Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste
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Zeit in der Mechanick

Band: 61 (1749), Spalte: 725–779. (Scan)

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Zeit, Lat. Tempus, Frantz. Temps oder Tems, Ital. Tempo, ist eine gewisse und determinirte Verweilung der Gestirne in ihrem Lauffe, wornach das Seyn und Dauern anderer Dinge gemessen wird; oder die Zeit ist das Maas der Währung der Dinge; oder, wie sie die Alten beschrieben, die Zeit ist eine Zahl oder Abmessung der vergangenen und zukünfftigen Bewegung.\

Wenn durch die Bewegung diejenige gemeynet wird, so die Sonne und der Mond mit ihrem Umlauff verrichten, hat sothane Beschreibung ihre Richtigkeit. Denn weil alles Thun und alle Handlungen nicht auf einmahl und in einem Augenblick vollbracht werden, sondern einen gewissen Zug oder Fluß erfordern, in welchem sie geschehen können, und solcher Zug aus unzehlbaren kleinen an einander hangenden Theilen bestehet; hat man zu einem Maaß desselben die Bewegung solcher grossen Himmels-Lichter, als das richtigste, beständigste, allgemeineste, und von der Natur selbst angewiesene, ja von dem Urheber der Natur eingesetzte Maaß angenommen, und nach solchen die Zeit in Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate und Jahre abgetheilet. Diesemnach ist die Zeit ein äusserlicher Umstand der wesentlichen Dinge, wie sie in ihrer Währung mit mehrbesagtem Umlauff zugleich bestehen, und von unserem Verstande damit verglichen werden.\

Andere wollen der Zeit weder Zahl noch Bewegung, weder das erste noch das letzte, sondern ein stets abweichendes und wiederkommendes Nun zugestehen, weil, wie sie sagen, das vergangene nicht mehr vorhanden, das zukünfftige noch erst kommen soll, das gegenwärtige aber so schnell vorbey gehet, daß es kaum begreifflich ist.\

Einige unter den neuern Philosophen haben behauptet: Daß die Zeit in dem weitläufftigsten Verstande genommen, mit dem Begriff des quando einerley sey. Das Quando aber nennen sie ein Abstractum des Daseyns, worinne wir die Möglichkeit vieler Dinge gedencken. In engern Verstande soll die Zeit ein solches quando seyn, in welchem wahrhafftig eine Folge der Dinge, und der Veränderungen, die auf einander folgen, vorgehet. Die Zeit hätte sich mit der Welt angefangen. Die Natur unsers Verstandes nöthigte uns in beyden Arten der Zeiten einige Theilgen oder Augenblicke, ob sie gleich nicht entia completa sind, und in dem Subjecte hangen, sondern nur von aussen dabey sind, zu unterscheiden.\

Der Begriff des Quando wäre der Natur nach eher als der Begriff der Zeit im engen Verstande. Wenn etwas existirte: So erforderte es zum wenigsten zwey Momente der Zeit zu seinem Daseyn. Denn ein Moment sey der kleinste Theil der Zeit und des quando. Wenn nun etwas in einem Moment existirte; so würde folgen, daß es in einem kurtzen Puncte der Zeit und des quando zugleich wäre, weil es anfinge; und nicht wäre, {Spalte 726} weil es aufhörete. Dieses aber wäre ein Widerspruch. Röselitz Disp. de successione momentorum in ipsa aeternitate, Leipzig 1746. Siehe auch die Vollständige Nachrichten von dem Innhalte der kleinen Academischen Schrifften, III Band, p. 568 u. f.

Denen Leibnitz-Wolfianern ist die Zeit eine Ordnung dessen, was aufeinander folgt, dergestalt, daß, wenn man eins als das erste annimmt, ein anders das andere, und noch ein anders das dritte wird u.s.f. Die Erläuterung dieser Erklärung folget in dem nachstehende Abschnitte.

1. Erläuterung der von der Zeit gegebenen Erklärung der neuern Weltweisen. Bearbeiten

Wir erlangen einen Begriff von der Zeit dadurch, daß wir erkennen, daß etwas nach und nach entstehen könne; ingleichen, wenn wir darauf Acht haben, daß unsere Gedancken auf einander folgen, erlangen wir einen Begriff von der Zeit, nehmlich daß sie sey eine Ordnung dessen, was auf einander folget, dergestalt, daß, wenn man eins als das erste annimmt, ein anders das andere, und noch ein anders das dritte wird, u.s.f. von welcher Erklärung wir kurtz vorhergesagt, daß sie die Leibnitz-Wolffische sey.\

Was demnach der Raum in den Dingen ist, die nebeneinander zugleich sind, das ist die Zeit in denen, die nacheinander sind, oder deren eines auf das andere folgt. Weil wir den Begriff von der Zeit haben, vermittelst der Veränderungen, die in unsern Gedancken oder auch den Dingen, die wir uns vorstellen, sich ereignen; so können wir alle Zeiten unterscheiden und erkennen, in welchen sich eine Veränderung zuträgt, die wir von andern zu unterscheiden auf einige Art und Weise vermögend sind. Und die Zeiten, die wir auf solche Weise unterscheiden, sind würckliche Theile der Zeit. Es ist aber hieraus leicht zu erachten, daß die Zeit an einem Dinge nichts ändere, indem sie mit seinem innern gar nichts zu thun hat; unterdessen doch von ihm, und einer andern Zeit, jedoch von der letztern nur der Zahl nach, unterschieden ist.

Alles was nach und nach geschiehet, das geschiehet in der Zeit. Denn da man hier vieles von einander unterscheiden kan, deren eines vorher gehet, daß andere darauf folgt, so hat man eine Zeit. Derowegen weil zusammengesetzte Dinge nach und nach entstehen können; so können sie auch in einer Zeit entstehen, das ist, indem sie entstehen, oder zur Würcklichkeit gelangen, verfliesset eine gewisse Zeit. Hingegen kan keine Zeit verfliessen, indem ein einfaches Ding entstehet, wenn man annimmt, daß es entstehen, oder zur Würcklichkeit gelangen soll, da es vorher bloß möglich war. Denn da sie auf einmahl entstehen müssen, wenn sie entstehen sollen: so lässet sich hier nichts unterscheiden, was, indem sie entstunden, auf einander folgte. Und also hat man hier keine Zeit. Es ist hierdurch überhaupt klar, daß nichts, was auf [727] einmahl geschiehet, in einer Zeit geschiehet, das ist, daß keine Zeit vorbey streichet, indem es geschiehet. Der Beweiß ist allgemein, ob er gleich bloß in einem besondern Falle angebracht wird.

Es ist indessen gewiß, daß sich die allerwenigsten Menschen, um die wahre Beschaffenheit der Zeit bekümmern. Die allermeisten haben die dunckelsten und verworrensten Begriffe davon, ob sie gleich mehr als der gemeine Pöbel bedeuten wollen. Sie legen einen Tag nach dem andern, eine Woche nach der andern, ja wohl gar ein Jahr nach dem andern zurück, und dencken doch offt so wenig an ihre Zeit, die sie in der Welt zubringen, ja an ihr gantzes Leben, welches aus derselben bestehet, und gleichsam zusammen gesetzet ist, mit einiger Aufmercksamkeit zurück. Ein Tag vergehet nach dem andern, ja ein Jahr, das so viele Tage zählet, vergehet, nach dem andern, so, daß offt 30–40 und mehrere Jahre endlich vorüber streichen, ehe wir es einmahl recht gewahr werden. Diese gantze Zeit über machen wir uns offt mit allerhand Dingen viel zu thun, und zu schaffen: Wir lauffen und rennen, wir tichten und trachten, und nehmen allerhand vor, womit wir diese Zeit nur hinbringen können, ja wir bemühen uns offt, daß wir nur etwas zu thun bekommen, damit dieselbe inzwischen unvermerckt vergehen möge.\

Bey alledem aber fällt es uns nicht einmahl ein, über die Beschaffenheit der Zeit zu dencken. Die meisten stellen sich die Zeit fast nicht anders als ein allgemeines Behältniß vor, darinne sie, und andere neben ihnen in der Welt befindlichen Dinge, gleichsam verschlossen, und von allen Seiten umgeben sind, ja sie bilden sich dieselbe wie einen Strom ein, der sie nebst andern Dingen gleichsam mit sich fortführe, und dahin reisse, ohne zu bedencken, daß sie selbst, und die Dinge, die neben ihnen in der Welt sind, mit ihrer Dauer die Zeit selbst erst machen, und derselben so zu reden ihr gantzes Leben geben.

2. Eintheilung der Zeit. Bearbeiten

Die Natur theilet die Zeit sehr klein ein. Wir können die Theile der Zeit nicht anders erkennen, und von andern Theilen unterscheiden, als durch die Veränderungen, die sich darinne zutragen. Da nun die Vergrösserungs-Gläser die Kleinigkeiten in der Natur entdecken, die wir sonst wahrzunehmen nicht vermögend sind; so müssen wir nicht weniger bey der Eintheilung der Zeit als des Raumes zu ihnen unsere Zuflucht nehmen. Es hat Deslisle durch ein Fern-Glas ein kleines Würmgen gesehen, das in einer Zeit von einer Secunde, in welcher kaum der Puls einmahl schlagen kan, tausendmahl den Fuß bewegt. Und also kan man eine Zeit, die wir einen Augenblick nennen, noch in 1000, folgends eine Stunde, so 3600 Secunden hat, in 3600000 merckliche Theile eintheilen.\

Unterdessen ist dieses noch nicht der Kleineste unter den mercklichen Theilen. Denn, wenn wir untersuchen wollen, was von Leeuwenhöcken und andern von solchen Veränderungen aufgezeichnet worden, die sie durch gute Vergrösserungs-Gläser heraus bringen können: so werden wir noch viel kleinere Theile der Zeit [728] mercklich unterscheiden können. Ja man könnte auch, wenn es nöthig wäre, selbst durch die Eintheilung des Raumes die Eintheilung der Zeit beweisen. Denn man darff nur einen Raum annehmen, dadurch in einer sehr kleinen Zeit eine Bewegung geschiehet, und nach diesem untersuchen, wie kleine man in gewissen Fällen durch die Vergrösserungs-Gläser dergleichen Raum getheilet findet. Denn etwas kleines muß in einem jeden solchen Theile, er mag noch so klein seyn, eine gewisse Zeit zubringen, indem es unmöglich zwey Theile des Raumes auf einmahl erfüllen kan.\

Der Begriff von der Zeit kommet insgemein leichter vor, als von dem Raume. Denn weil die Theile der Zeit nicht zugleich da sind, sondern eines vergehet, das andere kommt; so erkennet man gar bald, daß die Einbildungs-Krafft mit darzu etwas dichtet, wenn wir uns die Zeit als eine Linie vorstellen, die durch die Bewegung eines Punctes ohne Aufhören immerfort verlängert wird. Hingegen da die Theile des Raums auf einmahl bey einander sind: So lässet mans leichter zu, als wenn ein solches Ding ausser uns vorhanden wäre, das eine Ähnlichkeit mit dem Bilde in der Einbildungs-Krafft hätte. Unterdessen liegt die Ähnlichkeit zwischen Zeit und Raume einem jeden vor Augen, und wer diese erwogen, den befremdet der Begriff des Raumes nicht mehr so, wie im Anfange.

Wenn wir kleine Zeiten begreifflich machen wollen, und würckliche Theile davon bekommen: So müssen wir auf die Bewegungen Acht geben, die sich durch die Vergrösserungs-Gläser unterscheiden, oder aus demjenigen, was sich dadurch unterscheidet, berechnen lassen. Es kommen aber solche Fälle vor, da man auf die Kleinigkeit der Zeit Acht zu geben hat, z.E. Wenn man sich die Grösse der göttlichen Erkenntniß, und daraus die Grösse des göttlichen Verstandes in etwas begreiflich machen will, daß wir sie nicht mehr aus blosser Unwissenheit, sondern mit Verstande bewundern, indem wir würcklich etwas davon erkennen, daß sie unbegreiflich ist, nicht aber bloß uns bewust sind, daß wir sie nicht begreiffen.\

Die Vergrösserungs-Gläser haben in Eintheilung des Raums eben den Nutzen, den wir ihnen bey der Zeit zugeeignet haben, und es ist ebenso nützlich die kleinen Theile des Raumes begreifflich zu machen, als die kleinen Theile der Zeit. Es hat mit dem Begriffe der Zeit eben die Bewandniß, wie mit dem Begriffe des Raums. Nehmlich das gemeine Bild dienet uns darzu, daß wir die Zeit abmessen, und in der Mathematick uns unter einer Linie vorstellen können: welches nicht wenig zu sagen hat, wie denen bekannt ist, die sich in der höhern Geometrie der heutigen Mathematick-Verständigen umsehen.

Die Zeit ist, eigentlich zu reden, nicht etwas ausser uns, sondern in uns: Wenn wir dieselbe aber in Jahre, Monate, Wochen, und Tage eintheilen, so ist dieses nur eine Vergleichung und gleichsam Zusammenhaltung unserer Zeit mit der Zeit anderer, neben uns in der [729] Welt befindlichen Dinge, sonderlich aber der Himmlischen Cörper, und derselben Bewegungen, und Veränderungen, damit wir nach derselben unsere Zeit gleichsam abmessen, und in gewisse, nach solchen Bewegungen und Veränderungen eingerichtete Stücke eintheilen können. Wenn aber gleich nichts in der Welt ist, und ausser uns da wäre, mit welchem wir unsere Zeit also zusammen halten, und nach demselben abmessen könnten: so würde unsre Zeit nichts destoweniger dennoch eben so gut vor sich fortgehen.

Man nennet diese Zeit in der Philosophie die innerliche Zeit, weil sie gleichsam in den Sachen selbst, denen sie beygeleget wird, sich befindet, und setzen sie der äusserlichen, die aus der Vergleichung und Zusammenhaltung der Zeit des einen Dinges mit der Zeit eines andern gleichsam entstehet, entgegen; weil diese nemlich sich nicht in den Sachen selbst findet, sondern eine blosse Würckung unsers Verstandes ist. Augustinus hat diese beyden Bedeutungen nicht genugsam erwogen, und von einander unterschieden, wenn er an einem gewissen Orte schreibt: Si nemo ex me quaerat, quid tempus sit, scio: si quaerenti explicare velim nescio; Wenn mich jemand fragt, was die Zeit sey, so weiß ich es; wenn ich aber dem, der mich darum fragt, es erklären will, so weiß ich es nicht, Lib. II. Confess. Cap. XIV. Daher hatte er auch noch keinen deutlichen Begriff von dem, was man unter diesem Worte eigentlich dencken muß. Und in der That ist dieses auch der wahre Grund von allen verwirrten Begriffen, die man sich von der Zeit zu machen pflegt: Daher wir auch diese verschiedenen Bedeutungen hier vor allen Dingen haben von ein, ander absondern müssen.

Was nun die innerliche Zeit sey, wird ein jeder aus dem, was bisher gesagt ist, von selbst einiger massen abnehmen können. Man leget in dem gemeinen Gebrauche dieser Worte denjenigen Dingen eine Zeit in diesem Verstande bey, die ihre Dauer zwar eine Weile fortsetzen, dabey aber so wohl einen Anfang als auch ein Ende ihres Daseyns haben. Denn der Dauer solcher Dinge, die entweder keinen Anfang und Ende, oder auch zwar einen Anfang, aber kein Ende haben, hat man im gemeinen Leben schon längst andern Nahmen beygeleget, von welchem wir aber hier nicht reden wollen.\

Die Zeit kan also auch folgender massen definiret werden, daß sie die mit einem Anfang und Ende verknüpffte Dauer eines jeden Dinges sey, dem dergleichen zukommt. Unter dem Nahmen der Dauer verstehet man gemeiniglich nichts anders, als die Fortsetzung des Daseyns eines Dinges, das einmahl seine Würcklichkeit erreichet hat. Ein Ding also, daß jetzt z.E. da ist, da man an dasselbe denckt, und sich dasselbe vorstellt, und wenn dieser Gedancken in einem vorüber ist, noch da ist, und also sein Wesen auf solche Art fortsetzet; dem legt man eine Dauer bey: und eine solche Dauer, wenn sie ihren Anfang und Ende hat, ist es, so man die Zeit nennet.\

Wenn nun die Dauer eines Dinges entstehet, wenn etwas sein Daseyn durch verschiedene solcher Augenblicke, die wieder nur in Gedancken von einander absondern, und ein Nun überhaupt nennen können, fortsetzet, und also eine Dauer aus verschiedenen [730] dergleichen Augenblicken oder Nun gleichsam zusammen gesetzet ist: so muß man dieses nun auch besonders von der Zeit, und also auch von unserer Zeit, die uns gleichsam eigen ist, sagen. Unsere Zeit ist freylich daher auf gewisse Masse nicht anders als ein Strom anzusehen, der aus vielen kleinen Tropffen, oder als eine Linie, die aus verschiedenen untheilbaren Puncten, entstehet, und gleichsam zusammengesetzt ist: nur mit dem Unterschied, daß was in derselben einmahl vorüber ist, auch zugleich aufhöret zu seyn, und seinem Gantzen, zu dem es gehöret, abgehet; dahingegen die Tropffen sowohl in einem Strome, als die verschiedenen Puncte in einer in Bewegung gesetzten Linie noch da sind, wenn sie gleich vorüber sind, und ihre Dauer so gut, wie vorher fortsetzen.\

Unsere gantze Lebens-Zeit, die wir in der Welt zubringen, bestehet also aus lauter untheilbaren Augenblicken, die, sobald sie nur vorüber sind, auch sogleich verschwinden, und zugleich einen Theil nach dem andern von unserer gantzen Dauer gleichsam mit sich dahin nehmen. Je länger wir also in der Welt leben, je mehr gehet von unserer uns bestimmten Dauer ab, und dahero fängt sich dieselbe schon an zu ihrem Untergange zu neigen, sobald sie nur ihren Anfang genommen hat. Ein jeder Augenblick, in welchem wir unser Leben fortsetzen, ist eine neue Verkürtzung desselben, und je länger wir leben, je weniger bleibt uns zu leben übrig. Wolfens vernünfftige Gedancken von GOtt, der Welt, und der Seele des Menschen, I Th. p. 47 u.ff. p. 430 u.f. p. 664 u.f. II Th. p. 65 u.f. Wöchentliche Göttingische Nachrichten des Jahrs 1735 St. 43.

Einige Weltweisen verstehen durch die innere Zeit die Dauer einer jeglichen Sache, die den Veränderungen unterworffen, und ihren Anfang und Ende hat. Die äussere nennen sie die Abmessung der Dauer, welche vermittelst der Sonne und des Mondes geschiehet. Die innerliche Zeit wird auch die metaphysische, und die äusserliche die Physische und Astronomische genennet.

Ausser diesen gewöhnlichen Eintheilungen der Zeit, giebt es noch eine grosse Menge, welche man unter Tempus, im XLII Bande, p. 806 u.ff. entweder abgehandelt, oder unter andere Artickel verwiesen finden wird. Hier wollen wir noch einige Arten betrachten, die übrigen aber in besondern Artickeln abhandeln.\

TEMPUS QUIESCENS wird diejenige Zeit genennet, in welcher man eine Sache entweder ihrer Natur nach, nicht besitzen kan, oder nicht besitzen will. Chladenii Opuscula Academica, p. 221. \

Die Zeit kan auch abstract betrachtet werden, wenn man nur eine mögliche Reihe der Dinge, die auf einander folgen und einander ähnlich sind, annimmt. Und also dencken wir zuweilen, es sey Zeit übrig, wenn wir uns eine mögliche Reihe der Dinge die auf einander folgend, einbilden, obgleich keine Dinge existiren, die würcklich aufeinander folgten. Auf diese Art muß man die Zeit in Abstracto betrachtet, nicht mit der Zeit in Concreto, oder die in der Welt ist, vermengen.\

Man kan sich auch einen eingebildeten Begriff von der Zeit machen, (Notionem temporis imaginariam) wenn man zur Idee der Zeit, abstract betrachtet, [731] hinzusetzet, daß sie ein von den aufeinander folgenden Dingen dermassen unterschiedenes Ding sey, welches als ein zusammengesetztes Ding aus lauter beständig auf einander folgenden Theilen, die innerlich nicht unterschieden werden, annoch dauere. Denn eine Zeit von der Art kan nicht statt haben; folglich ist dieses eine eingebildete Zeit, oder der Begriff von dieser Zeit bestehet bloß in der Einbildung. Reuschens Systema Metaphysicum, p. 124 u.ff. Scheibler in opere Metaphysico, L. I. Cap. 16. p. 206. Donati Metaphys. Usual. p. 83. Hebenstreit in Philosoph. prim. p. 151. Walchs Philosophisches Lexicon.

Wie man aber eigentlich die Zeit abzumessen und einzutheilen pfleget; dieses gehöret hauptsächlich in die Chronologie, siehe Chronologie, im V Bande, p. 2270.

3. Was die Sonne bey der Zeit thut? Bearbeiten

Die Sonne träget vieles bey, die Zeit zu bestimmen. Aus der Sonne lässet sich erkennen, wenn es Mittag ist, und dadurch, daß man diese Zeit genau erkennet, lassen sich die Uhren richtig stellen, daran absonderlich in der Astronomie viel gelegen ist. Man kan auch aus der Sonnen-Höhe die Stunde und Minute, ja noch kleinere Theile der Zeit finden, und auf solche Weise die Zeit, da etwas geschehen, genau erkennen, woran wiederum in der Astronomie, und in andern von dieser Wissenschafft dependirenden Dingen gar viel gelegen ist. Und also ist uns auch die Sonne zur Erkenntniß der Zeit behülfflich. Wolfs Gedancken von den Absichten der natürlichen Dinge, §. 54

4. Wie man ohne Uhr die Zeit genau bemercken kan? Bearbeiten

Wenn man fragt, wie man ohne eine Uhr die Zeit in kleinen Theilen genau bemercken kan: so giebt uns Galiläus Dialog. 3 de motu, p. 158. ein Mittel an die Hand, dessen er sich in dergleichen Fällen bedient. Er hat nemlich ein grosses Gefässe mit Wasser aufgehangen, und in den Boden durch ein enges Röhrlein das Wasser in ein Glas lauffen lassen, so lange ein Cörper gefallen. Weil nun das Gefäß sehr breit, die Zeit hingegen sehr kurtz gewesen: so hat sich das Wasser wenig gesetzet, und ist demnach gleich viel gewesen, als wenn es im Gefässe immer gleich hoch gestanden, und mit unveränderter Geschwindigkeit heraus gelauffen wäre. Derowegen weil in diesem Falle in gleicher Zeit gleich viel Wasser heraus läufft, zweymahl soviel Wasser aber zweymahl so schwer ist, als einmahl so viel: so verhält sich die Zeit, wie die Schwere des Wassers, welches in derselben aus dem Gefässe heraus gelauffen. Und demnach hat er das Wasser auf einer genauen Waage abgewogen: so hat er auch daraus die Verhältniß der Zeit finden können, nehmlich ob ein Fall zwey, drey, vier, und mehrmahl so lange gedauret als der andere.

Man kan auch eine Kugel an einen Faden binden, und dergestalt aufhängen, daß sie um den Nagel beweglich ist. Denn, wenn man sie nicht gar zu sehr ausschweiffen lässet: so bringet sie ihren Lauff einmahl so geschwinde zu Ende, als das andere, und [732] kan daher zum Maasse der Zeit gebrauchet werden. Galiläus, Ricciolus und andere haben selbst in der Astronomie die Zeit auf solche Weise abgemessen. Anderer Mittel wollen wir jetzo nicht gedencken. Wolfs nützliche Versuche, Th. II, §. 2.

