Zum Gedächtniß eines Patrioten
[788] Zum Gedächtniß eines Patrioten. In Schleswig-Holstein begeht man am 18. November mit besonderer Herzlichkeit die Feier des hundertjährigen Geburtstages von Uwe Jens Lornsen, und überall im Reiche wird man sich in dankbarem Gedenken an den edlen Friesen mit seinen engeren Landsleuten zusammenschließen. Von seiner Hand ist ein Stein ins Rollen gesetzt worden, der erst mit der Befreiung der Elbherzogthümer von der dänischen Herrschaft wieder zur Ruhe kam, und in seinem prophetischen Geiste hat er die Zukunft Deutschlands schon fast genau so geschaut, wie sie sich in der Folge wirklich entwickelt hat. Seine im Jahre 1830 erschienene Schrift „Ueber das Verfassungswerk in Schleswig-Holstein“ war eine That, ein Weckruf und eine Richtschnur zugleich, und ihre Wirkung von unberechenbarem Segen für sein Volk. Für ihn selbst freilich war sie ein tragisches Verhängniß. Nicht, daß sie ihn um sein Amt und ins Gefängniß brachte, war das Schwerste – das haben schon viele erduldet, und das Märtyrerthum war nur ein Vortheil für ihre Sache! Aber die seelischen Qualen einer einsamen Haft fanden in Uwe Jens Lornsens Gemüth einen schwachen Punkt, von dem aus sie die schmerzlichsten Verheerungen anrichteten. Eine tiefe Neigung zur Schwermuth, hervorgerufen durch ein an sich bedeutungsloses körperliches Uebel, konnte durch die keineswegs schonend gehandhabte Untersuchungs- und Strafhaft nur ungünstig beeinflußt werden, und nach einem jahrelangen Ringen mit dem ihn finster umschleichenden Dämon endete der sonst so willensstarke und verstandesklare Mann am 13. Februar 1838 durch eigene Hand.[1] Sein glühender Wunsch, seinem Volke in den Stürmen der Zeit ein Führer zu Licht und Freiheit sein zu dürfen, ist nicht mehr in Erfüllung gegangen.
Aber jene eine That ist nicht vergessen worden, und wenn man heute die Männer aufzählt, die an der Wiege des deutschen Einheitswerkes gestanden haben, so ist auch Lornsens Name darunter. Dafür bleibt ihm das treue Gedächtniß seines Volkes!
- ↑ Das Leben und Wirken Uwe Jens Lornsens ist im Jahrgang 1879 der „Gartenlaube“, Nr. 5 und 6, ausführlich geschildert. Wir besitzen auch in dem Buche von C. Jansen, „Uwe Jens Lornsen. Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedergeburt des deutschen Volkes“ (Neue Ausgabe, Kiel 1893, Eckardt) eine vortreffliche Biographie des Mannes.