Folgen desselben entziehen. Und waren es nicht gerade die Florentiner gewesen, welche, so viel an ihnen lag, der Kirche zu ihrem Siege über das weltliche Regiment verholfen hatten? Freilich hatten sie sich nicht der Politik der Curie auf Gnade und Ungnade ausliefern wollen, hatten gelegentlich den Päpsten Trotz geboten und sich sogar an so vornehmen Geistlichen, wie dem Abte von Vallombrosa vergriffen. Das aber hatten sie gethan, als der Kampf der Curie mit den Staufern noch nicht beendet war, und mit der Erschlagung eines vermeintlich Ghibellinisch gesinnten Abtes hatte die fanatisirte Masse wohl noch ein gottgefälliges Werk zu thun geglaubt. Jetzt aber, nachdem die Curie fast in ganz Italien Siegerin geblieben war und auch noch hoffen durfte, in Sicilien die letzten schwachen Sprossen des Staufischen Hauses zu knicken, mussten auch die Florentiner die Consequenzen ihres eigenen Thuns tragen und auf eine Herstellung geordneter Rechtszustände in ihrer Stadt, so weit der Klerus dabei in Betracht kam, verzichten. Der überlegene Florentinische Geist hat sich dafür an den Siegern gerächt, dass er sie durch Boccaccio der Welt auf ewige Zeiten lächerlich gemacht hat. Dante hat die letzten Gründe derartigen Streites grimmiger an ihren Wurzeln angegriffen, aber auch nichts ausgerichtet.

Viel günstiger als in diesem Zwiste mit der Klerisei lagen von vorneherein die Chancen der Bürgerschaft in deren Kampfe mit den Magnaten oder Granden der Stadt und der Grafschaft. Denn einmal hatten diese Vertreter der Germanisch-mittelalterlichen Gesellschaftverfassung keinen Rückhalt mehr an der Deutschen Kaisermacht, und dann hatte der Adel durch seine Streitigkeiten und Kämpfe untereinander sich so geschwächt und herabgebracht, dass er der geldmächtigen, nach einer durch Gesetze und nicht nach persönlicher Willkür regierten Bürgerschaft als Stand ganz unterliegen musste. Trotzdem dass jeder umsichtige Mann von Adel leicht wissen konnte, wohinaus die Entwicklung, welche die Stadt seit einem Menschenalter genommen, dränge, und dass man dem drohenden Untergang nur dann entgehen könne, wenn man sich einmüthig verbunden der drohenden Gefahr entgegenstelle, so herrschte jetzt nach wie vor der grösste Zwiespalt unter diesen dem Untergang geweihten [277] Familien. Villani hat uns die Namen der miteinander hadernden Geschlechter, von denen sogar einzelne gespaltene Sippen einander in tödtlichem Hasse verfolgten, aufbewahrt[299] Die Comune musste sich in einzelnen Fällen in diese Fehden vermittelnd einmischen. So sind uns in den Consulten und Provisionen zahlreiche und genaue Nachrichten über einen langjährigen Streit enthalten, den die Guelfischen Familien della Tosa mit den wenigstens früher gut Ghibellinisch gesinnten und jetzt im Aussterben begriffenen Lamberti wegen einiger Ortschaften (terrae) führten. Die Bürgerschaft liess sich den Abschluss des Friedens noch Geld kosten[300]. Denn derartige Händel störten die Ruhe in den Strassen der Stadt und erfüllten die Grafschaft mit Mord und Todtschlag. Aber noch schlimmer als diese Friedensstörungen aus den Zerwürfnissen der Geschlechter waren die Gewaltthätigkeiten, welche sich die auf ihre Geburt stolzen und durch ewige Kriege noch dazu verwilderten Adlichen gegen die Bürger und das Volk erlaubten. Man kann sich den Uebermuth, die Roheit und Rachsucht namentlich der adlichen Jugend schwerlich zu arg vorstellen. Hätten wir hierüber directe Zeugnisse nicht genug[301], so würde man den Grad derselben schon [278] aus der Erbitterung und der Ungerechtigkeit schliessen können, mit der die Bürgerschaft die Magnaten behandelte, nachdem sie ihr einmal Herr geworden war. Die Florentiner sind gegen ihren Adel übrigens nicht härter verfahren als die Bürger anderer Italienischer Comunen. Ja sie haben das Vorbild zu der Gesetzgebung, durch welche sie ihren Adel knebelten, von Aussen empfangen. Durch die Geschichtschreiber, welche sehr viel zur Verherrlichung ihrer Vaterstadt vor allen Städten Italiens beigetragen haben, ist die Kunde von den überaus harten Massregeln, welche die Bürgerschaft der Stadt gegen den Adel ergriff und die schon ein zeitgenössischer Annalist nicht ordinamenta justitiae, sondern tristitiae nannte[302], nur weiter als die ganz ähnlichen Satzungen anderer Comunen in alle Welt getragen worden.

Schon zum Jahre 1280 ist bemerkt worden[303], dass der sog. Frieden des Cardinals Latinus im wesentlichen nur eine Copie des Versöhnungsversuches war, welchen der fromme Kirchenfürst in derselben Zeit in Bologna angestellt hatte. Die politischen Zustände in beiden Städten hatten auch trotz der Verschiedenheit der socialen Bedingungen derselben, – dort die grosse Universität, hier die grossen Kaufherren und Fabrikanten, [279] – viel Aehnliches. Es soll dieses hier nicht im einzelnen verfolgt und die analogen Erscheinungen in der Entwicklung nicht nachgewiesen, sondern nur hervorgehoben werden, dass die demokratische Bewegung in Bologna im allgemeinen der von Florenz um einige Jahre voraus war. Hatte sich doch auch Bologna siegreich gegen Kaiser Friedrich II. zu behaupten vermocht, während ihm Florenz unterlag. In Bologna wurde daher auch die Friedensstiftung des Cardinals Latinus, kaum dass sie abgeschlossen war, durch die gewaltsame Austreibung der Ghibellinischen Lambertazzi wieder zu nichte gemacht, und das Volk der Stadt gab sich in demselben Jahre, in welchem man in Florenz das Priorat einführte (1282), Statuten, welche schon Bestimmungen in Betreff der von den Adlichen gegen das Volk begangenen Gewaltthätigkeiten enthielten, die an Härte den in Florenz 11 Jahre später erlassenen in nichts nachstehen. Das wird ein kurzer Auszug aus ihnen erweisen. Wenn irgend ein Angehöriger des Volks von Bologna, – so heisst es in der Rubrik der Statuten, welche von den Processen des Adels und des Klerus handeln, die ein Mitglied der Volksgenossenschaften (societates) angegriffen haben – von einem Magnaten oder Adlichen überhaupt oder den Söhnen und Brüdern eines solchen verwundet, getödtet oder gefangen genommen ist, so soll der Podestà so rasch als möglich, womöglich noch an dem Tage, an welchem die That begangen ist, eine Untersuchung anstellen und das Zeugniss des Angegriffenen soll gegen den Angreifer, seine Helfer und Hintermänner gültig sein. Der Magnat wird nach dem Grade der Verwundung des Bürgers in eine Strafe von 1000, 500 oder 300 Pfund Lire Bologneser Münze verurtheilt. Ist der Popolano erschlagen, so soll dessen Erben, beziehungsweise seinem Sohne, Bruder, Verwandten oder Zunftgenossen Glauben geschenkt werden. Erfolgt von den zur Anzeige Verpflichteten diese nicht, so werden sie von dem[WS 11] Capitano in Strafe genommen. Das Haus dessen, der einen Verbrecher aufnimmt und nicht ausliefert, wird zerstört und nicht wieder aufgebaut und der Besitzer bestraft, als hätte er selbst das Verbrechen begangen. Ebenso wird der Sohn oder Bruder oder ein dem vornehmen Geschlecht Angehöriger an Stelle des Uebelthäters bestraft. Aber auch die Magnaten, welche einen Popolano nur mit Worten beleidigen, werden hart bestraft und [280] der Podestà von Bologna, der acht Tage nach der Anzeige des Verbrechens die hier angeordneten Bestimmungen gegen den Schuldigen nicht angewendet hat, um 500 Lire gebüsst und abgesetzt. An seine Stelle tritt der Capitano und wenn auch dieser säumig ist, die Zunftvorstände. Alle öffentlichen Geschäfte werden inhibirt, bis dem Rechte Genüge geschehen ist. Und wenn ein derartiger Verbrecher nicht in die Gewalt der Obrigkeit kommt, wird er von dem Podestà in den Bann gethan, aus dem er unter keinen Umständen gelöst werden kann, und sein Namen ins Buch der Verbannten eingetragen.

Nicht weniger scharf sind andere Strafbestimmungen dieser ordinamenta sacrata et sacratissima Bolognas zum Schutze von Wittwen und Waisen der Volksangehörigen und der Klöster und der Bauern. Der Umstand, dass sie gleichzeitig gegen den Adel und den Klerus gerichtet sind, beweist, dass man es hier, wie in Florenz, mit einer Zeitströmung zu thun hat, welche auf die Durchführung gesetzlicher, von der Obrigkeit gegen die privilegirten Stände auf alle Weise zu beobachtender Ordnungen gerichtet war. Desshalb mussten auch die Angehörigen des Adels, deren Namen in dem Statut selbst aufgezeichnet sind, dem Podestà für sich und ihre Angehörigen, Väter, Söhne, Brüder und Enkel, für 1000 Lire Bologneser Münze und darüber nach dem Willen des Podestà diesem innerhalb eines Monats nach der Publication dieser Ordnungen gute und sichere Bürgschaft stellen, dass sie alles das beobachten wollen, widrigenfalls sie verbannt werden sollen[304].

Ich habe hier diesen kurzen Auszug aus den umfangreichen Statuten des Volks von Bologna aus dem Jahre 1282 nur gegeben, um zu zeigen, dass nicht die Florentiner allein gegen ihren Adel mit den schärfsten Strafmassregeln vorgingen, sondern dass nach dem Schlagworte dieser Zeit, dass der räuberische Wolf und das zahme Lamm gleichen Schritt halten sollen[305], überall da, wo dieselben Uebelstände bestanden, in ganz gleicher Weise gegen die Urheber derselben vorgegangen wurde. [281] Der hier sich entzündende Kampf ums Recht, d. h. um die Herstellung geregelter Rechtszustände musste einmal ausgefochten werden. Es war dazu nöthig, alle von den Gewaltthätern Geschädigten zu zwingen, ihr Recht zu suchen und ihnen die Beschaffung von Zeugen zu erleichtern, den Uebelthätern aber jede Unterstützung durch Helfershelfer und durch säumige und pflichtvergessene Beamte zu entziehen. Es waren revolutionäre, unsichere Zustände, aus denen sich eine neue sociale Gestaltung der Gesellschaft und eine wenn auch immerhin unvollkommene Rechtsordnung entwickeln wollten[306].

Wie es nun überall in solchen Zeiten zu geschehen pflegt, dass, wenn einmal irgendwo ein Heilmittel gegen die vorhandenen Uebel gefunden zu sein scheint, dieses leicht überall zum Gebrauch anlockt, so mag wohl auch die Einführung der ordinamenta sacrata et sacratissima in Bologna ihre Rückwirkung auf Florenz ausgeübt haben. Bei der engen Verbindung, in welcher die beiden grossen Guelfischen Städte diesseits und jenseits des Apennin standen und die sich auch darin ausdrückt, dass [282] Bologna wiederholt Podestaten und Capitani, z. B. Corso Donati (1285), von Florenz verschrieb, kann das gar nicht anders gewesen sein. Aber wenn man sagt, die Ordnungen der Gerechtigkeit seien, wie alle Institutionen in Florenz, nur Nachahmungen (imitazioni) von Bologneser Einrichtungen[307], so geht man viel zu weit. Das beweist schon die allmähliche Entstehung der Ordnungen der Gerechtigkeit. Und auch nach ihrer formellen Seite hin sind sie keine „Nachahmung“ der ungeschlachten Bolognesischen Statuten.

Die ersten Massregeln gegen die sich immer mehr steigernden Verbrechen, die wegen der Schwäche der von ihnen Betroffenen ungestraft blieben, stellte am 7. Juni 1285 der Prior Lotto degli Agli[308]. Er beantragte, dem Volkshauptmann Baldovino degli Ugoni bis zum 1. September des Jahres Vollmacht zu geben, jedes Verbrechen zu untersuchen und nach den Bestimmungen der Statuten oder nach eigenem Ermessen zu bestrafen, wenn der betreffende Fall in diesen nicht vorgesehen sei. Diese offenbar in die richterlichen Befugnisse des Podestà eingreifende Bestimmung wurde von den Volksräthen nicht für schon begangene, sondern für zukünftig stattfindende Verbrechen angenommen, und man befand die Massregel so praktisch, dass sie am 7. Juli bis zum 1. October und am 2. October bis zum 1. November verlängert wurde. Gleichzeitig wurden die Strafbestimmungen in Betreff der mit Verbannung Bestraften geschärft. Doch genügten diese Verordnungen nicht. Gerade ein Jahr nach dem letzten der hier angezogenen Rathsbeschlüsse ging man gegen den Adel systematisch vor[309], indem man dem Capitano Monaldo dei Monaldeschi von Orvieto bis zum 1. Januar die [283] Vollmacht ertheilte, alle die Magnaten, welche einen Popolano injuriirten oder in der Bewohnung ihrer Häuser und Bebauung der Ländereien belästigten, persönlich und an Hab und Gut (personaliter et realiter) zu strafen und sie zu zwingen, jenen das strittige Object zu einem angemessenen Preise abzukaufen. Die einfache, durch einen Eidschwur bekräftigte Aussage des Popolano genügte als Beweismittel gegen den Magnaten. Gleichzeitig wurde verfügt, dass alle Adlichen, deren Namen aufgezählt waren, für sich, ihre Söhne und Brüder, die 15 Jahre alt, eine Bürgschaft über 2000 Lire zu deponiren haben und versprechen müssen, diesem Statut unverbrüchlichen Gehorsam zu leisten. Verschiedene Strafen wurden gegen die Uebertretungen und Umgehungen desselben festgesetzt[310]. Zehn Tage darauf wurden diese Massregeln gegen die Magnaten noch weiter ausgedehnt, wenn sie den Verkauf von Grundstücken, auf die sie, angeblich mit Unrecht, Rechtsansprüche erhöben, verhinderten. Einstimmig nahmen die Volksräthe die hierzu nöthigen Statutenveränderungen [284] an. Die Räthe des Podestà, in denen die Magnaten noch Sitz und Stimme hatten, wurden, soviel ich sehe, nicht gefragt.

Man wird es dem Adel nicht verübeln dürfen, wenn er sich gegen diese Vergewaltigung erhob. Der Podestà und der Capitano und deren Gefolge wurde von ihm insultirt. Aber so kräftig erwies sich das Stadtregiment, dass der Podestà Bertoldo degli Stefani von Rom und der Capitan an demselben Tage, wo diese Excesse begangen waren, am 30. October, noch die Consiglien des Podestà und des Capitano zusammenberiefen, und der Capitano in denen des Podestà und dieser in denen jenes Anträge stellten, nach denen einige Statutenparagraphen bis zum 1. Januar 1287 aufgehoben werden sollten, durch welche sie in ihren richterlichen Machtbefugnissen gegen die Magnaten eingeschränkt wurden, und verlangten, dass man sie am Schlusse ihrer Amtsperiode nicht wegen ihres Vorgehens gegen diese belangen dürfe. Das wurde beschlossen, ohne dass, wie es scheint, der Adel irgend welchen Einspruch erhob. Am 18. Januar 1287 wurden diese Ordnungen verlängert, jedoch nicht ohne dass man sie in einigen Punkten wenigstens modificirte. Man fand sie doch zu hart und unausführbar. Namentlich wurden die Satzungen über die Bürgschaft reformirt. Wenn der Vater für den Sohn und der Bruder für den Bruder und umgekehrt gebürgt hatten, so sollte dann je Eine Bürgschaft genügen[311].

Mit diesen Bestimmungen scheint man sich die nächsten Jahre beholfen zu haben. Es sind uns wenigstens keine Abänderungen derselben bekannt. Die kriegerischen Ereignisse, welche sich in dieser Zeit abspielten, hatten die Gedanken der Bürgerschaft auch mehr nach Aussen gelenkt. Aber gerade durch Erfolge im Felde musste ja die Macht und das Ansehen der Granden, die noch immer die geborenen Führer im Feldlager und bei den diplomatischen Verhandlungen waren, sich von selbst wiederherstellen und von Neuem kräftigen. Und so [285] geschah es auch jetzt. Die beiden Chronisten der Zeit, G. Villani und Dino Compagni, stimmen darin ganz überein, dass der Guelfische Adel durch die Siege über Arezzo und Pisa noch hochmüthiger und gewaltthätiger geworden, das Volk „über das gewohnte Mass hinaus“ belästigt habe. Die beiden Chronisten sind allerdings gute Popolani und parteiisch gesinnt[312]. Aber die Logik der Thatsachen spricht für die Richtigkeit ihrer Behauptungen. Um die Macht der adlichen Familien zu brechen und das Uebel mit der Wurzel auszurotten, beschlossen die Führer der Volkspartei daher zunächst, die Bewohner der Grafschaft für sich ganz zu gewinnen, indem sie die am härtesten vom Adel Gedrückten aus der Knechtschaft desselben befreiten. Zwei Monate nach dem Siege von Campaldino wurde am 6. August 1289 durch einen im Hause des Giani Forese gefassten Beschluss der Prioren und Rathsmänner, denen durch die Consiglien hierzu Vollmacht gegeben war, die Leibeigenschaft im Machtbereiche der Comune aufgehoben. „Denn die Freiheit“, so hebt dieses Statut an, „durch welche eines Jeden Willen nicht von einem fremden, sondern von dem eigenen Gutdünken abhängt, wird durch das natürliche Recht vielfach verherrlicht, durch sie werden Staaten und Völker (civitatis et populi) vor Unterdrückung bewahrt und in ihrem Rechte geschützt und vermehrt.“ Desshalb soll Niemand auf irgend eine Weise weder für immer noch auf Zeit hörige oder sonst wie abhängige und unfreie Leute kaufen, und Niemand, welchem Stand er auch angehören möge, derartige Leute verkaufen. Alle Verträge hierüber sind an sich nichtig und rechtswidrig und die, im Betreff deren sie abgeschlossen, für sich und ihre Nachkommen freie Leute. Alle Richter und Notare und Zeugen, welche bei der Ausfertigung von Urkunden über derartige Verkäufe mitwirken, werden um 1000 Lire Kleinmünze gestraft. Dagegen kann Jeder der Comune von Florenz Hörige u. s. w. verkaufen und seine Rechte an ihnen übertragen, wie sich denn auch die Hörigen von ihren Herren loskaufen können und diese ihre Hörigen zu diesem Zwecke verkaufen und für frei erklären können. Dieses Gesetz soll seine Gültigkeit vom 1. Januar 1289 an haben[313].

[286] Hiermit waren die Bande, welche die Hörigen u. s. w. an die Scholle gefesselt, gesprengt, der Zuzug zur Stadt freigegeben und der Mobilisirung des Grund und Bodens freies Feld geöffnet. Denn wie Viele wollten denn noch als Hörige dem Adel und Klerus die Felder bestellen? Und diese sahen sich desshalb gezwungen, ihre Grundstücke an die Stadt oder die Städter, welche sie bezahlen konnten und durch freie Arbeiter sie bestellen liessen, zu verkaufen. Dem Besitzstand des Adels war damit eine nie wieder vernarbende Wunde geschlagen.

Doch damit glaubte man noch nicht genug gethan zu haben, um die bisher geübte Präpotenz des Adels zu brechen. Waren doch viele dieser freien Herren im Besitze von kaiserlichen und anderen Privilegien, welche ihnen einen besonderen Gerichtsstand gewährten und die Leute ihrer Güter und Ortschaften ihrem Gerichtsstand unterstellten. Auch diese Ausnahmestellung wollten die Bürger von Florenz nicht mehr ertragen, und so wurde denn am 31. Januar 1291 ein sehr ausführliches Statut in zehn Rubriken gegen alle die, welche den Gerichtsstand des Podestà, des Capitano und der übrigen Beamten der Comune nicht als den ihrigen und einzig gesetzmässigen anerkennen wollten, „zu Ehren und zur Stärkung des Regiments des Herrn Podestà und des Capitano und des Amtes der Herren Prioren der Zünfte, und zur Stärkung und Vertheidigung der Handwerker (artificum) und Zünfte, und damit die Bürger und Grafschaftsbewohner nicht ferner, wie bisher geschehen, unterdrückt würden“, erlassen. Das Gefühl, dass mit diesen sehr ausführlichen, ins Detail nach allen Möglichkeiten eingehenden Bestimmungen doch des Guten etwas zu viel geschehen sei, scheint den Redactoren derselben doch vorgeschwebt zu haben. Denn sie berufen sich auf den Satz eines Weisen, nach dem man nur „Widriges mit dem Widrigen“[314] austreiben könne. Auch hier werden die Geschlechtsgenossen [287] gegenseitig für einander verantwortlich gemacht und die Renitenten mit harten Strafen belegt und für rechtlos erklärt.

Angesichts dieser Statuten und der Thatsache, dass die Granden keine Versuche machten, diese Gesetzgebung principiell zu bekämpfen, könnte es scheinen, dass nur die innere Consequenz der einmal eingeschlagenen Richtung oder Schlimmeres, das Verlangen nach Rache und kein wirkliches, begründetes Bedürfniss, die Führer der Volkspartei angetrieben habe, noch weiter in der Beschränkung und Vernichtung der Privilegien des Adels zu gehen. Und doch möchten hier die Dinge etwas anders liegen, wenn auch keineswegs geleugnet werden soll, dass es damals schon in Florenz gewissenlose Demagogen und kalte Rechtsfanatiker gegeben hat. Da der Adel in den Räthen des Capitano und des Podestà entweder gar nicht zum Worte kam oder doch stets in der Minorität blieb, desshalb also auf die legale Bekämpfung dieser Statuten keinen Werth legen konnte, trieb ihn das, abgesehen seiner inneren Zerklüftung und seiner absoluten numerischen Schwäche[315], zu einer um so erbitterteren persönlichen Bekämpfung dieser neuen Ordnungen auf Nebenwegen oder auf den Bahnen der Gewalt. Die Ausführung der Gesetze durch die Beamten der Comune liess jedenfalls viel zu wünschen übrig. Wozu wären auch sonst die harten Strafandrohungen gegen sie in jedem Gesetze nöthig gewesen? Manche Magistrate [288] scheinen freilich höchst summarisch alle ihnen zur Aburtheilung Zugewiesenen bestraft zu haben, so dass dann die Processe der Verurtheilten wieder aufgenommen werden mussten. Ob die Herabsetzung der Amtsdauer des Podestà, die im Sommer 1289, ohne dass wir etwas Näheres darüber erfahren, von einem Jahr auf 6 Monate bleibend verringert wurde, mit derartigen Dingen zusammenhängt, die uns die Provisionen[316] melden, bleibt ungewiss. Jedenfalls gestattete die von Dino Compagni mit den stärksten Ausdrücken gebrandmarkte Nichtswürdigkeit vieler Richter dem Adel leicht und oft, die Statuten zu umgehen. Einzelne Granden mochten es wohl auch nicht für unmöglich halten, durch ihren Einfluss und ihr Ansehen bei dem niederen Volke zu gelegener Zeit diese ganze Gesetzgebung über den Haufen zu werfen. Wenn der hochmüthige und zu jeder Gewaltthat und Intrigue fähige Corso Donati auf stolzem Streitrosse durch die Stadt ritt, und die Volkshaufen: Der Baron, der Baron! ihm zuriefen, da mochte der scrupellose Aristokrat wohl hoffen, mit den Wollkrätzern und Plusmachern eines schönen Tages noch gründlich abzurechnen. Und er hat das in seiner Weise, jedoch ohne seine letzten Zwecke zu erreichen, auch gethan. Aber gerade derartige Erscheinungen liessen die Führer der Bürgerschaft nicht mit dem schon Erreichten sich begnügen, sondern nach noch stärkeren Sicherheiten für ihre Errungenschaften trachten. Sie fanden dazu auch, wie es häufig in solchen Zeiten der Classenkämpfe geschehen ist, einen der Aristokratie angehörigen Mann, der sich an die Spitze der popularen Bewegung gegen den Adel stellte.