5. Wie man seine Zeit anzuwenden habe? Bearbeiten

Ein Philosophischer Moraliste untersuchet die Frage: Wie man seine Zeit anzuwenden habe? Der Mensch darf die Zeit seines Lebens nicht nach seinem Gefallen brauchen, indem er da ist, daß er sich und andere glückselig mache, folglich soll er die Zeit so brauchen, wie es GOttes Willen gemäß ist, daß er Nutzen in der Welt schaffe, und den wahren Fleiß ausübe. Dieses kan in Ansehung der unterschiedenen Ständen, darinnen sich die Menschen befinden; in Ansehung der Kräfften, die sie haben, insonderheit und in Ansehung des Jahrhunderts, darinnen sie leben, auf unterschiedene Art geschehen, worzu die Klugheit zu leben Anweisung giebt. \

Der Mißbrauch der Zeit bestehet im Müßiggange, da man eines Theils solche Verrichtungen vornimmt, die eitel sind, und keinen Nutzen bringen; andern Theils seinem verderbten Triebe zu gefallen gar nichts thut. Sein Amt kan man niederlegen, und sich von aller Arbeit befreyen; wenn dieses nicht aus Faulheit, sondern mit Absehen geschiehet, seinem GOtt besser zu dienen; Wenn hierdurch ein Land, Stadt oder Gemeine keinen Schaden nimmt; und wenn es Alters oder Unvermögens halber geschiehet.

Unter allen Augenblicken, aus welchen die Zeit unsers Lebens gleichsam zusammen gesetzet ist, oder durch welche es vielmehr nach und nach abnimmt, und verkürtzet wird, ist kein eintziger eigentlich unser, und in unserer Gewalt, als der gegenwärtig ist, und der kaum so lange dauret, als wir nur dencken, oder auch ein solches Nun nur nennen können. Denn der einmahl vergangen ist, der ist vorbey, und nicht mehr unser, und stehet daher auch nicht weiter in unserer Gewalt, ihn so oder so zu gebrauchen: und der noch zukünfftig ist, wie denn alles dergleichen ist, was wir zu einem gegenwärtigen Nun nicht mit rechnen können, das müssen wir blos erwarten, und stehet daher derselbe auch eben so wenig in unserm Vermögen. Auch nicht der allernächste Augenblick unserer Dauer, den wir nur dencken können, ist unserm eigenen Willkühr überlassen, sondern wir müssen ihn bloß von dem Willen dessen, in dessen Händen unser Leben und Tod stehet, und dessen Aufsehen allein unsern Othem bewahret, mit Gedult und Gelassenheit erwarten.

Wie sorgfältig solten wir nun daher nicht seyn, wenn wir dieses recht gedächten, einen gegenwärtigen Augenblick unsers Lebens, der nur allein immer von unsern gantzen Leben eigentlich unser ist, und in unserer Gewalt stehet, wohl anzuwenden, da wir zu keiner Zeit wissen können, ob auch der allernächste gewiß nachfolgen werde. Ja einen jeden müßigen Augenblick, den wir haben, solten wir von Rechtswegen nur darzu anwenden, daß wir in demselben bedächten, wie wir uns des folgenden, wenn uns derselbe noch zu Theil werden solte, desto besser bedienen wolten. [733] Wie bald ist ein solcher Augenblick nicht verstrichen, und wie leicht ist es nicht, daß ein jeder, der noch da ist, der letzte sey. Solten wir nun nicht auf jeden derselben besonders Acht haben, und nicht verschwenderisch, und nachläßig mit unserer Zeit umgehen? Würde nicht, wenn wir unser Leben auf solche Weise führten, solches endlich ein Zusammenhang und gleichsam eine Kette von lauter GOtt und Menschen wohlgefälligen Tugenden werden? und würde wohl ein Mensch in der Welt seyn, der sich würde entschliessen können, den eintzigen Augenblick, den er vielleicht nur noch zu seinem Gebrauche hat, darzu anzuwenden, daß er in demselben noch seines Neben-Menschen Teuffel werde?\

Gewiß diese Betrachtung würde viele, wenn sie derselben gebührend nachdencken wolten, dahin bringen, daß sie ihr gantzes Leben, mit weit mehrerer Vorsicht, Klugheit und Behutsamkeit, als von den meisten geschiehet, zu führen anfiengen, und also gewiß endlich vernünfftige Menschen; so dann aber auch desto eher ungeheuchelte Christen abgeben würden. Vielleicht kommt aber dieses manchen zu betrübt und zu melancholisch vor, wenn er auf diese Weise einen jeden Augenblick seines Lebens, als einen solchen, den er allein nur in seiner Gewalt habe, und er vielleicht der letzte sey, sich vorstellen, und von einem jeden folgenden zugleich dencken solle, ob er auch noch nachkommen werde, indem er auf diese Weise ja in beständiger Furcht des Todes seyn müsse. Allein diejenigen, die solche Einwendung hier haben, mögen sich des Epicurs Ausspruch beym Seneca zur Antwort dienen lassen: meditare, utrum commodius sit, vel mortem transire ad nos, vel nos ad eam, das ist, bedencke doch, was wohl besser sey: daß der Tod zu uns komme, und uns übereile: oder wir vielmehr zu ihm kommen, und ihm entgegen gehen.

Seneca Epist. XXVI. Eben diese Betrachtungen sollen uns dahin bringen, daß wir uns mehr und mehr in Verfassung setzen lernen, alle Augenblicke denselben mit standhafften Gemüthe zu erwarten. Niemand als ein Thor, und der etwa noch niemahls gedacht hat, daß er gewiß einmahl sterben müsse, fürchtet den Tod. Vita cum exceptione mortis data est, sagt der weise Seneca, ad hanc itur: quam ideo timere dementis est, quia certa expectantur, dubia metuuntur, das ist, das Leben ist uns mit der Ausnahme und Bedingung des Todes nur gegeben worden: Hierzu führt uns nun dasselbe; ein Thor fürchtet daher diesen nur, weil man das, was gewiß ist, allein erwartet: dasjenige aber, was ungewiß ist, nur fürchtet. \

Seneca Epist. XXX. Da nun der Tod gewiß, und unvermeidlich ist: so ist uns nichts anders dabey übrig gelassen, als daß wir einen jeden Augenblick der Zeit, als die nächste Staffel darzu, ansehen, und uns dadurch mehr und mehr zu demselben gefast machen, folglich uns diese Betrachtung der Zeit mit darzu dienen lassen.

6. Daß man sich in die Zeit schicken soll. Bearbeiten

In der Politick und Klugheit zu leben findet man wie sehr die Regel, daß man sich in die Zeit [734] schicken soll, eingeschärffet wird: Nehmlich man soll ein Mann seyn seiner Zeit, das ist, sich nach dem Geschmack der Zeit, darinnen man lebet, richten. Der Geschmack der Menschen ist veränderlich, dergestalt, daß sie weder gegen ein würckliches Gut, noch gegen eine Eitelkeit stets dauernde Hochachtung hegen, daher fast kein Jahrhundert ist, darinnen nicht gewisse Wissenschafften, ingleichen gewisse Irrthümer und Eitelkeiten Mode und im Flor gewesen, die über lang und über kurtz wieder herunter, und andere an deren Stellen gekommen.\

Das Glück und Aufnehmen nun eines jeden Menschen dependiret ordentlicher Weise von den Diensten, die er der Welt zu leisten fähig ist, und zwar eigentlich von den Diensten, dadurch er denen, unter welchen er zu blühen gedencket, Gnüge leisten kan. Wer also unter den Seinigen in Aufnehmen kommen will, der muß sich in solchen Dingen, die in dem Jahrhundert, darinnen er lebet, gesucht und hochgeachtet werden, herfür thun. In Ansehung dieses Geschmacks giebts daher nutzbare Künste, die dem Geschmacke des Jahrhunderts gemäß sind; Brodlose Künste, die ihm nicht gemäß sind; verderbt und schädliche Künste, die demselben gar zuwider sind, und die das Jahrhundert gar nicht leiden kan.\

Auf diese letzte Art war Socrates kein Mann seiner Zeit, als welcher wegen ein und anderer nicht mit gnugsamer Behutsamkeit verschwiegener Wahrheiten seinem Jahrhundert mit dem Leben bezahlen muste. Und nicht alle haben an ihrem Jahrhundert eine Zeit gefunden, die sie wohl hätten erleben sollen. Es muste zum Exempel durch GOttes Schickung zutreffen, daß Martin Luther ein Mann seiner Zeit war; Johann Huß hingegen war es nicht, und wäre eines bessern Jahrhunderts werth gewesen. Peter Ramus war nicht ein Mann seiner Zeit; wohl aber Cartesius. Thomas Scotus, Svarez, Vasquez waren grosse Lichter in den Grillen ihrer Zeit; solten sie aber heut zu Tage wieder aufstehen, so würden sie in unserm Jahrhundert wenig Verehrer finden,siehe Müllers Noten über Gracians Oracul Max. 20 p. 126. u.ff. Cent. I.\

Wenn man etwas ausführen will, soll man sich auch in die Zeit schicken, das ist, die rechte Zeit in Acht nehmen, welches diejenige ist, in welcher eines theils die Fähigkeit und Macht, die zu einem Unternehmen erfordert wird, zu gnugsamer Vollkommenheit gediehen; andern theils aber auch die Conjuncturen, oder Umstände des Glücks der Ausführung eines Vorhabens am meisten favorisiren, siehe Müller l.c. Max 55. p. 423.\

Der P. Rapin erzehlet in seinen reflexions sur la philosophie ancienne et moderne unter dem Artickel reflexions sur la Physique §. 10. von dem Cartesius, daß er, als er im Begriff gewesen, seine principia philosophiae heraus zu geben, ein Vacuum in der Natur zu statuiren Willens gewesen, weil der Zusammenhang seiner Lehr-Sätze solches zu erfordern schiene; Hiervon habe er seinem guten Freunde zu Paris, dem Mersennus, Nachricht gegeben, welcher solches einsmahls in einer Gesellschafft erzehlet; aber von den meisten verstanden, daß dieses ein schlechter Einfall [735] des Cartesius sey. Worauf Mersennus an ihn geschrieben, er solte sich mit dem Vacuo nicht einlassen, es wäre solches in Paris nicht Mode, welche Warnung soviel gefruchtet, daß er nachgehends das Vacuum scharff geleugnet, und zum Behuff seiner nun geänderten Meynung die Materiam subtilissimam coelestem angenommen. Walchs Philosophisches Lexicon.

7. Abbildung der Zeit. Bearbeiten

In der Bilder-Kunst wird die Zeit abgebildet unter der Gestalt des Saturnus, als ein alter Mann, mit Flügeln auf dem Rücken, einer Sand-Uhr auf dem Kopff, und einer Sensen in der Hand, anzudeuten, daß die Zeit flüchtig und schnelle dahin fahre, alles vernichte, und was sie hervorgebracht, selbst wieder verzehre, wohin das Gedicht, daß Saturnus seine eigenen Kinder gefressen, zielet. Jablonsky Allgemeines Lexicon der Künste und Wissenschafften.

8. Erklärung einiger Sprüchwörter von der Zeit. Bearbeiten

Die Zeit bringet Rosen, sagt das Sprüchwort, das ist, eine jede Sache will ihre Zeit und Weile haben, ihre Vollkommenheit zu erreichen; in welchem Sinne auch gesagt wird: die Zeit bringt die Frucht, nicht der Acker; oder mit der Zeit auf dem Stroh werden die Mespeln zeitig. \

Zeit gewonnen, Leben gewonnen, das ist, eine beschwerliche Sache aufschieben und aussetzen können, ist ein grosser Vortheil. \

Wem immer Zeit genug, der kommt gewiß zu spät, das ist, der ein Ding nicht zu rechter Zeit treibt, sondern immer aufschiebt und läßig ist, wird nichts ausrichten.\

Die Zeit ist der Meister, das ist, die gegenwärtige Zeit schreibt die Weise für, wie man leben soll; in solchem Sinne haben die Alten gesagt: Schickelmann (das ist, die Zeit) wohnt an der Straßen. \

Wenn es Zeit ist, so wird es Sommer, das ist, ein jedes Ding hat seine Zeit, da es gelingen oder gethan werden kan.\

Jede Zeit schilt ihre Boßheit, wird gebrauchet, die zu widerlegen, so sich beklagen, daß die alten Zeiten besser als die heutigen, gewesen, welchen gemeinen Irrthum ein sinnreicher Italiener, Sec. Lancellotte, in einem grossen Buch, l'hoggidi, overo il mondo non peggiore del passato betitult, ausführlich widerleget. Jablonski Allgemeines Lexicon der Künste und Wissenschafften.

9. Der Gegenstand der Zeit. Bearbeiten

Die Zeit wird entgegen gesetzet der Ewigkeit, die ohne Anfang und Ende ist, siehe Ewigkeit, im VIII Bande, p. 2255. u.f.

10. Einige Meynungen der alten Philosophen von der Zeit. Bearbeiten

Heraclitus, der um die LXIX Olympias gelebt, hat die Zeit für etwas cörperliches gehalten, Sextus Empiricus berichtet adv. Mathem. L. X, f. 216. daß Heraclitus ausdrücklich behauptet habe: Die Zeit wäre ein Cörper. Dieses ist so zu verstehen: daß die Sache, welche in der Zeit ist, und die Zeit selbst, einerley wären, wie es Aenesidemus erklärt. Bruckers Fragen aus [736] der Philosophischen Historie, II Th. p. 434. Zusätze, p. 1086.

Plato definirte die Zeit, durch eine Bewegung des Universi.

Aristoteles lehrte: die Zeit wäre eine Abzahlung der Bewegung nach dem, was vorher gegangen, und was folgen soll, welches durch das gegenwärtige verbunden würde. Alle Bewegung und Veränderung müsse in der Zeit geschehen, daher sey Himmel und Erde in der Zeit, weil sie bewegt würden. Es sahe demnach Aristoteles die Zeit nur als eine Relation an, welche von dem motu aeterno primi motoris ihren Ursprung hat, dahingegen andere Philosophen etwas wesentliches in derselben gesucht. Übrigens schreiben einige auch dem Plato die Aristotelische Definition der Zeit zu, wie Sextus, Empiricus adv. Physic. L. II, f. 228. berichtet. Bruckers I Theil, p. 842. Th. II p. 983.

Democritus der um die LXXX Olympias gelebt, meynete: Die Zeit wäre eine Vorstellung und Bild des Tages und der Nacht. Sextus Empiricus adv. Mathem. L. X, f. 183 Bruckers l.c. II Th. p. 1073.

Die Epicurischen Philosophen sagten: Die Zeit wäre nichts reelles, sondern nur ein zufälliges Ding, welches bey der Bewegung der Atomorum sich befindet. Laerz L. X, f. 71. u.f. Sextus Empiricus Pyrrhon. Hypotyp. L. III, C. 17. f. 137. p. 151. contra Physic. L. II, f. 183. p. 664. f. 117. p. 671.

Die Stoischen Weltweisen sagten: Die Zeit, sey eine Abmessung der Bewegung der Welt, welche zwar das vergangene und zukünfftige begriffe, aber nicht das Gegenwärtige. So philosophirte sonderlich Chrysippus von der Zeit, dessen Gedancken Lipsius in Dissertat. sive Physiologiae Stoicae, Diss. 24. p. 265. u.ff. mit mehrern erläutert. Überhaupt machten die Stoicker die Zeit zu etwas uncörperlichen, wie Sextus Empiricus Pyrrhon. hypot. L. III, Cap. 17 f. 136. Lib. II, advers. Phys. f. 218. Laerz L. VII, f. 141. erinnern. Weil sie aber lehrten, was uncörperlich ist, könne weder leiden noch thun, beym Sextus adv. Logic. Lib. II, f. 263. 404 407; so ersiehet man daraus, daß sie die Zeit für kein physicalisches Ding, sondern für eine blosse Idee der Phantasie oder einen gewissen Begriff von der Bewegung der Welt gehalten haben, als welches eigentlich, nebst dem loco, vacuo, inani, bey Stoickern das incorporeum heist.

Zeno von Elea, einer der berühmtesten Philosophen des Alterthums, behauptete, daß die Zeit nicht ins unendliche theilbar sey. Er hat bey Gelegenheit einiger Einwürffe wider das Daseyn der Bewegung auch über die Zeit philosophiren wollen, wodurch er aber in ein grosses Labyrinth gerathen ist. Diese Einwürffe hat uns Aristoteles im IX Cap. des VI Buchs seiner Natur-Lehre erhalten, wo man eine Untersuchung von vier Einwürffen Zenons findet. Wir können seine Philosophischen Gedancken von der Zeit nicht wohl von den Einwürffen, die er wider das Daseyn der Bewegung macht, trennen; weil er jene bloß [737] dieserwegen hat vorbringen müssen. Wir werden daher die gantze Materie unzertrennt lassen, wie sie Bayle in seinem Historischen und Critischen Wörter-Buche IV Th. p. 548 u. ff. vorstellet: Wenn sich ein Pfeil beweget, der nach einem gewissen Orte zielet: So würde er ungleich, in der Ruhe und in der Bewegung seyn. Nun ist dieses widersprechend: also bewegt er sich nicht. Die Folgerung des Obersatzes wird auf diese Art bewiesen. Der Pfeil ist in jeden Augenblick in einem Raume, der ihm gleich ist. Also ist er darinnen in der Ruhe: Denn man ist nicht in einem Raume, daraus man gehet: Also giebt es keine Augenblicke, wo er sich bewegt; und wenn er sich in einigen Augenblicken bewegte: So würde er zugleich in Ruhe und Bewegung seyn.\

Diesen Einwurff desto besser zu begreiffen, muß man auf zwey Grund-Sätze Achtung geben, welche man nicht leugnen kan, erstlich, daß ein Cörper nicht zugleich an zween Orten seyn kan; zum andern, daß zween Theile der Zeit nicht zugleich da seyn können. Der erste von diesen zween Grund-Sätzen ist so deutlich, daß wir, wenn man auch keine Aufmercksamkeit anwendet, denselben nicht erläutern dürffen: Weil aber der andere ein wenig mehr Nachdencken braucht, und die gantze Stärcke des Einwurfs enthält: So werden wir ihn durch ein Exempel empfindlicher machen.\

Wir sagen also, daß das, was dem Montage und Dienstage in Absehen auf die Nachfolge zukömmt, auch jedem Theile der Zeit zukomme, er mag seyn, wie groß er will. Weil es nun unmöglich ist, daß der Montag und Dienstag beysammen da sind, und der Montag nothwendig zu seyn aufhören muß, ehe der Dienstag anfängt zu seyn: so giebt es auch keinen eintzigen Theil der Zeit, der mit dem andern zugleich bestehen könnte. Jeder muß allein bestehen: jeder muß zu seyn anfangen, wenn der andere aufhöret zu seyn.\

Hieraus folgt: daß die Zeit nicht unendlich theilbar ist, und daß die auf einander folgende Dauer der Dinge aus eigentlich genannten Augenblicken zusammen gesetzet ist, davon eine jede einfach und untheilbar vollkommen von dem Vergangenen und Zukünftigen unterschieden ist, und nichts als die gegenwärtige Zeit enthält. Diejenigen, welche diese Folgerung leugnen, müssen entweder ihrer Tumheit, oder ihrer Unredlichkeit, oder der unüberwindlichen Stärcke ihrer Vorurtheile Preis gegeben werden.\

Wenn man nun einmahl setzet, daß die gegenwärtige Zeit untheilbar ist, so wird man gezwungen seyn, Zenons Einwürffe zu zulassen. Man wird keinen Augenblick finden können, worinnen ein Pfeil seinen Platz verläßt: Denn, wenn man einen derselben fände, so würde er zu gleicher Zeit in diesem Platze seyn, und nicht darinnen seyn. Aristoteles begnüget sich mit der Antwort, daß Zeno die Untheilbarkeit der Augenblicke höchst falsch voraus setze. Τουτο δέ έςτι ψεύδος ού γάρ ςύκειτου ό χρόνος έκ τών νύν οντων αδιαρέτων, οςπερ ουδ αλλο μέγεδος ούδέν. Hoc vero est falsum, cum tempus ex momentis individuis non constet, ut neque alia ulla magnitudo. So weit Bayle.\

Wir sehen, daß dieses die alte sophistische Manier zu Disputiren sey, die hier Bayle durch seinen [738] Beyfall bestärckt, ja gar demjenigen mit Schimpff-Worten drohet, der sie nicht für richtig erkennen will. Aber so wenig der erste Einwurff von dem Pfeile richtig ist: so wenig ist auch der andere richtig. Wenn man die Quelle dieser und vieler andern Trugschlüsse und Widersprüche entdecken will: so muß man den Unterschied zwischen dem wahrhafften und eingebildeten Raume, ingleichen der wahrhafften und eingebildeten Zeit bemercken.

Wir wollen jetzo nur bey dem letztern Unterscheide stehen bleiben, weil der erste eigentlich nicht hieher zu unserer Abhandlung gehöret. Wenn Zeno und Bayle von der Zeit reden, so verwirren sie sich ebenso wohl als bey dem Raume, indem sie auch hier die würcklichen Veränderungen der vorhandenen Wesen, mit einer eingebildeten Dauer, die in einem Stücke fortgehet, vermengen. Diese ist unstreitig in unserer Einbildungs-Krafft unendlich theilbar: ja wir können uns weder Anfang noch Ende darinnen vorstellen, gesetzt, daß wir alle endliche Wesen in unsern Gedancken vernichten wolten: so, wie wir uns auch den eingebildeten Raum ohne alle Figur, d.i. ohne Ende vorstellen.\

Allein beydes sind Hirngespinste, und blosse Geburten der Phantasie. Die würckliche Zeit bestehet aus den wahren Veränderungen vorhandener Wesen, z.E. unserer Gedancken, oder der Bewegung der Sand-Körner in inem Stunden-Glase. Da ist nun abermahls keine Folge zu sehen, daß ein Mensch zugleich im Montage und Dienstage seyn müste. Denn wenn das Stunden-Glas des Nachts zwischen eilf und zwölf Uhr soweit ausgelauffen ist, daß das letzte Sand-Korn durchs Loch fällt: so ist der Montag aus, und der Dienstag gehet an. Es sind zween verschiedene Augenblicke, die aneinander grentzen, und davon der eine zum vorigen, der andere aber zum folgenden Tag gehöret. Wir messen dieselbe nach dem Falle der Sand-Körner, als würckliche Begebenheiten; nicht aber nach den Chimärischen Eintheilungen einer eingebildeten Zeit, die nirgends als in unserer Phantasie bestehet. So siehet man nun, daß beyde Einwürffe von sich selbst wegfallen.

11. Von der Abtheilung der Zeit bey verschiedenen Völckern. Bearbeiten

Wenn die Zeit nichts anders ist, als eine gewisse und determinirte Verweilung der Gestirne, wornach das Seyn und Dauern anderer erschaffenen Dinge gemeßen wird, so ist klar, daß so wohl der Zeiten Abtheilung als Berechnung, sich vornehmlich auf die Astronomie oder Stern-Wissenschafft, und den Lauff der Gestirne gründe. Denn so machte GOtt Lichter an der Veste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht, und geben Zeichen, Zeiten, Tage, und Jahre. 1 B. Mos. I, 14. Ps. CIV, 19. B. der Weish. VII, 18. Sir. XLIII, 6. u.ff.\

Demnach haben die ersten Menschen vor der Sündfluth von keiner andern Zeit-Abmessung gewust, als daß sie sich nach der Abänderung aufs einfältigste gerichtet, welche die Sonne alle Jahre durch die vier Jahrs-Zeiten, und [739] der Mond alle Monate macht, vornehmlich aber, wenn die Sonne über den Horizont hervorgekommen, und sich wiederum unter denselben verborgen, das ist, sie wusten von nichts, als daß aus Abend und Morgen ein Tag ward, 1 B. Mos. I, 5,und, wenn des Monden Schein wieder zu wachsen anfieng, ein neuer Monat angieng VII, 11; Wenn aber die Sonne ihren Lauff verneuerte, und wieder Frühling oder Herbst machte, ein Jahr vorbey war. VIII, 13.\

Folglich war ihnen von der Stunden- und Minuten-Eintheilung nichts bekannt, indem sie bey ihren langen Lebens-Jahren nicht nöthig hatten, die Zeit so genau und behend abzumeßen, als wir, die wir nur kurtze Zeit leben, jede Kleinigkeit derselben rechnen, und zu Hülffe nehmen müßen.

Und bey dieser gantzen natürlichen Abtheilung der Zeit sind auch die Leute nach der Sündfluth noch lange geblieben, daher auch im Gesetz Moses nur die Morgen- und Abend- Opffer gebothen waren, ohne auf eine gewisse determinirte Stunde zu sehen: So ward auch der Sabbath von einem Abend bis zum andern gefeyret, 3 B. Mos. XXII, 32, welches doch die heutigen Juden also beobachten, daß sie ihren Sabbath von 6 Uhr Nachmittags bis wieder 6 Uhr auf den Abend des folgenden Tages halten. \

Darnach, als man gemerckt, daß, wenn die Sonne aufs höchste gestiegen, solches die mittelste Zeit im Tage sey, hat man auch den Tag in drey Theile: Morgen, Mittag, und Abend eingetheilet, Ps. LV, 18. 1 B. Mos. XLII, 25, und so auch die Zwischen-Zeiten mit dem Nahmen Vormittag und Nachmittag oder Halb-Vormittag und Halb-Nachmittag, wie sonderlich unsere Landsleute noch heutiges Tages im Gebrauch haben, zu benennen angefangen, und auf gleiche Weise hat man auch die Nacht eingetheilet in drey Theile oder Nacht-Wachen,Ps. XC, 4:\

Als die erste Nacht-Wache von Abend bis gegen Mitternacht, B. der Richt. VII, 19. Klagl. II, 19.\

Die andere Wache, oder Mitternacht 2 B. Mos. XI. 4. Hiob XXXIV, 20. B. der Richt. XVI, 3.\

Die dritte Wache von Mitternacht bis an den Morgen, hieß die Morgen-Wache 2 B. Mos. XIV, 24. 1 Sam. XI, 11. Ps. CXXX, 6.\

Die Römer waren in den folgenden Zeiten accurater hierinne, und da sie schon gewohnet waren, Tag und Nacht in gewisse Stunden einzutheilen, so machten sie aus der Nacht vier Theile oder Nacht-Wachen, Vigilias, und eigneten einer jeglichen drey Stunden zu wornach sich auch die Jüden, als sie unter der Römer Bothmäßigkeit geriethen, richten musten, Matth. XIV, 25. Marci VI, 48. XIII, 35. Lucä XII, 38, allwo gedacht wird des Abends, oder der ersten Wache, der Mitternacht, der dritten Wache oder des Hahnen Geschreyes, oder 4ten Wache oder des Morgens. Also theilten sie auch den Tag in vier Stationes oder Excubias oder so viele Tages-Vierthel, deren jegliches drey Stunden währete, Nehem. IX, 3. Daher einige die dritte Stunde bey dem Marco XV, 25. Die sonst die sechste im Tage war, nach Joh. XIX, 14. von der im andern Tages-Vierthel verstehen wollen.

Die Griechen sind wohl die ersten Völcker mit [740] gewesen, welche die Zeit richtig eingetheilet haben.

Von diesen haben es die Römer gelernet, unter welchen Romulus, Numa Pompilius, und Julius Cäsar, besondern Fleiß in Eintheilung der Zeit angewendet, welchen wir fast alles, was darinnen geschehen, zu dancken haben. Die Zeit ward von den alten Römern vornehmlich eingetheilet: 1) In Seculum, 2) Annos Seculares, 3) Lustrum, und 4) Annum. Wir wollen uns hierbey nicht aufhalten, sondern verweisen unsere Leser auf die besonderen Artickel: Seculum im XXXVI Bande, p. 953 u.f. Lustrum, im XVIII Bande, p. 1255. Annus, im II Bande, p. 410 u.ff.

Die Poeten theileten die Zeit ein in die goldene, silberne, eherne, und eiserne. Die erste hat gewähret vom Anfange der Welt bis zum Ende der Zeiten des Saturns. Die andere von den Zeiten Saturns bis zu Ende der Zeiten des Jupiters. Die dritte von den Zeiten des Jupiters an bis auf die Zeiten der Herakliden oder aufs Jahr der Welt 2730. Die vierte von der Herakliden Zeiten bis auf ihre, der Poeten Zeiten.

Varro theilte die Zeit ein \

1) in άδηλον, die unbekannte Zeit, nehmlich vom Anfange der Welt bis auf das Diluvium Ogygis im Jahr der Welt 2189 \

2) in μυθικόν, in die fabelhaffte Zeit, von gedachtem Diluvio an, bis auf die Olympiaden, und \

3) ιςτορικόν die historische Zeit, von den Olympiaden an, bis hieher.

Von den Rabbinern ward die Zeit nach der Tradition des so genannten Domus Eliae in drey Perioden zertheilet, deren jeder ohngefehr 2000 Jahre hält, und vom Anfange der Welt bis auf das Gesetze; vom Gesetz bis auf den Meßias; vom Meßias bis aufs Ende der Welt gehen. Hederichs Anleitung zu den Historischen Wissenschafften, p. 75 u ff. Schmidts Biblischer Mathematicus, p. 517 u. ff.

12. Von der Fatalität gewisser Zeiten. Bearbeiten

Wir müssen bey dieser Abhandlung vor allen Dingen uns einen rechten Begriff von dem Worte Fatalität machen, welches von den wenigsten geschehen ist, die zwar vieles davon reden, aber selbst nicht wissen, was sie haben wollen.\

Dieses Wort kömmt von Fatum her, welches ein Schicksal bedeutet, und nach der meisten Heydnischen Weltweisen Auslegung eine absolute und unvermeidliche Nothwendigkeit anzeiget, so daß alle Dinge in der Welt diesem nothwendigen Schicksal unterworffen sind, und nicht anders geschehen können, als sie würcklich geschehen. Nach dieser Heydnischen Meynung würde die Fatalität gewisser Zeiten darinnen bestehen, daß die Dinge, die sich in einer gewissen Zeit zutragen, nothwendig so und nicht anders seyn und sich zutragen könnten.\

Diese Fatalität ist eine gantz ungereimte Sache, weil dadurch nicht allein dem menschlichen Willen, wovon die Handlungen der Menschen abhängen, sondern auch GOtt selbst, unter dessen Direction und Regierung alle Dinge in der Welt stehen, alle Freyheit benommen wird. Über dieses giebt es auch ein vernünfftiges Fatum oder Schicksal, welches nichts anders ist, als eine aus GOttes freyen Willen nach den Regeln der [741] Weisheit fest gesetzte Ordnung, nach welcher gewisse Dinge in der Welt nothwendig kommen und geschehen müssen. Hiervon haben wir ein Exempel an den Regeln der Bewegung, die, als eine aus GOttes Willen und Weisheit herrührende Ordnung, nunmehro in Ansehung der Creaturen nothwendig und unveränderlich sind.\

Diesem nach wäre die Fatalität eines Dinges eine von GOtt fest gesetzte Ordnung, nach welcher es also und nicht anders geschehen kan. Z.E. wenn von einer Zeit gesagt wird, sie sey dem Menschen, fatal, so heist es so viel, sie müsse entweder etwas Gutes, oder, in welchem Verstande das Wort Fatalität gebräuchlicher ist, nothwendig etwas Böses bedeuten und mitbringen, weil GOtt es also beschlossen und geordnet habe. Hieraus ist klährlich zu ersehen, wie eine solche Fatalität eben so wohl den freyen Willen des Menschen aufhebe, als die vorhergehende.\

Wir wollen nunmehr einige Zeiten, die man für fatal hält, genauer ansehen. Der Sonntag Lätare wird in Schlesien und den angränzenden Ländern der Toden-Sonntag genennet, dahero ihn viele für fatal und unglücklich halten. Allein wenn man die Ursache dieser Benennung höret, müste man ihn vielmehr für einen glückseligen Tag halten, an welchem diesen Ländern Heyl wiederfahren ist, wovon man Martin Möllers Praxin Evangeliorum oder Erklärung und Betrachtung der Evangelien, ingleichen den Artickel: Toden Sonntag im XLIV Bande, p. 710 u.f. nachsehen kan.\

Den darauf folgenden Sonntag Judica nennet der Aberglaube den schwarzen Sonntag, weil in der Woche desselbigen gemeiniglich ein oder das andere Unglück geschehen soll oder wie andere melden, darinne nothwendig ein Mensch eines gewaltsamen Todes sterben, oder sonst zu Schaden kommen müsse, indem alsdenn der Satan den Leuten mehr als sonst nachstelle. Vielleicht hat man darzu von dem Worte Judica, welches Richten bedeutet, Gelegenheit genommen: und weil in dem Evangelio auf diesen Sonntag des gottlosen Richtens und Urtheilens gedacht wird, so die Jüden durch Antrieb des Teuffels über unsern Heyland ergehen liessen, so daß sie ihn endlich gar steinigen wolten; so wird es daher gekommen seyn, daß man dem Teuffel, der auf Gottes Zulassen mancherley Unglück anzurichten pflegt, an solchem Tage und Woche die Gewalt beygeleget, dergleichen Gericht wider die Menschen zu bewerckstelligen, und sie theils in Unglück zu stürtzen theils gar ums Leben zu bringen. Allein vernünftige Christen wissen besser, daß GOtt dem Satan nicht eine gewisse Woche oder Tage im Jahre bestimmt habe, darinne er ihm die Macht über die Menschen zugestehet, sondern wenn und wie es GOtt gefällt, und die Menschen es also verdienet haben.\

Sonst schreibt man noch andern Tagen im Jahre eine gewisse Fatalität zu, und hält sie für unglücklich. Wer darinne gebohren wird, soll nicht lange leben, oder wenn er auch lange lebte, doch in gröster Armuth sein Leben zubringen. Wer in diesen Tagen kranck würde, könte selten gesund werden. Wer sich verlobte, oder Hochzeit machte, denn gienge es nicht wohl. Wer darinne reisete, komme nimmermehr ohne Betrübniß [742] nach Hause. Kurtz alles, was man an diesen Tagen anfange, nehme einen bösen Ausgang.\

Unter den allen aber sollen der 13, 14, und 15te May die allerschlimmsten und unglücklichsten Tage seyn. Buddei Urtheil hiervon in Thesibus Theolog. de superstitione c. 9 §. 6 in Not. p. 752. ist gegründet.\

"Man hat schon, schreibt er, zu den ältesten Zeiten im Wahn gestanden, daß einige Tage glücklich, andere aber unglücklich wären. Denn wenn die Menschen mancherley Ideen mit einander verknüpffen, welches bey ihnen etwas gewöhnliches ist: so geschiehet es, daß man der Zeit, worinnen sich etwas zuträgt, zuschreibt, was gleichwohl aus gantz andern Ursachen herrühret. Und daher kommt es, daß die Menschen denjenigen Tag, an welchem ihnen etwas widriges begegnet, als eine Ursache vieles Übels für unglücklich halten und daraus schliessen, es müste solcher Tag, wie er jährlich wieder kommt, auch allemahl unglücklich seyn.„\

So betrügen sich die Menschen in ihren Schlüssen, wenn einmahl der Aberglaube bey ihnen eingewurtzelt ist.

Endlich hat man noch besondere Tage angemerckt, die einer gewissen Person fatal gewesen, und theils Glück theils Unglück gebracht haben. Alexander der Grosse soll den 6 April gebohren seyn, an demselben Tage Darium überwunden, und auch sein Leben beschlossen haben. Es wird hinzu gesetzt, daß an solchem Tage der Tempel der Diana zu Ephesus abgebrannt, zu einer Vorbedeutung des Kriegs-Feuers, welches Alexander in Asien angezündet, wodurch viele Städte und Länder verwüstet und verherret worden. Eben an diesem Tage sollen auch ehedem die Perser von den Griechen zu Wasser und zu Lande seyn überwunden worden.\

So wird auch von dem Römer Pompejus berichtet, er sey den 30 Sept. gebohren, aber an diesem Tage wegen der in Asien befochtenen Victorien triumphiret, und endlich sey er auch den 30 Septembr. in Egypten umgebracht worden.\

Dieses alles, und insonderheit wenn Leute an ihrem Geburts-Tage sterben, wo es anders mit der Erzehlung seine Richtigkeit hat, muß man vielmehr einen Zufall zuschreiben, als für etwas sonderbares und fatales ausgeben. Der Mensch muß ja sterben, er muß auch an einem gewissen Tage sterben. Nun müste es wunderlich zugehen, wenn bey so viel tausend Menschen, die jährlich sterben, es sich nicht zutragen solte, daß einer oder der andere darunter just auf seinen Geburts-Tag, oder gar in der Stunde, da er gebohren worden, stürbe. Was ist also daraus zu machen, wenn es geschiehet? Eben so viel als wenn jemand an einem andern, und nicht an seinem Geburts-Tage stirbt. Tharsanders Schau-Platz ungereimter Meynungen, II Band, p. 56 u. ff.

13. Von gewissen abergläubischen Zeiten. Bearbeiten

Den fatalen Zeiten, worvon wir jetzt gehandelt haben, setzen wir billig die abergläubischen Zeiten an die Seite, weil sie mit einander eine grosse Verwandtschafft haben. Denn die Furcht für den fatalen Zeiten ist ebenfalls abergläubisch. [743] Es findet sich aber folgender Unterschied zwischen beyden: In den fatalen Zeiten besorget und vermuthet man etwas, das einem begegnen werde; in den abergläubischen aber wird etwas unterlassen, oder vorgenommen, in der Einbildung, es werde alsdenn, was man vornimmt, glücklich von statten gehen; oder wo man etwas nicht unterlässet, könne man damit kein Glück haben.\

Es giebt zwar gewisse Verrichtungen, welche, wenn sie wohl gerathen sollen, zu einer gewissen Jahrszeit müssen vorgenommen werden. Z.E. Der Gärtner und Ackersmann nehmen die Zeit wohl in Acht, wenn sie ihren Saamen ins Land bringen müssen, und haben sonst keine gute Erndte zu hoffen; man kan auch nicht sagen, daß solches etwas abergläubisches sey. Vielmehr würde der mit Schaden klug werden müssen, welcher die rechte Zeit zur Saat nicht in Acht nehmen wolte. Gleichwohl laufft dabey viel Aberglaube mit unter, nehmlich wenn man zur Ausstreuung dieses oder jenen Saamens einen eintzigen gewissen Tag setzet, der vor allem darzu der glücklichste seyn soll. Denn die tägliche Erfahrung bezeugt es, daß wenn man nur den Saamen zur ordentlichen Jahrszeit in die Erde bringt, es auf ein paar Tage und mehr eher oder später nicht ankomme, sondern derjenige offt eine reichlichere Erndte habe, welcher ein paar Tage eher oder später gesäet, als der auf einen gewissen Tag, den der Aberglaube vor andern darzu bestimmt hat, seinen Saamen in die Erde gebracht.

Bey den Gärtnern regieret insonderheit noch eine Art des Aberglaubens, indem sie das Schalt-Jahr für unglücklich halten, und darinnen nicht gerne Bäume pflantzen, weil sie meynen, sie würden alsdenn nicht wohl fortkommen. Man braucht solches nicht einmahl zu widerlegen, da ja genugsam bekannt ist, daß das Schalt-Jahr von den gemeinen Jahren bloß darinne unterschieden sey, daß es einen Tag mehr hat, als die andern. Denn weil die Sonne ihren Lauf nicht just in 365 Tagen vollendet, sondern über dieses noch darzu bey nahe 6 Stunden braucht, so ist man genöthiget worden alle vier Jahre einen Tag einzurücken, dahero ein Schalt-Jahr 366 Tage bekommt. Was kan aber solche freywillige Einrichtung der Jahre den Bäumen und andern Garten-Früchten schaden?\

Es giebt noch weit gröbere Arten des Aberglaubens in Ansehung gewisser Zeiten, Jahre und Tage. Den Ursprung dieses Aberglaubens hat man im Heydenthum zu suchen, und uns Christen ist es eine nicht geringe Schande, wenn wir uns ihnen darinne gleich stellen.\

Die heydnischen Römer hielten einige Tage für glücklich, andere für unglücklich. In diesen letztern muste man nichts vornehmen, wo man sich nicht in Gefahr eines übeln Ausganges setzen wolte. Insonderheit waren ihnen die Tage unglücklich, an welchen ihre Armeen von den Feinden geschlagen, und dadurch ihre Republick in grosse Gefahr gesetzet worden. Nun ist es wohl wahr, ein dergleichen Tag war unglücklich zu nennen: Aber es folgt nicht, daß eben derselbe Tag, wenn er in den folgenden Jahren wieder kommt, allemahl unglücklich seyn müsse. Die [744] menschliche Einbildung hat dabey das beste gethan. Wenn nun der Tag kam, an welchem vor ein oder mehr Jahren sich ein Unglück zugetragen, so erweckte die Erinnerung desselben eine Betrübniß und Traurigkeit, welche, weil sie dazu durch öffentlichen Befehl, zu Rom gebräuchlich war, unterstützet und gebilliget wurde, endlich allgemein ward, und verursachte, daß solche Tage deswegen unter die unglücklichen gezehlet wurden.\

Es wurden auch an diesen Tagen alle öffentlichen Freuden-Bezeugungen verboten, wodurch die Leute in ihrem Wahn noch mehr gestärcket wurden. Hätte der Rath zu Rom verordnet, dergleichen Tage für unglücklich zu halten, und an denselben den Göttern mit Freuden zu dancken, durch deren Hülffe sie dem Unglück entgangen, und von der anscheinenden Gefahr errettet worden: So würde sich der Menschen Wahn auch darnach gerichtet, und diese Tage als glücklich angesehen haben.\

Hieraus ist leicht abzunehmen, daß es damit bloß auf der Menschen Wahn und Willkühr ankomme, an und vor sich aber kein Tag glücklicher sey, als der andere. Man muß sich also billig wundern, daß auch die Christen hierinne den Römern nachgeahmet, und ihren Aberglauben von der Zeit und den Tagen angenommen haben, da doch das Tagewählen in der H. Schrifft scharff verboten ist.\

Es hat Antonius Muratorius zween alte Calender drucken lassen, darinne viel Egyptische Tage angemercket sind, (siehe die Acta Eruditor. Ann. 1727 Mens. Novembr. p. 484). Er gedencket dabey, wie er auch solche Egyptische Tage in einem sehr alten Calender, der noch zu Constantins I. Zeiten geschrieben worden, angemerckt gefunden, und verstehet dadurch diejenigen Tage, welche von den Egyptischen Sternsehern als unglückliche angegeben worden. Weil er nun dieses, wie billig, für einen Aberglauben hält, der darzu von der Kirche scharff verboten worden: So wundert er sich nicht ohne Ursache, daß gleichwohl in dem Ambrosianischen Missali, das 1522 im Druck heraus gekommen, eben diese Tage als unglücklich bezeichnet worden. Er erzehlet weiter, wie in Italien, im Modenesischen und der Nachbarschafft sich kaum jemand finden liesse, der im May-Monat Hochzeit machte, vermöge eines Aberglaubens, der sich aus dem Heydenthum herschriebe.\

Was sollen doch diese Thorheiten? Wer seine Wercke mit GOtt und gehöriger Klugheit anfängt, dem werden sie auch wohl an dem allerunglückseligsten Tage gelingen; Wer aber ohne Bedacht etwas vornimmt, dem kan auch der allerglückseligste Tag zu seinem Vorhaben nicht vortheilhafft seyn.\

In Böhmen hält man den Tag Ruffi für unglücklich, weil an demselben etliche Könige in Böhmen umgekommen sind. Dies kömmt heydnisch genug heraus, und ist ein von den alten Römern entlehnter Einfall. Wir wissen nicht, was die Artzney-Gelehrten darzu sagen werden, wenn vorgegeben wird, daß wer den 1 April, 1 August, und 1 December Blut lasse, nicht über 7 Tage leben könne. Die Frantzösischen Ärtzte werden gewiß solche Narrheit verlachen, und, wenn die Noth da ist, dem Patienten auch an diesen Tagen wohl zehnmahl, wie sie gewohnt sind, die Adern öffnen lassen.