Giano di Messer Tedaldo della Bella gehörte einem der sieben ältesten Adelsgeschlechter von Florenz an, welche in der Badia von Florenz ihr Erbbegräbniss hatten. Die Familie war ursprünglich Ghibellinisch gewesen, Giano hatte sich aber in eine Zunft eintragen lassen und war Guelfisch geworden. In der Schlacht von Campaldino hatte er Ritterdienste gethan und sein Pferd verloren. Verschiedene Impulse bewegten seine Seele. Er war von einem lebhaften Selbstbewusstsein [289] beherrscht und daher empfindlich für Kränkungen und zu Rachsucht geneigt. Dagegen aber auch uneigennützig und ein Freund der Gerechtigkeit. „Gern vertheidigte er, was Andere aufgaben, und sprach aus, was Andere verschwiegen; die Rectoren der Comune fürchteten ihn so, dass sie sich hüteten, die Verbrecher ungestraft zu lassen“[317]. Kurz, eine herrische, ihres guten Willens sich bewusste Natur, ohne hervorragende politische Begabung. Vielleicht hatte den stolzen Mann eine schwere Beleidigung, welche ihm einer der vornehmsten und hitzkopfigsten Granden, Betto de’ Frescobaldi, in (einer Rathsversammlung?) der Santa Reparata damit zugefügt hatte, dass er ihn an der Nase ergriff und sie abzuschneiden drohte, wenn er auf einer Privatforderung bestehe, ganz in das Lager der eifrigsten Popolanen und schlimmsten Feinde der Granden getrieben[318]. Durch seine Verwandtschaft mit den einflussreichen Magalotti, die sehr eifrige Popolanen waren, wurde er vielleicht auch noch bestimmt. Nachdem er 1289 vom 15. August an dem Priorencolleg angehört hatte und zu grossem Ansehen bei der Bürgerschaft gelangt war, trat er in Verbindung mit den Führern der Volkspartei, unter denen uns namentlich Duccio und Cione Magalotti, Corso Mancini, Lapo Talenti, Donato Alberti, Albizzo Corbinelli, Boninsegna Beccanugi, Baldo Ruffoli, Giova Aglioni, Rosso Bacherelli unter vielen anderen vornehmen Popolanen namentlich überliefert sind[319]. Eine Codification [290] der einzelnen Rathsbeschlüsse, welche das Volk gegen die Unterdrückung durch die Granden schützen sollten, eine weitere Ausdehnung und Verschärfung derselben in den Strafbestimmungen gegen die Granden und in Verbindung hiermit eine neue Redaction aller der Bestimmungen, welche seit der Einführung des Priorats die Herrschaft des Popolo befestigt hatten, erschien diesen Männern als das zu erstrebende Ziel. Gegen das Ende des Jahres muss die volksthümliche Bewegung ihres Erfolges sicher gewesen sein, denn die letzten Prioren dieses Jahres, unter denen sich jedoch keiner der genannten Freunde Giano’s befand, brachten einen Entwurf von Ordinamenta canonizzata am 10. Januar 1293 im Rathe der Hundert ein, welchen in ihrem oder ihrer Amtsvorgänger Auftrag drei Rechtsgelehrte, Donato di M. Alberto Ristori, M. Ubertino della Strozza und M. Baldo Aguglioni[320] ausgearbeitet hatten. Sofort wurde im Rathe der Hundert mit 72 gegen 2 Stimmen der Entwurf mit einigen Abänderungen genehmigt und am 18. Januar nach seiner Annahme in den übrigen Räthen zum ewigen Gesetze der Comune Florenz erhoben. Dieser Entwurf enthielt die Ordinamenta justitiae, wie sie jetzt genannt wurden. War bei der Redaction derselben ein näherer Parteigenosse Giano’s, Alberto Ristori, in erster Linie thätig gewesen, so wurde er selbst mit zwei anderen Freunden, M. Albizzo Corbinelli und Baldo de’ Ruffoli, in die nächste Signoria am 15. Februar 1293 gewählt. Baldo bekleidete das erste Gonfalonierat der Gerechtigkeit, eine Würde, welche durch diese Ordnungen mit grossen Machtbefugnissen ausgestattet, ins Leben gerufen wurde. Der Podestà Tebaldo Brusciati von Brescia und der Capitano Corrado de Sorrecina waren der Neuerung offenbar günstig gestimmt.

[291] Sind diese Ordnungen auch nicht genau in der Fassung erhalten, in welcher sie aus den Consiglien am 18. Januar 1293 hervorgingen, so sind wir doch so vollständig über sie unterrichtet, wie kaum über irgend ein anderes Product der gesetzgeberischen Thätigkeit der Florentiner. Denn wir besitzen noch den Entwurf derselben, wie er den Räthen vorgelegt wurde, und eine Ausfertigung aus dem Jahre 1295, welche sich von der am 18. Januar 1293 genehmigten nur durch einige wenige Abänderungen unterscheidet. Jener liegt in dem Abdrucke vor, den uns Bonaini im Archivio storico zugänglich gemacht hat, diese in der Ausgabe von Fineschi[321].

In den achtundzwanzig Rubriken, in denen der nicht ganz homogene Stoff dieser Ordinamenta justitiae untergebracht ist, werden zunächst die einundzwanzig Zünfte[322], die zwölf oberen und neun unteren, der Reihe nach aufgezählt und diese aufgefordert, durch einen Eidschwur ihrer Syndici die Aufrechterhaltung dieser Ordnungen feierlich zu geloben und zur Ausführung derselben auch dadurch bereitwillig mitzuwirken, dass sie jede einem ihrer Zunftgenossen angethane Beleidigung zur Anzeige zu bringen versprechen. Ausser dieser beschworenen Einigung sollen bei schweren Strafen keine anderen Verbindungen und Eidgenossenschaften unter den Zünften erlaubt sein. Der folgende Artikel handelt von der Wahl der Prioren und ist von der einschneidendsten Bedeutung. Denn hier wird festgesetzt, dass Niemand zum Prior gewählt werden könne, der [292] nicht ein Handwerk wirklich dauernd betreibe und einer Zunft angehöre, und Niemand, der ein Ritter (miles) sei[323]. Damit war der Adel dauernd von der Betheiligung an der Signoria, der ein besonderer Bannerherr der Gerechtigkeit (vexillifer justitiae) hinzugefügt wird, ausgeschlossen[324]. Dieser Gonfaloniere wird besonders gewählt, hat aber Sitz und Stimme in der Signoria wie die übrigen sechs Prioren. Seine Aufgabe war die Aufrechterhaltung der Ordnung der Gerechtigkeit gegen die Magnaten mit der ihm jährlich zur Verfügung gestellten Schaar von tausend erlesenen Popolanen zu erwirken. Hatte man sich durch diese bewaffnete Truppe, die von der von dem Capitano befehligten Bürgerwehr der Zünfte streng geschieden ist, ein Instrument geschaffen, den Gewaltthaten des Adels entgegenzutreten, so liess man nun diese auch das Uebergewicht einer in den Besitz der Alleinherrschaft gekommenen Partei recht hart empfinden.

Jede Tödtung oder tödtliche Verwundung eines Popolanen durch einen Magnaten bestraft der Podestà mit Hinrichtung des Thäters und Zerstörung oder Einziehung seiner Habe. Ist dieser [293] entflohen, so ist sein Bürge für die Strafsumme haftbar, kann sich dafür aber an den Gütern des Thäters schadlos halten. Ist ein Popolano von mehreren Magnaten erschlagen, so werden auf die Anzeige der Angehörigen des Ermordeten der Urheber des Anfalls und der Todtschläger mit dem Tode, die übrigen mit schweren Geldbussen bestraft. Unterlassen die Angehörigen die Anzeige, so haben die Rectoren einzuschreiten[325]. Verwundungen eines Popolano durch einen Magnaten werden je nach dem Grade der Verwundung durch Strafen bis zu 2000 Gulden Kleinmünze gebüsst. Diese Strafen werden kurzer Hand von dem Podestà auf Anzeige des Geschädigten oder wenn er getödtet ist, auf die Aussagen seiner Angehörigen oder zweier glaubwürdiger Zeugen[326] erkannt. Jede friedliche Privatverständigung (pax) der in Händel Gerathenen ist diesen Bestimmungen gegenüber als nicht vorhanden zu betrachten. Wenn ein Popolano sich in Händel der Magnaten einlässt und dabei verwundet wird oder als Diener eines solchen von diesem verletzt ist, hat der Podestà nach dem gemeinen Strafrecht zu erkennen.

Wie in Bologna hat der Capitano, wenn der Podestà nicht gegen die Magnaten einschreitet, den Process gegen sie zu führen und das Urtheil zu vollstrecken. Versäumen beide Rectoren ihre Pflicht, so tritt der Gonfaloniere di Giustizia ein, beide Rectoren werden abgesetzt und hart bestraft. Bis die Vollstreckung des Urtheils durch den Gonfaloniere vollzogen ist, schliessen dann alle Zunftgenossen ihre Magazine (apothecae) und treten unter die Waffen. Andere Bestimmungen sind gegen die Vergewaltigungen des Volks durch die Magnaten in Betreff des Grundbesitzes gerichtet. Den Magnaten wird zu Gunsten der Popolanen der Erwerb von Grund und Boden erschwert. Zur Berichtigung von Geldbussen darf kein Popolano einem Adlichen Geld leihen und jeder Popolano ist bei Geldstrafe verpflichtet, jede Vergewaltigung von Seiten eines Magnaten zur Anzeige zu bringen. Die Rectoren sollen durch Kundschafter die Befolgung dieser Anordnung überwachen lassen und anonyme [294] Denunciationen, die in zwei Kästen deponirt werden können, annehmen. Falsche Angaben und falsche Zeugen sollen bestraft werden. Das nahm man gegen den ursprünglichen Entwurf doch in die Ordinamenta auf. Aber bezeichnend genug überliess man die Festsetzung des Strafmasses den Rectoren[327].

Um die den Magnaten angedrohten Strafen, wenn auch nicht sämmtlich, so doch zum guten Theile vollstrecken zu können, haben sämmtliche Magnaten vom 15. bis 70. Lebensjahre, deren Geschlechtsnamen in den officiellen Magnatenverzeichnissen eingetragen sind, jährlich am 1. Januar Bürgschaft zu leisten, wie dieses schon in dem Statut der Comune (vom 2. October 1286) vorgesehen war[328]. Keinem der wegen eines Vergehens gegen einen Popolanen bestraften Magnaten darf diese Strafe erlassen werden; selbst das Begnadigungsrecht der Comune, welche alljährlich mehrmals an kirchlichen Feiertagen dem Schutzpatrone der Stadt zu Ehren Gefangene frei gab, wurde für sie ausgeschlossen.

Ausser diesen hier nur in ihren wichtigsten politischen Bestimmungen kurz wiedergegebenen Festsetzungen finden wir noch einige andere Massregeln angeordnet, die sich nur zum Theile noch auf die Magnaten direct beziehen. Sie dürfen sich [295] ohne besondere Erlaubniss nicht an dem Orte zeigen, wo die Rathsversammlungen des Capitano gehalten werden; beleidigen sie ein Mitglied der Signoria und deren Beamte, so werden sie mit der doppelten Strafe belegt, welche gegen sie erkannt worden wäre, wenn sie einen einfachen Popolano angegriffen (offendere) hätten. Verbalinjurien der Magnaten gegen die Rectoren der Stadt, in deren Anwesenheit oder dritten Personen gegenüber oder in Rathsversammlungen begangen, werden von diesen nach Gutdünken mit bleibender oder vorübergehender Ausweisung bestraft. Um sich die ihnen auferlegten Strafsummen zu verschaffen, darf kein Magnat eine Anleihe bei Strafe bei einem Popolano machen. Ob die Bestimmungen, welche gegen die Corruption der Bürgerschaft erlassen wurden, und durch die ein jeder, der Bestechung und Betrug und Verrath[329] an der Comune begangen hatte, für unwürdig erklärt wurde, ein Amt der Republik zu bekleiden, und allen nicht in Florenz Geborenen verboten war, als Anwalt in der Stadt aufzutreten, mit den nächsten Aufgaben der Ordinamenta näher zusammenhängen, oder mehr zufällig in diese Sammlung gerathen sind, mag dahingestellt bleiben. Vielleicht täuschten sich die Gesetzgeber auch nicht über die moralischen Wirkungen, die diese Kampfgesetze gegen die Gewaltthätigkeiten des Adels heraufbeschwören mussten, und man wollte damit allen Umgehungen derselben durch bedenkliche Auslegungen und Bestechungen des Richterstandes einen Riegel vorschieben. Die Stellung dieser Bestimmungen an den Schluss der Ordinamenta, denen dann in einer Constitutio generalis der Vorrang vor allen übrigen Gesetzen der Comune, ihre Rechtsbeständigkeit und Unveränderlichkeit für alle Zeiten in den stärksten Ausdrücken und unter den schwersten Strafandrohungen feierlich bestätigt und zugesichert wird, macht es wahrscheinlich, dass auch sie als Bollwerke für die legale Durchführung des Gesetzeswerkes dienen sollten.

Mit dem Inkrafttreten dieser Ordnungen der Gerechtigkeit ist eine Entwicklungsperiode der Geschichte von Florenz zum Abschlusse gekommen, in welcher diese Comune aus einer von feudalen Instituten ganz durchsetzten Gemeinde zu einem, wenn auch nicht [296] durch überall billige und gerechte Gesetze, immerhin aber doch durch Gesetze gebundenen Staatswesen sich in überschiessender Lebenskraft hindurch gekämpft hat. Es ist die Epoche, in der Dante Allighieri geboren wurde und heranwuchs, der Mann, der diesem Gemeinwesen noch das Zweite, das nach Thomas von Aquino neben dem Bestande von geordneten Rechtsverhältnissen zur Bildung eines Culturstaates nöthig ist, die Literatur in der Volkssprache, in nie übertroffener Grösse schuf. Wie aber dieser gewaltige Geist, der mit allen Fasern seines geistigen Seins im Mittelalter wurzelte, sich mit der ihm zeitgenössischen Entwicklung seiner heissgeliebten Vaterstadt nicht befreunden konnte, so wollten auch die mittelalterlichen Herren dieser Stadt, die „räuberischen Wölfe“, sich nicht von den „zahmen Lämmern“ durch eine schwere Hürde festgefügter und harter Gesetzesbestimmungen, die man über sie geworfen hatte, ersticken lassen. Der Kampf um den Bestand der Ordnungen der Gerechtigkeit bestimmte den Charakter der folgenden Epoche der Florentinischen Geschichte.




Beilage.

Beschluss des Rathes der Stadt Florenz betreffs der Steuerveranlagung. 1288 August 5.

Archivio di Stato di Firenze. Archivio della Repubblica. Provvisioni. Libro 1°. Carte 92 (tergo).

In dei nomine amen. anno sue salutifere incarnationis millesimo ccolxxxviijo, indictione prima, die quinto intrante mense augusti. Precona convocatione campaneque sonitu nobilis vir dominus Gerardus de Josano de Cremona defensor artificum et artium capitaneus et conservator pacis civitatis Florentie suum consilium speciale et capitudinum duodecim majorum artium civitatis predicte in ecclesia Sancti Petri Scheradii fecit more solito congregari. in quo quidem consilio, presentibus et volentibus dominis prioribus artium, post debitam provisionem super infrascriptis per ipsos dominos priores solemniter factam predictus dominus defensor et capitaneus infrascripta proponens, consilium sibi pro communi petiit exiberi, videlicet si videtur dicto consilio et capitudinibus utile fore pro communi Florentie teneri et fieri opportuna consilia super extimo et de extimo de novo per commune Florentie presentialiter faciendo vel saltem de reformando et reaptando extimum, quod nunc est in dicto communi, et [297] hoc cum dicatur, predicta fore utilia immo expedientia dicto communi multis rationibus et causis et maxime eo, quod dictum presens extimum editum et factum fuit nullis in eo ordine justitia vel equalitate servatis, et quia multi a tempore citra, quo ipsum extimum factum fuit, valde ditiores effecti sunt et e contra multi, qui tunc in divitiis abundabant, a dicto tempore cito effecti sunt pauperes et egeni.

Dominus Ugho Altoviti judex surexit et arengando consuluit, utile fore pro communi Florentie teneri et fieri opportuna consilia super predictis supra propositis, secundum quod in ipsa propositione plenius continetur.

In reformatione cujus consilii preaudito consilio in predictis exibito et demum per ipsum dominum defensorem et capitaneum exquisita voluntate dicti consilii et capitudinum, primo faciendo partitum ad sedendum et levandum et postmodum ad pissides et ballottas super predictis supra propositis secundum formam statutorum placuit et visum fuit xxxve ex dictis consiliariis et capitudinibus, utile fore pro communi predicto teneri et fieri opportuna consilia super predictis supra expressis secundum formam propositionis jamdicte; nam ipsi xxxe hoc volentes posuerunt ballottas in pisside albo, in quo scriptum est „sic“, illi vero, quibus predicta displicuerunt, ponentes ballottas in pisside rubro, in quo scriptum est „non“, in contrarium fuere solummodo xjcim numero computati, extractis de dictis pissidibus visis et numeratis dictis ballottis in ipsius consilii presentia et conspectu.

Item incontinenti et immediate die predicta in consilio generali et speciali ejusdem domini defensoris et capitanei et capitudinum artium predictorum precona convocatione campaneque sonitu mandato dicti domini defensoris in dicta ecclesia more solito congregatis, presentibus et volentibus dominis prioribus artium, predictus dominus defensor et capitaneus predicta omnia et singula in predicto consilio speciali et capitudinum supra proposita provisa et deliberata proposuit, supra hiis consilium pro communi sibi petens: videlicet quid et quomodo videtur et placet dicto presenti consilio in predictis et de predictis providere et firmare utile pro communi.

Item proposuit dictus dominus defensor et capitaneus et sibi pro communi consilium petiit exiberi, quomodo et qua forma eligi debeant xxviijo officiales per formam statutorum communis eligendi ad pensandum pro ipso communi granum et bladum et etiam farinam, quod et que pensatur et pensari debet ad pensas dicti communis, dummodo in ipsa electione servetur forma ordinata super hujusmodi officialium electionem per formam statuti nuper editi in predictis.

[298] Ser Cione Ballionis [?] surexit et arengando consuluit, quod in presenti consilio firmetur de novo extimo faciendo per commune Florentie et quod iiijor extima fiant, item quod ipsi officiales ad pensas communis eligendi, ut dictum est, eligantur hoc modo: scilicet quod tres ex ipsis officialibus eligantur pro quolibet sextu, secundum quod consiliarii et capitudines sextuum super ipsa electione facienda concordes fuerint.

Bindus Nigri Ambroxii surexit et arengando consuluit, quod per commune Florentie fiant solum tria extima, quorum quodlibet duret solummodo per unum annum, et dirimatur brevium sorte, ad quod ipsorum extimorum primo anno et ad quod secundo anno et ad quod tertio anno libre imponi debeant pro communi predicto. dummodo anno finito incontinenti comburatur extimum, ad quod pro ipso tunc preterito anno impositiones librarum facte fuerint, et quod ad ipsa tria extima facienda procedatur hoc modo: videlicet quod per dominos priores artium eligantur iiijor pro canonica et duo pro cappella ad quodlibet ipsorum extimorum faciendum.

Ser Torna de Remulo notarius surexit et arengando consuluit. quod in presenti consilio firmetur de novo extimo per commune Florentie faciendo, verumtamen modus, via et forma faciendi ipsum extimum liberaliter et totaliter remaneat et sit in dominis potestate, capitaneo et officio dominorum priorum artium et sapientium virorum: quos et quot semel et pluries habere voluerint ad predicta, et valeat et teneat et firmum sit, quod fecerint in predictis, ac si per presens consilium factum esset.

Dominus Bardus Angiolerii judex surexit et arengando consuluit, quod ad presens supersedeatur in dicto extimo faciendo de novo et hoc differratur usque ad festum omnium sanctorum; tamen interim exquiratur et procuretur de habendis modis et formis, quos et quas communia Luce Senarum Pistorii et Prati servant in eorum libris faciendis, et interim etiam provideatur de quantitate extimi civitatis et comitatus et quomodo dividi et partiri debeat inter magnates et populares.

Dinus filius Jannis surexit et arengando consuluit super predictis supra propositis, quod in presenti consilio firmetur de extimo de novo faciendo, et sit et fiat dictum extimum ita, quod sit in quantitate et secundum qua est presens extimum tam in civitate quam comitatu; et ad ipsum extimum faciendum hoc modo procedatur: videlicet quod per dominos priores artium eligantur sex boni et discreti viri populares et artifices pro quolibet sextu, qui provideant viam et modum, secundum quem et quam dictum extimum fieri debeat et partiri, et totidem sapientes et boni viri eodem modo ad predicta [299] providenda per ipsos priores de magnatibus civitatis Florentie eligantur, quorum provisiones ad simile consilium reducantur et tunc secundum voluntatem dicti consilii procedatur.

Cinus Paganuccii surexit et arengando consuluit, quod extimum de novo fiat et fiant xijcim extima, ita tamen quod ultro unam libram non possit imponi ad aliquod ipsorum extimorum; et fiant ipsa extima hoc modo: scilicet quod quodlibet eorum fiat per xijcim iiijor[330] pro canonica et per xijcim coppias pro cappella; quibus extimis factis deponantur ipsa extima apud aliquod locum religiosum.

Noffus Quintavalle surexit et arengando consuluit, quod extimum de novo fiat, tamen non fiat certa summa extimi et etiam aliqua divisio non fiat inter sextus vel populos.

Miglacius Pelliparius surexit et arengando consuluit, quod super modo et forma dicti extimi faciendi capitudines xijcim majorum artium habeant consilia suarum artium, que consilia supra predictis per ipsas artes exibenda reducantur in scriptis et postmodum ad presens consilium reducantur, et secundum quod tunc dicto consilio placuerit, in predictis procedatur.