Die H. Christ-Nacht ist vor andern, vielen abscheulichen [745] Unternehmungen unterworffen. Die vorwitzigen Mägde, welche sich nach nichts mehr als einem Mann sehnen, halten diese Nacht für bequem, in derselben ihren künfftigen Bräutigam zu erfahren, oder gar dessen Gestalt zu sehen. Sie erwählen zu solchem Endzweck auch den St. Andreas-Abend, welcher im Pabstthum ihr Patron ist, und im Stande seyn soll, ihnen einen Mann zu bescheeren.\

Es sind hiervon viele Exempel vorhanden, woraus sich abnehmen lässet, was sie zu dem Ende für Anstalten machen. Sie sprechen das Vater Unser rückwärts, und machen sich Hoffnung dadurch ihren künfftigen Bräutigam zu Gesichte zu bekommen. Sie giessen Bley oder Zinn ins Wasser, damit sie aus der entstandenen Figur des Bleys oder Zinns sehen mögen, von was für Profeßion ihr künfftiger Mann seyn werde. Sie ziehen ein Scheit aus dem Holtzstoß, um zu erfahren ob ihr Bräutigam lang oder kurtz, krumm oder gerade seyn werde. \

In den Spinn Stuben greifft man über die Schwelle nach den Haaren, die der Liebste trägt, und vermeynet davon ein Bündlein zu erhaschen. Man deckt den Tisch, trägt Brod auf, legt auf jede Ecke des Tisches einen Teller, und invitiret durch ein absonderliches Gebet den Liebsten, daß er kommen, und sein Messer bringen wolle. Sie schütteln die Zäune, und geben acht, woher die Hunde bellen, und bilden sich ein, daß ihr Bräutigam von solcher Gegend herkommen werde. Sie binden einen Dreyer oder Heller auf die grossen Zäen, setzen sich damit auf den Kirch-Weg und sehen sich unter den Leuten, die in die Frühmetten gehen, nach dem Bräutigam um, den sie darunter gewiß zu erblicken hoffen.\

Es ist zur Widerlegung dieser abgeschmackten Thorheiten nicht nöthig anzuführen, wie eine oder die andere in ihren Vornehmen unglücklich gewesen, und dermassen erschreckt worden, daß sie darüber in eine Kranckheit verfallen, oder gar den Tod davon gehabt habe. Dieß eintzige kann genug seyn, solche närrische Einbildung umzustossen, wenn man erweget, daß GOtt den muthwilligen Mägdgen zukünfftige Dinge, und insonderheit den zukünfftigen Mann nicht offenbaren wolle, der Teuffel aber solches nicht offenbahren könne, weil die freywilligen Entschliessungen der Menschen, worauf es in Stifftung einer Ehe ankommt, ihm gantz und gar unbekannt sind. Wer also nicht betrogen seyn will, der wird sich ohne dem hüten, und deswegen diesen Lügen-Geist nicht um Rath fragen.\

Hieraus lässet sich auch ohne Mühe abnehmen, was von den Geschichten oder Weiber- Mährgen zu halten sey, die Abraham von St. Clara in seinem Judas, der Ertzschelm mit diesen Worten erzehlet:\

"In Bayern hat ein Mägdgen acht Tage vor Weynachten nebst andern teuflischen Ceremonien in den Spiegel geschauet, damit sie sehen möchte ihren künfftigen Bräutigam: Da hat sie in demselben wahrgenommen, daß einer in einer schwartzen Kutte und weissen Chor-Rock sie angelachet. Nach 2 Jahren hat sie der Pfarr-Meßner selbigen Ortes genommen.\

Am Abend des Heil. Thomä hat ein Mensch in Schwaben sich gantz allein in der Kammer versperret, und dieselbe gantz ohne Kleidung rückwärts ausgekehret, so ist ihr der Teuffel erschienen, wie ein Schmidt, und hat ihr einen Zwicker gegeben mit der Beißzange. Anderthalb Jahre [746] hernach hat sie einen Schmiede-Gesellen geheyrathet, mit welchem sie in steten Zanck gelebt. Ein Mägdgen war von einem alten Weibe unterrichtet, sie solte, wenn sie ihren künfftigen Bräutigam wissen wolte, Wachs nehmen und über einen ausgebreiteten Calender halten, und wo das Wachs würde Creutz-weiß hingetroffen seyn, dort solte der Nahme ihres Bräutigams stehen. Darauf solte sie in ein Gefäß mit Wasser schauen; so würden sie denselbigen erblicken. Der Creutz-weise Wachs-Tropffen fiel auf den Nahmen Leonhard, und im Wasser sahe sie einen rothköpffigen Schreiber. Diesen bekam sie nach etlichen Jahren wunderbarer Weise zur Ehe, und er hieß Leonhard. "

Unter die abergläubischen Dinge, die in der Christ-Nacht vorgenommen werden, gehöret auch, was Gervasius Telberiensis in otiis Imperialibus apud Leibnitium Scriptor. Brunsvicens. Tom. I, p. 893, berichtet, daß bey den alten Einwohnern Britanniens gebräuchlich gewesen, daß man in der Christ-Nacht eine Hand voll Haber unter freyen Himmel gelegt, oder ein Gefäß mit Haber oder Gersten dahin gestellet, und geglaubt, es fiele jährlich in dieser Nacht aus besonderer göttlichen Vorsehung ein Thau vom Himmel herab. Diesen Thau wollten sie mit dem Haber oder Gersten auffangen, und gäben davon denjenigen zu essen, die mit der Pest angestecket wären. Gervasius setzet hinzu, er wisse für gewiß, daß das Brod, so diese Nacht unter freyen Himmel gebacken worden, denen, so das Fieber haben, sehr nützlich sey, sie müsten aber daran glauben. Villeicht hat man darzu Gelegenheit genommen aus den Worten Jesaiä XLV, 8: Treuffelt ihr Himmel von oben. Denn weil diese Worte auf Christi Geburt gedeutet werden, und nach der Lateinischen Bibel lauten: Rorate Cordi desuper, das ist, Thauet ihr Himmel von oben: So hat man sich abergläubischer Weise eingebildet, es liesse GOtt in der Nacht der Geburt Christi wunderbarer Weise Thau herab fallen, der den Menschen zur Gesundheit dienete. Solte man sich wohl dergleichen in Sinn kommen lassen, wenn man am hitzigen Fieber kranck läge?\

Gleiches Schlages ist, was Gervasius weiter schreibt: Er hätte viele grosse Herren gesehen, die am Heil. Pfingst-Feste nicht eher Speise zu sich genommen, bis ein wenig Thau geschöpffet, oder bis sie wahrgenommen, daß der Thau auf sie gefallen. Vielleicht soll der Heil. Geist, der an diesem Tage über die Apostel ausgegossen worden, einen so herrlichen Thau vom Himmel herab bringen, welcher dem menschlichen Cörper gesund und heilsam ist. Wissen wir aber nicht, daß seine Gnaden-Gaben nicht leiblich, sondern geistlich sind; \

Der Hecke-Thaler gehöret auch zu dem teuffelischen Aberglauben, der in der Christ- Nacht von Gottes vergessenen Leuten vorgenommen wird. Man verstehet durch den Hecke-Thaler ein Stück Geld, welches, wenn es ausgegeben wird, allemahl in den Schubsack wieder zurück kömmt, oder sich immer vermehret, und [747] gleichsam Geld ausheckt. Hiervon schreibt der bekannte Melissantes in der traurigen Schaubühne p. 243 u. ff.\

"Daß derjenige, welcher den Heck-Groschen Heck-Gulden, oder Heck-Thaler haben wolte, müsse sich, nach der Hexen-Meister Bericht, in der Heil. Christ-Nacht auf einen Creutz- oder Scheide-Weg in der Finsterniß setzen, und unter freyen Himmel einen Kreis um sich herum machen, mit Thalern oder Groschen. In diesen müsse er sich mitten einsetzen, und nicht einmahl umsehen. Darnach müsse er das Geld vor sich rücklings zählen, wie offt es ihm beliebe: Wo er aber im Zählen 1. 2. 3. 4. irre oder fehle, so sey der Teuffel alsbald da, und breche ihm den Hals. Unter dem Zählen liessen sich mancherley Gespenster, Gauckelwerck und Narren-Possen sehen, den Zähler irre zu machen. Wäre er nun richtig verfahren, so lege ihm der Satan noch einen Thaler, oder Groschen darzu, was er vorher um den Kreis gelegt, welches übrige Stück denn alle Nacht ein anders aushecken, oder zubringen solle.„\

Andere erzehlen den Proceß anders: Derjenige, so den Hecke-Thaler verlangte, müste in der Christ-Nacht eine schwartze Katze in den Sack stecken, und damit dreymahl um eine Kirche lauffen. Wenn solches geschehen, müste er die Katze dem Teuffel, der sich in der Kirchthüre präsentiren würde, übergeben, wovor er denn von ihm den so genannten Hecke-Thaler empfinge. Der Teuffel risse folglich die Katze in tausend Stücken, und indessen müste der Mensch eilen, daß er wieder unter Dach käme, ehe der Teuffel mit der Katze fertig würde, sonst breche er ihm selbst auch den Hals.

Auri sacra fames, quid non mortalia cogis Pectora.

Das ist:

Wann der verdammte Geitz des Menschen Hertz regiret,

Wird nichts so schwer erdacht, es muß seyn ausgeführt.

Worzu verleitet nicht die Geldbegierde den Menschen, daß er gar seinen ärgsten Feind, den Satan, zur Erfüllung derselben zu Hülffe nimmt, der doch so wenig Geld als ein solcher Mensch besitzt? Man sagt zwar: Der Teuffel sey ein Herr über die verborgenen und vergrabenen Schätze, und davon könne er den Menschen, die sich mit ihm in einen Bund einlassen, etwas zubringen. Wer hat ihn aber darüber zum Herrn und Eigenthümer gemachet? Es ist schwerlich zu glauben, daß ihm der höchste Herr im Himmel dieselbige zu der Menschen Schaden und Nachtheil werde übergeben, und zu seiner freyen Disposition einräumen. \

Es berichtet zwar Melissantes am angeführten Orte, er habe einen Becker gekannt, einen ehrlichen und frommen Mann, der unter andern Gelde, das er eingenommen, auch einen Hecke-Groschen zu haben sich eingebildet, weil die Summe solches Geldes immer mehr und mehr zugenommen; welchen Groschen er endlich auf seines Beicht-Vaters Rath ins Wasser geworffen. Es scheinet aber, als ob sich der gute [748] Mann nur verzehlet hätte, und dadurch auf die Gedancken gekommen wäre, als hätte sich sein Geld vermehret. Weil ihm nun solche Einbildung in grosse Furcht gesetzt, konnte es sich leicht zutragen, daß er immer mehr und mehr Geld im Überzehlen bekam. Und vielleicht ist ein Groschen darunter gewesen, von dergleichen Schlag ihm noch keiner zu Gesichte gekommen, den er also für den Hecke-Groschen gehalten, und ins Wasser geworffen. Oder vielleicht hat er diese Geschichte nur erdichtet, oder zum wenigsten mit allerhand Zusätzen vermehrt, aus einem wunderlichen Triebe, der vielen Menschen eigen ist, daß sie gerne wunderliche Dingen erzehlen, die ihnen begegnet seyn sollen, damit sie den Leuten viel von ihnen zu reden, Gelegenheit geben wollen.\

Einen gewisser von Adel, der in Schulden steckte, hoffete auf andere Weise Geld vom Teuffel zu erlangen. Er schrieb nehmlich einen Zettel, den jemand ohngefehr unter seinen Briefschafften gefunden, dieses Innhalts: Teuffel komm, bringe mir 20000 Thaler, davor verschreibe dir meine Seele: Allein dieses behalte ich voraus, daß ich meine gesetzte Lebenszeit erreichen muß, und nach meinem Tode kanst du die Seele nehmen. Die gesetzte Lebenszeit must du mir aber berichten. Dieses will ich dir halten, so fern du mir das gesetzte Geld verschaffen thust und kanst mir nur den Ort durch einige Zeilen beantworten, wo ich es holen soll. Hiermit unterschreibe ich dir zur Gewißheit meinen Nahmen.

N.N.

Es ward aber nichts daraus. Er bekam keinen Heller Geld, sondern ward von seinen Gläubigern gezwungen sein Gut zu verkauffen, und seine Tage in Armuth und Elend zu zubringen.\

Die Walpurgis-Nacht gehört ebenfalls mit unter die besondern abergläubischen Zeiten. In derselben sollen die Hexen einen Ritt nach dem Blochsberge thun, um der dortigen Hexen- Versammlung mit beyzuwohnen. Man nimmt aber in dieser Nacht mancherley abergläubische Dinge vor, womit man sich für den Hexen zu verwahren gedenckt. Es ist aber nicht allein eine unnöthige, sondern auch eine unnütze Sache. Denn wer des göttlichen Schutzes versichert ist, hat sich für dem Satan und seinen Getreuen nicht zu fürchten. Wer sich aber dieses Schutzes nicht getrösten kan, dem werden alle abergläubische Dinge, sie mögen so wunderlich seyn, als sie wollen, für dem Satan keine Sicherheit gewähren.\

Unter uns Christen ist eine fast allgemeine Gewohnheit am Walpurgis- oder Philippi-Jacobi-Abend vor den Häusern grüne Zweige von Bircken aufzustecken, welche man eben daher, nehmlich von diesem ersten Tage des May-Monats, Mayen nennet. Viele stehen in den Gedancken, daß solche Mayen wider die Hexen gut wären, welche in dieser Nacht herum schwärmen, und gleichsam ihr Regiment haben. Wer will aber glauben, daß sie sich so sehr für solche Zweige fürchten müsten.\

Andere führen davon aus den Papistischen Legenten folgende Ursache an: Die H. Walpurgis sey aus einem H. Eyfer mit den beyden Aposteln Philippen und Jacoben [749] das Wort GOttes zu hören, und ihnen Handreichung zu thun umher gezogen. Weil sie aber darüber in Verdacht kam, als lebte sie mit ihnen in Unehren, habe sie einen dürren Stock, dessen sie sich auf der Reise bedienet, in die Erde gesteckt, welcher denn in einer Nacht zum Zeichen ihrer Keuschheit zu grünen angefangen.\

Noch andere meynen, es habe diese Gewohnheit mit den Mayenstecken von dem Apostel Philippus seinen Ursprung genommen. Als derselbe zu Hieropolis das Evangelium geprediget, hätten die Ungläubigen das Haus, wo er eingekehret, mit grünen Zweigen gezeichnet, damit sie ihn des Morgens gewiß finden, und umbringen möchten. Es wären aber durch GOttes sonderbare Schickung am Morgen alle Häuser mit dergleichen grünen Zweigen besteckt gefunden worden, daß sie also das Haus nicht wieder finden können

Die wahrscheinlichste Meynung aber ist diese: Weil um solche Zeit die Bäume anfangen auszuschlagen, und bisweilen, nachdem das Wetter ist, schon ziemlich Blätter gewonnen haben: So hat man solche Mayen vor und in die Häuser gesteckt, um sich an derselben Geruch, den man in langer Zeit nicht genossen, zu erquicken, und zugleich anzudeuten, wie nunmehro derjenige Monat vorhanden sey, welcher der angenehmste im Jahre ist, und darinne fast alle Bäume in der schönsten Blüthe stehen. Vielleicht hat man sich auch dabey erinnern wollen, daß der alte GOtt noch lebe, welcher zur gewöhnlichen Zeit jährlich Menschen und Vieh zu gut, Laub, Graß, und Blumen hervor wachsen lässet, und dadurch seine immerwährende Vorsorge an den Tag legt:

Es sind noch andere abergläubische Zeiten mehr übrig, die wir aber mit Fleiß übergehen, weil sie sich aus den vorhergehenden Exempeln ohne Mühe beurtheilen lassen. Tharsanders Schau Platz ungereimter Meynungen I Th. p. 78 u. ff.

14. Betrachtung der Zeit nach Anleitung der Heiligen Schrifft. Bearbeiten

Die Zeit wird in der Heiligen Schrifft überhaupt als ein Inbegriff des vergänglichen Zustandes, und der verweslichen Ungewißheit beschrieben. Hierbey schärffet die Heilige Schrifft beständig ein, daß man in dieser Zeit nach dem Unbeweglichen und Unverweslichen trachten solle, wo keine Zeit der Unbeständigkeit statt findet, Offenbahr. X, 6. 2 Corinth. IV, 18. sondern da eine in angenehmer Gleichheit bleibende Ewigkeit seyn wird, und wo man das Maaß der Unbeständigkeit, die Zeit, nicht mehr brauchen wird.\

Der Heilige Augustin sagt, die Zeit wäre eine Abmessung des Vergangenen, Gegenwärtigen, und Zukünfftigen. Paulus sagt 1 Corinth. VII. 29: Die Zeit sey kurtz; es wirda bera uch einer geraumen und langen Zeit gedacht, die nicht nur etliche Jahre, sondern etliche hundert, ja tausend Jahre währet: Von welcher Zeit der HErr durch den Mund David redet, Ps. LXXXI, 16: Ihre Zeit soll ewig währen. Dieses ist nicht von den Feinden der Isrealiten, daß die Rache GOttes, und ihre Plagen und Strafen ewig währen solten; sondern von dem Volcke, das dem HErrn gehorchet, und in seinen Wegen wandelt, zu verstehen.\

[750] Sonst redet auch die Heilige Schrifft von einer bestimmten und gewissen Zeit, Ps. I, 3. CII, 4. Jes. XLIX, 8. Jerem. VIII, 7. Daniel VII, 12. Hagg. I, 2. 4.; von letzten Zeiten, I Tomoth. IV, 1. 1 Petri I, 5. 20; von beschwerlichen Zeiten, I Tomoth. III, 1; von der Zeit unserer Wallfahrt, 1 Petri I, 17; vergangener Zeit, und zeit des Gerichtes GOttes, 1 Petri IV, 3. 17; von der Zeit zur Buße, Offenbahr. II, 21. Die Zeit soll man auskauffen, und sich darein schicken, Ephes. V, 16. Coloss. IV, 5. GOtt ändert Zeit und Stunden, Daniel II, 21; von der Zeit der Anfechtung, Luca VIII, 13; von der Heimsuchung XIX. 44. 1 Petri V, 6. von der angenehmen Zeit, 2 Corinth. VI, 2; endlich soll keine Zeit mehr seyn, Offenbahr. X, 7.

15. Betrachtung insbesondere der bösen Zeit nach Anleitung der Heiligen Schrifft. Bearbeiten

Es ist die Schrifft gewohnt, die Menschen durch Vorstellung der bösen Zeit zur Vorsichtigkeit und Klugheit zu ermahnen, und sie gegen die Trübsal und tausendfaches Elend zu wafnen, welches in diesen Zeiten über sie kommen soll. Nach der Göttlichen Absicht sollen durch das Unglück und Böse die Sünder gestrafft; Die Frommen auf sich selbst, und aufd ie Gnade GOttes aufmercksamer gemacht, und die Ehre GOttes verherrlichet werden. Daher handeln diejenigen am klügsten, die solche Zeiten, in welchen sie mehr als ordentlich über Trübsal und Elend zu klagen haben, auch zu dem Ende anwenden, zu welchen sie von GOtt bestimmt sind: nehmlich an ihre Sünden zu dencken, sich der Gottseligkeit mit mehrern Ernst zu befleißigen, und darauf bedacht zu seyn, daß auch durch ihren Wandel der Nahme GOttes verherrlichet werde.\

In dieser Absicht erinnert der geheiligte Paulus nicht nur die zu Christo bekehrten Epheser, daß sie in einer bösen Zeit lebten, sondern er unterrichtet sie auch, was dieserwegen von ihnen für Pflichten gefordert werden. So sehet nun zu, wie ihr vorsichtiglich wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen. Und schicket euch in die Zeit: Denn es ist böse Zeit, Ephes. V, 15. 16. Die Zeiten, in welchen die Epheser damahls lebten, waren in einem doppelten Verstande böse. Erstlich begaben sich in denselben viele Widerwärtigkeiten, die sie mit allen, die zugleich mit ihnen lebten, gemein hatten. Zweytens stund ihnen auch insbesondere deswegen Verfolgung und Elend bevor: Weil sie sich zur Lehre JEsu bekenneten, auf deren Vertilgung damahls die gantze Heydnische Welt bedacht war. Damit sie nun diesem Elende so viel als nach dem heiligen Willen GOttes möglich, entgehen möchten: So ermahnet sie der Apostel in den angeführten Worten zur Christlichen Klugheit.\

Dieses führt uns auf die theologische Abhandlung.

16. Von der Klugheit, welche wahre Christen in bösen Zeiten beweisen sollen. Bearbeiten

GOtt lässet es nach seiner Weisheit zu, daß nicht nur öffters eintzelne Personen in elende Umstände gerathen; sondern daß auch zuweilen gantze Versammlungen, Städte, Länder, und Reiche [751] empfindlich betrübet werden. Und wenn dieses letztere geschiehet, pflegt man zu sagen, daß es böse Zeiten seyn. Wie nun bey allem dem, was sich unter der Göttlichen Vorsehung zuträgt, die Absichten GOttes heilig, weise, und gütig sind: So ist es auch klar und deutlich, daß alsdenn, wenn gantze Versammlungen, Städte, Länder, und Reiche sich in widerwärtigen Umständen befinden, GOtt der HErr hierunter seine weisen, heiligen und gütigen Absichten habe. Bestehet nun darinne überhaupt die gröste Klugheit, daß man dasjenige, was einem begegnet, zu dem besten Endzweck anwenden könne: So können wir auch keine grössere Klugheit beweisen, als wenn wir uns angelegen seyn lassen, eben denselben Endzweck zu erreichen, den GOtt bey Zulassung des Bösen sich vorgesetzet hat: Denn der Endzweck GOttes ist allezeit der beste. Wenn wir also untersuchen, was GOtt für einen Endzweck habe, wenn er böse Zeiten kommen lässet: So werden uns die Regeln der Christlichen und besten Klugheit bekannt seyn, wornach wir uns in denselben zu richten haben. Warum lässet aber GOtt zuweilen böse Zeiten kommen, in welchen gantze Versammlungen Sätdte, Länder, oder Reiche mehr als ordentlich in Noth und Unglück gerathen? Es geschiehet dieses aus keiner andern Ursache als daß die Menschen desto lebhaffter sollen überzeuget werden, wie viele und grosse Strafen sie mit ihren Sünden verdienet haben, und wie nöthig es sey, daß sie Buße thun und um JEsu willen Gnade suchen. GOtte gönnet uns Menschen alles gutes, und er entzieht uns niemahls seine Güte, als wenn wir uns derselben durch Sünde unwürdig gemacht haben. Hätten wir Menschen niemahls die Gebote GOttes übertreten: So würde auch nichts in der Welt anzutreffen seyn,d as uns Klagen, Seufftzer, und Thränen auspressete. Denn alles Böse ist durch die Sünde ind ie Welt kommen. Nun haben wir zwar allezeit Bewegungs-Gründe genug an unsere Sünde zu gedencken. Auch alsdenn, wenn die Taeg unsers Lebens die besten sind, begegnet uns viel Unangenehmes, welches uns ins Gedächtnis bringt, daß wir von den Wegen GOttes abgewichen sind. Aber wie wenig achten wir Menschen hierauf! Gehet es uns nur in der Welt erträglich, so daß wir über keine ausserordentliche Unglücksfälle zu klagen haben, wie geneigt sind wir alsdenn, übermüthig zu werden! Wie wenig demüthigen wir uns vor GOtt! Wie sehr nehmen wir in der fleischlichen Sicherheit zu! Wie bald vergessen wir es, unsere Sünden abzulegen!

Dieses ist die Art der Menschen, daß sie durch etwas, dessen sie bereits gewohnet sind, nicht sonderlich gerühret werden, und an die Ursache derjenigen Dinge nicht mit Bedacht dencken, die sich fast täglich zutragen. Wenn aber etwas ungewöhnliches vorgehet: So wird unser Gemüth in Bewegung gebracht, und wir forschen nach, woher es doch komme, und warum es geschehe? Man hört es alle Tage, dieser oder jener sey gestorben. Aber wer wird durch diese Zeitung ermuntert, sein immer nöher kommendes Ende in [752] Betrachtung zu ziehen? Wenn aber durch eine ansteckende Kranckheit viele, von welchen man es nicht vermuthet hätte, in kurtzer Zeit dahin gerissen werden: So dencken verschiedene weiter nach, die sonst unempfindlich bleiben. Man erzählet, dieser sey verarmt; jener bemühe sich vergeblich, sein Glück zu machen; ein anderer sey traurig und niedergeschlagen, weil es ihm nicht nach Wunsch gehet. Und wir fällen hierüber das kaltsinnige Urtheil: Der ordentliche Lauff der Welt bringe es somit sich. Wenn aber auf einmahl verschiedene, die uns bekannt sind, durch Krieg, durch Theurung und durch Pest in Noth gerathen, ja wenn wir derselben vereinbahrte Klagen und Seufftzer anhören müssen: So werden wir empfindlich gerührt, wir schliessen: Die Reihe könne auch an uns kommen, und wir überlegen mit mehrern Fleiße, was denn die Ursache dieses Verhängnisses sey? Und was ist es denn Wunder, daß GOtt so empfindliche Mittel hervor sucht, uns, die wir durch das ordentliche Leiden dieser Zeit nicht gerühret werden, aus dem Sünden-Schlaffe zu erwachen, und uns zu bekehren, daß wir ausser seiner Gnade die elendesten unter allen Creaturen sind. Denn, wenn GOtt nicht nur über eintzelne Personen, sondern zu gleicher Zeit über sehr viele seine Straf-Gerichte ergehen lässet: So müssen wir entweder schon völlig verstockt seyn, oder wir müssen uns auch besinnen, es sey ein grosses Uebel, den HErrn seinen GOtt beleidigen.

Wenn wir also über böse Zeiten klagen, so müssen wir bedencken, daß es GOtt nöthig zu seyn erachtet, uns auf eine emfindliche und nachdrückliche Art zu unsern eigenen Besten, unsere Sünden ins Gedächtnis zu bringen. Wir müssen dadurch zu einer ungeheuchelten Buße bewegt werden, und lernen, wie sehr wir Ursache haben, unsvor GOtt zu demüthigen, und ihn um JEsu willen um Gnade und Barmhertzigkeit anzuflehen. Dieses ist die gröste Klugheit, die wir in bösen Zeiten beweisen können. Hierdurch erreichen wir eben denselben Endzweck, den GOtt hat, und sind, wie der Apostel redet, nicht unverständig, sondern verständig, was da sey des HErrn Wille. Je eher aber der Endzweck GOttes bey bösen Zeiten an uns erreichet wird, desto eher wird uns auch GOtt von dem Bösen wieder befreyen, das uns bisher bekümmert hat. Der HErr selbst lehrt uns dieses, wenn er beym Jeremia spricht: Plötzlich rede ich wider ein Volck und Königreich, daß ichs ausrotten, zerbrechen, und verderben wolle. Wo es sich aber bekehret von seiner Bosheit, dawider ich rede: So soll mich auch reuen das Unglück das ich gedachte zu thun. Als der HErr beschlossen hatte, die grosse Stadt Ninive ihrer Sünden halber zu verderben, und derselben ihren nahen Untergang durch den Propheten Jonas verkündigen ließ; fiengen die Leute zu Ninive an Buße zu thun, und bekehrten sich zu dem HErrn ihren GOtt. Und alsbald ward GOtt anderes Sinnes, Jon. III, 10. Als dem Propheten Daniel das Elend zu Hertzen gieng, darinne sich zu seiner Zeit das Jüdische [753] Volck befand: wuste er kein besseres Mittel sich und dem Jüdischen Volcke zu helffen, als ein bußfertiges und gläubiges Gebet, Daniel IX, 7. 11. Wenn der Apostel Paulus Epehs. V, 16. über böse Zeiten klaget: Und die Epheser ermahnet in denselben klüglich und vorsichtig zu wandeln: So nennet er vornehmlich deswegen die Zeiten böse, weil die zu Christo bekehrten Epehser in denselben ihrer Religion wegen nicht viel Gutes in der Welt zu erwarten hätten. Alle, die sich zu den Zeiten der Apostel entschlossen, GOtt den HErrn nur allein in JEsu Nahmen anzuruffen, konnten nichts als Verfolgung vermuthen. Denn so gewiß die Lehre JEsu den richtigen Weg zur Seeligkeit zeigte: So wenig konnte die Welt, welche im Argen lag, selbige dulten. Paulus sahe also wohl vorher, daß die Epheser vielen Trübsalen nicht würden entgehen können. Und die Liebe, die er zu ihnen trug, bewegte ihn, sie zu ermahnen, vorsichtiglich zu wandelen: damit sie nicht durch ihre eigne Schuld ihr Leiden häuffen und vermehren möchten. So sehet nun zu, wie ihr vosichtiglich wandelt! nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen. Und schicket euch in die Zeit: denn es ist böse Zeit. Paulus giebt in diesen Worten eine allgemeine Regel, alle mögliche und einem Christen anständige Klugheit, in der bösen Zeit, in welcher sie lebten, anzuwenden. Er hat sich aber bey anderer Gelegenheit weitläufftiger hierüber erkläret, und es wird der Mühe werth seyn, es auszuführen, was der geheiligte Apostel in solchen Zeiten, in welchen man, der Religion wegen, Böses zu besorgen hat, für die beste Christliche Klugheit halte. Wir werden aber das Vornehmste, so hieher gehöret, in drey Regeln zusammen fassen.

Die erste Regel ist diese: Man muß sich gegen diejenigen sanfftmühtig erweisen, welche Feinde usners Gottesdienstes sind. Es ist keine Tugend, die uns als Christen mehr anstehet, als eine wahre und hertzliche Sanfftmuth. Was für ein vortreffliches Vorbild hat uns nicht unser theurester Erlöser gegeben, wie wir uns sanfftmüthig gegen unsere Widersacher verhalten sollen. Er schalt nicht wieder, da er gescholten ward: er drohete nicht, da er litte, und er versäumte keine Gelegenheit, demjenigen Gutes zu erzeigen, die sich öffentlich für seine Feinde erläreten. Durch wie viele Ermahnungen verpflichten uns nicht die Apostel unsers Heylandes zur Ausübung dieser Tugend. Paulus insbesondere schreibt an die Philipper: Eure Lindigkeit lasset kund seyn allen Menschen, Philipp. IV, 5. Nun aber ist es in allen Umständen usnere Schuldigkeit, denjenigen sanfftmüthig zu begegnen, die uns übel wollen: wie vielmehr ist es nöthig, daß wir denen Sanfftmuth beweisen, die uns deswegen ihre Freundschafft versagen, weil wir ihre irrigen Sätze von GOTT und dem Wege zur Seeligkeit mit guten Gewissen nicht billigen können? Wir haben Ursache die Barmhertzigkeit GOttes zu preisen, daß wir in dem hellen Lichte des Evangelii wandeln können, und aus dem unverfälschten Worte GOttes zur Seeligkeit unterwiesen werden. Und diejenigen verdienen unser Mitleiden die durch schädliche Vorurtheile von der Erkenntniß dessen, was zu ihrem ewigen Heyl erfordert wird, abgehalten werden. Ist es aber auch wohl anständig, diejenigen mit hefftigen Worten oder ungestümen Bezeugen zu erbittern, deren Mitleidens-würdiger Zustand uns zu Hertzen gehet, und denen wir eine bessere Erkenntniß wünschen? Wir müssen nie aufhören, dem Exempel JEsu zu folgen, und nach dem Willen GOttes durch Sanfftmuth und Wohlthun die Unwissenheit und übereilten Urtheile zu verstopffen. Indem wir aber ermahnet werden, denen, welche uns der unverfälschten Lehre JEsu wegen zuwider sind, uns gefällig zu erweisen: so ist dieses keinesweges dahin zu deuten, als wenn es uns erlaubt wäre, aus Liebe zum Frieden, einige der wichtigsten Wahrheiten der Lehre JEsu zu verleugnen, damit wir desto gewisser allerley Ungemach vermeiden mögen. Denn wenn wir in solchen Sachen andern nachgehen, welche offenbar wider das Wort GOttes sind: so handeln wir nicht klüglich, sondern stellen uns vielmehr der Welt gleich, und widersetzen uns selbst der Lehre Jesu. Die ersten Christen, welche der Ermahnung des Apostels nachlebten, und sich gegen ihre Verfolger sanfftmüthig bewiesen, waren diesem ohngeachtet so beständig im Bekenntnisse ihres Glaubens, daß sie lieber den Tod erdulten, als den heydnischen Götzen opffern wolten, wenn ihnen auch gleich die zeitlichen Vortheile angeboten wurden. Daher muß ein jeder Christ ihrer Sanfftmuth, aber auch ihrer Beständigkeit und Eyfer in der Religion nachfolgen.

Die andere Regel der Klugheit, die ein Christ in bösen Zeiten zu beobachten hat, bestehet darinne: Diejenigen, welche von den Widersachern ihres Gottesdienstes böses besorgen, sollen sich auch in andern Geschäfften einig erweisen, keinesweges aber Streit und Uneinigkeit anfangen. Der geheiligte Apostel Paulus hat diese Regel der Christlichen Klugheit bey aller Gelegenheit eingeschärfft, und den Friedfertigen und Einträchtigen den Seegen des Herrn verknüdiget, Phil. II, 1. Ephes. IV, 2. Und wie sorgfältig der Apostel gewesen, es zu verhüten, daß die Zwistigkeiten, welche sich etwa damahls unter den Christen hervor gethan hatten, nicht den Heyden möchten bekannt und ärgerlich werden, solches ist aus I Corinth. VI klar, an welchem Orte er von unzeitigen Gerichts-Händeln redet. Indem aber der Apostel so ernstlich auf die Einigkeit derer dringet, welche GOTT gemeinschafftlich in JEsu Nahmen anruffen: so thut er nichts anders, als daß er dem Beyspiele seines und usners Erlösers folgt, der daran seine Jünger erkennen will, daß sie Liebe unter einander haben. Gewiß, es würde weit besser um den äusserlichen Zustand Evangelischer Christen stehen, wenn sie diesen wohlgemeynten Ermahnungen allezeit nachgelebt hätten. Die Uneinigkeit und die Streitigkeiten, welche unter denen entstanden, die sich zu einer Religion bekennet, haben allezeit der Religion grössern Schaden zugefügt, als die offenbahren Feinde derselben. [755] Als Jerusalem zerstöret wurde, geschahe solches nicht so wohl durch die Gewalt der Heydnischen Römer, als durch die vielfältigen Uneinigkeiten, wodurch die Juden sich selbst unter einander aufrieben. Und die Geschichte der Christlichen Kirche lehret uns durch überflüßge Exempel, daß die Uneinigkeit, welche unter denen, die sich Christen nennen, zum öfftern gewesen, ihnen allezeit den meisten Schaden, und das gröste Ungemach zuwege gebracht habe. Wenn unter denen, die eine Christliche Versammlung ausmachen, erst selbst Feindseligkeiten entstehen, und einer sich bemühet, den andern zu verfolgen und zu unterdrücken: Da wird dem gemeinen Feinde die Thüre geöffnet, der gantzen Versammlung zu schaden. Paulus sagt dahero Galat. V. 15: So ihr euch unter einander beisset und fresset; so sehet zu, daß ihr nicht unter einander verzehret werdet. Im Gegentheil aber ist die Liebe und Einigkeit derer, die sich zu einer Kirche bekennen, das beste und von GOtt selbst gesegnete Mittel, die Gefahr, welche allen gemein ist, abzuwenden.

Die dritte Regel der Christlichen Klugheit, die der Apostel denen vorschreibt, welche deswegen die Zeiten böse nennen müssen, weil in denselben die Art ihres Gottesdienstes der Welt nicht gefallen will, ist: Sie sollen einen desto grössern Ernst und Eyfer in ihren wahren Gottesdienste bezeigen, je mehr sie dessenthalben angefeindet werden. Paulus ermahnet: Schicket euch in die Zeit: denn es ist böse Zeit. Und wenn wir den Nachdruck des Griechischen Textes, und die besondere Absicht des Apostels in Betrachtung ziehen: so finden wir: daß seine Ermahnung folgenden Innhaltes sey; Kauffet die Zeit aus, έξχγορχξὀμεα τὸν χαρὀν, nehemt der Zeit wahr, schätzet dieselbe nach ihrem hoehn Werthe. Denn es sind viele mit vereinigten Kräfften darauf bedacht, euch des hellen Lichtes der Evangelii zu berauben. Ihr handelt also klüglich, wenn ihr im Lichte wandelt, weil ihr das Licht habt: wenn ihr euch das Wort GOttes wohl zu Nutze macht, und wenn ihr in euch bey Zeiten durch den Geist GOttes eine rechte Glaubens-Krafft würcken lasset, damit ihr bey den bevorstehenden Versuchungen und Verfolgungen nicht am Glauben Schiffbruch leiden möget. Diese Ermunterung des Apostels ist zu allen Zeiten nöthig. Was ist wohl gewisser, als daß es die Weisheit GOttes aus heiligen Ursachen offtmahls zulasse, daß das Licht des Evangelii an einem Orte verdunckelt wird, wo es kurtz zuvor noch helle geleuchtet hat? In wie vielen Gegenden, da vor dem die Christl. Religion in Flor gewesen: da alle Mittel der Gnaden den Menschen häuffig angeboten worden, ist jetzo wenig oder nichts von der seligmachenden Lehre JEsu zu hören? Wo sind die sieben Christlichen Versammlungen in Athen, deren in der Offenbahrung Johannis gedacht wird? Wo sind die Christlichen Gemeinen in Syrien, in Griechenland, in Macedonien, welche die Apostel selbst gepflantzet haben? Ist nicht jetzo in dasigen Gegenden alles mit Aberglauben angefüllt? [756] Und was wird wohl mehr durch eine betrübte Erfahrung bestätiget, als daß in den Gegenden, wo nicht lange zuvor das Evangelium von Christo rein und lauter verkündiget worden, die Menschen-Satzungen allmählich überhand nehmen, und abgöttische Gebräuche der Lehre JEsu zur Seite gesetzet worden? Was dem einen begegnet, kan allen andern wiederfahren. Daher müssen wir uns diejenige Zeit wohl zu Nutze machen, da GOtt uns seine usnchätzbare Gnade darbietet. Wir müssen dem klugen Rathe folgen, den uns derselbe ertheilet: Wir ermahnen euch als Mithelffer, daß ihr nich vergeblich die Gnade GOttes empfahet. Denn er spricht: ich habe dich in der angenehmen Zeit erhöret, und habe dir am Tage des Heyls geholffen. Sehet jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heyls! Heute derowegen da ihr seine Stimme höret: so verstocket eure Hertzen nicht, 2 Corinth. VI, 1. 2. Ebr. III. 15. Woher will ein Christ Trost, woher will er göttliche Krafft zur Zeit der Anfechtung nehmen, allem zu besorgenden Widerwärtigen zu begegnen. Wenn wir nicht zu der Zeit, da uns die Gnade Gottes noch reichlich dargeboten wird, uns derselben zu versichern, und uns vorbereiten wollen, JEsu Christo bis in den Tod getreu zu bleiben.

Wir sind ausser dem zu einer solchen Zeit durch noch mehrere Gründe als sonst verbunden, mit allem Ernst und Eyfer dem Evangelio von Christo würdig zu wandeln, und die Lehre GOttes unsers Heylandes in allen Stücken zu zieren, wenn viele auaf unser Leben Acht haben, welche Feinde unsers Glaubens sind. Dieß ist die beste Vertheidigung unserer Religion, wenn wir in unsern Leben beweisen, daß dieselbe uns von allen Bösen abhält, und zu allem Guten bewegt. Mit unzeitigem Streiten ist nichts ausgerichtet, und diejenigen, welche bey einer solchen Gelegenheit ihre Religion mit Hefftigkeit verfechten wollen, wo man keine erstnhaffte Gedancken, wo man keine redliche ABsicht, die Wahrheit zu erkennen, vermuthen darff, und wo ein starckes Getränck vielmahls die Ursache vieler schlecht überlegten Ausdrückungen ist, diese thun ihren Glaubens-Genossen keine Dienste. Sie verrathen vielmehr nur gar zu deutlich, daß sie sich mehr darauf verlassen, daß sie sich äusserlich zur unverfälschten Lehre Christi bekennen, als daß sie durch die Krafft des Geistes GOttes, in der Ordnung, die JEsus selbst vorgeschrieben hat, nach der ewigen Seligkeit trachten sollen. Wenn aber ein heiliger Wandel der Beweis ist, daß wir das Evangelium von Christo JEsu von Hertzen hoch schätzen: so gewinnen wir nicht nur die Menschen, sondern wir werden auch GOtt wohlgefällig.\

Wir gewinnen die Menschen. Es mögen auch einige so abgeneigt von der unverfälschten Lehre JEsu seyn, als sie immer wollen: so ist doch die Lehre unsers Heylandes so vortrefflich, daß ein Wandel, welcher mit derselben übereinstimmet, auch von denen muß gebilliget werden, welche sonst gantz andere Meynungen hegen. Ein Christlicher Wandel, der auch von der Liebe der Feinde nicht kan getrennet [757] werden, wird diejenigen beschämen, und auf andere Gedancken bringen, die Böses im Sinne haben. Und solte auch dieses nicht geschehen, so haben wir genug gewonnen, wenn wir durch eine ungeheuchelte und Christliche Gottesfurcht der Gnade des Allerhöchsten versichert werden. Denn Gott, der ein Herr des Himmels und der Erde ist, wird nimmermehr zugeben, daß denen, die ihn über alles fürchten und lieben, etwas Böses begegne, das er nicht zu ihrem wahren Besten zu lencken wisse. Ein Christ muß demnach nicht nur hierinne seinen Vorzug setzen, daß er sich zur Lehre Jesu bekennet, die durch keine menschliche Zusätze verderbet worden, sondern er muß auch der Welt zeigen, daß er durch Liebe, Sanfftmuth, und überhaupt durch einen heiligen Wandel in die Fußtapffen unsers Heylandes trete, um dessen Willen wir allein ein ewiges Leben hoffen; so mögen die Zeiten so böse seyn, wie sie wollen, es wird uns nicht schaden. Theophili und Sinceri Sammlung von Cantzel Reden III Th. p. 476 u. ff.

17. Erklärung einiger Sprüche Heiliger Schrifft, worinnen der Zeit gedacht wird. Bearbeiten

1) 1 B. Mos. I, 14: Und GOtt sprach: Es werden Lichter an der Veste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht, und geben Zeichen, Zeiten, (הַושָּׁיִם‎) Tage und Jahre. Ein Ebräer hat eine andere Zeit, als ein Philosoph, und das Wort Zeit bedeutet auch bey jenem etwas anders als bey diesem. Ein Ebräer nennet auf Theologisch Zeit, ordentliche und bestimmte Feste: Ferner die Tage, wie sie auf einander folgen, und ein Jahr schlichten; so daß das Wort Zeit fast überall durchs Wort Fest oder Feyertag gegeben wird, ausser wenn es vom Tabernackel oder Lauberhütten gesagt wird. Luthers Auslegung des 1 Buches Mosis 20 b. §. 2. In der Heiligen Schrifft wird die Zeit zuweilen complet gezählet, als wenn Adam 130 Jahre alt gewesen, da er Seth gezeuget. Denn nach der Geburt des Seths lebt er 800 Jahre, sein gantzes Leben war 930 Jahre. Daher bleiben nach Abziehung der 130 Jahre noch die 800 Jahre übrig. Zuweilen wird die Zeit incomplet genommen, als wenn Matth. XII, 40. des Menschen Sohn drey Tage und Nächte in der Erde ist. Zuweilen wird die Zeit exclusive genommen, als wenn Matth. XVII, 1. Jesus nach sechs Tagen Petrum, Jacobum und Johannem auf einen hohen Berg geführet. Zuweilen wird die Zeit inclusive genommen, als wenn Lucä IX 28. acht Tage eben bey Beschreibung eben dieser Hisstorie genennet werden. Ja die Zeit wird offt numero rotundo vorgetragen, als wenn B. Richt. XI. 26. Israel in Hesbon und Aroer 300 Jahre regieret, da es doch 305 Jahre waren. Insonderheit wird die Zeit eingetheilet in die Zeit des Alten und des Neuen Testamentes, deren jede ihre besondern Perioden hat; wovon der Artickel Zeitbegriffe, (Biblische) unten nachzusehen ist. Miri Biblisches Antiquitäten Lexicon p. 1362 u. f.

[758] 2) 1 B. Mos. SVII, 21: Um diese Zeit im andern Jahr. Hier ist das Wort מיעד‎ zu mercken, das Luther sonst verdeutscht hat, Stifft, wofür die Lateinische Uebersetzung tabernaculum testimonii, d. i. die Hütte des Gezeugniß gesetzet hat. Hier aber heisset es eine gewisse und angestellte Zeit, wie auch 1 B. Mos. I, 14. von Sonne und Mond gesagt wird, sie sollen geben להַושָּׁיִם‎ gewisse Zeiten. Denn weil der Mond eine gewisse Zeit hat, darinnen er aufgehet, und sein Schein zu- und abnimmt, so ist er ein sehr bequemes Zeichen der Zeit daher heisset מיעד‎ auch einen gewissen und sonderlichen Ort, darinne die Hütte des Stiffts aufgerichtet war, und da Gott befohlen hatte, daß man seiner gedencken, d. i. sein Wort predigen, und ihm dienen solte. Darum aber befiehlt Gott solches, auf daß die Juden nicht hin und wieder in mancherley Abgötterey und Gottesdiensten irren solten. Er will nicht, daß man unter einem jeden grünen Baum zusammen kommen soll; sondern er will, daß man sich versammlen soll, da er die Wohnung seines Nahmens aufgerichtet hat. Solches heisset מיעד‎ ein gewisser und bestimmter Ort, wie wir auf Deutsch sagen, ein Stifft. Also, wenn Ps. LXXIV, 8 stehet: Sie verbrennen alle Häuser Gottes im Lande, so heißt es im Hebräischen, wir wollen abbrennen alle מיעד‎ auf Erden. Es heißt dieses Wort nicht allein Feste und Vollmonde, sondern auch Synagogen und Schulen, darinne man zusammen kommt. Denn so war im Gesetz geboten, daß in allen Städten die Leviten auf gewisse Tage lesen, und lehren solten, und diese Oerter, darinne solch Lehren und Lesen geschahe, hiessen sie מיעדים‎. Zu den Opffern aber war ein sonderlicher Ort bestellt zu Jerusalem, da man nicht allein lehrete, sondern auch opfferte. In dem oben angezogenen Orte heisset מיעד‎ eine bestimmte Zeit. Luthers Erklärung des II Buchs Mosis, 384 b. §. 4 u. f. 385 a. §. 1.

3) 1 B. Mos. XXVII, 41 u f. Es wird die Zeit bald kommen, da mein Vater Leide tragen muß. Nach dem Hebräischen heißt es eigentlich; es wird die Zeit des Leidwesens meines Vaters bald kommen. Abarbanel verstehet das Hebräische Wort passive,, so, daß es heissen solte, tempus luctus ob patrem meum. Mein Vater wird bald sterben, und dann will ich meinen Bruder erwürgen: weil er lebt, will ich zu Ehren und Respect meines Vaters seiner schonen: so bald er aber todt ist, will ich Rache an ihm ausüben. Allein dieses Wort ist vielmehr active zu verstehen, wie es auch Luther selbst also verdollmetscht hat, wes wird die Zeit bald kommen etc als spräche er: hat er es doch nicht besser haben wollen: er wird bald sehen, was er mit seinem Segen ausgerichtet hat. Da wurden Rebecca angesagt diese Worte etc. v. 42. Es wird gefragt, wie sie es erfahren? der Text sprich nur er habe es im Hertzen, das ist, bey sich selbst gesagt. Rascht, wie auch Augustinus meynen, sie habe es durch Eingebung und Offenbahrung des Heiligen Geistes erfahren. Allein es stehet deutlich es ward ihr angesagt, [759] das ist, wieder gesagt. Aben Esra, Abarbaniel, und andere mercken an; Esau habe diese seine Gedancken etlichen guten Freunden zu verstehen gegeben, zumahl seinen Weibern, welche es vermutlich weiter ausgebreitet haben, bis es der Rebecca zu Ohren gekommen ist. Diese dachte, als eine verständige Mutter, auf ein Mittel, wie sie zugleich Jacob von der Gefahr befreyen, und den Esau von den Sünden abhalten könnte. Pfeiffers Hauß und ehe-Schule P. III, Conc. 18. p. 366 u. f.

4) 2 Sam. VII, 12: Wenn nun deine Zeit hin ist: Die Zeit ist hin, so wird geredet von unserm Tod. Unser Leben, welches wir täglich fortsetzen, ist anders nichts, als eine bescheidene und vorbestimmte Zusammenfliessung und Abmessun vieler unterschiedener Tage, die immer auf einander erfolgen, bis man zu derer Vollendung und zum letzten Termin kommet, da das alte Sprüchwort der Römer von dem Deo Termino gebraucht wird: cedo nulli. Wer den Termin, von Gott vorgesteckt, erlanget, der hat seine Tage vollendet, Hiob XIV, 5. Gleichwie aber diejenigen, welche ein gewisses Maaß füllen wollen, eher nicht ablassen und aufhören, bis daß das Maaß gantz voll ist bis oben an, wie die Diener auf der Hochzeit zu Canaan in Galiläa mit den sechs grossen steinernen Wasser-Krügen thäten, Joh. II, 6. 7: also muß ihm niemand unter uns das Ende seines Lebens vor der Zeit aus Ungedult wünschen, ehe das Maaß seiner Jahre, Tage und Stunden erfüllet ist. Wie aber die Reisenden und Arbeits-Leute, wenn sie ihr Tage-Werck und Reise vollendet haben, sich zur Ruhe begeben und zu Bette legen, und fein sanffte und süsse einschlaffen: Also wirds auch bey Vollendung unserer Tage und der zeitlichen Pilgrimschafft gehen, daß wir im Tod, der darum in den göttlichen Büchern dem natürlichen Schlaf verglichen wird, Matth. IX, 24. Joh. XI, 11. 12. seelig entschlafen, worzu zuns Gott selbst freundlich einladet. Es. XXVI, 20.