Albiczus Orlandini surexit et arengando consuluit, quod extimum de novo fiat et sit ipsum extimum in summa triginta centonar. miliar.; et de ipsa quantitate extimi predicti fiat divisio inter civitatem et comitatum, secundum quod videbitur dominis prioribus artium et sapientibus viris, quos ad hoc eligere voluerint; et in dicta summa et quantitate fiant iiijor extima per illos, quos et quot domini priores ad hoc eligere voluerint et habere; et non possit imponi nisi una libra pro quolibet ipsorum extimorum, ita quod ad ipsa extima exactis iiijor libris ipsa extima sint cassa et vana, et tunc ad extimum de novo faciendum procedatur.

Dominus Lapus Saltarelli surexit et arengando consuluit, quod super predictis supra propositis hoc modo procedatur: scilicet quod per dominos priores artium eligantur xviijo vel xxiiijor boni et legales viri magnates, populares et artifices et coram eis proponatur, si eis videtur et placet, quod extimum de novo fiat; et si eis videbitur, provideant modum et formam, secundum quem et quam dictum extimum fiat; et quod per eos in hiis provisum fuerit, reducatur ad presens consilium.

In reformatione cujus consilii, preaudito consilio in predictis exibito et demum per ipsum dominum defensorem et capitaneum factis et revolutis partitis ad sedendum et levandum, super predictis supra propositis particulariter secundum formam statutorum placuit [300] decem partibus et ultro jamdicti consilii et per eos obtentum et firmatum fuit, quod hujus consilii auctoritate firmum sit de novo extimo ad presens per commune Florentie faciendo; verumtamen modus, forma et via ipsius novi extimi faciendi, et que circa predicta providenda et facienda sint, pro dicto extimo bene et equaliter faciendo remaneant et sint in provisione et determinatione dominorum potestatis, defensoris et capitanei et dominorum priorum artium presentium vel futurorum una cum illis sapientibus et bonis viris, quos et quot ad predicta semel et pluries et quotiens eligere voluerint et habere: per quos possint et debeant presentis consilii auctoritate provideri et firmari in predictis et circa predicta, quecumque eisdem placuerint et secundum quod eis videbitur convenire, dumtamen omnia et singula per eos in predictis providenda et facienda reducantur et proponantur ad generale et speciale consilium domini defensoris et capitudinum artium predictarum, et secundum quod tunc per ipsum consilium provisum fuerit, firmitatem habeat et effectualiter observetur.

Item quod predicti xviijo officiales eligendi ad pensas communis Florentie, ut dictum est, eligantur hoc modo et forma: scilicet quod tres ex ipsis officialibus eligantur per consiliarios et capitudines cujuslibet sextus presentis consilii, secundum quod concordes fuerint de ipsa electione facienda, dummodo in hoc servetur forma super hujusmodi electione officialium ordinata.

Presentibus testibus domino Bonaccurso de Cremona milite capitanei et Daviczo Bollietti precone dicti domini defensoris et aliis. et ego Bonsegnore olim Gueczi civis Mutinensis imperiali auctoritate notarius et nunc consiliorum communis Florentie et domini defensoris scriba hiis omnibus interfui et ea publice scripsi.