5) Hiob XIV, 5: Er (der Mensch) hat seine bestimmte Zeit. Wenn wir uns auf diese Zeit recht vorbereiten, und einen frölichen Muth im Leben und Sterben behalten wollen: so müssen wir uns gewöhnen, die Tage unsers Lebens und den Tag unsers Todes nicht mit fleischlichen, sondern mit Glaubens-Augen anzusehen, und die dabey waltende Vorsehung Gottes stets zu bedencken. Diese Worte Hiobs eröffnen uns das Buch der göttlichen Vorsehung, und wenn wir hinein sehen, finden wir: a) beschrieben, die Tage usners Lebens, und erkennen mit geziemender Ehrerbietung, wie herrlich diese Vorsehung des Höchsten sich hervor thue, theils in Erhaltung, theils in Regierung unsers Lebens. Seine Vorsehung erhält unser Leben; denn die Zahl unserer Monden stehet bey ihm: seine Vorsehung regieret unser Leben, denn sie hat unsere Zeit und Tage bestimmt, und allen Dingen ein Ziel, oder wie das Wort חיה‎ kan übersetzet werden, eine gewisse Ordnung gesetzet, Maaß und Weise vorgeschrieben. Das Wort, das Gott in der [760] Schöpffung geredet hat, ist nicht verschwunden, und kein blosser Schall gewesen, sondern es ist gleichsam das Leben aller Creaturen, Matth. IV, 4. Würde die Sonne ihr Licht zurück ziehen: so würde die gantze Erde und alle Planeten, die von der sonne regieret, und erleuchtet werden, auf einmahl gäntzlich in Finsterniß verfallen: Gleichergestalt wenn Gott nur einen Augenblick seine alles erhaltende Lebens-Krafft zurück ziehen wolte: so müsten ale Creaturen auf einmahl ihr Leben und Wesen verlieren, und wieder indas Nichts verfallen, woraus sie durch seine allmächtige Schöpffers-Krafft sind hervor gebracht worden, Ps. CIV, 30.\

Die Schrifft vergleichet den Menschen mit einem Schatten, Hiob XIV, 2. VIII, 9. Ps. CXLIV, 4. Ein Schatten ist ein Krafftloses Ding, so von sich selbst nichts ist, und keine Bewegung hat, sondern bloß an einem Leibe hanget, und dem Leibe folgt, wo er hingehet. Wie nun der Schatten sich gegen den Leib verhält: so auch der Mensch gegen Gott. Sein Leben und Bewegung, sein Vermögen und Krafft hat er nicht von sich, sondern von Gott. Der Leib ist ein Schatten der Seele, und die Seele ein Schatten Gottes. Wie aber Gott ein Erhalter unsers Lebens ist: also ist er auch ein Regierer desselben. Unsere Zeit, und alles was uns darinne begegnet, ist von seiner Vorsehung bestimmt und gleichsam abgemessen. Er hat einem jeden Dinge sein Maaß, Ziel, und Weise gesetzt, und eine gewisse Ordnung vorgeschrieben. Die Thoren sprechen zwar in ihren Hertzen: es gehe in der Welt verwirrt unter einander, was geschiehet, das kommt von blinden Glücke, es geschehe von ohngefähr, man müsse sich blos durch seinen Witz helffen, und Gott bekümmere sich nicht um unser Thun: Aber solcher Gottlosen Meynung müsse ferne von uns seyn. Ps. CXLVII, 5. Hiob XXIII, 13. Seine Vorsehung erstrecket sich so gar auf die geringsten Dinge, Matth. VI. 26. X, 29. LVI, 9. XXXIII, 13. Wie wunderbarlich Gott sein Werck bey Lenckung der menschlichen Hertzen habe, davon findet man Sprichw. XXI, 1. 1 B. Kön. XII. 15. Esr. VII, 27. Nehem. II, 8. VII, 5. augenscheinliche Zeugnisse.\

Nur müssen wir uns vor dem einigen hüten, daß wir ihn nicht zur Ursache der sünde machen. Im übrigen bleibt es bey dem, was Salomo sagt: Jedermanns Gänge kommen von dem Herrn, welcher Mensch versetehet seinen Weg, Sprichw. XX, 24. Jer. XVIII, 6. Er kan aus uns machen was er will. Sprichw. XVI, 9. Wie es heut oder morgen ergehen werde, muthmassen wir zwar in unsern Gedancken; der Erfolg aber beruhet bloß in Gottes Händen. Wenn die Menschen ihre Sachen aufs klügste ausgesonnen haben, und dencken nunmehro sey alles richtig: so ist es doch Gott ein geringes, die Klugheit der Menschen zu Thorheit zu machen, und ihnen durch Jesaiam sagen lässet VIII, 2: Beschliesset einen Rath und es werde nichts draus. Da ferner in unsern angeführten Worten, eines Ziels Meldung geschiehet, das Gott dem Menschen gesetzet hat: so mercken wir daß Agur Sprichw. XXX, 8. eben dieses Wort in seiner Sprache gebraucht, da es im Deutschen [761] heist: Laß mich mein bescheiden Theil Speise dahin nehmen. Und also können wir nach unsern Textes Worten sohl sagen, GOtt habe einem jeglichen sein bescheiden Theil Speise, seine Nahrung und Auskommen verordnet, dem einen reichlich, dem andern sparsam, nach seinem Gutbefinden. Die Haupt-Absicht des Textes gehet auf das Ziel unsers Lebens. Wie wir also bisher die Tage unsers Lebens in dem Buche der göttlichen Vorsehung beschauet haben, also besehen wir auch (b) wie der Tag usners Todes darinne beschrieben sey.\

Hier wissen wir, daß dem Menschen einmahl gesetzt ist, zu sterben, Ebr. XI, 1 B. Mos. III, 19. Dieses Ziel kan kein Mensch überschreiten. Denn, wo ist jemand, der da leben und den Tod nicht sehe, Ps. LXXXIX, 49. Etlichen wird das Lebens-Licht im Mutterleibe ausgelöscht: andern, wenn sie schon gebohren sind, und nur kurtze Zeit gelebt haben. Etliche werden in der Helffte ihrer Tage hingerissen. Manche sterben eines gewaltsamen, andere eines natürlichen Todes. Und wenn es hoch kömmt, ist unser Leben achtzig Jahr, Ps. XC, 10. Wenn man aber hierbey fragt: Wie sich eigentlich die Göttliche Vorsehung bey der Ordnung des menschlichen Lebens-Ziels verhalte? so muß man mit Bedacht und Unterscheid darauf antworten.\

Anfangs muß man die Göttliche Vorwissenheit bey dem menschlichen Lebens-Ziel erkennen, Krafft welcher GOtt alle Dinge von Ewigkeit her gewust, mithin auch voraus gesehen hat, zu welcher Zeit und auf welche Art der Mensch sterben werde. Der Mensch weiß seine Zeit nicht, wie lange er leben werde: aber GOtt weiß gewiß, wenn unser Leben sein Ziel erreichen werde. Zweytens muß man auch auf die Göttliche Zulassung bey dem Tode des Menschen sehen. Wenn ohne GOttes Willen nicht ein Sperling auf die Erde, ja nicht ein Haar von unsern Haupte fället, Matth. X, 29: so wird vielweniger ein Mensch ohne GOttes Willen dahin fallen. Es könnte ja GOtt niemahsl an Mitteln fehlen den Tod des Menschen zu verhindern, und sein Leben zu verlängern, wenn es seinem allweisen Rath beliebte. Ein Beyspiel sehen wir an Christo Joh. VII, 30. Apostelg. II, 23. Lucä XXII, 53. Drittens müssen wir theils auf die ordentliche, theils auf die ausserordentliche Würckung GOttes Acht haben. Ordentlich würckt GOtt, wenn er einen Menschen nach dem ordentlichen Lauff der Natur sterben lässet. Wie aber ein Uhrwerck, welches seinen ordentlichen Lauff hat, so eingerichtet werden kan, daß es langsamer oder geschwinder, als sonst, abläufft: also kan auch der Allmächtige usnere Lebens-Zeit ausserordentlich verlängern oder verkürtzen nach seinem Wohlgefallen, Jes. XXXVIII, 5. Ps. CII, 24. Jes. XXXVIII. 12. Solche Verkürtzung des Lebens geschiehet bisweilen aus Gnaden, bisweilen aus Zorn. In jenem Fall handelt GOtt als ein liebreicher Vater: in diesem als ein gerechter Richter. Siehet ein Vater, daß eine Feuersbrusnt oder sonst ein Unglück entstehet, so sucht er seine Kinder zuerst in Sicherheit zu setzen: Eben so pflegt der barmhertzige GOtt vorher seine liebsten Kiner zu sich zu nehmen, ehe sein Zorn über die Welt entbrennt, Jes. XXVI, 20. 3 B. Kön. XXII, 19. Jes. LVII, 1. Und ob er gleich zeitlich stirbt, ist er doch inder Ruhe: denn er gefält GOtt wohl etc. B. Weis. IV, 7. [762] u. ff. Bisweilen aber wird ein solches frühezitiges Lebens-Ziel von GOtt aus gerechtem Zorn verhänget. Die Blutgierigen und Falschen werden ihr Leben nicht zur Helffte bringen, Ps. LV, 24. Die tägliche Erfahrung lehret auch, wie viele ihren Tod durch die Sünden beschleunigen. Wenn aber jemand fragt: Ob man bey denen von der Obrigkeit Verurtheilten sagen könne: GOtt habe ihnen diese Zeit und Art des Todes bestimmt: so antworten wir: GOtt sey nicht die Ursache seiner Sünde, aber wohl seiner Straffe. Er treibt nicht den Uebelthäter an, zu sündigen; er regiert aber wohl des Richters Hertz, ihn davor abzustraffen. Die Sünde hätte der Uebelthäter wohl vermeiden können: weil er aber muthwillig gesündiget; so thut ihm GOtt kein Unrecht, wenn er seiner Boßheit ein Ziel setzet, und ihm durch die Obrigkeit seinen verdienten Lohn geben lässet.\

Kan man aber von denen die sich selbst entleiben, sagen: GOtt habe ihnen ihr Ziel gesetzet? Hierauf sagen wir: GOtt hat keinen Gefallen am Tode des Gottlosen: beharret er aber auf seinem verstockten Sinn, so kan der gerechte GOtt gar wohl dem Teuffel Macht lassen diesen Menschen vollends in Verzweifflung, und in den Tod zu stürtzen. Man lese die Begebenheiten mit Ahab: 1 B. Kön. XXII, 19. und David 1 Chron. XXII, 1. Daß aber ohne GOttes Verhängniß der Satan dergleichen nicht thun dürffe, ist aus 2 Sam. XXIV, 1 zu ersehen. Bey manchen Arten des Todes scheint es, als ob sie von ohngefehr geschähen, daß aber die göttlich Vorsehung mitwalte, zeigt Moses 2 B. Mos. XXI, 13 an.\

Fragt man weiter: Wenn niemand ohne GOttes Willen stirbt; worzu dienen die Artzeneyen, und andere Vorsichtigkeit? Wir antworten: GOtt, der dem Menschen das Leben gegeben, hat ihm auch befohlen, zu dessen Erhaltung ordentliche Mittel zu gebrauchen. Wie wir nun Speise und Tranck in gesunden Tagen zu uns nehmen: so müssen wir auch in Kranckheiten dienliche Artzeneyen gebrauchen; ob wir gleich hernach der göttlichen Vorsehung anheim stellen müssen, ob er die Artzeneyen segnen wolle. Und ob schon ein Christ versichert ist, daß ihm ohne göttlichen Willen auch die gröste Gefahr nicht schaden könne: so muß er doch GOtt durch Vermessenheit nicht versuchen, noch sich muthwillig in Gefahr begeben. Wer gar zu kühn ist, dem geschiehet recht, wenn ihn GOtt fallen lässet, und sein Ziel früher setzet, als er vermuthet hatte. Gottes Vorsehung soll uns im Glauben, aber nicht in der Sicherheit und Verwegenheit stärcken: gleichwie hinwiederum menschliche Vorsichtigkeit die göttliche Vorsehung nicht aufhebt; sondern wenn wir unsere Pflicht beobachtet haben, demjenigen alles allein anheim stellen müssen, der über Leben und Tod zu gebieten hat. Lith Steine des Anstoß. P. I, p. 69 u. ff.

6) Ps. XXXI, 16: Meine Zeit stehet in deinen Händen. In diesen Worten werden wir auf GOttes genaue Vorsorge gewiesen, dieser sonderlich für seine Gläubigen hat, daß alles, was ihnen ihre gantze Lebens-Zeit von Glück und Unglück begegnet, in GOttes Gewalt und gnädiger Regierung stehe. David redet im Hebräischen in der mehrern Zahl von vielen Zeiten. Die LXX Dollmetscher haben es übersetzet χληροι, fortes, die Losungen, meinen Zufälle und alles, was mir scheinet ohngefehr zuzustossen, [763] das stehet in GOttes Händen. Dadurch zeiget er an, daß unser gantzes Leben, Gehen u. Stehen, Sitzen und Liegen, Schlaffen und Wachen, von GOtt regieret werde. Denn der HErr schaffet es, was wir vor oder hernach thun, Ps. CXXXIX, 5.\

Damit wir nur die vornehmsten Zeiten erwegen, so regieret GOtt (a) unsere Geburts-Zeit, der zeucht uns aus Mutterleibe, Ps. LXXI, 6. Darum sagte er zu Hiob XXXVIII. 21: Wustest du, daß du zu der Zeit soltest gebohren werden? (b) Unsere Glücks- und Unglücks-Zeit, da schaffet GOtt den bösen Tag neben dem guten, Pred. VII, 3. (c) Unsere Heyraths-Zeit, da schickt es GOtt wunderlich, daß Isaac Bethuels Tochter in Syrien heyrathet, 1 B. Mos. XXIV, und Jacob beyde Töchter in Mesopotamien, XXIX, 16; Moses die Tochter Jethro, des Priesters in Midian, 2 B. Mos. II, 21; David die Abigail, 1 Sam. XXV, 40. (d) Die Sterbe-Zeit, den er ist der HErr, der Macht hat über Leben und Tod, B. Weish. XVI, 23; er ists, der Zeit und Stunden ändert, Dan. II, 12. Also heist sonderlich die Zeit zu sterben eines seine Zeit, 1 Sam. XXVI, 10. Das sthet alles in GOttes Händen.\

Manche suchen eines Menschen Zeit, Glück und Unglück, Leben und Tod in seinen Händen, wenn sie demselben aus der Hand wahrsagen wollen, wie sie denn die Worte Elihu Hiob XXXVII. 7 hieher ziehen, qui signat in manu omnium hominura, ut norint singuli opera sua, der da zeichnet in die Hand aller Menschen, daß ein jeglicher seine Wercke wisse; wie es in der Lateinischen Bibel verdollmetscht ist, ob es gleich im Hebräischen weit anders lautet. Andere setzen des Menschen Zeit, Glück und Unglück, Leben und Sterben in die Sternen, und wollen aus denselben, wie sie etwa bey des Menschen Geburts-Stunde gestanden haben, ausrechnen und prophezeyen, was der Mensch für Glüc khaben, wie lange er leben, und wann, und welches Todes er sterben werde? Aber alles ist vergeblich. GOtt hat unsere Zeit nicht in die Sterne gesetzt, sondern sie steheht in seinen Händen. Darum spricht er zu den Chaldäern, die viel Sternseher unter sich hatten, welche des Menschen Glück aus den Sternen zuvor sehen wolten, Jes. XLVII, 13: So laß nun herzu treten die Meister des Himmels-Lauffs etc.\

Es stehet auch unsere Zeit nicht in des Satans, oder usnerer Feinde, sondern in GOttes Händen, ohne dessen Willen die Feinde uns kein Haar krümmen können. Wie offt haben JEsus Feinde auf ihn gelauret, und haben ihm doch nichts thun können, bis die von GOtt bestimmte Zeit herbey kam. Herodes wolte ihn noch in der Wiege hinrichten lassen, Matth. II, 13. Satan hätte ihn gerne von der Zinne des Tempels gestürtzet, Matth. IV, 5. Seine Landsleute zu Nazareth führeten ihn auf die Spitze des Berges, darauf ihre Stadt gebauet war, und wolten ihn herab stürtzen; aber es gieng alles nicht an. Denn seine Leidens Zeit war noch nicht vorhanden, Luc. IV, 29. Joh. VII, 30. So stehet auch frommer Christen Zeit nicht in ihrer Feinde oder des Satans, sondern allein in GOttes Händen, ohne dessen Willen ihnen nichts wiederfahren kan. Wie offt hat Saul dem David nachgestellet, und hat ihm doch nichts anhaben können, 1 Sam. XXIII, 14. Stünde es in unsern Händen, so würden wir es bald verschertzen; Da aber alles [764] in GOttes Händen stehet, so können wir versichert seyn, daß ohne seinen Willen und ehe die bestimmte Zeit kommt, uns nichts widerfahren könne, oder müsse uns doch zum Besten dienen, Röm. VIII, 28.

7) Ps. CII, 14: Es ist die Zeit daß du ihr gnädig seyst. Nach dem Hebräischen heist es: Denn es ist die Zeit ihr gnädig zu seyn. Einige nehmen das dann für wann, und erklären es also: Du woltest dich über Zion erbarmen, wenn die Zeit, ihr gnädig zu seyn, ist, oder seyn wird. Das Grund-Wort אה‎ heisset eine bequeme Zeit. Doch wird dem HErrn hier keine Zeit vorgeschrieben; sondern die Kirche drücket nur damit ihr sehnliches Verlangen zur Hülffe aus, daß nun die Noth erfordere, sich ihrer zu erbarmen. Und die Stunde ist kommen. םועד‎ heisset nicht eben eine Stunde, oder insgemein eine jede, sondern eine gewisse und bestimmte Zeit. Von was für einer Zeit aber allhier geredet wurde, sind die Ausleger nicht einerley Meynung. Die davor halten, dieser Psalm sey von einem Propheten in der Babylonischen Gefängniß gemacht worden, verstehen es von den siebzig Jahrwochen, darvon Jeremias Cap. XXIX, 10. oder Daniel im IX Cap. v. 24. geweissaget: Allein weil wir diese Meynung nicht vor gegründet halten: so verstehen wir hier am füglichsten, die gewisse Hülffs-Zeit, welche GOtt bestimmet und seiner Macht vorbehalten hat. Nach dem Hebräischen möchte es heissen, denn oder wenn die Zeit kommt, oder gekommen seyn wird, womit eben das aufgedrückt wird, was in vorhergehenden Worten enthalten, welches ein hefftiges Verlangen nach der Hülffe anzeigt. Maji Bus-Psalm.

8) Pred. Salomo III, 1: Ein jegliches hat seine Zeit. Salomo hat sich gleichsam auf einen hohen Berg gestellt, da er alles konnte beschauen, was unter dem freyen Himmel ist, und dabey hat er wahrgenommen, wie alles so weislich und herrlich von GOtt geordnet sey, daß nicht nur alles dem Wesen der Natur nach, gut, löblich und schön sey, ausgenommen der Mensch, der sich selbst durch den Fall in vielen Stücken verderbet; sondern auch der Zeit nach wohl eingerichtet und angeordnet worden. Dieses zeigt das Hebräische Wort an, welches nicht nur eine blosse Zeit heisset, sondern eine solche Zeit, die gewiß zuvor verordnet und bestimmet. Solche Zeit hat nun GOtt einem jeglichen Dinge so unter dem Himmel ist, es sey groß oder klein, wichtig oder gering, leicht oder schwer, verordnet und bestimmet, um der vielen Veränderungen willen. Denn alles, was nach der Zeit ausgerechnet und abgemessen wird, hat keinen Bestand. Es ist also nichts unter der Sonne, das in seinem Thun oder Wesen solte unbeweglich stehen: es hat seine gewisse Zeit, darinne es anfängt, darinne es in seinem Wesen bestehet, darinne es sich endlich auch endiget, es sey Himmel, Erde, Sonne, Mond, Jahr, Jahr-Zeiten, Winter, Sommer, Gewächs der Erde, Menschen, Vieh, alle und jede Creaturen. Diesen ist ihre gewisse Zeit, gewisse Stunde und Minute von GOtt bestimmet.

9) Amos VIII, 11: Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HErr HErr, daß ich einen Hunger ins Land schicken werde. Hierdurch ist das Wort des HErrn zu verstehen, welches sie durch GOttes gerechtes Gericht nicht mehr wie zuvor haben, sondern dessen elendiglich beraubt seyn müssen. [765] Der Mangel des natürlichen Brodtes und Tranckes ist eine schwere Plage: Es wird aber alles dieses weit geringer geachtet, gegen den geistlichen Hunger und Durchst nach dem Worte des allmächtigen Gottes.Denn jenes betrifft nur den Leib, dieses die Seele, jenes stürtzt den Menschen in den zeitlichen Tod, dieses in den ewigen, Hieronymus verstehet diese Weissagung Amos von den Jüden und ihrer Zerstreuung nach der letzten Zerstörung Jerusalems. Man bedencke nur, wie es von dar an, bis jetzo nur dem elenden Volcke beschaffen. Sie haben nicht das Wort des Herrn, welches ihren Vorfahren so hoch anvertrauet war, Röm. III, 1. Ob sie aber gleich die Schrifften des Alten Testaments dem Buchstaben nach, haben; so wissen sie doch den rechten Verstand und Kern der Schrifft nicht, welches der Meßias ist, ausser welchem kein Heyl und Trost zu hoffen. Diesen grossen Erlöser verschmähen sie, und suchen des Herrn Wort, und findens doch nicht, und müssen solchergestalt aufs elendeste in ihrem Hunger und Durst ewig sterben. Jes. VIII, 20 u f. Denn gleichwie nichts anders als der Tod erfolgen kan, wenn man der Speise und des Truncks eine Zeitlang entbehren muß: Eben so muß die Seele verderben, wenn sie das Wort Gottes entbehren muß, welches den Geist erquicket und erhält. Glasf. Prophet. Spruch-Post. II P. III, p. 195 u. ff.

10) Matth. IX. 15. Es wird aber die Zeit kommen, daß der Bräutigam von ihnen genommen wird, alsdenn werden sie fasten.\

Wir müssen vornehmlich (a) untersuchen, warum der Heyland hier also rede. Die alten Jüden nennen den Meßias einen Bräutigam, wie aus dem hohen Liede zu ersehen. Es ist klar, daß der XLV Ps. den Meßias, als den Bräutigam der Kirche betreffe. Nun gehen sie vor, der Schekinah sey der Bräutigam der Synagoge, und ziehen den Ort Jes. LXII, 3. darauf, welcher nichts anders als eben die Idee des 45 Psalms enthält. Die Wassagungen, welche von dem Jehovah, als dem Könie und Bräutigam seiner Kirche, reden, sind von dem Meßia jederzeit ausgelegt worden. Z. E. wenn Gott Hos. II, 19. zu seinem Volcke spricht: Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit etc. so verstehen dieses die Jüden insgemein vom Messias. R. Meir Arama sagt, sie stimmen also überein, daß dieser Psalm vom Meßias handele. Die Hochzeit-Gäste sind die Christen Neuen Testaments oder nach dem Grunde: Die Söhne in des Bräutigams Kammer. Dieses ist eine Redens-Art nach dem Hebräischen und bezeichnet solche Personen, die mit dem Bräutigam in die Kammer eingegangen sind, wie man denjenigen, die dem Bräutigam die Braucht mit frölichen Gesang und Spiel zuführen, zu erlauben pflegte. An solchem Orte nun, und bey solcher Gelegenheit schickt sich kein Trauren, weil das Fasten ein Gebrauch der Traurigkeit ist. Es solte aber der Bräutigam weggenommen werden durch die Gewalt der Feinde, die ihm zum Tode bringen würden, und durch die erhöhende Macht Gottes, die ihn würde auferwecken, und in den Himmel selbst [766] auffahren lassen. Jes. LIII, Offenb. XII, 5.\

Mit dieser Rede wolte also Christus die Seinen aufmuntern, daß sie aus den Weissagungen untersuchen möchten, was von seinem Abschiede aus der Welt geschrieben wäre. Alsdenn würden sie fasten, das ist, Ursache der Traurigkeit haben, die sie zum Fasten und Beten demüthigen würde. Johann. XVI, 20. Hos. XIII, 2. 3. 14. 23. 2 Corinth. VI, 6. Der gelehrte Engelländer Beveregius in Cod. Canon. vindicato. stehet in den Gedancken, als wenn diese Worte eigentlich nach dem Buchstaben verstanden, und von den beyden Tagen, da Christus gecreutziget und begraben worden, auch da die Jünger aus grosser Betrübnis geweinet und gefastet, erkläret werden müsten. Es war, schreibt er, bey den Jüden eine hergebrachte Gewohnheit, daß ein jeder den Tag des Todes seines Vaters in allen Jahren seines Lebens zum Fast-Tage erwehlete. Daher ist nichts unglaublicher, als daß die Jünger nicht die Tage über gefastet haben solten, in welchen ihr liebster Lehrer und eintziger Seligmacher des gantzen menschlichen Geschlechts, vor ihre und aller Menschen Sünde die grausamste Marter, und endlich den Tod selbst ausgestanden. Wer hätte auch so gar unter den geringsten Jüngern dieses nicht thun wollen? Wer wird nicht jährlich gedacht haben: An diesem Tage ist der eingebohrne Sohn Gottes um meiner Sünde willen verspottet, gegeisselt, und getödtet worden? Solte ich wohl diesen Tag in aller Ergötzung meines Fleisches frölich zubringen? Solte ich mich nicht vielmehr an diesem Tage mit Fasten und Thränen kräncken, da meine Sünde den Herrn des Lebens ans Creutz gehefftet? Also schliesset gedachter Engelländer sonderlich aus den gegenwärtigen Worten Jesu, daß die Jünger Christi nicht allein die zween Tage, in welchen Christus gestorben und begraben, zu Festtagen bestimmt hätten, sondern daß auch desgleichen geistliche Uebungen andern Christen anbefohlen worden. Hierauf hätten auch die Jünger der Apostel aus grosser Liebe gegen Christum nicht allein die beyden Tage, welche hier von Jesu bestimmt werden, den Fasten gewidmet sondern auch mehr Tage hinzu gethan, bis endlich, andere viertzig Tage erwehlet, welches die Apostel nicht für strafbar gehalten, sondern vielmehr gerühmet, weil dadurch die Gottesfurcht befördert, und das Fleisch gebändiget wurde. Indessen hätten die Apostel dergleichen viertzigtägige Fasten nicht allen aufgebürdet, indem nicht alle gleiches Vermögen heirinne gehabt. Sonst aber sey es daher kommen, daß einige vor Ostern 40 Tage gefastet, mit dem Vorgeben, daß sie diese Gewohnheit von den Aposteln empfangen hätten.\

Bis hieher haben wir die Meynung des Engelländers vorgetragen, von welcher wir behaupten, daß sie nicht in den Worten des Textes gegründet sey, als welche nicht bloß auf das Fasten der beyden Tage im engern Verstande zu ziehen sind. Denn (b) dieses ist der wahre Verstand obiger Worte: Wenn Christus würde sterben, und nachmahls gen Himmel fahren: So würden die Jünger Jesu hefftig von der Welt verfolgt werden. Amel. N. Test. P. II, p. 224. u. f.

11) Matth. XXVI, 18. Meine Zeit ist [767] hie.' Christus verstehet dadurch so wohl die Leidens-Zeit, als die Zeit, das Osterlamm zu essen. Meine Zeit ist hie! Er will dadurch sagen: Ich weiß wohl, daß die Pharisäer diesen Abend ihr Osterlamm nicht essen werden, sondern auf den morgenden Abend verschieben: Es ist aber meine Zeit, ich richte mich nach Gottes Gesetz, welches befiehlet auf diesen Abend das Osterlamm zu essen, zeige uns einen Ort, da wirs verrichten können. Meine Zeit ist hie!\

Als die Brüder Jesu zum Heyland sprachen: Mache dich auf von dannen und gehe in Judam, auf daß auch deine Jünger sehen die Wercke, du du thust, Joh. VII, 3. sprach Jesus zu ihnen: Meine Zeit ist noch nicht hie, v. 6. Es griff ihn niemand, denn seine Stunde war noch nicht kommen, Joh. VIII, 20. Im Anfange des XIII Cap. Joh. aber erkennete Jesus, daß seine Zeit kommen war, meine Zeit ist hie. Es war nicht die Zeit, die ihm etwa die Nativitätsteller zu Augustini Zeiten Tract. VIII und XXXII in Joh. shcon aus dem Gestirn haben beylegen wollen, als wäre er den Einflüssen und Zeichen des Himmels nach, dem Leiden und Tode zu der Zeit unterworffen gewesen, sondern weil die Zet herbey gekommen, die im Rathe der Heil. Dreyeinigkeit gesetzt war, wie Paulus Röm. V, 6. andeutet, wenn er von Christo sagt: Daß er nach der Zeit für uns Gottlose gestorben, χατὰ χαρὸν ύπἑρ ἁδεβῶν ὰπἐδαε. Wir könnten nach Anleitung der alten Kirchen-Väter und unserer Ausleger bey diesen Worten bemercken, wie willig der Heyland gelitten, indem er aufs genaueste vorher gewust, was ihm begegnen würde: Allein wir betrachten jetzo nur, wie coh so wenig am menschlichen Wollen, Vornehmen, und Anstellen gelegen sey: alles aber auf diejenige Zeit ankomme, die der weisse GOtt von Ewigkeit her, ersehen und verordnet hat. Dem Heyland ward so offt nach dem Leben getrachtet: Bald wolte man ihn steinigen, Joh. VIII, 59. bald vom Berge herab stürtzen, Lucä IV, 29; aber seine Zeit war noch nicht da.\

Dem Moses ward vom Pharao vergeblich nachgestellt, und sein eigen Volck verfolgte ihm. Aber seine Zeit war noch nicht da. Wie offt ist der grosse Apostel nicht in Todes-Nöthen gewesen, 1 Corinth. XI. Aber das Unglück muste ihn doch so lange leben lassen, bis seine Zeit kam. Dieses wuste David wohl, Ps. XXXI, 16. Er wieß es auch an dem Saul, 1 Samuel XXVI, 8 u. ff. Wo der Herr ihn nicht schlägt, oder seine Zeit komme, daß er sterbe etc. Wie viele Menschen unternehmen nicht vergebliche Dinge, in der Meynung, es sey jetzo Zeit. Ein jegliches hat seine Zeit etc. Pred. Sal. III. Man arbeite, wie man will, heists v. 9 so kan man nicht mehr ausrichten, das ist, wie Luthers Glossa lautet, wenn das Stündlein nicht da ist: So richtet man nichts aus, man thue, wie man will, was nicht seyn soll, da awird nichts draus. Wenn sich doch die Menschen stets gefast hielten, daß wenn des Herrn Zeit käme, sie uns bereit antreffen möchte, damit wir mit gehorsamen Hertzen sagen möchten: Hier ist die Zeit des Betens! Hier ist die Zeit des Glaubens! Hier ist die Zeit des Leides! Hier ist Gedult [769] der Heiligen! Hier sind, die da halten die Gebote und den Glauben an Jesum, Offenbahr. XIV, 12.

12) Luc. XIX, 43. Es wird die Zeit über dich kommen, ηζεσιν ἠμἐραι ἐπίσε, die Tage werden über dich kommen, die Tage der Trauer, Angst und Bekümmerniß. Als er zuvor ihrer Zeit, die sie noch im Wohlleben damahls zubrachten, gedachte, da redet er auch im Singulari: ἐν τἤ ἡμἐρα σ8τάυτη in diesem deinen Tage. Aber hier, da er der bösen Tage gedenckt, spricht ers aus in der mehrern Zahl: Die Tage werden kommen. Denn momentaneum est, quod delectat; aeternum, quod cruciat. Die Freuden-Jahre düncken uns eintzelne Tage zu seyn; die Trauer-Tage aber kommen uns wie lange Jahre vor. Wie lange mu0 doch den Jüden die Zeit, bey solcher harten Belagerung vorgekommen seyn? Wie mancher wird geruffen ahben: Hüter! ist die Nacht schier hin, Jes. XXXI, 12. aber es ward ihnen die betrübte Antwort gegeben: Wenn es schon Tag ist, so wird es doch bey euch Nacht seyn. Darum gebrauche der Freuden-Tage weislich, und gedencke an die bösen Tage, Syrach XI, 27.

13) Johann. IV, 23. Aber es kommt die Zeit, und sit schon jetzt, da die wahrhafftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit. Diese Zeit ist diejenige, daß im Neuen Testamente keiner mehr an das Ceremonial-Gesetz des Alten Testaments gebunden seyn soll. Denn so ist bekannt, daß dem Neuen Testamente das Wort Geist eigentlich beygelegt wird, wodurch angezeiget werden soll, daß usner Gottesdienst im Neuen Testament vernünfftig und geistlich seyn müsse, in Gegenhaltung des Alten Testaments, in welchem, neben dem Geistlichen aufs Aeusserliche und Cörperliche gesehen ward. Die Christen im Neuen Testament verrichten ihren Gottesdiensst mit Hertzens-Andacht ohne alle Heucheley. Denn es heist eigentlich wiederum im Neuen Testament: Geist und Wahrheit. Es wird also in diesen Worten Jesu deutlich gezeigt: daß im Neuen Testament das Aeusserliche aufhören solle: Z. E. dieser Ort, diese Zeit, sey heiliger, als eine andere; hingegen solte die innere Heiligkeit und Reinigkeit des Hertzens beobachtet werden.

14) Johann. XVI, 25. Es kommt aber die Zeit, daß ich nicht mehr durch Sprüchwort mit euch reden werde. Diese Zeit kan nicht vom ewigen Leben verstanden werden, weil Christus von einer solchen Zeit redet, da sie noch Mangel haben, und aus dem Mangel ihr Gebet gen Himmel schicken würden: Sondern es ist von der angenehmen Oster- oder Pfingst-Zeit zu verstehen. Vornehmlich wird diese letztere gemeynet, da der Heilige Geist sichtbarlich über die Apostel kam, und sie alles das verstehen lernten, was Christus zuvor mit ihnen geredet hatte. Am Heil. Osster-Tage gieng gleichsam die Sonne erstlich auf zu solcher vollkommenen Erkenntniß des Heyls; am Pfingst-Tage aber stund sie gerade über der Apostel [769] Häuptern, und beleuchtete sie in vollen Glantze. Schlimm Creutz Anfecht. und Trost-Schule, P. I, p. 253.

15) Apostel-Gesch. XVII, 30. Und zwar hat GOtt die Zeit der Unwissenheit übersehen, das ist, GOtt hat die Abgötterey nicht mit Gewalt unter den Heyden abgethan; sondern nach seiner grossen Langmüthigkeit viele hundert Jahre gedultet, ob er sie wohl nie recht geheissen. Die Weimarische Bibel sagt: GOtt hat eine lange Zeit her mit der Welt gleichsam durch die Finger gesehen, und sie in ihrer eigensinnigen Blindheit und muthwilligen Unwissenheit lassen asu gerechtem Gericht dahin gehen, da er doch wohl Ursache gehabt hätte, sie ein anders sehen zu lassen.

16) röm. VIII, 18. Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht werth sey, die an uns soll offenbaret werden. Wenn man die gegenwärtige Lebens-Zeit recht beurtheilen will, so muß man auf die künfftige Ewigkeit sehen. Denn die Betrachtung der Ewigkeit lehrt uns einene rechten Ausspruch von der Lebens-Zeit thun. Entweder es ist keine Ewigkeit, und so hat Epicur mit seiner Heerde gewonnen und die Menschen mögen die Epicurische Regel sicher annehmen: Lasset uns essen und trincken, denn morgen sind wir todt, 1 Cor. XV, 32; oder es ist eine Ewigkeit, und so dann behält das Christenthum den Sieg.\

Der Apostel Paulus hat in seinen geistreichen Schrifften, diese beyden streitenden Sätze offt gegen einander abgewogen, und diese trostlose Epicurische Lehre zu leicht gefunden. In unsern Texte wiegt er das Gegenwärtige und Zukünfftige, das gegenwärtige Leiden und die zukünfftige Herrlichkeit ab, woraus der unumstößliche Schluß folgt: Daß die zukünfftige Herrlichkeit das gegenwärtige so viel überwiege, als die Wahrehit des Christlichen Glaubens allen Epicurischen Unglauben; und daß des Menschen kräfftigster Trost bey dem Leiden dieser Zeit sey die Betrachtung der zu offenbarenden künfftigen Herrlichkeit. Der Apostel will die gläubigen Römer in einem vollständigen Christenthume unterweisen, und sie darinne befestigen. Zuerst gründet er dieselben in dem rechten Glauben an den, der in unsern Sünden-Elend uns zum Gnaden-Stuhl in seinem Blut ist gesetzet worden. In den ersten VII Capiteln, darauf in dem VIII dringet er auf die Heiligung, daß die Gläubigen nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben müssen. Und weil solchen gläubigen und geheiligten Christen mancherley Trübsal bevorstehet: So bewaffnet er sie endlicha uch mit einem kräfftigen Troste, in unsern Texte, und den folgenden Versen. Paulus nennet (a) die gegenwärtige Trübsal Leiden. Wenn der Apostel von den Trübsalen der Gläubigen redet; so bedient er sich zweyer Worte, deren jedes seinen besondern Nachdruck hat. Das eine θλίψις bedeutet eigentlich Preßung, Drückung, wie die Weintrauben in der Kelter gepresset werden. Denn die Verfolger und Feinde der Frommen sind GOttes Kelter, die Uebung der Christlichen Tugenden bey ihnen hervorzubringen. Das zweyte Wort πάθημα [770] bedeutet ein Leiden insgemein, und begreifft alle die Trübsalen, welche uns an Leid oder Gemüthe angethan werden, vornehmlich um des Glaubens und der Frömmigkeit willen. Vornehmlich aber muß die Trübsal wegen der Wahrheit herkommen, weil man eigentlich hierinne Christo in seinem Leiden ähnlich wird, welcher übel zugerichtet ward, da er nichts ungebührliches begangen hatte. Lucä XXIII, 41. Jünger Christi müssen nicht leiden als Uebelthäter, 1 Petri IV, 15. Darum hat GOtt zu den ersten Märtyrern, die um Christi Willen sterben solten, unschuldige Kindlein erwählet. Matth. II. (b) Paulus zählet auch diese Leiden, und setzet in der mehrern Zahl die Leiden, παθηματα, weil das Leiden eines Christen mancherley ist. Er wird bald innerlich, bald äusserlich versucht: äusserlich durch Kranckheit, Armuth, Mangel, Verleumdung, Verfolgung, Frevel, Gewaltthätigkeit, Leibes-Schmertzen, u. s. w. Innerlich durch Angst und Unruhe, Zweifel, Bangigkeit, Furcht, Schrecken, Zittern und Zagen. Mit was für Recht der Apostel von diesen Leiden in der mehrern Zahl reden können: erhellet am besten aus desselben Verzeichniße seiner eigenen Leiden, welche er unter andern 2 Corinth. XI, XII uns aufgezeichnet hat: Wobey ungewiß ist, ob die Schwere oder Menge mehr zu bewundern sey.

Es hat aber derselbe auch allen Gläubigen geprediget, daß wir durch viel Trübsal müssen ins Reich GOttes eingehen Apostel-Gesch. XIV, 22. (c) Paulus schräncket auch diese Trübsal ein, indem er sie nennet Leiden dieser Zeit. Es ist gleich viel, ob wir durch diese Zeit die Lebens-Zeit eines jeden Menschen bis an seinen Tod, oder die Zeit der Welt bis an den jüngsten Tag verstehen, da keine Zeit mehr, sondern die Ewigkeit angehen wird. Diese Redens-Art giebt zweyerley zu erkennen: α) Daß diese Lebens Zeit eine Leidens-Zeit sey. β) Daß solches Leiden nur diese Zeit über währe. Denn die in dem HErrn sterben, sind seelig von nun an, und ruhen von ihrer Arbeit. In die zweyte Waagschale legt der Apostel die zukünfftige Freude, welche er beschreibt: α) Ihrer Vortrefflichkeit nach, ist es eine Herrlichkeit. Nicht bloß eine Ruhe, wie sonst die Stimme von Himmel spricht: Sie ruhen von ihrer Arbeit: Sondern über dieß eine Herrlichkeit, welche zwar die Ruhe mit einschliesset, aber noch ausser dem größere Glückseligkeit begreifft.\

Von der Sache selbst kan ein Sterblicher wenig sagen, weil dieses kein Auge gesehen hat: doch giebt die Schrifft zu erkennen, daß die Herrlichkeit in vier Stücken bestehen werde. Herrlich wird seyn: (a) Der Ort. Christus nennet ihn das Paradies; wie denn auf Erden kein bequemer Ort zu finden, den Himmel abzubilden, als der Garten Eden, die Wohnung der Unschuld und des Vergnügens. Er nennet ihn das Hauß seines Vaters, darinne viel Wohnungen sind, Joh. XIV, 2. wodurch er zu verstehen geben will, daß, wenn sich die elenden Sterblichen öffters noch so herrliche und wunderwürdige Palläste zu ihrer Wohnung erbauet haben, wir uns zweit höhere und herrlichere Gedancken von der herrlichen Wohnung und [771] dem Thron GOttes zu machen haben. Herrlich wird seyn (b) die Gesellschafft, in welche wir eintreten werden. Da werden seyn gläubige und auserwählte Menschen, die Gemeine der Erstgebohrnen, die durch die Wiedergeburt gewordenen Söhne GOttes, und Brüder JEsu Christi. Da werden seyn die Heiligen Engel, die usn hier auf den Händen tragen, und dort zur Seiten stehen werden. Ueber alles wird seyn unser HErr und Heyland JEsus Christus, usnere Freude und Wonne, unser Haupt und Bräutigam. Daselbst wird seyn der herrliche GOtt in seiner glorwürdigsten Dreyeinigkeit, welchen wir sehen werden, wie er ist. 1 Joh. III, 2. Herrlich wird seyn (c) die Beschaffenheit unserer Leiber und Seelen, welche alsdenn mit herrlichen Gaben werden ausgerüstet werden. Der Leib wird seine Unvollkommenheit und Gebrechen ablegen und aus dem Grabe gantz verklärt aufstehen, 1 Corinth. XV, 42. So wird der Leib erhoben zu der Herrlichkeit der Geister, der Geist aber mit einem noch grössern Maaße der Vollkommenheit überschüttet, mit Erkenntniß im Verstande, und Heiligung im Willen, daß wir GOtt erkennen, und völlig lieben. Augustin fragt: Wenn der Leib scheinen soll, wie die Sonne, wie groß wird nicht der Glantz der Seele seyn? Herrlich wird seyn (d) unsere Beschäfftigung, da wir werden mit Christo auf Stühlen sitzen, folgen dem Lamme, wohin es gehet, essen die Frucht von dem Baume des Lebens, und tirncken von den Strömen der Wollüste, daß wir GOtt loben und preisen immerdar.\

β) Von dieser Herrlichkeit spricht Paulus sie solle offenbaret werden: (a) Diese Herrlichkeit ist also noch verborgen; welches Paulus voraus setzet, Coloss. III, 3. 1 Joh. III, 2. Diese Herrlichkeit ist zwar schon bereitet aber noch nicht offenbaret. Sie ist Frommen und Gottlosen verborgen; wiewohl jene schon einen Vorschmack davon haben, so lange sie hier Pilgrimme sind. (b) Paulus deutet auch an, daß diese jetzo verborgene Herrlichkeit noch solle offenbaret werden, 1 Petri V, 2. (c) Die Krafft und der Nachdruck dieser Herrlichkeit wird von dem Apostel angegeben, daß sie solle an uns offenbaret werden. Sie soll nicht nur uns offenbaret werden, so daß wir sehen; welches auch jetzt Heuchlern und Abrünnigen, Ebr. VI, 4. und künfftig allen Verdammten widerfahren wird, die weiter keinen Antheil an derselben haben; sondern an uns, so, daß wir derselben würcklich mit geniessen, und zwar nicht nur äusserlich, sondern in uns, so daß sie sich in uns innerlich ergiesse. Die Herrlichekit dieser Welt kan in uns nicht eindringen, wir mögen sie suchen in hohen Ehren, in prächtiger Kleidung in Menge der Bedienten, in Reichthum und Gütern, und was die Welt sonst herrliches vermag. Dieses sind lauter äusserliche Dinge, die an dem Leib und leiblichen Sinnen hafften, und die Seele nicht erreichen, vielweniger erfüllen und sättigen können.\

(γ) Nachem nun Paulus das gegenwärtige Leiden und die zukünfftige Herrlichkeit gegen einander gehalten, und in die Waagschale gelegt: So giebt er endlich den Aufschlag, und spricht: Ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden nicht werth sey der Herrlichkeit. (a) Der Ausschlag, welchen der Apostel giebt, lautet [772] also: Das Leiden dieser Zeit ist nicht werth der Herrlichkeit. Der Apostel braucht das Wort ἄξια, welches zwar insgemein Werth übersetzet wird; hier aber eigentlich dasjenige Gewicht bedeutet, welches, wenn es in die Waagschale gelegt worden, durch seine überwiegende Schwere macht, daß die Schale sinckt, und das Zünglein auf diese Seite den Ausschlag giebt. Dieses Leiden wird von der künfftigen Herrlichkeit überwogen (A) im Gewicht, denn nach Pauli Ausspruch ist diese Trübsal leicht, die künfftige Herrlichkeit aber über alle Maaßen wichtig, 2 Corinth. IV, 17. Zuweilen scheinen zwar die gegenwärtigen Leiden schwer, und unterträglich zu seyn: Aber vielmahls bestehet dieses bloß in der Einbildung. Ein Christ hat ja den Beystand des Heil. Geistes, der die Bitterkeit der Leiden versüsset. Er hat dabey die Freudigkeit eines guten Gewissens, welches ein stetes Wohlleben ist, und ihn in allen Anfechtungen unterstützet. Mit der ewigen Freude hingegen wird nichts verbunden seyn, was selbige unterbrechen, oder mindern könnte, sondern nur, was selbige vergrößern kan. (B) In der Zahl. Es wird zwar von dem Leiden auch gesagt, daß es viel sey, Ps. XXXIV, 20; aber nur in Vergleichung der zeitlichen Güter gilt dieses, welche den Gerechten immer sparsam zugeworffen werden. Wenn aber mit der künfftigen Herrlichkeit eine Vergleichung angestellet wird: So sit dieses Leiden nur wenig. Den Trübsalen der Gläubigen setzet GOtt Grentzen; die künfftige Herrlichkeit aber hat kein Maaß, noch Ziel. Dieses Leiden wird auch (C) in der Währung von der künfftigen Herrlichkeit weit übertroffen. Denn das Leiden währet nur diese Zeit, so lange dieses Leben währet, und das ist ein Augenblick: Aber die künfftige Herrlichkeit währet ewig. Sie wird seyn so lange GOtt seyn wird. Wenn sie einmahl angefangen, wird sie nie aufhören, 1 Petri I, 4. V, 4. Ebr. XI, 10. Matth. XXI, 46, 1 Thess. IV, 17.\

(b) Die Gewißheit dieses Apostolischen Ausspruches zeigen desselben ersten Worte im Texte: Ich halte es dafür. Paulus gedient sich eines Gleichnißes im Grund-Texte, welches aus der Rechen-Kunst hergenommen ist, und folgender maßen übersetzt werden könnte: Ich rechne so, oder nach meiner Rechnung, ist das Leiden etc. Paulus ist seines Ausspruches so gewiß, als ein Rechenmeister, der seine Rechnung aufs sorgfältigste gemacht, und aufs genaueste übersehen hat. Und diese Gewißheit konnte Paulus allerdings haben a) weil er Wissenschafft in dieser geistl. Rechen-Kunst hatte. Der Geist GOttes machte ihn hierinne geschickt. Er war Θεςδίδκκτςς, von GOtt selbst gelehret, und in seiner Erkenntniß fest gewurtzelt. b) Er hatte auch Erfahrung vom Leiden und von der Herrlichkeit, und konnte also beydes aus eigner Erfahrung berechnen. Er redete von dem, was er gesehen, gehöret, und empfunden: Ich halte es dafür etc. c) Paulus hatte auch Uebung, und war in seiner Rechen-Kusnt häuffig. Wer im Rechnen fertig seyn soll, muß sich darinne fleißig üben: Und wer seiner Rechnung gewiß seyn will, der gehet dieselbe wohl das zweyte und dritte mahl durch. Wenn sie nun allezeit gleich heraus kommt; so versichert er sich, daß das Facit recht sey. Unser Apostel war lange Zeit her gewohnt, so zu rechnen, [773] wie er hier im Texte thut: Seine Schrifften sind so voll davon, daß es unnöthig wäre, Exempel hier anzuführen. Sehet nur und betrachtet den einzigen schon angezogenen Ort, 2 Corinth. IV, 17 u. f. Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist etc. etc. Jablonski Christ. Predig. P. II, Dec. V, p 84 u. ff.