Anmerkungen

  1. Es ist wohl nicht zufällig, dass der Hinweis auf die Abstammung der Florentiner von den Römern von einem Juristen ausgeht. Die Wiederbelebung des römischen Rechtes in Italien, die Reaction gegen das germanische Recht, ist der Keim gewesen, aus dem sich die gesammte Renaissance entwickelt hat. Die wissenschaftliche Jurisprudenz ist ja auch das Bedeutendste, was der römische Geist geschaffen hat. Das lebhafte Gefühl des Zusammenhangs mit der römischen Vergangenheit, das sich in der Periode der mittelalterlichen Geschichte Italiens, die mit 1250 anhebt, überall ausspricht, steht mit der ganzen Cultur im engsten Zusammenhang, ist aber zuerst von den Juristen ausgegangen. Die Einwirkung dieser auf die Ausgestaltung der seit c. 1250 umgebildeten italienischen Staaten, „die sich ganz in romanischer Weise entwickelten“, und in denen „das durch die Longobarden, die Franken und Deutschen überbrachte Germanische verschwand“ (Leo, Geschichte Italiens II, 350), ist bekannt, wenn auch noch nicht im Einzelnen genügend untersucht. Die Ausscheidung der Adelsherrschaft in den Comunen bildete einen der charakteristischsten Züge der fortschreitenden Romanisirung Italiens im Mittelalter. Diese ist aber nicht von den nicht mehr vorhandenen Ueberresten altrömischer Familien, sondern von der durch Verschmelzung verschiedener Racen neu entstandenen italienischen Nation ausgegangen.
  2. G. Villani I, 41 u. IV, 1.
  3. Villani VI, 63. E eziandio i Fiorentini si spacciavano in Tunisi per Pisani; dies gilt für die Zeit nach 1252. In diesem Punkte ist G. Villani gewiss ein unverdächtiger Zeuge.
  4. Cont. de Guill. de Tyr. p. 218 bei Heyd, Histoire du commerce I, Hartwig, 318, u. Quellen u. Forschungen etc. II, S. 232.
  5. Quellen u. Forschungen etc. I, S. 92.
  6. S. die Urkunde in Quellen u. Forschungen etc. II, S. 192.
  7. Tiraboschi, Vetera Humiliatorum monumenta II, 101. Die Schrift von F. Mariotti, Storia del lanificio Toscano. Torino 1864 enthält nichts wesentlich Neues.
  8. Florentiae Urbis et Reipublicae Descriptio aus dem Jahre 1339. Jetzt am besten bei Frey, die Loggia dei Lanzi p. 120.
  9. In einer Urkunde vom October 1251 werden panni Sanenses qui dicuntur Florentini d. h. dem Zusammenhange nach Tücher, die in Siena nach Florentiner Weise fabricirt wurden, erwähnt.
  10. Quellen u. Forschungen etc. I, S. 88 u. f.; II, S. 170 u. f.
  11. Edward A. Bond hat in der Archaeologia vol. XXVIII (Jahrg. 1840), S. 207 u. f., auf Grund von 211 Urkunden des englischen Staatsarchivs die den englischen Königen im 13. u. 14. Jahrhundert von italienischen Kaufleuten gewährten Anleihen zusammengestellt. (Ueber die neuere hier einschlagende Literatur s. The Athenaeum 1887 vom 19. November p. 677 u. Hansisches Urkundenbuch III, S. 407 u. f. u. S. 586.) Es kommen in ihnen fast nur tuscische Geldleute vor. Nur einige Male werden Piacentiner erwähnt. Es ist auffällig, dass nur Banquiers aus Binnenstädten erwähnt werden, keine aus Seeplätzen, wie etwa Pisa, Genua. Man sieht, das Capital suchte in ihnen andere Wege als in den Industriestädten.
  12. Villani X, 4. Villani war bekanntlich Kaufmann und Banquier; die ältesten Ueberreste von Florentiner Banquiersbüchern sind von 1211. Die doppelte Buchführung ist in Florenz sehr alt.
  13. Ptol. Lucc. Annales ad a. 1182.
  14. Ptol. Lucc. Annales ad a. 1155, 1164, 1175, 1176.
  15. Quellen u. Forschungen II, S. 58 u. 66.
  16. Ich hatte diese Ausführungen schon längst geschrieben, als mir in dem Buche von Herrn J. del Lungo: Dante ne’ tempi di Dante. Bologna 1888, dessen Abhandlung: La gente nuova in Firenze, zu Gesicht kam. So sehr ich auch mit den Resultaten desselben: La gente nuova banchiera e la gente nuova curiale, sono le due specie di cittadini nuovi contro cui si rivolta il Poeta S. 83 und vielen anderen Bemerkungen des die Einzelheiten der Florentiner Geschichte zur Zeit Dantes wie kein anderer Mitlebender kennenden Autors zustimmen kann, so wenig vermag ich die Gesammtauffassung des Entwicklungsganges der frühesten Geschichte von Florenz und der geschichtlichen Stellung Dantes zu theilen.
  17. Die Thürme, deren Zinnen später durch besondere Formen verriethen, welcher Partei, der Ghibellinen oder Guelfen, ihre Besitzer angehörten, wurden von Familien oder Compagnien verschiedener Familien (societates), welche sich Statuten über das Besitz- und Erbrecht an den Thürmen gaben, Vorsteher ihrer Gesellschaften, Consuln wählten u. s. w., erbaut und unterhalten. Die früheste Erwähnung dieser Thürme findet sich in einer Urkunde von 1077; die ältesten bekannten Statuten sind von 1178. Da die Namen der Consuln dieser Burggenossenschaften im 12. Jahrhundert vielfach mit den Namen der Consuln der Comune übereinstimmen, hat Santini im Arch. storico. Ital. Ser. IV, T. 20, S. 25, in einem sehr instructiven Aufsatze die Vermuthung ausgesprochen, die städtische Consularverfassung möge im Anschlusse an diese Burggenossenschaften entstanden und ausgebildet sein. Diese Vermuthung hat viel Bestechendes für sich. Die Entstehung des städtischen Organismus nach dem Tode der Markgräfin Mathilde und bei dem Mangel einer regelmässig functionierenden Reichsgewalt aus, so zu sagen, schon vorhandenen und organisirten Zellen erklärte sich so aufs Einfachste. – Je mehr sich die Stadt demokratisirte, desto gründlicher wurden diese Thürme beseitigt und diese Gedenkzeichen ihrer feudalen Zeit und deren Kämpfe vernichtet.
  18. In der schon erwähnten Descriptio Florentie vom Jahre 1339 heisst es l. c. S. 122: Nimium sunt ad querendam pecuniam solliciti et attenti, ut in eis qualiter dici possit: semper ardet ardor habendi et illud: „o prodiga rerum luxuries! munquam parat contenta paratu et quaesitorum terra pelagoque habendorum ambitiosa fames.“ „I Fiorentini sono grandi prestatori ad usura“, heisst es in einem Witzworte bei G. Villani, VII, 140. Wie Dante die Geldgier seiner Landsleute dem Einfluss der Zugezogenen, der nuova gente, zuschreibt, ist bekannt genug.
  19. Das ergibt sich aus einem Briefe des Generalvicars vom 25. Juni an die Stadt Siena, der von Florenz aus datirt ist. Die Krankheit Friedrichs, die ich irgendwo notirt gefunden habe, kann ich augenblicklich nicht durch einen Beleg nachweisen. Friedrich starb bekanntlich 1256 in Unteritalien. Capasso, Historia dipl. S. III. Es scheint fast so, als habe gegen Ausgang des Jahres Friedrich in Galvano Lancia schon einen Nachfolger erhalten, Ficker, Forschungen II, 519.
  20. Es muss hierbei übrigens daran erinnert werden, dass die populäre Bewegung nicht vereinzelt in Florenz auftritt, dass sie vielmehr schon in Bologna, Pistoja und anderen mit Florenz in naher Verbindung stehenden Städten sich einige Jahre zuvor in ähnlicher Weise durchgesetzt hatte.
  21. So scheint es wenigstens (gegen G. Villani). Wie hätte sonst M. in der Stadt bleiben können! Im folgenden Jahre gab es wieder einen Podestà in Florenz, den sich nach dem Tode des Kaisers die Comune aber selbst berufen hatte, wie dieses schon früher geschehen war.
  22. Quellen u. Forschungen etc. II, S. 300 u. f.
  23. Die Staatsverträge wurden damals abgeschlossen durch den Podestà, den Volkshauptmann und Syndicus der Comune nach Anhörung und mit Erlaubniss generalis et specialis Consilii trecentum et nonaginta virorum et Consilii predicti domini Capitanei et populi Florentie et Anzianorum populi et capitudinum Artium et Capitaneorum et Gonfaloneorum societatum civitatis Florentie et consilii Credentie ad sonum campanae etc. vocatorum. (Urkunde vom 30. April 1251. Archiv. stor. Ser. III, Tom. 23, S. 223.) In einer Urkunde aus demselben Jahre heisst es dagegen: de consensu Antianorum populi, Consilii generalis et specialis Credentie, Consilii Capitanei, vexilliferorum et rectorum societatum populi et capitudinum Artium congregatorum ad sonum campanae. Die consilia generalia et specialia bestanden schon vorher, z. B. 1234. In einer Urkunde von 1237 heisst es: … Dei gratia Florentie potestas et consilium generale et speciale, tam vetus quam novum, et capitudines artium et viginti electorum per sextum civitatis Florentiae et comune dictae civitatis Fl. Die kaiserlichen Podestaten scheinen sie zurückgedrängt zu haben, während sie z. B. 1250 die Zunftvorstände bei Eigenthumsübertragungen der Comune noch fragten und dann mit ihrer Zustimmung verfügten. Die Credenza war der geheime Rath des Podestà, der die Anträge an das Consilium generale vorbereitete.
  24. Der wesentliche Theil des Vertrags abgedruckt im Arch. stor. Ser. III, T. 23, S. 220 u. f.
  25. Vergleiche über dieses und das Folgende die actenmässige Darstellung dieser Vorgänge bei Freidhof, die Städte Tusciens zur Zeit Manfreds: Lycealprogramm von Metz 1879 u. 1880. Ich kann diese Urkundenauszüge nach den Regesten Th. Wüstenfelds und eigenen Aufzeichnungen controlliren. Wie es oft geht, sind wir über Einzelheiten dieser Vorgänge sehr genau unterrichtet, z. B. durch die noch erhaltenen Rechnungsbelege, während wichtige Urkunden verloren gegangen sind. Die Chronisten sind nur oberflächlich und ungenau.
  26. Durch den achtjährigen Frieden, den Venedig mit Genua 1251 eingegangen war, war diese Stadt wieder in der Lage, gegen Pisa vorzugehen.
  27. Das Friedensinstrument im Resumé in den Delizie degli Eruditi Tosc. VII, 185. Die Florentiner scheinen sich den Pistojesen gegenüber treuloser Mittel bedient zu haben. Gebauer, König Richard S. 501.
  28. Frieden vom 24. Sept. 1256, die Bedingungen bei Ammirato, Ist. Fior. ad h. a.
  29. Ueber die zwischen Guelfen und Ghibellinen getheilte Familie der Guidi s. in Kürze K. Witte, Danteforschungen II, 194 u. f. Die Urkunden für die Güterverkäufe finden sich zahlreichst in den Delizie degli Erud. Tosc. Vol. VIII.
  30. Von den mittelitalienischen Städten sind die Comunalregister von Corneto, Viterbo, Orvieto, Perugia und Siena erhalten, die Th. Wüstenfeld sämmtlich excerpirt hat. Das Registrum von Lucca citirt als Geschichtsquelle Ptol. Luccensis.
  31. Nach einer von Gamurini, Fam. nob. II, 242 angezogenen Urkunde soll schon 1184 eine Commission niedergesetzt sein, um das Registrum zu ordnen (accomodare). Ich kann das Citat nicht genau fixiren. Das oben Mitgetheilte ist das Ergebniss einer ausgedehnten Untersuchung, die ich 1881 in Florenz anstellte. Vergl. auch C. Guasti in I Capitoli del Comune di Firenze I. p. III u. f. Der Band XXIX der Registerbände ruht auf Band XXVI, beide enthalten Urkunden bis zum 7. Juni 1281 (c. 353) herab.
  32. Als 1282 die Zünfte das Stadtregiment ergriffen, ordneten sie das gesammte Canzleiwesen um. Siehe darüber den Bericht des Anonymus bei Capponi, Storia di Fir. I, 558.
  33. In der Urkunde vom 7. Juni 1265 (bei Ficker, Reg. 4793) nennt ihn Manfred seinen sororius.
  34. Noch im August 1259 gehen Gesandte Manfreds von Arezzo nach Florenz, die von ghibellinischen Wegelagerern aufgehalten werden. Sie werden den Brief gebracht haben, den Ficker (Regest 4712) in den November oder December 1259 setzt, und auf den die Guelfen in ihrem Schreiben an Conradin anspielen. Zum Folgenden siehe auch meine Darstellung in den Quellen und Forschungen II, 297 u. f. Ich lasse eine Menge der Einzelheiten, die namentlich G. Villani berichtet, ganz dahin gestellt sein. Villani ist hier wie überall im Einzelnen sehr unzuverlässig. Jede eingehende Untersuchung wird das bestätigen. Die Chronologie der Ereignisse aus einer ihm relativ naheliegenden Zeit, wie die von 1260, ist unsicher, wo er nicht die sogenannten Gesta Florentinorum ausschreibt. Vor allem aber muss man ihm bei der Motivirung der Ereignisse, die er gibt, misstrauen. Er hat sie sicher zum Theil erfunden, d. h. aus der Gesammtlage der Ereignisse, die ihm bekannt war, abstrahirt, oder er folgt der Parteitradition, die sehr trüb war. Wo wir nicht durch die Gesta Florentinorum oder durch Urkunden gesicherte Angaben besitzen, muss man Villani stets misstrauen. Wie weit dieses Misstrauen zu gehen hat, wird immer Sache subjectiven Ermessens sein. Ich kann nur von mir sagen, dass je mehr ich ihn studirt habe, desto ungläubiger ihm gegenüber ich geworden bin. Und doch ist die Chronik ganz unschätzbar als treues Gesammtbild der Zeit und ihrer Anschauungen.
  35. Mehr wird man nicht behaupten können und mehr sagen die Guelfen von Florenz in ihrem Schreiben an Conradin auch nicht. Wenn das Testament, von dem Cantini, Saggi IV, 28, ein Stück veröffentlicht hat, wirklich von dem „Verräther“ Bocca degli Abbati herrührt, so hat Dante diesem mit Unrecht eine infamirende Unsterblichkeit verschafft. Die Florentiner hätten den Mann, der bei Montaperti ihren Fahnenträger zusammengehauen, nicht ruhig im Besitze seiner Habe sterben lassen. Die Darstellung Dante’s (Inferno 32) verräth übrigens, dass der Dichter der Tradition gegenüber selbst nicht sicher war. Er will sich ja erst Sicherheit verschaffen, als er den Verdammten am Schopfe fasst.
  36. G. Villani VI, 81 setzt dieses berühmte Parlament in die Zeit, da Giordano d’Anglano Tuscien habe verlassen wollen. Das geschah aber erst Ende 1261 oder Anfangs 1262. Die Zeitbestimmung ist also sicher falsch. Denn es kann doch nicht nach dem 25. November 1260 oder gar nach der Stiftung des tuscischen Bundes, Mai 1261, gefallen sein. Da Farinata degli Uberti den Guelfen auf das Aeusserste verhasst war, würde ihre Tradition ihm nicht das Verdienst, Florenz gerettet zu haben, angedichtet haben. Die Thatsache ist also nicht zu bezweifeln. Aber nur im ersten Siegestaumel konnten die Sieger auf eine solche Idee verfallen. Da Empoli auf dem Wege des siegreichen Heeres von Siena nach Florenz liegt und man hier vielleicht abwartete, was die Florentiner thun würden, bin ich geneigt, den Vorgang auf den 10. oder 11. September zu verlegen. Die rhetorischen Berichte verschiedener Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts über dasselbe sind vollkommen werthlos. Auch dem Berichte Savini’s bei Freidhof (II, 5), der durch Urkunden keinerlei Bestätigung erhält, möchte ich keinen Glauben schenken. – Der Einzug der Ghibellinen in Florenz erfolgte sicher den 12. September (gegen Fahrenbruch), da der 16. kein Sonntag ist. In den Gesta Flor. stand ein Schreibfehler: XVI für XII, den Villani und der Cod. Neapolit. gemeinsam haben. Paolino Pieri hat das richtige Datum. – Ob die Vorgänge bei dem Einzuge der Verbündeten in Florenz sich so abgespielt haben, wie sie Malavolti, Historia di Siena II, 2. Bl. 23 b, erzählt, wird unsicher bleiben. M. folgt fast immer guten Quellen, die wir theilweise nicht mehr besitzen. Seine Urkundenauszüge sind stets zuverlässig. Ist die Erzählung richtig: die in die Stadt Eindringenden wollen nicht an die widerstandslose Unterwerfung glauben und gehen daher sehr vorsichtig vor, die Zurückgebliebenen bitten demüthigst um Schonung der Stadt, so bestätigt sie nur unsere Auffassung der Ereignisse. Die Florentiner hatten wohl von der Absicht gehört, die Stadt zu zerstören.
  37. Arch. stor. Ser. IV, T. XX, S. 28.
  38. Vergl. jetzt auch hierüber Schaube, Das Consulat des Meeres in Pisa S. 43.
  39. Ueber die Geschicke dieses Mannes, dem die Anekdoten bei Villani bitteres Unrecht zugefügt, sind die Urkunden bei del Giudice, Codice diplomatico II, 111 zu vergleichen.
  40. S. oben S. 22: semper ardet ardor habendim, und: Florentini maxime ad vindictam sunt ardentissimi et publice et privatim, sagt Benvenuto da Imola. J. del Lungo hat eine interessante Zusammenstellung derartiger Zeugnisse im Arch. stor. Ital. S. IV, T. 18, p. 183 gegeben.
  41. Benvenuto da Imola ed. Lacaita III, 366.
  42. Martène et Durand, Thesaurus II, 302, cap. 257. Der Brief an den Cardinal bei G. Capponi, Storia di Firenze I, 548. Es ist ganz bezeichnend für die Kenntniss, die Villani von den Geschicken seiner Vaterstadt besass, dass er die Einmischung des Papstes in dieselben gar nicht erwähnt. Oder hat er sie absichtlich verschwiegen?
  43. Martène et Durand, Thesaurus II, 231, vom 12. Mai. Am 24. Mai sind die beiden in Florenz nachweisbar.
  44. Der Papst adressirt noch am 27. December an sie.
  45. Martène, Thesaurus II, 441.
  46. Die florentiner Chronisten und alle Neueren, die sich auf diese stützen, wie Capponi, Perrens, del Lungo, nennen ihn Guido von Monfort. Der kam aber erst zwei Jahre später hierher. Der Name Philipps ist durch zahlreiche Urkunden bei del Giudice, Codice diplomatico I, 249, 305, 310; II, 21 u. 23, sicher festgestellt. – Die Briefe des Papstes bei Martène II, 454 u. f. Es ist echt jesuitisch, wenn der Papst dem Pfalzgrafen Tusciens, dem Guido Guerra, schrieb, er habe keine Truppen nach Tuscien gesendet, das habe der König gethan. Busson bei Kopp, Eidgenössische Bünde II, 2, 2 III, S. 82, Anm. 2. Dass Clemens IV. ein verrucht treuloser Politiker war, geht auch aus seinem Verhalten gegen den Paläologen hervor. Del Giudice, Don Arrigo etc. S. 21.
  47. Villani VI, 85. Mit Berufung auf die Aussagen älterer Gewährsmänner.
  48. Die Angabe Villani’s, dass die Erwählung auf 10 Jahre stattgefunden habe, ist falsch. Hartwig, Quellen u. Forschungen II, 279, Anm.
  49. Da hier keineswegs beabsichtigt wird, eine Verfassungsgeschichte von Florenz zu geben, so sehe ich davon ab, die Ansichten anderer über die viel umstrittenen Verfassungsfragen wiederzugeben. Wer sich ein ungefähres Bild von der Verwirrung, die auf diesem Gebiete herrscht, machen will, kann die drollige Zusammenstellung, die Perrens II, 94 gibt, ansehen. Da, so viel ich weiss, keine Urkunde aus dem Jahre 1267 vorhanden ist, welche den ganzen Verfassungsapparat in Thätigkeit zeigt, und Villani in allen Verfassungsfragen, die vor seiner Zeit liegen, ungenau ist, wird man schwer zu ganz festen Ansätzen kommen, namentlich da in dieser Zeit in Florenz alles in stetem Flusse war. Den Namen der Gesammtheit der Räthe: Consigli opportuni hat uns Villani VII, 16 aufbewahrt. Er findet sich aber auch als der officiell gebrauchte Ausdruck in zahlreichen Actenstücken: Le Consulte della Repubblica Fiorentina pubbl. da A. Gherardi, p. 29, 37, 90, 91 u. s. w. u. s. w. Ich bemerke noch ausdrücklich, dass Villani das Verhältniss der beiden Volksräthe umkehrt, indem er den Rath der Hundertmänner vor dem der Zünfte und der credenza abstimmen lässt. In der Regel sollte den Beschlussfassungen der Räthe des Capitanos die der Räthe des Podestà am folgenden Tage nachfolgen.
  50. So nach Marchionne di Coppo Stefani in Delizie degli Eruditi Toscani T. VIII, S 11.
  51. Einzelnes bleibt auch hier immer fraglich. Ich kann hier nicht weiter darauf eingehen. Ueber den Unterschied von Adel und Volk wird weiter unten noch gehandelt werden.
  52. Die Proscriptionsliste ist uns in dem sogenannten Liber del Chiodo, das der Partei der Guelfen gehörte, und im Bd. XIX der Capitoli del Comune erhalten. In den Delizie degli Eruditi Toscani VIII, 221–281 findet sich ein fehlerhafter Abdruck derselben.
  53. Archivio stor. Ital. Ser. IV, T. 18, S. 396.
  54. Villani VII, 17: Fanno mobile d. h. Reichthümer aufhäufen. Der Papst und der König sollen das Drittel nur interimistisch der Parte Guelfa zugewiesen haben. Diese behielt es aber für immer. Ob die gesammte Darstellung Villani’s von der Organisation der Partei schon für diese ersten Jahre zutreffend ist, weiss ich nicht. Die ältesten Statuten derselben sind verloren. Die sechs Capitani sind aber aus der Urkunde von 1268, die J. del Lungo im Arch. stor. Ital. l. c. S. 392 veröffentlicht hat, nachweisbar.
  55. Del Giudice, Codice diplomatico II, 1, S. 117.
  56. Brief vom 4. August bei Martène et Durand, Thesaurus II, 515.
  57. Unter den Genüssen, welche die Florentiner dem König bereiteten, wird auch der genannt, dass sie ihm die berühmte Madonna Cimabue’s zeigten, gewiss sehr charakteristisch, wenn vielleicht auch erfunden.
  58. Perrens II, 120 macht den Cardinal, den der Papst noch am 4. August der rücksichtsvollen Behandlung Karl’s empfiehlt, zum Befehlshaber von P., in offenbarem Missverständnisse der Ann. Placent. Ghib. ad h. a.
  59. Martène et Durand, Thesaurus II, 472. Warum Perrens II, 122 diese Urkunde, die in den Mai gehört, in den December setzt, ist nicht ersichtlich.
  60. Karl gab dem Papste gegenüber vor, er wolle die Apenninnenpässe in sichere Hände bringen. Es mag dies Motiv für ihn mitgewirkt haben. Sicher hoffte er aber, an dieser „Quelle des Paktolus“ seinen Schatz zu füllen. Erst als selbst Tuscien für die immer leeren Kassen Karl’s nichts mehr hergab, zog er nach dem Süden ab, „mehr aus Mangel an Geld als auf seinen Rath“, meinte der Papst in einem Briefe vom 2. März 1268. Karl verstand schlechterdings nicht mit Geld umzugehen. Er erinnert in manchen Zügen gar sehr an die Habsburger Spaniens.
  61. Perrens II, 131 u. f. Delizie degli Eruditi Tosc. VIII, 218. Wüstenfeld’s Register haben mir einige unbekannte Daten geliefert.
  62. Die Stadtkämmerer von Florenz waren damals immer Mönche von zwei Klöstern, ein ehrenvolles Zeugniss für die Ehrlichkeit der Frati.
  63. Del Giudice II, 1, 118. Urkunde vom 15. Februar.
  64. Delizie degli Eruditi T. VIII, 219, und Del Giudice l. c. II, 1, 124, Anm. 1.
  65. Martène et Durand, Thesaurus II, 615.
  66. S. oben I, S. 46. Jakob von Collemedio war factisch nie Podestà in Florenz gewesen. Doch sollte er bezahlt werden.
  67. Der nicht ganz zutreffende Name für die Schlacht ist in Florenz entstanden und durch die sogenannten Gesta Florentinorum in die Chroniken und die Divina Comedia gekommen. – Selbst den Florentinern war die Hinrichtung Conradin’s zu arg. Villani sucht den heiligsten Vater von der Mitschuld an ihr frei zu halten. VII, 29. Herr Perrens kann sich auch diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, um seinem Grimme gegen deutsches Wesen Ausdruck zu geben. Er citirt bei dieser Gelegenheit in einem Athem Voltaire und J. de Maistre gegen das römisch-deutsche Kaiserreich II, 152.
  68. Martène et Durand, Thesaurus II, 629. Ich setze hierbei voraus, dass das, was der Papst so bestimmt vorhersagte, auch eingetreten ist, und dass das Ganze ein abgekartetes Spiel zwischen dem Papst und der Comune war.
  69. Del Giudice II, 1, S. 236.
  70. Arch. stor. Ital. Ser. IV, T. XVIII, S. 362.
  71. Nangeo. Wesshalb Perrens diesen Provençalen, der u. a. Conradin seinen Tod anzeigte, Sire von Hangest nennt, ist mir unverständlich. Sein Vorname wird allerdings sehr verschieden geschrieben, z. B. auch Bricaudi. (Saint-Priest III, 389.) Die Italiener nennen ihn Giambertaldo.
  72. Ueber das Datum kann kein Zweifel bestehen. S. Quellen und Forschungen II, 280, Anm. 1.
  73. Die Verträge vom 4. August bei Saint-Priest IV, 246 u. f. Auf Grund des überreichen Actenmateriales, das in Siena über diese Zeit vorhanden ist, liesse sich eine sehr eingehende Darstellung dieser Umwälzung geben. Wir können hier nicht auf sie weiter eingehen.
  74. Palmerius war einer der beiden königlichen Abgesandten, die im Mai den Frieden zwischen Pisa und Florenz vermittelten.
  75. Saint-Priest III, 389 u. f.
  76. Del Giudice II, 1, 116.
  77. Del Giudice II, 1, 235. Taddeo war 1270 Podestà in Lucca, 1272 in Siena. Podestà von Florenz war 1270 als Vicar Karl’s noch Berardo de Raiano, nicht Ariano. 1273 war er Podestà in Rom.
  78. Das Friedensinstrument ist mitgetheilt im Auszuge von Ammirato dem Jüngeren ad h. a. u., in den Delizie degli Eruditi Toscani IX, 41 nach den in Florenz erhaltenen Urkunden in den Libri delle Riformagioni 26 u. 29. Der Friede wird der „zweite“ genannt. Merkwürdig ist, dass seiner Villani nicht gedenkt, noch merkwürdiger freilich, dass Perrens ihn nicht kennt.
  79. Guido de Corvaria bei Muratori, Scriptores XXIV, 675. Der verzweifelte Kampf gegen die Curie hatte viele Ghibellinen seit Friedrich II. gegen die Glaubensanschauungen der Zeit verbittert und mit einem antiken Stoicismus erfüllt. Wir stossen schon jetzt auf Aeusserungen, die man dem Zeitalter der Renaissance entsprungen denken könnte. – Villani VIII, 35 hat sich hier wieder einen Zusammenhang construirt, der nicht existirt.
  80. Der letzte der Grafen Mozzi ist in unseren Tagen in einem Zimmer des Hintergebäudes des Palastes seiner Väter gestorben, nachdem er die letzten Reste des Vermögens vergeudet hatte. Er lebte von dem Verkaufe des Silbergeschirres der Familie, das eine vornehme Dame ihm ans Mitleid gerettet hatte, wie sie mir selbst erzählte.
  81. Die beiden Urkunden sind an verschiedenen Stellen wiederholt gedruckt. Zusammen bei Lami, Monumenta eccl. Fl. I, 499.
  82. Der König hatte ihnen unmittelbar vor Ankunft des Papstes am 19. Juni Freibriefe ausgestellt. Arch. stor. Ital. S. III, Vol. 22, S. 238. Hier sind auch die Namen der Parteihäupter genannt. – Der Vertrag mit den Grafen Guidi blieb bestehen. Denn am 26. Juli sendete Karl Abgeordnete nach Poppi, wo die Grafen und deren Vasallen ihm Treue schwören sollten. Der Graf Simone verliess im folgenden Jahre wegen Erbstreitigkeiten mit seinem Bruder Guido Novello die ghibellinische Partei und machte seinen Frieden mit Florenz. Giornale stor. degli Arch. Toscani III, 98. Der älteste Sohn Guido Novello’s sollte 10 Jahre in der Haft Karl’s bleiben. Im Jahre 1278 wurde er gegen seinen jüngeren Bruder Wilhelm ausgetauscht. Archiv. stor. Ital. Ser. IV, T. 1, S. 246.
  83. S. hierüber den 1. Excurs am Schlusse.
  84. Das ist allerdings stark zu bezweifeln. Schon 1274 sagten die Grafen von Biserno, der König sei von ihrem Kriegszuge gegen Pisa unterrichtet, sie seien die Freunde des Königs. Tronci, Mem. di Pisa S. 220 bei Kopp-Busson l. c., S. 119. Während der Schlacht von Asciano befand sich der Vicar Karl’s im Heere der Guelfen. Bei der ganz zweideutigen Politik, die König Karl namentlich seit der Wahl König Rudolf’s, den Beschwerden des Papstes über ihn bei dem Könige von Frankreich und der Aussöhnung des Paläologen mit der Kirche einschlug, ist es sehr leicht möglich, dass die Pisaner von Anfang an von ihm betrogen worden sind. In ihrer Verzweiflung wendeten sie sich gegen den Ausgang 1274 an Rudolf von Habsburg, der ihre Gesandte 1275 mit den seinigen an den Papst schickte. Cenni, Monumenta d. p. II, 330.
  85. Woher Roncioni die bestimmte Nachricht hat, die Florentiner hätten durch eine Gesandtschaft die vertriebenen Guelfen aufgefordert, zu ihnen zu kommen, weiss ich nicht.
  86. Guido de Corvaria l. c. p. 685. Das Schreiben des Papstes vom September 1275 bei Dal Borgo, Scelti diplomi S. 266. Ich fasse die kriegerischen Vorgänge nur ganz kurz zusammen.
  87. Dieses ist der fosso Arnonico Villani’s. Der Verlust der Pisaner bei dieser Niederlage scheint nicht so gross gewesen zu sein, wie der bei Asciano erlittene. Guido de Corvaria ist glaubwürdiger als Villani. Die Pisaner hatten die Landwehr schwach besetzt, da sie keinen Angriff mehr erwarten konnten.
  88. Das Friedensinstrument in Auszügen in den Delizie degli E. T. IX, 42, bei Ammirato ad h. a. u. Roncioni.
  89. Archivio st. Ital. Ser. IV, T. 4, S. 153; IV, 5, 184; IV, 4, 357; IV, 5, 181; IV, 1, 246; III, 23, 427; III, 25, 194; IV, 4, 183.
  90. Arch. st. Ital. III, 23, 46. In Messina hatten die Florentiner schon 1273 eine Loggia, l. c. III, 22, 28. Das merkwürdige Testament eines Florentiners in Bar sur Aube bei Lami, Mon. Eccl. Fior. III, 1662. – Dem Thomas Tuscus kamen Nachrichten über die Schlacht auf dem Marchfelde aus Briefen von Kaufleuten zu, die dort gewesen. Den Brief, welchen Rudolf von Habsburg nach der Schlacht an die Florentiner richtete, hat allein dieser Chronist aufbewahrt. – Die Verfolgung, welche die italienischen Kaufleute und Banquiers durch König Philipp von Frankreich zu erleiden hatten, erstreckte sich auch auf die Florentiner. Denn Villani berichtet uns ausführlicher über diese Massregel. Der König nahm sein Ausweisungsgebot aber gegen die Zahlung einer grossen Geldsumme zurück, so dass die meisten Italiener doch in Frankreich blieben.
  91. Arch. stor. Ital. IV, 1, 229 u. f.
  92. Villani VII, 39.
  93. Die Ausführungen von Saint-Priest III, 314, über diesen Punkt sind sehr instructiv.
  94. I potenti cittandini, i quali non tutti erano nobili di sangue, ma per altri accidenti erano detti Grandi. Das Wort accidenti erklärt J. del Lungo: Grandi divenivano per accidente, ma popolani restavano nella sostanza. Dino Compagni II, 57.
  95. Giornale stor. degli Arch. Tosc. III, 170.
  96. Leider sind uns die ältesten Statuten der Comune und des Popolo nicht in ihrer ursprünglichen Fassung und Ordnung erhalten. Sie aus der sogenannten castrensischen Ausgabe mit Hilfe der Statuten von Pistoja und gelegentlicher Citate wiederherzustellen, wäre eine schwierige, aber auch lohnende Aufgabe, an der sich ein junger Historiker versuchen könnte. Auch die ältesten Zunftstatuten besitzen wir nicht mehr. Eine gute Ausgabe der ältesten erreichbaren Fassung der Statuten der Arte di Calimala hat uns kürzlich G. Filippi geliefert. Das Statut ist von 1301. In ihm ist der Ausschluss der Ghibellinen (Lib. IV, 2) jedenfalls schon aus älterer Zeit.
  97. Ich weiss wohl, dass die Livres dou Trésor von B. L. noch in Frankreich geschrieben wurden, aber doch auch in französischer Sprache „por ce que la parleure est plus delitable e plus commune à toutes gens“. G. Villani (VIII, 10) rühmt von B. L., dass er „der Anfänger und Meister gewesen sei im Zustutzen (digrossare) der Florentiner und sie geschickt gemacht habe zum guten Sprechen, sowie auch darin, den Staat nach der Politik zu leiten und zu regieren“. Er ist wahrscheinlich 1266 nach Florenz zurückgekehrt und zu den wichtigsten politischen Geschäften verwendet worden. Sundby, Brunetto Latini trad. per cura di R. Renier S. 11 u. f. – Der directe Einfluss B. L.’s auf Dante als seinen Schüler ist bekanntlich neuerdings mit guten Gründen bestritten worden.
  98. Villani gibt keine besondere Veranlassung dazu an. Ihm ist nur der Uebermuth des Adels daran Schuld. Die sogenannte Chronik des Dino Compagni, deren Substanz sicher von dem bekannten Prior Dino Compagni herrührt, die in Einzelheiten aber, so wie sie uns jetzt vorliegt, eine Ueberarbeitung erfahren haben muss, durch welche Unrichtigkeiten in sie hineingekommen sind, sagt, Bonaccorso degli Adimari sei sehr hoffärtig geworden und habe, den Tadel der Partei verachtend, seinem Sohne Forese eine Tochter Guido Novello’s zur Frau gegeben. Das kann der Grund des Haders nicht gewesen sein, wenn man die Worte streng nimmt. Denn diese Ehe war schon 1267 neben anderen officiellen Heirathen abgeschlossen, welche den Frieden zwischen Guelfen und Ghibellinen besiegeln sollten. Natürlich erschien später dieser Bund den extremen Guelfen verdächtig, wie G. Villani VII, 15, dieses bezeugt.
  99. Am 16. September 1278 legte er beides, ohne den Versuch eines Widerstandes zu machen, nieder. Die von dem Vicar Karl’s in Tuscien besetzten Burgen wurden dem Legaten des Papstes ausgeliefert.
  100. Die Chronologie dieser Vorgänge ist im Einzelnen nicht sicher. Noch weniger ihr innerer Zusammenhang. Die Florentiner Chronisten schweigen sich absichtlich oder unabsichtlich über sie aus. Bonaini hat sie im Giornale storico III, 171 u. f. noch am besten behandelt und schon bekannte Urkunden zuerst vollständig verwendet. Doch ist er nicht scharf genug im Einzelnen. Ich gebe hier keine Begründung meiner Darstellung, bemerke aber ausdrücklich, dass meine Inhaltsangabe des sehr umfassenden Friedensinstrumentes auf Bonaini’s Darstellung ruht. Es hat noch kein Florentiner es für der Mühe werth gefunden, den „Frieden des Cardinals Latino“ wörtlich zu veröffentlichen, während die Bolognesen, z. B. Ghirardacci, schon längst die Actenstücke über das Friedenswerk des Papstes in ihrer Stadt abgedruckt haben. Hoffentlich veröffentlicht Santini in seinen über kurz oder lang erscheinenden Urkunden zur älteren Florentiner Verfassungsgeschichte auch dieses Friedensinstrument.
  101. Die Florentiner verliehen dem Cardinal formell freiwillig diese sogenannte balía, welche Nicolaus III. seinem Neffen für Bologna aus eigener Machtvollkommenheit gegeben hatte. Der Inhalt derselben, sowie auch der des Friedensinstrumentes selbst, hat mit der Urkunde grosse Aehnlichkeit, welche der Papst für Bologna erliess und die Ghirardacci, Della historia di Bologna I, 237 u. f. hat abdrucken lassen. Der „Frieden des Cardinals Latino“ für Florenz ist in seinen Grundzügen nur eine Wiederholung des von Bologna. Die Verhältnisse beider Städte waren einander auch sehr ähnlich. Ich will auf diese Thatsache nur aufmerksam machen, weil sie, soviel ich sehe, noch nicht bemerkt ist, unterlasse es aber, auf die analogen Bestimmungen in beiden Friedensinstrumenten näher hinzuweisen. – Der Cardinal Latino ist wahrscheinlich der Dichter des weltberühmten Hymnus: Dies irae. Er entschied auch die Wahl Celestin’s V.
  102. Man muss vielleicht den in Kyrene von Demonax gemachten ausnehmen. Das delphische Orakel spielte bei ihm die Rolle des Papstes in Florenz. Duncker, Geschichte des Alterthums. VI (5. Aufl.), 273.
  103. Es versteht sich das von selbst. Der Cardinal sagte es aber auch ausdrücklich in seiner Rede vom 18. Januar: multis siquidem cum predictis Guelfis et Gibellinis tractatibus habitis et condictione negotii provida deliberatione pensata super concordia et pace partium predictarum presentem sententiam fecimus.
  104. Dieser geistliche Würdenträger scheint den Cardinal ständig begleitet zu haben. Er war auch bei den Friedensschlüssen der Lambertazzi und Geremei in Bologna und Imola im Juni und August (?) 1279 gegenwärtig. Ghirardacci l. c. I, 248
  105. Wir können hier nur das Wichtigste aus ihm wiederholen; um nur einigermassen einen Einblick in eine derartige Verhandlung zu geben, müssen wir ausführlicher sein, als uns lieb ist.
  106. Das geschah auch, wie Le Consulte della Repubblica fiorentina p. 3 ausdrücklich berichtet wird. – Hier, wo ich anfange, diese für die florentinische Geschichte vom 8. Januar 1280 an so ausserordentlich wichtige Quelle häufiger zu citiren, freut es mich, die Dankbarkeit aller Durchforscher dieser Zeit gegen A. Gherardi, den Herausgeber dieser Consulte – d. h. der Protocolle der Sitzungen der Räthe (Consigli) von Florenz, welche der Rathsschreiber der Stadt in den Sitzungen aufnahm, um sie dann zu den provvisioni weiter auszuarbeiten, – aussprechen zu dürfen; denn ich bin wohl der erste, der von dieser ausgezeichneten Ausgabe A. Gherardi’s wirklichen Gebrauch macht. Nach der Handschrift hat diese Consulte für seine Ausgabe des Dino Compagni J. del Lungo schon stark herangezogen. Ich kann zur Charakteristik derselben also auf die Ausführungen dieses Forschers der Kürze halber verweisen. l. c. I, S. 36 u. f. Ist die Ausgabe Gherardi’s erst vollendet, wird sie auch in einer Einleitung Genaueres bringen.
  107. So steht bei Bonaini l. c. p. 180. Entweder muss es aber Clemens IV. oder Gregor X. heissen.
  108. An die Stelle des Podestà Scurta della Porta war vom 1. Januar ab schon der römische Proconsul Pietro di Stefano di Ranieri vom Cardinal ernannt, getreten. Der Capitano sollte ursprünglich wohl seine Amtszeit noch aushalten. Während wir daher am 8. Januar noch Adenolfo del Conte im Amte und mit obigem Titel bezeichnet finden, so tritt doch schon am 9. März Giovanni di San Eustachio als capitaneus et conservator pacis et gubernator populi in den Consulte S. 15 auf.
  109. Indifferenti und comuni genannt.
  110. Die Namen der Verbannten, nach den Sesti geordnet, sind aufgezählt in den Delizie degli Eruditi Toscani IX, 72 u. f. Von den Guelfen weigerten sich nach Villani nur die Söhne Rinieri’s Zingane dei Buondelmonti, welcher unter den Gefangenen war, die Kaiser Friedrich II. mit nach Apulien genommen hatte (s. oben S. 23), und der geblendet auf Montechristo als Mönch gestorben sein soll, den Frieden zu beschwören und wurden desshalb sofort aus der Stadt gewiesen. In den sehr ausführlichen Auszügen bei Bonaini finde ich nichts hiervon erwähnt.
  111. Das Datum der Abreise steht durch Guido de Corvaria l. c. S. 688 fest. In dem Rathsbeschlusse vom 24. April heisst es von dem Cardinal, er werde in proximo abreisen. Le Consulte l. c. S. 29.
  112. Le Consulte S. 7–8.
  113. Dieses Motiv für die freundliche Aufnahme führt Paolino Pieri ad. h. a. ausdrücklich an.
  114. Siehe Excurs 2.
  115. Die Urkunde bei Saint-Priest IV, 258.
  116. Kopp-Busson l. c. S. 187, Anm. 2 u. 3.
  117. Savigny, Geschichte des r. R. im Mittelalter V, 390, Anm. o.
  118. Der Inhalt der Antwort an den König ist uns in den Consulte wieder nicht aufbewahrt. Ich habe über sie hier nur zusammengestellt, was sich aus den Aeusserungen der Rathsherren ergibt. Cardinale Tornaquinci, derselbe, der 1279 der Führer der Gesandtschaft an Nicolaus III. war, rieth, dieselbe Commission, welche dem kgl. Gesandten geantwortet, solle auch dem Könige schreiben: dummodo nulla responsio obligatoria et ex qua Comune Florentie possit reprehendi. Wie viele in das Intriguenstück, das hier aufgeführt wurde, eingeweiht waren, entzieht sich jeder Kenntniss. Der Kanzler Rudolf liess von dem Briefe König Karl’s vom 24. Mai beglaubigte Abschriften nehmen (Lami, Monumenta I, 496). Aber was half das?
  119. Le Consulte S. 65.
  120. Abgesehen von den bezahlten Söldnern, welche man aber zum Theile wenigstens der Heimath entnahm und die das Contingent der Comune für die verschiedenen Taglien der guelfischen Städte Tusciens bildeten, hatte man z. B. 1260 zu dem Kriegszuge gegen Siena, der zur Schlacht von Montaperto führte, zweihundert lombardische Reisige in Sold genommen.
  121. Es ist in der Aufzeichnung der Consulta über den Vorschlag des Bonaccorso Bellincioni, der angenommen wurde, leider eine Lücke. Le Consulte 31.
  122. Le Consulte S. 136 u. 137. Dieses wurde am 29. Januar 1283 auf Rath und Antrag Albizzo Corbinelli’s beschlossen. Ebenso war schon am 27. November 1282 für gut befunden. Le Consulte S. 123. Bonaccorso Bellincioni degli Adimari wollte schon damals, dass die Vierzehn von den Prioren allein gewählt würden, er war also sehr zunftfreundlich.
  123. Perrens, der sich wiederholt auf die handschriftlichen Consulte bezieht, hat das nicht bemerkt. J. del Lungo hat es nach dem Vorgange des Darstellers der Verfassungsgeschichte von Florenz von 1280 bis 1292 bei Capponi, Storia di Firenze I, 552, gesehen. Der Name des Verfassers dieser Darstellung, sowie die Zeit, in der sie entstanden, ist nicht bekannt. Sie war schon in den Delizie degli Erud. Tosc. IX, 256 gedruckt.
  124. Villani VII, 79. Um diese Confusion zu beseitigen, war schon im Juli 1282 vorgeschlagen worden, vierzehn Prioren aus den sieben oberen Zünften zu wählen. Le Consulte S. 94. Damit kam man aber so früh noch nicht durch.
  125. Soviel ergibt sich aus ihnen, dass die Prioren am 27. April 1282 noch nicht da sind, welche hier zuerst am 26. Juni erwähnt werden; ferner dass die Vierzehn am 24. April 1283 noch vorhanden sind, aber jetzt schon nach den Prioren genannt werden, während im Juni 1282 die Reihenfolge noch eine umgekehrte ist. Im December 1283 sind sie dann verschwunden. So gross ist hier die Lücke in den Consulte. Das Amt der Vierzehn soll erst im Jahre 1287 ganz eingegangen sein. So die Darstellung der florentinischen Verfassung von 1280–1292 bei Capponi, Storia di Firenze I, 555. Das ist aber unrichtig.
  126. Die Nachricht Villani’s, der Hofkanzler Rudolf sei mit einer Truppenschaar nach Tuscien gekommen, ist sicher unrichtig. Der Mann konnte es nicht einmal verhindern, dass die Lucchesen das Städtchen Pescia, welches ihm Gehorsam geleistet, zerstörten, was sogar den Papst empörte. Die Florentiner, die den Lucchesen hierbei hatten Beistand leisten wollen, wurden von diesen obendrein verhöhnt.
  127. Le Consulte S. 99. Das Ergebniss dieser Zahlung ist die Urkunde Rudolf’s an Florenz vom 21. September 1282, die Ficker, Forschungen IV, 481, nicht im Original einsehen konnte und von der er nur den obigen Inhalt nach dem Repertorium angibt. – Aehnliche Summen, mit gleichen Vergünstigungen belohnt, liess sich der Hofkanzler von Siena, Pistoja u. s. w. auszahlen.
  128. Le Consulte, S. 94, 105 u. f., 119 u. s. w.
  129. Es sind offenbar die Bestimmungen gegen unerlaubte Verbindungen gemeint, welche das Friedensinstrument des Cardinals enthält.
  130. Die Prioren wurden durch die abtretenden Prioren und die Zunftvorstände gewählt.
  131. Nach Villani VIII, 79. Die Bardi wurden neben den Peruzzi im 14. Jahrhundert das erste Bankierhaus von Florenz. Sie nahmen eine Weltstellung ein, wie heutigen Tages etwa die Rothschild’s. Die Familie existirt noch, ebenso wie die Peruzzi.
  132. Le Consulte vom 12., 13. u. 19. Januar 1285, S. 140, 150, 153.
  133. Villani VII, 132 (133): rallegarono con loro. Auch J. del Lungo scheint die betreffenden Consulte nicht gekannt zu haben. Dino Compagni II, 24, Anm. 13.
  134. Consulte p. 116, 182, 133, 137, 140 vom 6. November 1282 bis 6. Februar 1283. Der Defensor hatte ein eigenes Haus.
  135. Diese Statuten begannen wie üblich: In nomine Domini nostri Jhesu Christi amen. Hec sunt Ordinamenta Comunis Florentie, und schlossen mit den Worten: vel aliquo ipsorum plenius continetur.
  136. Le Consulte S. 131 u. f. Der Rathsschreiber der Comune Bonsignore, schreibt auch das Protocoll über die Sitzung der Prioren (S. 133 u. 134) im Hause des Defensors der Zünfte.
  137. Er war bei den Verhandlungen über den Abschluss des Friedens des Cardinals Latino einer der beiden Syndici der Guelfenpartei, nahm also eine hervorragende Stellung ein. In den Consulte finde ich ihn nur zum 21. October 1282 und zum Januar 1285 als Rathsherr erwähnt. Das eine Mal spricht er für die Parte Guelfa, das andere Mal zur Revision wichtiger Statutenparagraphen. Le Consulte S. 109 u. 153.
  138. Zur Motivirung eines [ungedruckten] Statuts von Florenz von 1291 heisst es: – – – ut cives et comitatini Florentiae non opprimantur, sicut hactenus oppressi sunt, et ut hominum fraudibus et malitiis, que circa infrascripta committi solent, debitis remediis obvietur et resistatur, quod quidem videtur nullo modo fieri posse, nisi juxta sapientis doctrinam, dicentis quod contraria suis purgantur contrariis, ideoque volentis lupinas carnes salsamentis caninis involvi et castigari debere, ita quod lupi rapacitas et agni mansuetudo pari passu ambulent, et in eodem ovili vivant pacifice et quiete, infrascripte constitutiones – – – edita fuerant. Die Phrase von der rapacitas lupi et mansuetudo agni, unter der die Gegensätze von Adel und Volk symbolisirt sind, kehrt in den Einleitungen der Volksstatuten (statuta sacrata et sacratissima) von Bologna, Pistoja und Prato wieder. In Prato hatte man auch eine Stadtfahne mit einem Bilde angefertigt, auf dem Wolf und Lamm zusammen weiden. Wir kommen später hierauf zurück.
  139. Lib. VII. 132.
  140. Les Registres d’Honorius IV., publ. par M. Prou, LXV. Ficker, Forschungen IV, 487. Perrens, Histoire de Fl. II, 265, Anm. 1.
  141. Den ersten Peruzzi, Pazzino Peruzzi, finde ich in den Rathsversammlungen, in welchen er als angesehener Mann spricht, zum 27. Juli 1285 (Le Consulte I, 267) erwähnt. Ihr Geld machte kurz darauf Philipp dem Schönen den Ueberfall Bonifacius’ VIII. allein möglich. Ueber die Beziehungen der Florentiner zu Frankreich handelt eingehend Perrens II, 354 u. f. Das Handlungshaus der Franzesi spielte hier eine grosse Rolle.
  142. Die Schilderung, die Villani von den Cerchi gibt (VIII, 39), zeigt sie als rechte Emporkömmlinge, voll von Undankbarkeit, bäurischer Sitte und Protzenhaftigkeit (bizarra salvatichezza).
  143. Es könnte dem zu widersprechen scheinen, dass es in der Motivirung zur neuen Steuerveranlagung (extimum, estimo) im Jahre 1285 heisst, seit der letzten Schätzung, wahrscheinlich 1233, seien Viele reicher, Unzählige aber ärmer geworden (Le Consulte I, 179). Aber abgesehen davon, dass stets in Zeiten wachsenden Wohlstandes die, welche nicht gleichen Schritt mit den am stärksten Vorangekommenen halten, behaupten, sie seien zurückgekommen, so verschwinden im Jahre 1288 in derselben Motivirung diese innumerabiles und werden einfach auch zu multi. Es ist sicher, dass in dieser Zeit eine Verschiebung des Vermögensstandes stattfand. Namentlich zahlreiche adliche Familien waren ärmer geworden. Dante hebt ja auch wiederholt, z. B. im sechzehnten Gesang des Inferno, dies Wachsen des Reichthums in Florenz und die mit demselben verbundenen Gefahren hervor.
  144. Als H. Leo in seiner Jugend die Geschichte des Emporkommens der Italienischen Comune darstellte, imponirte ihm diese Bewegung so gewaltig, dass er, einseitig wie immer, meinte, die Deutschen Kaiser hätten ihr gegenüber nur siegreich bleiben können, wenn sie dem Welthandel eine andere Richtung zu geben im Stande gewesen wären. „Denn“, so schreibt der spätere Agrarier, der den Handel, wie Andere nach ihm, für ein unproductives Gewerbe erklärte und nur noch von einem ackerbautreibenden Staat etwas wissen wollte, „Handel und Bildung, also Ueberlegenheit in pecuniärer und geistiger Hinsicht, sind die Mutter Erde, welche die bedrohte Nation nur fest unter ihren Füssen zu haben braucht, um getrost die grössten Heeresmassen verlachen zu können, die wohl einen einzelnen Sieg erfechten, oder auf kurze Zeit zu Boden schlagen, nie aber ganz besiegen können, solange jener goldene Bach des Handels immer von Neuem erfrischende Wellen hervortreibt“. Geschichte Italiens II, 114.
  145. S. oben II, 81 u. 95.
  146. Le Consulte I, 155. Ein Alfani, der eben Reichsnutzungen gekauft, sprach dagegen. Das hier genannte Catignano, di Gambassi genannt, hatte sich 1268 an Poggibonzi angeschlossen. Da die Consulte nach dem stylus Florentinus datirt sind, müssen die Briefe, die Ficker, Forschungen IV, 483; 484 mittheilt, vorausgegangen sein.
  147. Le Consulte I, 169–70. C. Donati beantragt: quod omnes terrae que sunt de Imperio et confinant cum territorio Florentino veniant ad jurisdictionem comunis Florentie, et faciant exercitus et cavalcatas et solvant libras et factiones cum comuni Florentie. Salvo quod per hec aliquod jus alicujus civis Florentini, quod haberet in aliqua dictarum terrarum pro aliqua prestancia, quam fecisset [z. B. jener Alfani] nec tollatur sibi nec sibi diminuatur.
  148. 1. Mai 1284. Diethalm von Guttingen amtirte im Sommer des Jahres ruhig weiter, dann trat, so scheint es, ein Interregnum ein, aus dem wir nichts wissen. Percival ist in seiner neuen Würde schon im December 1284 nachweisbar.
  149. Ficker, Forschungen IV, 485.
  150. Vielleicht war schon damals Percival selbst nach Deutschland zu Rudolf gereist und hatte ihn umgestimmt. Villani VII, 112. Der Cardinal Orsini war gut Ghibellinisch gesinnt. Bei der Wahl Martin’s IV. hatten ihn die Viterbesen misshandelt.