17) Röm. XIII, 11: Und weil wir solches wissen, nehmlich die Zeit, daß die Sünde etc. Die Zeit wissen ist eine edle und nothwendige, auch nutzbare Sache. Ein kluger Mensch bekümmert sich um die Zeit, er richtet alle seine Verrichtungen darnach ein, damit er nichts versäumen möge. Die Zeit laufft schnelle, wie denn kein schneller Lauff unter der Sonne ist, als Zeit-Lauff. Wenn der gelehrte Hottinger die Studenten zum Studiren aufmunter wollen, so hat er geruffen: ad Studia, ad Studia, hora ruit! Auf auf, über die bücher, die Stunde, die Zeit gehet weg. Die Zeit ist wie ein schneller Fluß, der rinnet davon, und ist von demselben nichts mehr unser, als das Wasser, das wir daraus schöpffen; schöpffen wir viel, so haben wir auch viel zu gebrauchen, schöpffen wir wenig oder nichts, so ist der Schade unser. Sonsten wird das Wort καιρὸς genommen für eine rechte eigentliche gelegene Zeit, Apost. Gesch. XXIV, 25. und Marcus nennets die gelegene Zeit, oder den gelegenen Tag, da Herodes ein groß Banquet machte, Marc. VI, 21. wie es gefunden wird, Matth. XXIV, 45. wenn man zu rechter Zeit Mahlzeit hält oder Speise giebt; also soll nun auch die Bußzeit von den Christen recht in Acht genommen werden, damit ja nichts versäumet werde, Es. XLIX, 8 2 Cor. VI, 2. Eph. V. 16. etc.

18) 1 Petri IV, 17: Denn es ist Zeit, daß anfahe das Gericht am Hause GOttes. Hier müssen wir theils auf die klaren Worte, theils auf die merckwürdigen Umstände sehen. Καιρὸς bedeutet eine bequeme, mit Fleiß bestimmte Zeit, Apostelg. I, 7. Pred. III, 1. GOtt behält demnach dasa vor sich, daß er bestimmt, ja auch Zeit und Stunden ändert, Daniel II, 11. Wie es nun nach Verfliessung der Zeit 120 Jahre Zeit war, daß die Sündfluth kam, 1 B. Mos. VII, 7. Matth. XXIV, 38. 1 B. Mos. XIX, 24: also war es Zeit, daß nach Verfliessung der 70 Jahrwochen der Greuel der Verwüstung gesehen würde an heiliger Stäte, Daniel. IX, 25. Und obgleich GOtt nicht mehr so, wie vormahls, durch unmittelbare Erleuchtung mit seinen Dienern handelt, und ihnen die Zeiten genau offenbahret, Amos III, 7 so können doch die Boten GOttes aus anhaltender Unbußfertigkeit, und zunehmender Verstockung bis diese Stunde leicht mercken, wenn es Zeit sey, daß GOttes Gerichte anfahren an dem Hause GOttes.\

Diese Gerichte sind die Göttlichen Straf-Ruthen, sonderlich Schwerdt, Hunger, böse Thiere und Pestilentz, welche GOtt über Jerusalem schicken, und durch dieselben Menschen und Vieh ausrotten wolte, Ezech. XIV, 21. Diese fangen an an dem Hause GOttese, das ist, an seiner Kirche. Vormahls ist bey den Juden der Ort der heiligen Zusammenkunfft, oder das Haus GOttes, der Tempel zu Jerusalem gewesen, wo [774] GOtt sein Feuer und Heerd hatte, Jes. XXXI, 9. Daselbst giengen freylich die Gerichte an, als der Greuel der Verwüstung an der heiligen Stätte gesehen ward; und weil wir heutiges Tages an keinen gewissen Ort gebunden und gewiesen sind, Joh. IV, 23. so ist GOttes Haus daselbst, wo zweene oder drey versammlet sind, Matth. XVIII, 2. 1 Timoth. III, 15 Ebr. III, 5. So fängt nun dasa Gericht an am Hause GOttes, wenn GOtt in seinem Zorne ruffen lässet: Erwürget beyde Alte, Jünglinge, Jungfrauen etc. etc. Wie kan aber dieses der Gerechtigkeit und Barmhertzigkeit GOttes gemäß seyn, daß in den Straf-Gerichten der Anfang gemacht wird an dem Hause GOttes, da doch diejenigen, die zu seinem Hause gehören, billig bey ihm in Gnaden seyn solten? Hieran ärgerte sich freylich auch Hiob XXXI, 2. 3. Allein von allen Menschen heist es, in Vergleichung mit GOtt: Siehe unter seinen Heiligen ist keiner ohne Taadel, Joh. XV, 15; vor GOtt ist niemand unschuldig, 2 B. Mos. XXXIV, 7. und das ists, das GOtt selbst sagt: Züchtigen will ich dich mit Maasse, daß du dich nicht unschuldig haltest, Jerem. XXX, 11. So hat auch Augustin wohl geurtheilet: „Daß unser Creutz und Trübsal, ehe die Sünden erlassen werden, derselben wohlverdiente Strafen sind: Aber nach schon erlangter Vergebung gehöreten sie zum Kampf und Uebung der Gerechten.“ Ja GOtt thut es seinen Hausgenossen zum Besten, daß er an ihnen den Anfang macht, damit sie das Elend und den grossen Jammer, der darauf folgen soll, nicht sehen mögen, 1 Kön. XIV, 13; Daß aber dabey stehet: So aber zuerst an uns, was wills vor ein Ende werden mit denen, die dem Evangelio GOttes nicht glauben, damit deutet Petrus an, wie es zugehe, wenn es heist: Die frommen Leute sind weg aus dem Lande, Mich. VII, 2. Augustinus sagt sehr wohl: „Auch die gehorsamen Söhne werden gezüchtiget, was werden erst die Schalcksknechte zu gewarten haben?“ Und Salomo sagt: So der Gerechte auf Erden leiden muß, wie viel mehr der Gottlose und Sünder, Sprichw. XI, 31. Wenn auch die Frommen und Gläubigen durch viel Trübsal ins Reich GOttes eingehen müssen, Apostelg. XIV, 22; wenn es ihnen sauer wird auf dem schmahlen Wege zu wandeln, Matth. VII, 13; wenn sie kaum vor ihre Person GOtt das Unglück abbitten können: So ist es ja kein Wunder, daß, wenn niemand mehr vor den Riß stehet, die Gottlosen zeitliche und ewige Strafe treffen muß. Strauchs starcke und Milch-Speise, p. 1308 u. f.

19) Offenbahr. Joh. XII, 12: Und weiß (nehmlich der Teufel), daß er wenig Zeit hat. Obwohl der Satan den Tag oder die Stunde des Endes der Welt nicht weiß: so weiß er doch aus etlichen Muthmassungen, und aus den Zeichen des jüngsten Tages, welche in der Schrifft zuvor verkündiget, und je länger je mehr erfüllet sind, daß es mit der Welt, und seiner Heerschafft auf Erden zu Ende gehe, und daß er also wenig Zeit mehr übrig habe. Καιρὸς bedeutet eigentlich, wie schon mehrmahls gesagt, nicht die Zeit insgemein, sondern eine bequeme Zeit, oder [775] gute Gelegenheit, die man hat, etwas zu thun. Es weiß der Teufel, daß er nicht mehr solche Gelegenheit oder bequeme Zeit habe, wie bisher zu wüten, und zu toben. Eine grosse Gelegenheit war ihm über 300 Jahre her nach und nach genommen worden: Erstlich durch die Zukunfft des Sohnes GOttes ins Fleisch, da der Teufel in Orakeln, in seinen Antworten, und vermeynten Weissagungen bey den Heyden hat verstummen müssen: Hernach war ihm durch die Predigt der Apostel in der gantzen Welt, und jetzund durch die Bekehrung der Römischen Kayser und des Reichs zum Christlichen Glauben grosser Abbruch geschehen. Darum braucht der Teufel die Zeit und Gelegenheit vor sich, lässet keine Stunde und Augenblick vorüber gehen, weil er weiß, daß es ihm hernach an gelegener Zeit mangeln werde. Es bedeutet aber auch das Wort καιρὸς bisweilen die Zeit an sich selbst, als 2 Timoth. III, 1. Ephes. VI, 18. Lucä XXI, 36. Deswegen es auch hier durch eine kurtze und wenige Zeit wohl ausgedruckt wird. Es heisset aber wenige Zeit, welche nun schon über tausend Jahre gewähret hat. Dieses geschiehet nicht nach unserer Rechnung, sondern GOttes wegen, vor welchem tausend Jahre sind, wie ein Tag, 2 Petri III, 8. Es heisset wenige Zeit, wenn dieselbe gegen die noch übrige Zeit gehalten wird. Zur Zeit Constantins des Großen hatte der Teufel in die 4300 Jahre gewütet. In Ansehung dieser Zeit war noch wenige Zeit übrig, noch weniger aber heutiges Tages. Daher heisset auch die gantze Zeit des Neuen Testaments die letzte Stunde, 1 Joh. II, 18 und eine kleine Weile, Ebr. X, 37; es ist nahe kommen das Ende aller Dinge, 1 Petri IV, 7. Solches alles weiß der Teufel; darum braucht er alle seine List, Macht, und Bosheit. Kurtz: Was ihm an der Zeit abgehet, das will er durch Bosheit ersetzen. Lucii Erklär. Apoc. Conc. 121. p. 737 u. f.

18. Betrachtung der Zeit nach denen Bürgerlichen Rechten. Bearbeiten

Im Juristischen Verstande verstehet man durch die Zeit, Zeiten, Zeit-Läuffte, Zeit-Raum, Zeit-Frist, Zeit-Maas, Lat. Tempus, Temporo, Temporis Spatium, Temporis Intervallum, Temporis Mensura, nichts anders, als die Dauer und Währung derer so wohl in, als ausser Gerichte vorfallenden, und zwar erstern Falls theils bürgerlicher, theils peinlicher, nicht nur die Personen und Sachen, sondern auch die darauf sich beziehenden Klagen und rechtlichen Ansprüche betreffender Geschäffte und Angelegenheiten, wie und in wie fern solche so wohl dem gemeinen, als Privat-Besten zum Nutz, von der Natur, denen Gesetzen, aus Gewohnheit, oder durch richterliche Ermäßigung, oder auch durch blosser Privat-Personen selbstbeliebigen und willkührliche Vergleichung, entweder ausdrücklich, oder stillschweigend, bestimmet und fest gestellet ist, oder noch bestimmet und fest gestellet werden mag; wie solche Conrad Freidlib de Tempore, Lib. I. c. 3. §. 7. beschreibet. Oder die Zeit ist, wenn wir deren Beschreibung mit Lauterbachen in seiner Disp. de Variet. Temp. c. 2. n. 3. etwas kürtzer fassen [776] wollen, ein Raum, wodurch der Anfang, die Dauer und das Ende eines jeden Rechts oder einer jeden rechtlichen Hanldung, beschräncket wird. Und diese Dauer, oder dieser Raum, oder, wenn man lieber also sagen will, dieses Zeit Maas ist entweder von den Gesetzen, oder von Menschen bestimmt, gegenwärtig, vergangen oder zukünfftig, immer fortlauffend oder nützlich, feyerlich oder nicht feyerlich, bestimmt oder beschränckt, und unbestimmt oder unbeschränckt, mäßig oder kurtz, und lang, die längsten langwierig, immer während, undencklich, ewig, alt oder neu, stillschweigend oder ausdrücklich, gewiß oder ungewiß, nächtlich oder bey Nacht und bey Tage, privilegirt und nicht privilegirt, u. s. w. wie aus denen nachfolgenden Artickeln, darinne von einer jeden Art dieser unterschiedenen Zeiten mehrere Anzeige und Nachrede ertheilet wird, umständlicher zu ersehen. Indessen kan hiervon auch Friedlib d. Lib. I. c. 4. und Lauchterbach d. c. 2. per tot. nachgelesen werden. Ausserdem aber ist hierbey auch zu erinnern, daß gestalten Sachen nach das Wort Zeit in denen Rechten gar öffters auch vor einen sonst so genannten Termin, oder Tag, ingleichen vor eine jedwede Dilation oder Frist, wie nicht weniger als vor eine so genanntes Fatale angeonmmen wird. Weswegen auch allhier die unter denen Worten Termin, im XLII Bande, p. 978 u. ff Tag, im XLI Bande, p. 1449 u. ff. Dilatio, im VII Bande p. 920 u. ff. Frist, im IX Bande, p. 2141, Frist-Verstattung, ebend. p. 2142 und Fatale, ebend. p. 300 u. ff. befindlichen Artickel insbesondere nachzusehen, damit wir nicht allhier erst nöthig haben, alles in bemeldten Artickeln davon besagte und hieher gehörige der Lange nach zu wiederholen. Inzwischen aber möchten wir doch nicht vorundienlich, hierbey noch von der Zeit überhaupt folgende kurtze und denen Rechten gemässe Betrachtung anzustellen.\

Zuvörderst entstehet also die Frage, ob die Zeit an und vor sich etwas würckliches sey, oder nicht? Zwar Friedlib trägt c. l. c. 2. u. ff. kein Bedencken, das erstere zu bejahen; da es hingegen von vielen Wolweisen verneinet wird. Jedoch ohne uns in diesen Streit zu mengen, und ohne erst mit vieler Weitläufftigkeit zu untersuchen, ob die Zeit an und vor sich doer wahrhafftig etwas würckliches sey, oder nicht? zumahl da einem Rechtsgelehrten in der That wenig oder nichts daran gelegen ist, ob einer oder der andere ide berührte Frage zu bejahen oder zu verneinen gedencket; so wenden wir uns viel lieber zu einer etwas nützlichern und in Ansehung der rechtlichen Handlungen ein ungleich mehreres auf sich habenden, ob nehmlich die Zeit auch einige Würckung habe? Friedlib c. l. c. 1. §. 15. u. ff. gejahet dieselbe mit allem Rechte. Immassen ja derselbe gewiß eine ziemlich schlechte oder gar keine Wissenschafft und Erkänntniß derer täglich und stündlich, ja augenblicklich, in und ausser Gerichte vorfallenden Geschäffte und Angelegenheiten haben müste, welcher noch bey sich anstehen wolte, eben dieses zu bejahen, geschweige solches noch lange in Zweiffel zu ziehen. Und wollen wir uns hierbey unter so vielen und unzähligen andern Fällen lediglich nur auf die betrübten Folgen einer versäumten Appellation oder Leuterung wider einen [777] über gewisse im Streite befangen gewesene Sachen erganenne rechtlichen Ausspruch, oder auch einer so gantz ruhig vollendeten Verjährung und Verwährung des Eigenthums und anderer Rechte, bezogen haben, als weche schon gantz allein vermögend seyn werden, einem jeden diem ehr als zu viel auf sich habende Würckung der Zeit, sie mag nu selbige von sich selber, oder durch Vorschrifft u. Verordnung derer Obrigkeiten und Gesetzgeber haben, vor Augen zu legen, wie auch bereits in denen unter den Worten: Rechtskräfftig, im XXX Bande, p. 1520. u. ff. und Verjährung, im XLVII Bande, p. 854. u. ff. befindlichen Artickeln gezeiget worden; so gar, daß vor den obgleich dadurch verkürtzten weiter gar kein Hülffs- und Rettungs-Mittel übrig ist, wofern ihm nicht etwan noch aus besonders erheblichen und bewegenden Ursachen entweder durch die Rechts-Wohlthat der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, oder aber aus unermeßlicher Gnade der höchsten Landes-Obrigkeit durch einen von derselben ertheilten Macht-Spruch, geholffen werden mag, von welchen beyden am gehörigen Orte ebenfals schon hinlängliche Anzeige geschehen, und wie auch inden nachfolgenden Artickeln hin und wieder noch deutlicher vorgestellet werden soll. Jedoch muß auch derjenige, welcher seine Intention oder Anforderung wider einen andern auf einen gewissen Zeit-Punct gründet, es geschehe gleich Exceptions- oder Replications-Weise, eben diesen Zeit-Punct auf das genaueste anzeigen und beweisen. Schurpf Cent. III, Cons. 85. 'Mascard de Probat. Vol. III. Concl. 1358. Welches denn auch absonderlich in peinlichen Fällen unumgänglich nöthig ist; wie solches unter andern Gail Lib. I, Obs. 62. n. 13. und Obs. 64. n. 1. u. ff. Riccus Coll. Dec. 2883. und Thomasius in Disp. de Praescript. Crim. mit mehrerm ausführen. So gar, daß, wenn einer die in seinem überrechten Klag-Schreiben ausgedruckte und articulirte Zeit nicht gehörig erweisen mag, selbiger in peinlichen Sachen so gleich den gantzen Proceß, in Bürgerlichen aber nur alsdenn und in so fern verlieret, als entweder die angegebene Zeit ienen Bestand-Theil der Handlung, darüber eben gestritten wird, abgiebet, oder aber da sich selbiger auf die Zeit selbst gründet, oder sich an dieselbe gebunden wissen wollen. Berlich Lib. 1, Dec. 97. Was aber den Beweis der undencklichen Zeit anbelanget, und wie solcher eigentlich zu bewürcken, davon ist besonders der Artickel: Verjährung von undencklichen Zeiten her, im XLVII Bande, p. 918. u. ff. nachzuschlagen.\

Wenn übrigens z. E. bey Einwendung und Prosequirung der Appellation oder Leuterung, bey Antretung und Vollführung des zuerkannten Beweises, bey Ausübung des Präsentations-Rechts, bey der Pfands-Wiedereinlösung, bey der Wiederuffung eines Lehns, in Ansehung der Fatalien oder anderer rechtlicher Termine bey der Restitutions-Suchung oder der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand u. s. w. die Zeit zu lauffen anfange, und auch wieder aufhöre, davon ist am gehörigen Orte und in denen Artickeln, darinne so wohl von diesen hier benannten, als auch andern dergleichen Materien, [778] aus dem Grunde gehandelt wird, das nöthigste ebenfalls schon beygebracht woreden, und allda mit mehrerm zu ersehen. Was aber die in einem Instrumente oder sonst zu Vollziehung eines gewissen Handels gebrauchten Worte, und deren Erklärung anbelanget, es mögen sich dieselbigen gleich auf eine gegenwärtige, oder bereits vergangene, oder noch zukünfftige Zeit beziehen, davon haben wir theils schon in dem Artickel: Wort, im LIX Bande, p. 265. u. ff. theils ind em Artickel: Wort-Erklärung, eb. p. 404. u. ff. das nöthigste berühret.\

Sonst aber haben von denen unterschiedenen Zeiten, und absonerlich von deren rechtlichen Würckungen auch noch folgende Rechtsgelehrte in besondern Schrifften gehandelt; als da sind: Aymon Cravetta de Antiquatibus Temporum, Frf. 1572 in 8. Conrad Friedlib de Tempore vero, ejusque partibus. generibus & actionibus, Stettin 1670, in 8. Lauterbach Disp. de Varietate Temporum, Tübingen 1639. Eustathius de Temporalibus Intervallis darinne besonders von einem Augenblicke bis auf hundert Jahr gehandelt wird, u. welche Schrifft erstlich Griech. aufgesetzt, hernach aber von Johann Leunclauen in das Lateinische übersetzt, und erst zwar von Simon Scharden besonders herausgegeben, hernach aber zu Rostock 1671 in 4 aufs neue aufgezeiget, und auch den 1 Theil der Cujacischen Wercke, nach des Fabrotti Ausgabe, einverleibet worden: welchen auch hernachmahls Cujacius selbst in seiner Γρκμματεία de diversis Temporum Praescriptionibus & Terminis gefolget ist; ferner Marcus Anton Bardus de Tempore utili & continuo, Cöln 1581 in 8. Johann Carl Antonell de Tempore legali. Rom 1660 in Fol. und Jena 1670 in Fol. Lazarus Fornutius in Decisionibus momentanei temporis in Jure, Venedig 1586 in 4 und 1603 in 4. Franciscus Ripa de Tempore nocturno & iis, quae nocte committuntur, Frf. 1602 in 8. Christoph Besold de Signis Temporum. Tübingen 1614 in 4. Albericus Gentilis de Diversis Temporum Adpellationibus, Wittenberg 1546 in 4, und London 1585 in 4. Quintilian Mandosius in Casibus Annalibus, Frf. 1594 in 8. Michael Friedrich Lederer in Diss. de Jure Feriarum. Wittenberg 1671 in 4. Christian Wildvogel in Chronoscepia Legali, Jena 1700 in 4. George von Dassel in Diss. de Jure Temporis Quadragesimalis, Straßburg 1651 in 4. Und endlich kan hierbey auch Speidels' Bibl. Jur. Vol. II v. Tempus, nebst vielen andern daselbst nahmhafft gemachten Rechts-Lehrern zu Rathe gezogen werden.

19. Schrifften von der Zeit. Bearbeiten

Ausser denen bereits hin und wieder angeführten Schrifften von der Zeit, können noch folgende aufgeschlagen werden: Werenfelsens de tempore adsertiones & quaestiones, so in desselben Dissertt. varii argumenti P. II, p. 285. stehen; Caspar Posners Disputatio physica de tempore, an & quid sit, die 1692 herausgekommen; Friedrich Eberhard Borsens, Con Rectors zu Seehausen, Gedancken von der Zeit, Stendal 1742; Eustachii Porssels Tractate von Veränderung der Zeit. 1597 in 4; Felgenhauers speculum temporis; Marpergers [779] gute Gedancken von der bösen Zeit; Joseph Scaliger de emendatione temporum; Dionysii Petavii doctrina temporum; Johann Heinrich Behrs Dissertation de injusta querela, quod tempus malum sit, Leipzig 1727; Sully Remarques sur la Regle artificielle du Tems; Ebend. Traite de la division naturelle & artificielle du Tems, Wien 1714. So stehet auch in den Wöchentlichen Göttingischen Nachrichten aufs 1735te Jahr im XLIII Stück eine Philosophische Abhandlung der Zeit.