  151. In den Registres etc. publ. p. Prou ist dieses Schreiben nicht von Rom, sondern von Tivoli, und nicht vom 17. April, wie bei Ficker IV, 488, sondern vom 27. Juni 1286 datirt.
  152. Nach Ptolemäus von Lucca kaufte damals Lucca die Reichsrechte von Percival für zwölftausend Gulden ab. Doch verlegt Ptolemäus in seinen beiden Werken das nach 1288. Siena hatte auch ein Gebot gemacht, tausendfünfhundert Goldgulden, war aber damit abgewiesen worden.
  153. Ficker IV, 495: qui dicit se pro Romano imperio in Tuscia vicarium generalem.
  154. Alle Ableitungen der Gesta Florentinorum bringen diese Nachricht von der Reise fast wörtlich übereinstimmend. Sie variiren nur in Jahren, bald 1285, bald 1286. Paolino Pieri, der in der Zeit irrt, und der Pseudo-Brunetto Latini Hartwig, Quellen etc. II, 229) wissen von seiner Rückkehr nach Arezzo im Jahre 1287, wo er Truppen gegen Siena und Florenz gesammelt habe. Pseudo-Brunetto gibt die Strafsummen, die der Vicar gegen die Tuscischen Städte erkannt habe, auf hundertfünfzigtausend Mark an.
  155. Durch diese Gesandtschaft der Florentiner nach Arezzo wurden vielleicht die Verhandlungen mit den Guelfen dieser Stadt angeknüpft, die dann einige Monate später zu deren Vertreibung führten. Auch der Zug der Aretiner gegen Chiusi erklärt sich hieraus. Mit den Nachrichten von der Vertreibung des Podestà Forese degli Adimari, eines Florentiners, aus Arezzo und der Absendung eines Syndicus von Florenz nach Arezzo (Le Consulte I, 273) im August 1285 vermag ich nichts anzufangen.
  156. Honorius IV. starb einen Tag nach dem Abschlusse des Bundes und es folgte eine elfmonatliche Sedisvacanz, bis am 22. Februar 1288 Urban IV. gewählt wurde.
  157. Dieser Auszug nach Wüstenfeld, der die im Sieneser Archive vorhandene Urkunde excerpirt hat.
  158. Nach Wüstenfeld. Siehe die Urkunden bei Ficker IV, 498 u. f.
  159. Le Consulte I, 141 vom 15. April 1283.
  160. Die Angaben des Tagebuches des Guido de Corvaria (Muratori SS. XXIV, 692) und die Genueser Annalen (Mon. Germ. SS. XVIII, 308) stimmen im wesentlichen überein. Vgl. auch Salimbene, Chronicon p. 305.
  161. Der Genueser Annalist erzählt, das sei geschehen, nachdem die Pisaner von dem Bunde Genuas mit Florenz gehört hätten. Es ist möglich, dass es nach den Besprechungen von Rapallo geschah. Doch waren die Anerbietungen der Pisaner auch nicht genügend. Wie sich aus den Florentinischen Consulten ergibt, wollte den Pisanern die Abtretung Sardiniens lange nicht in den Sinn.
  162. Diese Stadt, die Pisa noch feindlicher gesinnt war, hatte schon am 11. August, fünf Tage nach der Schlacht von Meloria, ihren Syndicus mit Vollmacht zur Verhandlung mit Genua versehen. Im October verlangte der Bischof der Stadt von den Pisanern Auslieferung der Castelle, die seinem Bisthum gehörten. Guido de Corvaria ad h. ann.: Salimbene p. 307.
  163. Ein Sohn Ugolino’s, Lotto, war nach einer Rathsverhandlung von Florenz vom 17. Juli 1292 noch mit den Genuesen in Unterhandlung wegen Aufbringung seines Lösegeldes, nachdem man ihn in diesem Jahre zum Bürger von Genua gemacht und mit einer Spinola verheirathet hatte. Er hatte seine Besitzungen in Genua verkaufen sollen. Die Florentiner stellten einen Bürgen mit tausendfünfhundert Gulden für ihn.
  164. Der Vertrag im Liber jurium II, 60 u. f.
  165. Villani VIII, 10.
  166. Bis 1278 war Ugolino in offener Feindschaft mit Pisa gewesen. Da hatte unter Anderen der von Dante (Purgatorio c. 6) genannte Rechtsgelehrte und Dichter Marzucco degli Scornigiani den Frieden mit den Guelfen Tusciens und seine Aussöhnung mit der Vaterstadt zu Stande gebracht (Fragmenta hist. Pis. bei Muratori SS. XXIV, 646). Ugolino hatte sich in der Schlacht bei Meloria gerettet. Dass er seine Landsleute hier verrathen habe, hat nur der Parteihass erfunden. Die Familie war ursprünglich Ghibellinisch, wie denn ein Onkel Ugolino’s mit Conradin in Neapel enthauptet wurde.
  167. Oben II, 62. Der Führer der Truppen der Tuscischen Taglia im Jahre 1285 war ein Verwandter seiner Frau, Margherita de’ Pannochieschi.
  168. Le Consulte I, 253: – – – quod in honorem comunis Florentiae et defensionem mercancie exercitus fiat contra Pisanos ad Portum Pisanum. Die Störung der Zufuhr von Wolle, Lebensmitteln u. s. w. für Pisa, und damit auch für Florenz, welche die Genuesischen Kaperschiffe verursachten, mochte den Florentinern auch nicht behagen. Man hatte auch mit den Genuesen allerlei Händel wegen der Salzzufuhr aus der Provence. Le Consulte I, 244.
  169. Le Consulte I, 241: – – – quod placeat vobis facere firmari omnes et singulas apothecas et fundacos mercatorum et omnium artificum civitatis Florentie, sine mora, donec moveat exercitus – – – etc.
  170. Den Vino vernaccio, der in Florenz besonders besteuert war, bezog man hier allerdings über Pisa, wie manche Provisionen erweisen; die Pisaner erhielten ihn aus der Nähe von Genua. Am Schluss einer schweren Rathssitzung trank man wohl in Florenz ein Fässchen von ihm, worüber noch Verwilligungen erhalten sind. Am 24. Juli 1290 wurde ein barile grosso di vino greco in den Rath des Podestà gebracht, als die Feigen (wahrscheinlich die ersten) aus Rubbiana angelangt waren und dafür sechs Libbre verwilligt. Am 5. October 1294 wird festgesetzt ein halbes quartuccio Griechischen Weines dürfe nicht mehr als achtundzwanzig Denare kosten. Es gab Verordnungen, welche untersagten bis zu zweihundert Ellen weit von den Orten, in denen sich die Räthe versammelten, Wein auszuschenken. Das wurde aber schon am 17. April 1297 wieder aufgehoben.
  171. Le Consulte I, 196 Berathung vom 31. März; I, 216 Berathung vom 14. Mai. Nach Ptolemäus von Lucca soll er auch Bientina damals an Lucca gegeben haben. Das ist aber unrichtig. Bientina fiel 1285 wohl in die Gewalt der Lucchesen, aber ohne des Grafen Schuld. Wenn dann Roncioni, Istorie Pisane I, 630, und nach ihm Andere behaupten, Ugolino habe gleichzeitig hiermit Santa Maria in Monte, Fucecchio, Castelfranco, Santacroce und Montecalvoli an die Florentiner gegeben, so wissen weder die gleichzeitigen Florentiner Urkunden und Chronisten, noch die Pisaner hiervon etwas. Die Angabe wird dadurch geradezu ausgeschlossen, dass die Florentiner (Le Consulte I, 196) das Castell von Lecore im Arnothale in Vertheidigungszustand setzen, was ganz unnöthig gewesen wäre, wenn sie im Besitz von den weiter abwärts gelegenen Burgen gewesen wären.
  172. Le Consulte 1, 216. Da Genua damals von der Ghibellinischen Partei regiert wurde (J. Auriae annales ad a. 1282), woraus sich die Aufstände der Fieschi, Grimaldi, de Castro u. A. im Laufe dieses Jahrzehnts erklären, so wollte man vielleicht mit dem nun Guelfisch gewordenen Pisa erst recht unbarmherzig umgehen.
  173. Le Consulte I, 205 u. 214. Am 30. März war in einer Rathsversammlung die Rede davon, eine ständige Gesandtschaft bei der Curie einzusetzen, welche täglich über die Vorgänge bei ihr und in Unteritalien berichten solle. – Die Genueser Annalen sagen es ganz bestimmt, dass die Florentiner die Einmischung des Papstes in diese Angelegenheit provocirt hätten. Doch möchte ich nicht glauben, dass auch die Lucchesen hierbei betheiligt waren. Die Initiative ging jedenfalls von Florenz aus.
  174. Le Consulte I, 275 vom 4. Juni.
  175. Le Consulte I, 243.
  176. Les Registres publ. p. Prou S. 33. Von den Briefen an Florenz findet sich hier nichts. Sie sind wohl als persönliche Schreiben nicht registrirt.
  177. Le Consulte I, 240.
  178. Le Consulte I, 257.
  179. Le Consulte I, 241: modus faciendi exercitum.
  180. Le Consulte I, 252.
  181. Le Consulte I, 257: et alia dicantur [Pisanis] quae videbuntur convenire.
  182. Die Lage von Porto Pisano ist jetzt bei den grossen Anschwemmungen des Arno kaum noch zu erkennen. Die Hauptfeste lag auf dem linken Flussufer, San Rossore gegenüber, an der alten Landstrasse von Pisa nach Livorno.
  183. Le Consulte I, 271 und die Annalen von Genua ad h. ann. Die Nachricht Villani’s (VII, 98), dass die Sienesen den Pisanern auf Betreiben der Florentiner ihre Reiterei zu Hilfe geschickt, scheint mir nicht verbürgt. Villani ist in der Chronologie der Vorgänge auch sehr unsicher. Die Sienesen scheinen sich den Pisanern gegenüber eher feindlich benommen zu haben. Sie hatten sich Vignale’s in der Marittima, das den Gherardeschi gehörte, bemächtigt und wollten dort einen Hafen anlegen (Wüstenfeld). Die Notiz Tommasi’s (Storia di Siena ad h. ann.) ist offenbar Villani entlehnt.
  184. So berichtet der Genueser Annalist ausdrücklich. – Ich glaube nicht, dass der Ausdruck desselben „stetit exercitus in portu Pisano per 40 dies“ eine Einnahme der Hafenstadt bedeuten soll. Es ist nur von der Zerstörung des Leuchtthurmes „prope ligurnam modico spatio“, wie Pertz liest, die Rede. Unter ligurnam ist wohl sicher Liburnum (Livorno) zu verstehen, wo der Leuchtthurm für die Arnomündung nach der Zerstörung von 1291 auch wieder erbaut wurde. Jedenfalls ist Livorno gemeint, wie ad a. 1290 unter Lugurnam, Englisch Leghorn, diese Stadt verstanden ist. 1291 eroberten die Genuesen Porto Pisano wirklich. Es gibt in Genua auf einem Marmorrelief, das Peruzzi, Storia di commercio App. S. 76 hat abbilden lassen, eine Darstellung des Hafeneingangs von Porto Pisano.
  185. Antrag Ruggiero’s de’ Tornaquinci vom 10. August. Le Consulte I, 276.
  186. Le Consulte I, 296 vom 7. September. Man beschloss formell die Sache dem Podestà, Capitano und den Prioren zu überlassen. Die oben gegebene Ansicht wurde aber in der Rathsversammlung ausgesprochen und wird wohl dem Beschlusse des Podestà u. s. w. zur Richtschnur gedient haben.
  187. Das Friedensinstrument mit den Vorverträgen im Liber jurium von Genua II, 114–183.
  188. Zu dieser Zeit fehlen uns leider alle Consulten und fast alle Provisionen, wir sind also für diese Sache fast ausschliesslich auf die im Detail nicht zuverlässigen Berichte der Chronisten angewiesen. Nach einer Florentiner Provision vom 12. Juli 1288 verwilligt man den Lucchesen und dem Judex Nino hundert Reiter und dreihundert Fussgänger aus Greti zum Krieg gegen Pisa. Am 10. Juli verbietet man auf Verlangen der Lucchesen allen Florentinern den Verkehr mit Pisa. Der Krieg ist also von Lucca ausgegangen und die Florentiner schlossen sich dann an.
  189. Ueber das Verhältniss der beiden Guelfischen Magnaten von Pisa zu einander, über ihre in den Jahren 1285–88 in der unglücklichen Stadt geübte Schreckensherrschaft – Bonaini nennt die von ihnen ausgegangenen Statuten „veri codici di tirannia“ –; über die Schicksale Nino’s, † 1296, der sich „Vicecomes, judex Gallurensis et tertie partis regni Kallaretani dominus“ nennt, seiner Frau und seiner einzigen Tochter, vergleiche G. Sforza im Propugnatore II, 1 S. 46 u. f. und den interessanten Aufsatz Del Lungo’s in seinem Buche: Dante ne’ tempi di Dante, S. 273–376. – Dante war mit dem Judex von Gallura wohl bekannt und hat ihm in dem achten Gesange des Purgatorio ein Denkmal gesetzt. Der Poet fühlte deutlich, dass er den Verräther seiner eigenen Heimath hätte in das Inferno setzen müssen. Ingeniös weiss er das zu vertuschen, indem er selbst seine Freude darüber ausspricht, ihn im Purgatorio zu finden. Der durchaus subjective Charakter des Urtheils des grossen Poeten über seine Zeitgenossen tritt kaum irgendwo so bestimmt hervor wie hier. Der Genuese J. Auria (Doria) meint, der Judex habe doch noch ein Gefühl des Schmerzes über die Verwüstung Pisas im Jahre 1290, an der er theilnahm, gehabt. Monumenta Germ. VIII, 334.
  190. Provision vom 26. August. Wo ich beim Citiren der Provisionen nichts als das Datum beifüge, sind die libri delle provvisioni des Archivs von Florenz als Quelle gemeint.
  191. Oben I, 42. Die Ubertini waren eine Seitenlinie der Pazzi di Valdarno, im Unterschied von den Florentinischen Pazzi so genannt. Dieser Familienzusammenhang erklärt es, dass der Bischof bald den Pazzi, bald den Ubertini zugezählt wird. Hierauf hat S. Bongi zuerst im Archivio stor. Ital. Ser. IV. Vol. VII, 378 aufmerksam gemacht.
  192. Annales Aretini bei Muratori SS. XXIV, 861.
  193. Le Consulte I, 319; 326; 332; 333; 336.
  194. Die Einnahme erfolgte am 6. April 1286 nach einer Belagerung von vier Monaten und achtzehn Tagen, wie Pseudo-Brunetto Latini berichtet (Hartwig, Quellen II, 228). – Während Villani VII, 110 sagt, es seien bei der Eroberung viele gefangen und getödtet worden, sagt Paolino Pieri „andaronsene con poco danno“. Villani ist bei der Erzählung der Kämpfe mit Arezzo ganz besonders parteiisch. Die Chronik Dino Compagni’s ist viel unbefangener, aber, wie sie uns jetzt vorliegt, gibt sie kein zusammenhängendes Bild der Vorgänge. Der Ueberarbeiter muss hier sehr stark gekürzt oder umgestellt haben. Versuche, einzelne Fehler der Erzählung, z. B. den über das Verhältniss von Poggio Santa Cecilia zu Siena, zu retten, können nur durch gewaltsame Verdrehungen des Textes gelingen. Scheffer-Boichorst, Zeitschrift für Romanische Philologie IX, 110.
  195. Urkunde darüber im Archiv zu Siena nach Wüstenfeld.
  196. S. oben S. 80, Anm. 2.
  197. Ich folge in dieser zusammenfassenden Darstellung dem Berichte Dino Compagni’s, der ausdrücklich sagt, die Guelfen von Florenz hätten die von Arezzo aufgestachelt (stimolati). Die Ghibellinen von Arezzo hätten die Uberti, Pazzi und den Bischof erst herbeigerufen, als sie sich von den die vertriebenen Guelfen beschützenden Florentinern bedroht gesehen hätten. Nach Villani haben natürlich die Ghibellinen die Guelfen schmählich verrathen.
  198. Nach Villani hatte der Reichsvicar alquanta gente mitgebracht, nach Pseudo-Brunetto Latini dagegen una gran quantitade. Nach Paolino Pieri nahm er cavalieri e pedoni in seinen Sold und bekriegte mit ihnen Florenz und Siena, d. h. er suchte die Reichsacht zu vollstrecken.
  199. Am 17. October 1287 kamen die Syndici der verschiedenen Partner des Tuscischen Bundes in San Giovanni in Florenz zusammen und beschlossen, den vertriebenen Aretinern fünfhundert Reiter zur Unterstützung zu geben und ihre Truppenmacht auf die stipulirten tausendfünfhundert Reiter zu bringen. Salvi, Storia di Pistoja I, 241.
  200. Vom 13. April. Potthast Nr. 22 654 u. f.
  201. Villani VII, 120. Er zählt die Bestandtheile des Heeres einzeln auf. Die Guelfen von Pisa unter dem Judex von Gallura mit vielen vornehmen Adlichen aus ganz Mittelitalien werden genannt.
  202. Potthast Nr. 22 724 u. f.
  203. Die Gesta Florentinorum bringen diese Nachricht, wie wir aus Paolino Pieri und dem Codex Neapolitanus ersehen. Die Fragmenta hist. Pisanae, bei Muratori, SS. XIV, 654, beschuldigen den Conticino der Feigheit während der Befehlshaber der Florentiner, Bernardo von Rieti, von den Rathscollegien wegen seines Sieges ein Geschenk von fünfhundert Goldgulden erhielt. Provision vom 28. August 1288.
  204. Es wird berathen und beschlossen im Consiglio des Capitano und der zwölf Zünfte die Verdächtigen ex majoribus et potentioribus civitatis auszuweisen. Provision vom 28. Februar 1288 und 1289. Villani weiss auch etwas von dieser Exilirung. Nach ihm waren es natürlich Ghibellinen (VII, 127). In dem Volksbeschlusse ist aber von Ghibellinen, die sonst wohl noch genannt werden (z. B. 14. September 1290. Le Consulte I, 463), mit keinem Worte die Rede. Dass besonders Grandi ausgewiesen sind, verschweigt er gänzlich. Der Classenkampf war damals sehr lebhaft entbrannt. Wir würden hier klarer sehen, wenn uns nicht sämmtliche Consulte und viele Provisionen verloren gegangen wären.
  205. So Dino Compagni. Villani verschweigt die Einmischung des Papstes, den er nur im allgemeinen als Ghibellinisch bezeichnet. Dass der Papst, der sich gegen Karl II. sehr gnädig erwies, auf die Florentiner wegen ihres Ungehorsams im Jahre 1288 nicht gut zu sprechen war, begreift sich leicht. Der „Guelfismo“ Villani’s tritt überall hervor.
  206. Schon am 4. Januar 1288 hatten die Florentiner durch Ugolino di Tornaquinci und Francesco di Forte von Certaldo in Neapel um einen von vier namhaft gemachten Kriegern als Führer der Tuscischen Taglia gebeten. Damals hatte man es besonders auf Giovanni Novello di G. d’Appia abgesehen. Man verlangte einen Franzosen oder einen anderen Ultramontanen. Provision vom 4. Januar 1287.
  207. Nach einer Provision vom 5. (?) Mai sollen bis tausendzweihundert Goldgulden für den Empfang des Königs ausgegeben werden. Es wurden viele Berathungen hierüber gehalten.
  208. In den Provisionen finden sich zahlreiche Geldanweisungen, die sich auf dieses Geleite beziehen. Es werden Tagegelder für sieben Tage angewiesen.
  209. So liest jetzt Herr J. del Lungo nach der einzig brauchbaren Ashburnham’schen Handschrift in der Ausgabe von 1889. Früher las er Dino di Giovanni, d. i. der Demagoge Dino Pecora, den Herr Perrens ab und zu mit Dino Compagni confundirt. Vor einigen Jahren wurde noch sehr zuversichtlich behauptet, dass eine auf die Ashburnham’sche Handschrift zurückgehende Ausgabe der Chronik Dino Compagni’s keine sachlichen Verbesserungen gegen den textus receptus ergeben werde. Dass die Angaben in unserer Chronik, auch wenn ihre heutige Fassung nicht die ursprüngliche ist, durch diese Lesart an Glaubwürdigkeit sehr gewinnen, unterliegt keinem Zweifel. Die Namen der Prioren vom 15. April bis 15. Juni 1289 daselbst p. 19 der neuen Ausgabe.
  210. Pseudo-Brunetto Latini bezeichnet ihn ausdrücklich als capitano generale dell’ oste dei Fiorentini. Hartwig, Quellen II, 230.
  211. Dino Compagni nennt zwei Montefeltrier, Buonconte und Loccio. Letzterer war von Toscanella. Der Helm und das Schwert des Bischofs wurden fünf Jahrhunderte hindurch in San Giovanni zu Florenz aufbewahrt.
  212. So Villani. Dino Compagni erzählt, es seien viele von ihnen zum Schaden von ganz Tuscien nach der Schlacht getödtet worden.
  213. Ueber das Testament dieses tapferen Condottiere, sein Grabmal und anderes handelt Del Lungo, Dante ne’ tempi di Dante S. 135 f.
  214. Dino Compagni setzt die Eroberung Bibbienas einige Wochen später an, nach dem Johannestage, offenbar unrichtig. Er hat noch folgende merkwürdige falsche Angabe. Er sagt, die beiden Prioren, die zum Heer gegangen seien, wären desshalb lebhaft (forte) getadelt worden „perchè non era loro ufficio, ma di gentili uomini usi alla guerra“. Diese beiden Prioren sollten aber gar nicht in die Kriegsführung hineinreden und gingen auch gar nicht auf eigene Faust, sondern in Folge eines Beschlusses des kleinen Volksrathes vom 21. Juni 1289, der mit fünfundfünfzig gegen sechs Stimmen gefasst war, und eines fast einstimmigen Beschlusses des Consiglio generale. Die Prioren, die zu Hause blieben, sollten gerade so beschlussfähig sein, als wäre die Signoria vollzählig versammelt: et illam eandem bailiam, auctoritatem et officium habeant in omnibus et singulis illi Priores qui ibunt, ut praedicitur, ad exercitum, et quod ipsi Priores ituri ad ipsum exercitum possint eisque liceat ducere in dicto exercitu illam societatem peditum et equitum quam ipsi domini Priores voluerint, qui equites et pedites quos ipsi Priores voluerint ire debere ad dictum exercitum effectualiter compellaretur ire et stare in dicto exercitu secundum provisionem et voluntatem ipsorum dominorum Priorum, non obstante aliquo privilegio et immunitate Priorum et non obstante aliquo capitulo Constituti in hiis quomodolibet contradicente, et hoc cum dicatur ex dicto itinere utilitatem et honorem dicto Comuni Florentie non modicum obvenire. So der Wortlaut des Beschlusses. Provvisioni II c. 10–11. Wie konnte man also die beiden Prioren tadeln, da sie nur thaten, was von ihnen mit Aufhebung ihrer Privilegien von dem Rathe verlangt wurde? Da Dino Compagni, der bis zum 15. Juni Prior gewesen war, den Beschluss des Rathes gekannt haben muss, ist seine Angabe um so auffallender. Noch auffallender ist freilich, dass J. del Lungo, der sonst alles, was mit der Chronik Dino Compagni’s auch nur im entferntesten zusammenhängt, aus den Provisionen herangezogen hat, diesen Rathsbeschluss II, 45 und auch sonst nirgends, so weit ich sehe, berührt. Die Chronik Dino Compagni’s gibt uns mitunter Räthsel auf, wie die Memoiren des Fürsten Metternich.
  215. Wie weit Villani’s Angabe richtig ist, die Capitani, die Führer der Soldtruppen, hätten beim entscheidenden Angriff per quadagneria zum Rückzuge blasen lassen, darauf sei das popolo nicht mehr geneigt gewesen zu kämpfen, muss ich dahin gestellt sein lassen. Die Söldner und die Bürger werden einander wohl die schwierigsten Aufgaben zugeschoben haben.
  216. Prov. von diesem Tage. Die Prov. vom 12. Juli findet sich gedruckt bei Sundby-Renier, Brunetto Latini S. 239.
  217. Villani (VII, 178) sagt, nachdem sie einige Tage in Civitella geruht hätten. Am 20. Mai 1280 wird den am Zuge Betheiligten nur Sold für vier Tage ausgezahlt. Prov. zu diesem Tage. Vielleicht hing diese Verschwörung mit dem Auszug der Pazzi aus der Stadt zusammen. Diese haben damals Arezzo wirklich verlassen und sich in Verbindung mit Florenz gesetzt, wie aus einer Consulta vom 12. Januar 1290 (Sundby-Renier, Brunetto Latini S. 244) hervorgeht. Ich finde diese Consulta bei Gherardi nicht.
  218. Le Consulte I, 362 und 370.
  219. Le Consulte I, 372 u. f. Da diese Vorgänge auf den Gang der Entwicklung der Stadt nicht von grosser Bedeutung sind, gehe ich hier nicht auf alle Einzelheiten ein, welche man aus den Consulten und Provisionen ja entnehmen könnte.
  220. Le Consulte I, 399.
  221. Le Consulte I, 407. Anghiari liegt im oberen Tiberthale. Fast scheint es so, als ob Anghiari damals doch belagert wurde. Pseudo-Brunetto Latini (bei Hartwig, Quellen II, 271) hat die Nachricht, die Feste sei nach einer Belagerung von drei Monaten und achtzehn Tagen im September genommen worden.
  222. Le Consulte I, 409. Dem Vetter Guido Novello’s, dem Grafen Guido von Batifolle, welcher den dritten Theil von Poppi und anderen Castellen gekauft hatte, werden dreitausend Goldgulden Schadenersatz hierfür zugesichert. Später wurde der Schadenersatz auf tausendzweihundert Gulden herabgesetzt, aber auch dieser nach einer Bemerkung in dem dritten Bande der Provisionen vom 5. December 1290 nicht gezahlt.
  223. Le Consulte I, 461; 464; 501; 509; 519. Hier auch die verschiedenen Gesandten der Guelfen von Arezzo genannt.
  224. Keine Urkunde berichtet, so viel wir wissen, über diesen Frieden. Die Consulte, die zu dieser Zeit erhalten sind, schweigen über ihn wie G. Villani. Aber Paolino Pieri ad a. 1291 gibt die Bedingungen an, die den vorausgegangenen Verhandlungen entsprechen, und Simone della Tosa hat das genaue Datum, freilich mit der falschen Jahreszahl 1290. Del Lungo (Dino Compagni I, 74) scheint die Angabe der Chronisten übersehen zu haben. Da in den Verhandlungen, welche dem Frieden zwischen Pisa und Florenz vom 12. Juli 1293 vorausgehen, von dem Verhältnisse zu Arezzo die Rede ist (J. del Lungo, Dino Compagni I, documenti XXXI u. f. auch I, 88) und demnach damals kein Frieden bestand, so scheint es so, als ob 1291 mit Arezzo nur eine factische Waffenruhe eingetreten war, wie sie die Verhandlungen vom December 1290 schon in Aussicht stellten. Im Jahre 1291 führten die Aretiner nach den Annal. Aret. (Muratori SS. XXIV, 851) Krieg mit den Sienesen. Ueber den Frieden mit Florenz 1293 finde ich auch nichts.
  225. Der Bote, der dieses glückliche Ereigniss in Florenz meldet, erhält von der Rathsversammlung am 24. Juli drei Lire zwanzig Soldi verwilligt. Prov. von diesem Tage.
  226. Le Consulte I, 444–46.
  227. Die Florentiner traten bei diesem Heereszuge so gegen die Lucchesen zurück, dass sie G. Doria in seiner ausführlichen Beschreibung dieses Kriegszuges gar nicht erwähnt. Am 13. September war die Nachricht von der Eroberung der Hafenthürme nach Florenz gekommen, am 20. September kam die Flotte von Genua in der Heimath an. Le Consulte I, 461; Annal. Januenses, Mon. Germ. SS. XVIII, 334. Ich lasse mich auf Einzelheiten auch hier nicht weiter ein.
  228. Le Consulte I, 481 u. f.; 487; 494 und Pseudo-Brunetto Latini in Hartwig, Quellen etc. II, 232. Die Anmerkung 3 daselbst erledigt sich hierdurch von selbst.
  229. So nach Del Lungo, Dino Compagni I, 82. Es wird beschlossen, vier Gesandte an den Papst zu senden. Provisionen vom 8. Februar und 12. April.
  230. Provision vom 12. April (Tom. III, 57).
  231. Prov. vom 27. März, 29. April 1292. Villani VII, 150.
  232. Ueber diesen Tolosato degli Uberti, wie über diese ganze Familie ist jetzt die gründliche Einleitung zu vergleichen, die R. Renier seiner Ausgabe der Liriche – – – di Fazio degli Uberti als Capitel 1 vorausgeschickt hat. Tolosato war nach Fanineta wohl der bedeutendste Mann dieser Familie. Ueber den Familienbesitz der Familie ausserhalb Florenz hat auch Renier nichts beigebracht. Ich glaube, die Territorien der Uberti in der Grafschaft lagen im oberen Arnothale, wo die „Casuberti“ mehrfach in den Provisionen genannt werden.
  233. Ich gebe dieses Resumé nach den von J. del Lungo a. a. O. I, 2, documenti XXII u. f. veröffentlichten Urkunden und der ausführlichen Darstellung I, 81 u. f.; das Friedensinstrument nach Fl. dal Borgo, Scelti diplomi Pisani, S. 279 u. f.
  234. J. del Lungo, a. a. O. S. 74.
  235. Die Fragmenta historiae Pisanae, Muratori SS. XXIV, 664 u. f., handeln ausführlich hiervon. Die Pisaner entließen ihren Retter mit festlichem Geleite und die Florentiner liessen ihn friedlich, wenn auch nicht ohne Argwohn, durch ihr Gebiet ziehen. Guido, des kriegerischen Lebens müde, trat bekanntlich in den Franciscanerorden und starb 1298, di cui graziosa fama volò per tutto il mondo. Dino Compagni II, XXXIII. Dante hat ihn in die Hölle verwiesen, weil er Bonifaz VIII. den bekannten Rath gab, wie er die Colonna unterwerfen könne.
  236. Ueber die Organisation der Heeresverfassung und -Verwaltung von Florenz aus dem Anfange unserer Periode (1260) sind wir jetzt durch die ausgezeichnete Publication des sog. Libro di Montaperti durch C. Paoli im 9. Bande der Documenti di Storia Italiana – – – per le provincie di Toscana so genau unterrichtet wie über die keiner anderen Comune des Mittelalters. Denn dieser Libro di Montaperti enthält, wenn auch nicht vollständig, die Acten über die Mobilisirung der grossen Florentinischen Armee, welche sich 1260 zur Verproviantirung von Montalcino gegen Siena in Bewegung setzte, bis zum Tage vor der Schlacht. Ich habe auf Grund desselben Materials unter dem Titel: „Eine Mobilmachung in Florenz“ u. s. w. in den „Quellen und Forschungen“ II, 297 ff. einen Auszug hiervon zu geben versucht. Vgl. oben Band IV S. 342–45.
  237. Die Finanzgeschichte irgend einer mittelalterlichen Comune Italiens, geschweige denn die irgend einer Periode der Italienischen Geschichte, ist noch nicht geschrieben. Die bis in unsere Tage herabreichende Zerstückelung des Landes, in welchem die ersten Versuche zu statistischen Ermittelungen und zur Verwerthung derselben für das Staatsleben gemacht worden sind, trägt einen guten Theil der Schuld hiervon. Wenn man aber, was zunächst nöthig gewesen sein würde, noch keine wissenschaftlichen Einzeluntersuchungen in dieser Richtung angestellt hat, so hat das verschiedene Ursachen. Dass in dem Königreiche Neapel vor 1860 keine wissenschaftlich freie Untersuchung über das Finanzwesen des Landes angestellt werden konnte, begreift sich leicht. Das Werk von Bianchini, das wir darüber besitzen, beweist das deutlich. Die fiscalischen Tendenzen desselben sind so stark als die Quellenforschung schwach. Für den Kirchenstaat eine Finanzgeschichte zu schreiben, dürfte allerdings zu den kaum lösbaren Aufgaben gehören; dagegen würden wir wohl eine, wenn auch nicht allen berechtigten Ansprüchen genügende Darstellung, wenigstens eines Theiles von Florenz und Toscana, erhalten haben, wenn es Giuseppe Canestrini vergönnt gewesen wäre, sein allerdings von vornherein zu weitläufig angelegtes Werk: La Scienza e l’arte di Stato (1862) zu vollenden. Was jetzt nämlich von ihm vorliegt, ist nur ein Theil eines Theiles von ihm, indem von dem Finanzwesen nur der erste Band erschienen ist, welcher von der Besteuerung (Imposta) des beweglichen und unbeweglichen Vermögens in Florenz bis in die Zeit der Mediceischen Grossherzöge hinein handelt. Canestrini, der sein Buch auf eine Aufforderung der provisorischen Regierung von Toscana hin im Jahre 1860 auszuarbeiten begonnen hatte, war freilich in dem Actenmateriale des grossen Staatsarchives zu Florenz wohl zu Hause, jedoch besser in dem der späteren Mediceischen Zeit, als in dem der älteren Republik. Da wir es hier aber nur mit den Anfängen zu thun haben, hat das Werk Canestrini’s auch nicht zu viel Ausbeute geliefert. Wichtiger als dieses ganze Werk war für diese Untersuchung die Abhandlung von A. Gherardi: L’antica camera del Comune di Firenze e un quaderno d’uscita de’ suoi camarlinghi dell’ anno 1303. Archivio storico Italiano. Ser. IV, T. XVI. Zur Vergleichung war wichtig die Abhandlung, die in derselben Zeitschrift Ser. III, T. VII, 2 S. 53 u. f. L. Banchi unter dem Titel: La lira, la tavola delle possessioni e le preste nella repubblica di Siena veröffentlicht hat. In Siena sind die Urkunden der älteren Zeit viel vollständiger erhalten als in Florenz und geben uns über manche Zustände, die in allen Comunen Tusciens ziemlich gleichartig waren, erwünschten Aufschluss. Perrens ist in seinem weitschweifigen Werke: Histoire de Florence der heiklen Aufgabe, eine Finanzgeschichte der Comune zu geben, ganz aus dem Wege gegangen und bringt wie Gius. Capponi erst für eine spätere, weit entwickeltere Periode einige Canestrini entnommene Notizen. Vol. IV S. 508 zum Jahre 1358.
  238. Canestrini, La scienza e l’arte di Stato I S. 15, die Nachahmung setzt doch Kenntniss voraus, die man dann schwerlich aus Büchern schöpfen konnte.
  239. Es finden sich, wie neueste Ausgrabungen im Centrum der Römischen Stadt erweisen, über Römischen Mauerresten Ablagerungen des Arno, welche nur sehr allmählig entstanden sein können. Von der Geschichte von Florenz von 558 bis tief in das 8. Jahrhundert hinein weiss man auch gar nichts. Auch auf Florenz passt das Wort des Agnellus vollkommen: „A Basilii namque tempore consulatum agentis (541) usque ad Narsetam patricium provinciales Romani ubique ad nihilum redacti sunt“ (Liber Pontificalis etc. in den Mon. Germaniae SS. rer. Langob. S. 338), und das andre: „Narses gessit multas victorias in Italia cum denutatione omnium Romanorum Italiae“. Das Wiederaufleben der Italienischen Race im 12. und 13. Jahrhundert geht von den unteren Volksschichten aus. Dante klagt genug über die zugezogenen Bauern.
  240. Memorie di Lucca I, 174 u. 186.
  241. Canestrini a. a. O. S. 16. In Siena hat die erste Lira, d. h. Steueranlegung 1198 stattgefunden u. 1208 bezahlte man zuerst die nach ihr gleichfalls Lira genannte erste Steuerquote. Banchi a. a. O. S. 54 u. 55.
  242. Wenn von dem Fortleben einer Römisch-Byzantinischen Steuer die Rede sein kann, so ist das m. E. bei der sogen. Herdsteuer der Fall. Denn ich möchte in ihr die Byzantinische Rauchsteuer (καπνικόν) wieder erkennen, welche als Ueberrest der alten Kopfsteuer von jeder Feuerstelle der plebejischen Familien auf dem Land erhoben wurde. Zachariae v. Lingenthal, Mémoires de l’Académie de St. Pétersbourg. VII. Ser. T. VI. Nr. 9. S. 13, 14. Diese Steuer war in ganz Mittelitalien und der Romagna verbreitet.
  243. Rondoni, I più antichi frammenti del Costituto Fiorentino S. 16; Hartwig, Quellen etc. II, 90. Ich bemerke noch, dass in der Steuerbefreiung von 1202 (Delizie degli Erud. Tosc. VII, 179) noch von keiner Lira, sondern von einem datium, accatus u. prestantia gesprochen ist; der Sache nach mag es dasselbe gewesen sein wie die Lira, aber die neue Form der Einschätzung war wohl noch nicht da.
  244. Hartwig, Quellen II, 174.
  245. Banchi a. a. O. S. 55, Canestrini a. a. O. S. 18.
  246. Lami, Lezioni S. CXXV.
  247. Villani VII, 17 u. 13. S. oben I S. 45.
  248. Rondoni a. a. O. S. 38. Oben II, 77.
  249. Le Consulte I, 170. Bindo fiel in der Schlacht von Campaldino.
  250. So die solenne Formel. Le Consulte I, 179.
  251. Le Consulte I, 780 u. 84: mittatur Lucam etc. et habeatur copia et exemplum forme et modi servati in extimo suo faciendo. Im Archiv von Florenz befindet sich noch eine Veranlagung von Volterra vom 30. October 1265, welche vielleicht damals eingezogen wurde.
  252. Le Consulte I, 180 und 189: et coram eis [magnatibus] dicatur, quod extimum vult fieri, et ab eis habeatur consilium de dicto extimo et parte extimi dandi inter magnates. Et intelligantur magnates illi, qui satis dant apud Comune pro magnatibus, d. h. die untereinander im Gegensatz zu der in Zünften geordneten Bürgerschaft in Geschlechtsverbänden standen und der Comune füreinander Bürgschaft leisten mussten. – Später wurden die Magnaten häufig doppelt so hoch besteuert als die Bürger von Florenz.
  253. Le Consulte I, 190–91.
  254. Le Consulte I, 234 u. 249: quando libra nova facta fuerit.
  255. Beschlüsse vom 9. April 1294, 24. Mai 1294, 28. Juni 1296 u. 24. Juli 1298. – Alle Steuern und Abgaben gingen in Florenz nur theilweise und sehr schwer ein. Den Erhebern (executores) der libbra, der Zölle und Geldbussen wird ohne Unterlass eingeschärft, streng und rücksichtslos vorzugehen. Rückständige Schuldner werden schliesslich befreit, wenn sie nur einen Theil der Summen bis zu einem bestimmten Termine zahlen. Den Pächtern der indirecten Steuern werden beträchtliche Summen nachgelassen, wenn sie vor dem Verfalltermin zahlen, was häufig mit Hilfe von Banquiers, die Zinsen erhalten, geschieht. Alle derartigen Geldgeschäfte dürfen aber nur mit Zustimmung der Consiglien gemacht werden, so dass wir über zahllose Einzelheiten der Finanzverwaltung unterrichtet sind, während die wichtigsten Vorgänge uns unklar bleiben, weil die Acten über sie verloren gegangen sind. Wir wissen z. B. von ungezählten Abschriften von Statuten des Podestà und des Capitano, wieviel deren Anfertigung gekostet hat, keine dieser Abschriften aber ist erhalten.
  256. Nach einer bei Canestrini S. 18 citirten Urkunde von 1304.
  257. Delizie degli Eruditi Toscani X, 226.
  258. So Canestrini S. 17–27: Facevasi la stima di tutti i beni mobili e immobili al più basso valore, calcolandone la rendita e da questa trovando il valsente o capitale a ragione di cinque ed anche di sei per cento, ed allibravasi cioè registravasi alla respettiva posta il proprio estimo, a ragione generalmente dell’ uno per cento, tal volta anche dei tre quarti per cento, ma per lo più, stando alle cifre dei documenti, a ragione di denari due per lira o circa cinque sesti per cento, perche 2 : 240 = 1 : 120. Nach L Banchi a. a. O. S. 55 u. f. ernannten die Sienesen allibratores nach den Terzi der Stadt, bis zur Zahl 150. Diesen mussten alle Einwohner der Stadt und der Grafschaft (die cives silvestres) unter Eidschwur allen beweglichen und unbeweglichen Besitzstand angeben. Selbst die Vermögensausstände, auch wenn sie für verloren galten, mussten genannt werden. Abgezogen durfte werden, was für die Erhaltung des Hausstandes und den Heeresdienst, also auch die Kriegsrosse, erforderlich war. Diese Angaben wurden von den Allibratoren in ihre Bücher notirt und den Allibrirten stand hiergegen Einspruchsrecht zu. Diese Einschätzung wurde in Siena alle zwanzig, später alle fünf Jahre vorgenommen. Nach einer Verordnung von 1292 mussten die alten Einschätzungsbücher nach Herstellung der neuen verbrannt werden. Auf Grund dieser Aufzeichnungen wurden dann die Umlagen gemacht. In Siena waren die reichen Bürger gegen die neuen Einschätzungen, von denen sie Steuererhöhungen zu befürchten hatten. In Florenz führte man erst zwei Jahrhunderte später (1427) die Katastrirung aller Habe durch.
  259. Das Nähere bei Canestrini S. 28.
  260. Um dem Leser ein lebendiges Bild von den Verhandlungen der Räthe über diese Einschätzung zu geben, lasse ich die, soviel ich sehe, ungedruckte Provision vom 5. August 1288, in welche die Verhandlungen aufgenommen sind, am Schlusse als Beilage abdrucken.
  261. Delizie degli Erud. Tosc. X, 227.
  262. Le Consulte I, 486. Einer schlug auch vor, die Stadt nach der neuen, die Grafschaft nach der alten Schätzung zu veranlagen. Im November (Ebd. 491–92) kehren dieselben Vorschläge wieder. Es ist da die Rede von der „libra, quam habent illi de comitatu“ im Gegensatz zur „libra nova in civitate“. Die erste war vielleicht immer noch nicht fertig; die Kriegszüge kamen dazwischen. In einer Provision vom 10. April 1297 ist die Rede vom extimum vetus von 1288 und dem von 1289 als von zwei verschiedenen. – Die Gesammtsumme der Lira von 1289 oder 90 nach Villani VII, 132: tutta la spesa della detta oste si fornì – – – per una libbra di libbre sei e soldi cinque il centinaio. Ich möchte das für eine Zwangsanleihe halten. Villani rühmt dabei, wie der estimo und die anderen Einkünfte der Stadt wohl geordnet gewesen seien.
  263. Villani XI, 92. Der Banquier Villani versichert, die Könige von Neapel, Sicilien und Aragonien hätten keine so hohen Geldeinnahmen gehabt, als die Comune Florenz.
  264. Die Verfassungsgeschichte von Florenz, namentlich die des Verhältnisses der verschiedenen Consiglien zu einander, ist für unsere Zeit durch die falsche Angabe Villani’s (VII, 16) verdunkelt worden, dass der Rath der Hundert schon 1267 reformirt worden sei, während an ihn vor 1287 Niemand gedacht hat. In den Consulten kommt er bis dahin nie vor. Da dieselben aber von 1286–90 eine grosse Lücke haben, erfahren wir leider nichts von den Verhandlungen über seine Einsetzung. In den erhaltenen Consulten wird zuerst zum 13. Januar 1290 eine Verhandlung von ihm mitgetheilt (I, 347), dann sehr viele andere weiterhin. Wenn man die Verwirrung sieht, die diese falsche Angabe Villani’s bei den Historikern von Florenz, z. B. Perrens, angerichtet hat, wird man doppelt dankbar gegen A. Gherardi, der durch seinen Aufsatz: L’antica camera del Comune di Firenze etc. im Arch. stor. ital. Ser. IV. T. 16 und seine Auszüge aus der Handschrift, welche die Provvisioni canonizzate della Camera enthält, zuerst Licht in diese Materie gebracht hat. Dieser Rath der Hundert bestand bis zum Jahre 1329, wo die fünf Räthe dann in zwei, die des Capitano und des Podestà, zusammengezogen wurden. Gherardi a. a. O. S. 324 Anm. 2; Perrens IV, 155. Das Parlament sollte unter jedem Priorate nach den Statuten einmal wenigstens zusammenberufen werden. Doch wurde durch Rathsbeschlüsse die Signoria häufig hiervon entbunden.
  265. De Consilio Centum virorum super deliberatione expensarum ed arduorum negotiorum ist diese Rubrik überschrieben. Gherardi a. a. O. S. 322 Anm. 2.
  266. Ich vermuthe, dass Brunetto Latini, der dem ersten Collegium der Cento angehörte und in ihm sehr oft das Wort ergriff, bei der Bildung dieses neuen Rathes lebhaft betheiligt war. Es ist nicht unmöglich, dass mittelbar Theoreme des Alterthums, z. B. des Aristoteles, bei dieser Einführung des Census mitgewirkt haben.
  267. In den uns erhaltenen Consulten des Rathes der Hundert sind daher die Abstimmungsverhältnisse genau bemerkt, um die Legalität derselben nachzuweisen. Im Laufe der Zeiten stellte sich aber auch bei diesem Rath schwacher Besuch ein. Am 6. Mai 1298 wird desshalb der Signoria Vollmacht gegeben, dem Rathe neue Mitglieder bis zur Höhe von fünfundzwanzig zu substituiren.
  268. Die regelmässigen Ausgaben der Kämmerei sind in der Rubrik 13 der Provvisioni canonizzate zusammengestellt und Gherardi gibt sie a. a. O. S. 320–22 wieder.
  269. Gherardi a. a. O. S.324. Der Ausdruck ordinamenta canonizzata für solche Ordnungen, die als besonders wichtig doppelt geschätzt wurden, kehrt auch bei den Ordnungen der Gerechtigkeit wieder. Er war damals in Mittelitalien mehrfach gebraucht, wie etwa in unserem Jahrhundert Grundrechte.
  270. Dass die Besitzer von kriegstauglichen Pferden, deren um diese Zeit 2000 in der Stadt und Grafschaft waren, diese im Verlust- und Beschädigungsfalle von der Comune ersetzt erhielten, wird man bei dem hohen Preise dieser Thiere, die bis zu 70 Goldgulden bezahlt wurden, begreiflich finden. Dass aber auch die Behörde, welche diese Verluste abschätzte und zuweilen nur über ein oder wenige Pferde zu taxiren hatte, von den Rathsversammlungen für ihr kaum mühsames Geschäft Zahlungsanweisungen erhielt, erscheint doch kleinlich.
  271. Man weiss ja, wie Dante diese Zeiten in den Schlussterzinen des 6. Gesangs des Purgatorio beurtheilt hat. Sicherlich haben sich in ihnen nicht allzuviel Florentiner persönlich ganz wohl gefühlt. Die fieberhafte Gesetzmacherei, der Umschwung in allen socialen Verhältnissen, die sich stets steigernden Geldbedürfnisse der Comune haben das Volk nicht zum Genusse schon erworbener Güter kommen lassen. Nichtsdestoweniger war es eine Zeit grossartigen Aufschwungs der Comune. Das, was von ihr übrig geblieben ist, beweist das. Nicht zum Wenigsten der Dichter selbst, der mit seiner rastlos arbeitenden Phantasie ein Bild dieser gährenden Zeit war und auch in der Beziehung ihr echter Sohn ist, als er, noch ganz ein Kind des Mittelalters, doch schon über es hinaus in eine neue Zeit hineinragt. Der Vorwurf, dass viele sich weigerten, öffentliche Dienste auf sich zu nehmen und das Volk stets mit dem Rufe „Jo mi sobbareo“ bereit sei, alles, Steuern u. s. w., über sich ergehen zu lassen kann sich nicht auf unsere Zeit, sondern nur auf eine etwas spätere beziehen. Da Dante unter den Dingen, welche in ewigem Wechsel begriffen seien, auch das Geld, die moneta, nennt, während doch der Goldgulden eine für seine Zeit ganz ausserordentlich feststehende und sichere Münze war, kann sich der Tadel des Dichters nur auf das allerdings sehr schwankende Verhältniss der Scheidemünze zum Gold beziehen. Da hier doch einmal von den Finanzen, also auch vom Geldwesen der Comune die Rede ist, mögen einige Daten über diese Valutaschwankungen beigebracht werden, namentlich da sich in manchen Werken falsche Angaben hierüber finden.
    Der Goldgulden sollte ursprünglich gleich einer nominellen Lira oder zwei Silbergulden oder 20 Solidi oder 240 Denaren sein. (Die Angabe oben I S. 9, dass er 120 Denare gezählt habe, ist ein Schreibfehler. Die Lira war eine imaginäre Münze, welche erst 1539 unter diesem Namen ausgeprägt wurde. Peruzzi, Storia di commercio di Firenze S. 100.) Das Verhältniss von Gold- und Silbermünzen behauptete sich aber nicht in dieser Weise. Schon 1271 stand der Goldgulden 30 (für 20) Solidi. Es traten daher die fünf Zünfte der Kaufmannschaft zusammen und fixirten den Curs des Goldguldens auf 29 Solidi und verordneten, dass man diese fiorini piccioli nenne. Ordinaro corso al fiorino di soldi ventinove e che si chiamassero e dicessero fiorini, fiorini piccioli quelli. Et incominciaro ad mercatare ad fiorini ed ordinaro di non fare mercato se non ad quella moneta, e così d’allora innanzi mercataro ad fiorini, e così ebbe corso (Paolino Pieri ad a. 1271). Aber der Goldgulden that, offenbar in Folge der starken Nachfrage von Aussen, den Herren Zunftvorstehern nicht den Gefallen, auf 29 Soldi stehen zu bleiben. Nach einem Paragraphen des Statuto des Capitano galt er vom 14. Juli 1279 an schon 33 Soldi, 1290 46 Soldi, dann bis 1296 42 Soldi, dann bis zu dem unbekannten Datum des Statuts, dem diese Angaben entnommen sind, 48½ Soldi und 1303 schon 52 Soldi. (Rondoni a. a. O. S. 139 u. 66.) Man kann sich vorstellen, dass bei derartigen Schwankungen das ganze Rechnungswesen ungemein erschwert war, wesshalb auch die Capitani von Or San Michele diesen Stand des Goldguldens in ihr Statut aufnahmen, damit die zu verschiedenen Terminen in kleiner Münze contrahirten Schulden richtig in Goldgulden umgewandelt werden könnten. Um diese Schwankungen einzuschränken, beschloss man, einen dem Goldgulden ähnlichen Silbergulden aus feinem Silber gleich der venetianischen Legirung zu prägen, der zwei soldi de fiorini piccioli werth sei. Die Bürger, welche Silber in die Münze liefern, erhalten das Pfund Silber mit 13 Soldi und 11 Denaren bezahlt. Ausgeprägt sollte das Pfund Silber einen Werth von 14 Soldi und 3 Denaren haben, also von jedem Pfund nur 4 Denare Prägegeld genommen werden (Provision vom 4. October 1296). Am 13. März 1297 traten die Signoren und 19 der ersten Handelsherren der Stadt zusammen und schlugen vor, 1. dass der neuzuprägende Silbergulden gleich 2 Soldi di fiorini piccioli sei, 2. dass der Goldgulden keinen festen Werth haben sollte. Hierfür erklärten sich 12 Stimmen, während 7 Stimmen für Festlegung des Goldguldens auf 40 Soldi waren. Die Silbermünzen von Cortona und Volterra, die Turonesi und die Silbercarline sollten an dem Tage ausser Curs gesetzt werden, an dem die neue Münze ausgegeben wird (Provision vom 13. März 1297). An demselben Tage berathen auch die Häupter der 21 Zünfte mit der Signoria über diese Angelegenheit. Es sei nur noch bemerkt, dass die Versuche, die Zahlungen der Comune immer mehr auf den Silbergulden zu bringen und nur gewisse in Goldgulden zu belassen, in der nächsten Zeit immer scheiterten. Von der Prägung der Goldgulden hatte die Comune übrigens eine schöne Einnahme. Von jeder Unze Gold mussten nach der Provision vom 24. März 1299 2 Soldi abgegeben werden und von jeder Unze geprägter Goldgulden (florenorum auri incisorum) 2 Soldi florenorum parvorum. Wie viel auf diese Weise einkam, wissen wir nicht für unsere Zeit. 1336 kamen aus der Münze von der Prägung der Goldgulden 2300 Goldgulden, aus der des Silbers und Kupfers nur 1500. Das Gewicht des Goldguldens wurde auch um 1300 von 72 Gramm auf 70½ herabgesetzt. Der Beamte, der die Goldmünzen auf ihren Gehalt und Gewicht prüfte, erhielt mit seinem Gehilfen und den Lehrlingen jährlich bis 250 Gulden Gehalt (Provision vom 27. Juli 1299).
  272. Bei Gelegenheit der Verhandlungen über die Beschaffung der 20 000 Goldgulden für rückständigen Sold, die sich durch die verschiedenen Räthe vom 5. Januar bis zum 22. Februar (Consulte I, 352–67) hinziehen, sieht man deutlich in die Finanzlage der Stadt hinein. Wenn Canestrini a. a. O. S. 32 sagt, dass die prestanze in die Bücher des Monte Comune eingetragen seien und Zinsen getragen hatten, so bezieht sich das nicht auf unsere Zeit. Denn der Monte C. wurde ja erst 1345 ins Leben gerufen. – Die Parte Guelfa musste zuweilen Capital vorstrecken, ohne Zinsen zu erhalten (Provision vom 22. Januar 1288). Am 10. April 1290 werden ihr dagegen 13 000 Goldgulden Capital und 1300 Gulden Zinsen zurückgezahlt, hatte man damals doch auch eine Umlage „soldorum cento pro centenario“ gemacht (Le Consulte II, 8–9). Später stiegen die Zinsen weit höher. Als man die Juden nach Florenz berief, um den Wucherzinsen zu steuern, wurde ihnen nur 20 % Zinsen zu nehmen gestattet.
  273. Gherardi a. a. O. S. 317.
  274. Siehe die Verhandlungen hierüber von 26. Juli 1285 in Le Consulte I, 268; II, 52. Die Prioren hatten das Salz gekauft.
  275. Weitläufige Verhandlungen hierüber am 14., 18. und 20. Juli 1285. Consulte I, 261; 266–68. II, 57. S. auch J. del Lungo, Dino Compagni II S. 150 Anm. 14. Einige Sorten Wein, z. B. Vinum tribianum (von Trebbio im Chianti?), wurde erst im März ausgeschenkt (Consulte vom 12. März 1292).
  276. Provision vom 14. Februar 1298.
  277. Gherardi a. a. O. S. 318.
  278. Es war mancherlei in den Comunen verboten, was man durch Bezahlung einer Geldsumme erlaubt erhielt, z. B. das Tragen von Waffen. Aber vielleicht sind auch Polizeistrafen hier zu verstehen, die sich auf gewisse Verbote, z. B. in einer Kneipe (taberna) zu speisen, bezogen. Doch ist mir nicht klar, wie hier diese Strafsummen verpachtet werden konnten.
  279. Am 20. September 1298 hob man das für die Lucchesen und Pistojesen auf, so lange ihre Heimath Reciprozität übte.
  280. Vergleiche auch Pertile a. a. O. II, 1 S. 449.
  281. Der Pacht der Boutiquen u. s. w. war 1299 nach Quadratellen des Flächenraums festgesetzt und variirte nach der Lage der vermietheten Räume. Früher wurden die Boutiquen auf der Arnobrücke insgesammt auf mehrere Jahre an einen Pächter vermiethet. So im Jahre 1288 auf drei Jahre für 1600 Lira Kleingulden (fiorini piccioli).
  282. Wer sich noch specieller, als hier geschehen konnte, über die Steuerumlage (libra) unterrichten will, mag die Verhandlungen über dieselbe im Februar 1291 nachlesen, die im 2. Band der Consulte stehen.
  283. Die Comune hatte wiederholt dem Bischof Geld gegeben, um Güter, z. B. des Grafen Guidi, für die Kirche zu erwerben. Lami, Monumenta II, 862; Lezioni CXXIV. Hatten Unterthanen des Bischofs Streit mit ihren Grundherren, so erkannte hierüber der Podestà. Der Bischof zahlte ja auch die Lira von dem Kirchengut.
  284. Ueber manche dieser Dinge sind wir wegen des Fehlens älterer Statuten nicht sicher unterrichtet. In Bologna waren die Geistlichen von ihrem Privatvermögen in der Mitte des 13. Jahrhunderts besteuert. Statuti del populo di Bologna pubbl. p. c. di A. Gaudenzi S. 10. Das Anwachsen des privilegium fori seit der Zeit Alexander’s III. kann man am besten verfolgen, wenn man die Statuten einer Stadt, z. B. die Pistojas, aus dem 12. Jahrhundert mit dem aus dem Ende des 13. vergleicht. In Bologna wurden die Geistlichen, welche sich an einem Popolano vergriffen und dem Podestà der Stadt nicht zu Recht stehen wollen, für friedlos erklärt, durch die Statuten von 1282. Statuti del popolo di Bologna p. p. c. di A. Gaudenzi S. 24.
  285. Pertile, Storia del diritto Ital. III, 140.
  286. In den Statuti del popolo di Bologna. Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi pubbl. p. c. di A. Gaudenzi S. 89: „De ficticiis clericis et conversis“ wird gesagt, dass „multi de civitate et districtu faciant sibi instrumenta clericatus et conversarie (?) in fraudem comunis“. Sie werden „excepti ex protectione comunis B.“, wenn sie nicht innerhalb fünfzehn Tagen vor einem Notare des Capitanes auf ihre geistliche Würde verzichten oder nicht wirkliche Geistliche sind. In einer Rathsversammlung von Florenz definirt ein Redner die „clerici falsi et ficticii et simulati“ als solche „qui non stant in ecclesiis continue tamquam rectores vel canonici et deferentes arma et non portantes habitum clericalem et tonsuram et etiam nescientes officium divinum“. Consulte I, 288.
  287. Ughelli, Italia sacra. III, 166; Lami, Monumenta I, 80. Die hier gegebenen Daten sind nicht genau. Die Sedisvacanz in Florenz dauerte 1274 bis 1286, weil das Domcapitel, in Ghibellinen und Welfen gespalten, sich über keinen Candidaten einigen konnte. Die Einen wollten einen Ubaldini, die Anderen einen aus der Familie della Tosa wählen. In den Domcapiteln hatte sich der Adel noch fest erhalten. In der Stadt empfand man die Sedisvacanz sehr unangenehm. Im Parlament vom 26. Februar 1285 beschloss man einen Gesandten pro habendo episcopo an den Papst zu schicken. Le Consulte I, 170. Der vom Papste ernannte Bischof Jacob von Perugia muss bald gestorben sein. Delizie degli Erud. Tosc. X, 224. Sein Nachfolger Andreas gehörte der Familie Mozzi an. Er wird am 26.December 1286 ernannt. Vgl. auch Prou, Les registres de Honorius IV, 355 und 502.
  288. Rondoni a. a. O. S.37. Wenn Pertile a. a. O. III S. 139 Anm. 17, ohne eine Quelle anzuführen, sagt, i. J. 1224 hätten die Florentiner die Vorrechte der Geistlichkeit beschränkt, so weiss ich nicht, ob diese Angabe begründet ist. In diesem Jahre hatten die Florentiner meines Wissens nur einen Handel mit dem Bischofe von Fiesole. Die Podestaten beschworen bei ihrem Amtsantritte, die Freiheiten der Kirche zu wahren.
  289. Le Consulte I, 34
  290. Le Consulte I, 258 u. 284.
  291. Le Consulte I, 287.
  292. Le Consulte I, 298.
  293. Abgedruckt bei J. del Lungo, Dino Compagni I, 55 Anm. In der sog. Castrensischen Ausgabe der Statuten Lib. III, 43.
  294. Le Consulte I, 321.
  295. Potthast, Regesta Nr. 22 319; Les Registres etc. par Prou Nr. 167 u. S. LXXXVI.
  296. Dante kennt ihn und scheint sehr wenig von dem stutzerhaften Juristen zu halten. Paradiso XV, 126; Dino Compagni I, 20; Le Consulte I, 337.
  297. Provision vom 6. und 25. August. Es werden 25 Libre für zwei Syndici der Comune, Reddito und Todino, welche die Comune in Rom vertraten, bewilligt. Le Consulte II, 55. Hier ist eine Lücke im Texte. – Am 22. October 1293 erhielt die Signoria die Ermächtigung, Ordnungen gegen die Kleriker zu machen, welche behaupten, sie seien der Jurisdiction der Comune nicht unterstellt und desshalb die Rectoren nicht anerkennen. Doch diese Entwicklung gehört schon der folgenden Periode an.
  298. Statuta populi Florentiae, Lib. III, 44; Tom. I S. 261. Dass diese Bestimmung schon damals getroffen wurde, geht daraus hervor, dass sie sich in den nach den Florentiner Statuten gearbeiteten Statuten von Pistoja von 1296 findet. Statutum potestatis Pistorii, ed. Zdekauer S. 149. – Man griff damit auf eine Germanische Rechtsidee zurück; bei den Magnaten ergab sich diese von selbst, aber nicht für jeden Florentiner.
  299. G. Villani VIII, 1.
  300. Le Consulte I, 360; 362; 395; 396 u. s. w. Der Frieden soll durch Ehebündnisse, zu deren Ausstattung die Comune 1400 Lire beisteuerte, besiegelt werden. Man weiss auch, welches Salair die 4 Advocaten, die zu dieser glücklichen Transaktion mitwirkten, von der Comune erhielten: 30 Lire. Provision vom 11. u. 14. April u. 4. August 1290.
  301. Hegel, Geschichte der Städteverfassung II, 275 u. II, 164, wo aus dem Manipulus Florum des Galvaneus Flamma c. 145 mitgetheilt wird, wie der Mailänder Adel sich an dem Ritter Lungo, der das Volk gegen ihn geführt hatte, gerächt haben soll: et cum tecti tegula stercoribus plena humanis guttur ejus impletur et dictum est ei: Cum stercore in populo conjunctus fuisti, cum stercore coenabis! Vgl. auch Galvaneus Flamma c. 291, wo erzählt wird, wie ein Adlicher einen Popolanen, dem er viel Geld schuldet, zum Essen einladet, dann aber erschlägt und den Leichnam versteckt; wie dann das Volk diesen findet, ihn in die Stadt schleppt und ruft: Wehe! So mordet man die Menschen, die ihr Recht suchen!, worauf dann der Erzbischof und der Adel vertrieben werden. Wie diese Barone in Florenz hausten, wenn sie nur konnten, davon erzählt uns Dino Compagni II, 30 erbauliche Beispiele aus der Zeit der Vertreibung der Weissen aus der Stadt. Die Bostichi liessen in ihrem Hofe köpfen und foltern, als hätten sie hohe Gerichtsbarkeit.
  302. Paolino Pieri ad a. 1293: – – – fecero certi ordinamenti, li quali fecero chiamara di giustizia, avvegnache di vero si potieno dire di tristizia per quella che n’è sequitato.
  303. S. oben II, 70 Anm. Die Beziehungen zwischen der Gesetzgebung von Bologna und den sog. Ordnungen der Gerechtigkeit in Florenz hat zuerst, so viel ich sehe, Pertile a. a. O. II, 216 bemerkt. Er bezieht sich hierfür auf Statuten von Bologna aus den Jahren von 1271 u. 74, welche noch Savioli gekannt hat, die aber Gaudenzi nicht mehr hat auffinden können (Statuti del popolo di Bologna ed. A. Gaudenzi S. V Anm. 1). Die Aehnlichkeit in der Methode, den gewaltthätigen Adlichen beizukommen, die in Bologna und Florenz eingeschlagen wurde, ergibt sich dagegen jetzt klar aus den von Gaudenzi zum ersten Male (1888) veröffentlichten Statuti del popolo von 1282 mit ihren Ergänzungen von 1284. Wenn man nun auch das Wort des Odofredus über die Statutenmacherei der Bolognesen kennt – non plus vocant prudentes quam asinos et ideo ipsi faciunt talia statuta quae nec habent Latinum nec sententiam – und desshalb sicher annehmen darf, dass auch diese Statuten von 1282 nicht gerade mustergültig redigirt sind und der Abschreiber des erhaltenen Exemplars oft gedankenlos copirt und sich verschrieben hat (s. S. 56 Anm. 1), so sind sie doch auch von Gaudenzi nicht mustergültig herausgegeben.
  304. Statuti del popolo di Bologna a. a. O. S. 21–27; 32; 40 u. s. w. Diese Statuten gelten für die nächsten zehn Jahre mit Aufhebung aller entgegenstehenden Statuten. S. 49.
  305. Volentes et intendentes quod lupi rapaces et agni mansueti ambulant pari gradu providerunt, ordinaverunt etc. a. a. O. S. 32.
  306. Wie die sociale Lage zahlreicher Bewohner der Grafschaft von der Entwicklung der grossen Ereignisse abhing, mag aus folgendem Beispiel erhellen, das ich einer Provision vom 5. Oct. 1294 entnehme. (Delizie degli Eruditi Tosc. VIII, 282 findet sich ein Auszug hieraus, der aber die Namen der Einzelnen nicht enthält.) Nach der Schlacht von Montaperti hatten die Ghibellinen Castelnuovo d’Avane im Arnothale arg heimgesucht, die Pazzi hier viele freie Einwohner durch Drohungen und Gewaltthaten sich unterthänig gemacht und das auch durch einen Schiedsspruch des Durazzo di M. Guidelotto de’ Vecchiatti, eines Freundes des Bischofs von Arezzo und der Pazzi (s. oben S. 105), bestätigen lassen. Nach der Schlacht von Benevent und Tagliacozzo erhoben sich nun diese Bewohner von Castelnuovo gegen ihre Bedränger, die Pazzi zogen aber mit Heeresmacht gegen sie, liessen sechs Gefangene vor den Mauern der Stadt, die ihnen ihre Thore nicht öffnen wollte, hinrichten, worauf der Bischof Wilhelm von Arezzo zum Schiedsrichter gewählt wurde. Dieser erkannte natürlich für seine Vettern, und die Bürger von Castelnuovo bezahlten nun bis 1294 ihre Abgaben u. s. w. an die Pazzi. Nach der Einführung der Ordnungen der Gerechtigkeit wandten sich die Unterdrückten nach Florenz. Die Prioren machten jetzt kurzen Process, entzogen die Sachen den Gerichten, da diese auf Grund der beiden Schiedssprüche gegen die Castelnuovesen erkennen könnten, erklärten diese für freie Leute, schlugen die zwischen ihnen und den Pazzi schwebenden Processe nieder und bedrohten diese mit Strafen, wenn sie die Bürger von Castelnuovo fernerhin als ihre Vasallen ansehen und behandeln würden.
  307. Gaudenzi a. a. O. hierüber S. V: in genere i rivolgimenti e gli ordini di Firenze non furono che l’imitazione di quelli di Bologna.
  308. Le Consulte I, 237, 283, 308. Bei der Kürze der Fassung dieser Sitzungsberichte würden wir nicht erkennen, um was es sich hier gehandelt hat, wenn uns nicht die Provisionen in dem ersten Bande derselben von den genannten Tagen erhalten wären.
  309. Dieses hier angezogene Statut über die vom Adel zu leistenden Bürgschaften kann übrigens nicht das früheste gewesen sein. Denn schon oben ist auf eine Consulta vom 15. März 1285 hingewiesen, nach der die adlichen Familien für ihre Mitglieder Bürgschaft stellten. Wann dieses zuerst eingeführt ist und in welchem Zusammenhang, wissen wir aber nicht.
  310. Wir haben hierüber in den Provisionen Lib. I, 27–31 ein sehr ausführliches Statut, das jedoch nicht mehr vollständig erhalten ist, da drei Blätter herausgeschnitten sind. – Das was unser Rechtsgefül am stärksten an diesem Statut verletzt, ist das einseitige Werthlegen auf das Zeugniss des Klägers. Das machte sich auch damals sofort sichtbar. Denn es traten viele falsche Ankläger auf und es wurden zahlreiche Meineide geschworen. In den Räthen wurde vielfach über die falschen Anklagen verhandelt. Und doch liess man es bei diesem Verfahren, nur dass man die Zeugenzahl später doch erhöhte. Wer da weiss, wie es der heutigen Justizverwaltung in Italien, vor allem aber in Unteritalien, unendlich schwer geworden ist, bei den schwersten, am hellen Tage, auf offener Strasse begangenen Verbrechen Zeugen aufzutreiben, wird es leicht verstehen, warum am Ende des 13. Jahrhunderts in Florenz die Männer, welche gesetzliche Zustände einführen wollten, sich mit so geringem Beweismaterial begnügen mussten. Es war eben sehr schwer, wenn nicht unmöglich, gegen die gewaltthätigen Granden Zeugen zu finden. – Dass man die adlichen Familien eine Art Gesammtbürgschaft für ihre Glieder übernehmen liess, hat auch nichts allzu Auffallendes. Die Familien lebten sehr häufig noch mit ungetheiltem Vermögen zusammen, jede Beleidigung, die ein Glied der Sippe traf, wurde von der Familie gerächt. Der Germanische Geschlechterverband hatte sich hier in seinen Ausläufern noch erhalten. Vgl. hierüber Villari in der Nuova Antologia XI S. 451. (Die Abhandlungen, welche Villari in dem Journal Il Politecnico 1867 über diese Zeit veröffentlicht hat, habe ich leider nicht einsehen können. Doch ist wohl in dem hier citirten Aufsatze: La repubblica Fiorentina al tempo di Dante die Quintessenz derselben enthalten.)
  311. Warum man gegen die Regel zuerst den Rath des Podestà befragte, ist unsicher. Vielleicht weil man ihn früher gar nicht befragt hatte. Perrens II S. 346 Anm. 1, wo auch die Belegstellen aus den Acten citirt sind, meint, man habe die Sache überstürzen wollen. Die von den Magnaten deponirten Bürgschaften hatten eine besondere Verwaltung, über deren Wahl und Bedeutung sich in den Provisionen mancherlei Material findet.
  312. Villani VII, 132; Dino Compagni I, 5 u. 11.
  313. Die Urkunde ist schon wiederholt gedruckt, am besten bei Rumohr, Ursprung der Besitzlosigkeit der Colonen im neueren Toscana S. 100. Die Stadt kaufte die Hörigen auf, um sie gegen das Kaufgeld frei zu lassen. Im Februar 1291 verkauften die Domherren von Florenz unter diesem sanften Drucke ihre Güter und deren Angehörige in Mugello (Provision vom 3. Febr. 1291 im 2. Band der P. c. 162 tergo u. Rumohr S. 103). – Durch das Statut wurde übrigens nur eine Bewegung, die schon im Gang war, legalisirt. Denn schon im Juli 1289 bitten einige Gemeinden im Mugello, welche an die Ubaldini verkauft werden sollten, um Ankauf durch die Comune.
  314. S. oben S. 73 Anm. 1 den einen Theil der Einleitung dieses Statuts im Wortlaute. Es steht in Band 2 der Provisionen S. 175 u. f. Dies Statut ist so ermüdend weitschweifig und detaillirt, dass sogar den Bartkratzern (barbitonsoribus) und ähnlichen Gewerbetreibenden bei 25 Lire Kleinmünze verboten wird, die renitenten Privilegirten zu bedienen.
  315. Wenn an irgend einer Stelle das Fehlen der alten Florentiner Statuten recht unangenehm sich bemerkbar macht, so ist es hier. Wie in den Statuten des Capitano von Bologna die Namen der Familien der Granden genannt waren, so auch in denen von Florenz. Das sagen die Ordinamenta justitiae ed. Bonaini (Archivio stor. ital. N. S. Vol. I S. 66) ganz bestimmt. Desshalb zählen sie sie nicht auf. Da wir diese Statuten nicht haben und die Chronisten sie nicht nennen, so kennen wir ihre Zahl nicht sicher. J. del Lungo hat zu Dino Compagni die hierüber erhaltenen Notizen II, 50 Anm. 17 zusammengestellt. Darnach schwanken die Angaben zwischen 33 oder 37 und 59–60. Da die in den Delizie degli Eruditi Toscani IX, 279 aufgezählten Namen notorisch solche enthalten, z. B. die Uberti, die damals gar nicht in Florenz existirten, hat man es wohl mit zwei Listen zu thun, von denen die kürzere nur die Namen der wirklich in Florenz domicilirten Granden enthielt. Mit dem bis jetzt bekannten Material kann man nicht weiter kommen.
  316. Provision vom 10. und 11. Juli 1289. Am 27. Juli werden schon die Syndici bezahlt, die den Podestà Rosso de’ Gabrielli, den letzten Podestà mit einjähriger Amtsdauer, revidirt hatten.
  317. Dino Compagni I, 12. G. Villani VIII, 8, der Giano sonst preist, hebt seine Rachsucht besonders hervor. Ebenso der von Villani ganz unabhängige Pseudo-Brunetto Latini. Hartwig, Quellen II, 234. Sein rasch zugreifendes Wesen hat ihm auch seine Excommunication von Seiten des Bischofs von Pistoja zugezogen, als er dort 1294 als Podestà fungirte und mehrere Kleriker in Strafe genommen hatte. Er musste Pistoja verlassen, ohne die Amtszeit ausgehalten zu haben. Am 5. October 1294 ertheilten ihm die Florentiner Repressalienrecht gegen die Pistojesen, welche ihn nicht vollkommen bezahlt und versprochen hatten, die Aufhebung seiner Excommunication zu erwirken, ohne das zu halten. Diese Repressalienertheilung wurde nach seinem Sturze, am 12. April 1295, zurückgezogen.
  318. Dieses Vorkommniss erzählt nur Pseudo-Brunetto Latini a. a. O.
  319. Diese Namen sind uns allein von Pseudo-Brunetto Latini a. a. O. S. 233 genannt. Es sind die Namen von Popolanen, die in jener Zeit viel genannt waren, zum Theil die Priorenwürde bekleidet und sich in den Geschäften der Comune hervorgethan haben. Ueber ihre Geschicke und spätere Parteistellung gegen Giano della Bella gibt J. del Lungo in seinem Werke über Dino Compagni genügende Auskunft. Der einzige, der von ihm nicht erwähnt wird, ist Corso Mancini, der aber bei Lami, Monumenta I, 401 zum Jahre 1294 als Mitglied einer Florentinischen Gesandtschaft genannt wird.
  320. Diese drei Redactoren von Dino Compagni genannt I, 12. Der erste von ihnen war später ein hervorragender Parteigenosse Dante’s, fiel den Florentinern aber in die Hände und wurde 1303 schmählich hingerichtet. Dino Compagni II, 30. Der dritte ist Dante besonders verhasst (Paradiso XVI) und sicher einer jener Florentinischen Juristen, deren weites Gewissen mit dem Wachsen ihres Scharfsinns gleichen Schritt hielt. Er gehörte 1295 auch der Verschwörung gegen Giano della Bella an. Die Daten nach Bonaini im Archivio stor. ital. N. S. I, 8 u. 78.
  321. Ich unterlasse es, auf das Detail hier einzugehen, da über die hier in Betracht kommenden Fragen Hegel, Die Ordnungen der Gerechtigkeit in der Florentinischen Republik: Universitätsprogramm von Erlangen 1867, und Villari, N. Antologia XI, 456 u. f. (1869) gehandelt haben. Der bedeutendste Unterschied zwischen den Fassungen von 1293 und 1295 besteht darin, dass die i. J. 1293 auf zwei festgestellte Zahl der Zeugen gegen die Granden auf drei erhöht wird, während der ursprüngliche Entwurf noch keine Zahl genannt hatte. – Fineschi hat seine Ausgabe in den Memorie istoriche degli uomini illustri del Convento di S. Maria Novella di Firenze S. 186 u. f. veröffentlicht. Eine officielle Uebersetzung der Statuten ins Italienische vom Jahre 1324 hat P. E. Giudici im Appendix zu seiner Storia dei Municipi italiani S. 303 u. f. publicirt.
  322. Dino Compagni hat vierundzwanzig Zünfte. Dieses ist sicher falsch; da 1378 zur Zeit des Aufstandes der Ciompi die Zünfte vorübergehend auf die Zahl von vierundzwanzig erhöht wurden, muss die Ueberarbeitung der Chronik nach dieser Zeit gesetzt werden.
  323. Eine der ersten Vorbedingungen des Sieges des Popolo über den Adel war die Einigkeit der Zünfte untereinander und der Friede innerhalb der einzelnen Zünfte. Daher finden wir das Bestreben der Signoria in dieser Zeit immer auf diese beiden Punkte gerichtet. Als die Zunft der Kaufleute di Porta S. Maria und die Seidenweberzunft 1288 in Streitigkeiten gerathen sind, mischt sich der Capitano ein und stiftet Frieden (Provision vom 5. August 1288). Als die reichen Kaufleute Abmachungen untereinander schlossen, die Preise der Waaren zu binden und die ärmeren Zunftgenossen zu drücken – wir würden sagen „Ringe“ bildeten –, wurde officiell hiergegen eingeschritten und Spione in den Dienst genommen, die derartige Verschwörungen aufspüren und anzeigen sollten (Provision vom 30. Juni 1290).
  324. Die übrigen Bestimmungen dieser Rubriken über die Wahl der Prioren, der Gonfalonieren di giustizia u. s. w. sind nicht von langem Bestande gewesen. Wenige Jahre darauf wurde erst am letzten Tage vor Ablauf einer Signoria, also am 14. des betreffenden Monats, der Wahlmodus für die am folgenden Tage stattfindende Priorenwahl festgesetzt, offenbar um Wahlmanöver nicht aufkommen zu lassen. Andere Bestimmungen sind hier nur aus früheren Consiglienbeschlüssen aufgenommen. So war die auch hier decretirte Ausschliessung eines Priors von der Wiederwahl auf drei Jahre festgesetzt, wie dieses schon am 27. Juli 1290 bestimmt war. Früher genügten zwei Jahre. Ich kann nicht auf alle Einzelheiten der Ordinamenta hier eingehen. Es kommt mir nur darauf an, die Bestimmungen hervorzuheben, welche die in ihnen zum Ausdruck gekommene politische Richtung besonders kennzeichnete.
  325. Diese Bestimmung fehlte im Entwurfe.
  326. Später (1295) wurden es drei Zeugen. Damals wurde auch die schon im April 1293 erhöhte Mannschaft des Gonfaloniere nochmals gemehrt.
  327. Das Spionenwesen war in Florenz schon jetzt sehr ausgebildet. Gegen die feindlichen Nachbarcomunen waren immer Spionen im Felde, wie wir aus den ihnen angewiesenen Geldanweisungen ersehen. Sie werden ja bis nach Deutschland geschickt. Aber auch innerhalb der Stadt fungirten zahlreiche Geheimpolizisten gegen Steuer- und Zolldefraudationen und verbotene Associationen (s. S. 292 Anm. 1). Wenn nun auch gegen die Magnaten Spione bezahlt werden, so hat das nichts Auffallendes und verräth keine besondere Härte gegen sie.
  328. Es wird hier Bezug genommen auf ein Statut der Comune, das aus der Provision des genannten Tages hervorgegangen ist und mit den Worten begann „Ut in effrenata praecipue Magnatum“. Es trug die Ueberschrift „De securitatibus praestandis a Magnatibus Civitatis Florentiae“. Es hat seinen Platz in den Statuten mit den nöthigen Veränderungen auch für die Folgezeit behauptet und ist auch in der sog. Castrensischen Ausgabe derselben I S. 448 abgedruckt. Die Namen der Magnatenfamilien sind hier weggelassen – sie existirten schon nicht mehr –, und wer weiss, ob nicht ihre Nennung in der Handschrift des Provisionenbandes I c. 32 die Ursache der Verstümmelung desselben gewesen ist. – Von dem Magnatenverzeichnisse wurden jährlich vier Abschriften genommen und an die verschiedenen Behörden vertheilt. (s. oben S. 287 Anm. 1.)
  329. Alles das schliesst das Wort baratteria in sich ein.
  330. Wahrscheinlich: quaternas.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ererklären
  2. Vorlage: Manfred
  3. Siehe auch DZfG Bd. 4 (1890), S. 275–340: A. Busson, Die Schlacht bei Alba zwischen Konradin und Karl von Anjou, 1268.
  4. Vorlage (in der Anmerkung): anch
  5. Vorlage: uud
  6. Vorlage: nament-
  7. Die Fußnote dieser Seite wird nicht im Text angezeigt.
  8. Wohl zu lesen: Florenz.
  9. Vorlage: des
  10. Vorlage (in der Anmerkung S. 260): piccoli
  11. Vorlage: den