Wo unsere Frauen Hülfe suchen
Wo unsere Frauen Hülfe suchen.
Ein eigenartiger Zauber liegt in dem Worte „Badereise“, denn gar viele Wünsche und Hoffnungen sind mit demselben eng verknüpft. Und was für Hoffnungen sind das!
Den langen Winter hindurch bleibt die bevorstehende Badereise der Rettungsanker vieler Unglücklichen, und die Familie spart sorgfältig monatelang, um die Leidenden an die Stätten zu bringen, wo aus dem Schooß der Erde die heilenden Quellen springen. Was wird da nicht geopfert, um die Badereise zu erzwingen!
Endlich, endlich kommt der Lenz mit seiner belebenden, alles verjüngenden Macht, und wenn die Nachtigallen schlagen und Menschenherzen aufjauchzen, dann schnüren auch die Ungleichen ihr Ränzlein, um das verlorene höchste Gut der Gesundheit oft in fern gelegenen Orten wiederzuerlangen. Ein wahrer Strom von Reisenden ergießt sich nach den zahlreichen Heilstätten, bald wendet er sich gegen die Meeresküsten, bald klimmt er die Höhen der Berge hinauf. Es sind zumeist blasse, niedergebeugte Gestalten, in deren matten Augen nur ein schwacher Hoffnungsstrahl schimmert. Folgen wir heute einem Theil derselben, gehen wir an die Orte, an welchen vornehmlich unsere Frauen Hülfe suchen.
Auf unserm heutigen Bilde sind jene Stätten bei dem üblichen Namen genannt: es sind „Deutsche Frauenbäder“, die den Gegenstand unserer Betrachtung bilden. Da wird wohl Mancher nicht mit Unrecht fragen: Giebt es denn überhaupt Bäder, die im vollen Maße auf diese Benennung Anspruch erheben dürfen?
Die Erfahrung lehrt uns täglich, daß, so wichtig und bedeutungsvoll das rechtzeitige und energische Eingreifen des Arztes mit seinem medicamentösen Heilschatze für den kranken weiblichen Organismus auch sein mag, dennoch hygienische und psychische Einflüsse, welche der Receptur der Apotheke fernliegen, bei der Behandlung von Frauenkrankheiten eine außerordentlich wichtige Rolle spielen.
Jedermann weiß, wie nutzbringend und oft den Erfolg allein bedingend eine zweckmäßig veränderte Lebensweise und Diät ist, wie wichtig die Abhaltung von zu Hause einwirkenden Schädlichkeiten, Ruhe und Entfernung von häuslichen Geschäften und Sorgen, der Aufenthalt in anderer Umgebung, in Wald- und Bergluft, am Strande des Meeres oder in der Alpenwelt für das erkrankte Nervensystem werden, wie gesteigerte und geregelte körperliche Bewegung in freier Luft bei vielen Frauen, die das Haus und die Kinderstube selten verlassen, oft allein genügt, den gesunkenen Appetit zu heben und bessere Ernährungsverhältnisse herbeizuführen. Der Erkenntniß der hohen Wichtigkeit dieser Einflüsse verschließt sich heutigen Tags kein einsichtsvoller Arzt mehr, denn gerade er ist es, welcher solche hygienische und psychische Einwirkungen in das Bereich seiner ärztlichen Hülfsmittel hereinzieht. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß jene Orte, wo die obengenannten Einflüsse in ungestörter und eingreifender Weise zur Geltung kommen, für den kranken weiblichen Organismus von besonderer Wichtigkeit sind und von Frauen viel und gern aufgesucht werden.
Fragen aber die Frauen, wo sie diese Plätze finden, so müssen sie zunächst auf die beliebten Sommerfrischen des Gebirges, welche schon gewisse Ansprüche auf klimatische Curorte erheben, hingewiesen
[312–313][314] werden. Viele von ihnen vereinigen in sich die oben erwähnten so wichtigen Eigenschaften und werden im wahren Sinne segenspendende Stätten. Aber nicht in allen Fällen, vielmehr nur bei den leichteren Erkrankungen des Weibes, insbesondere denen des Nervensystems reichen solche Sommerfrischen aus, um den kranken Organismus in normale Lebensbahnen zurückzuführen. Für eine große Anzahl der Frauenkrankheiten sind energischere Heilmittel nothwendig, und diese gewähren am ausgiebigsten jene Bade-Orte, deren Heilquellen im Verein mit den erwähnten Vorzügen der Sommerfrischen in Form von Trink- und Badecuren den in Rede stehenden krankhaften Vorgängen des weiblichen Körpers energisch zu begegnen vermögen.
So kommt es, daß eine gewisse Classe von Bädern den Ruf als Frauenbäder sich erworben hat, obschon, streng genommen, es Curorte, die ausschließlich für Frauen bestimmt sind, nicht wohl geben kann.
Die Zahl derselben ist eine sehr beträchtliche, aber nicht alle verdienen diese Bezeichnung, nicht alle rechtfertigen das Vertrauen, welches die Frauen in sie setzen. Oft haben nur Zufälligkeiten dazu geführt, oft nur geringe Erkrankungen hochgestellter Persönlichkeiten, daß ein Curort ein Frauenbad geworden ist. Den meisten aber hat der positive Nutzen, den sie gegen Frauenkrankheiten hatten, dieses Epitheton gebracht. Je nach der Beschaffenheit ihrer Quellen werden diese Curorte von den Aerzten in verschiedene Gruppen eingetheilt, und wir heben im Nachstehenden einige Repräsentanten der einzelnen Gruppen hervor. Der Leser möge uns ein näheres Eingehen auf die chemische Zusammensetzung und die heilenden Eigenschaften derselben erlassen, denn es soll und darf nicht die Aufgabe dieses Artikels sein, irgend Jemand zu bewegen, in dieses oder jenes Bad zu reisen. Im Gegentheil müssen wir hier den Rath geben, daß man über die etwaige Wahl des Curortes stets den Hausarzt befrage, welcher nur allein auf Grund seiner Erfahrungen die für jeden Einzelfall zweckmäßigste Auskunft zu ertheilen vermag.
Von Eisenquellen, die einen besonderen Ruf gegen Frauenkrankheiten genießen, sind besonders die Quellen von Pyrmont, Driburg, Spaa, Schwalbach, Franzensbad und Elster zu nennen. Die ersteren sind bei ihrem mehr als hundertjährigen Bestehen hinreichend bekannt und so oft beschrieben worden, daß es genügend erscheint, auf sie hingewiesen zu haben. Dasselbe aber läßt sich nicht in gleicher Weise von Elster, dem jüngsten Gliede in der Kette dieser Bäder, behaupten, und da seine Quellen den anderen berühmten Eisenquellen in keiner Weise nachstehen, so möge es uns erlaubt sein, etwas näher auf diesen Curort einzugehen und als Uebergangsrepräsentanten der Eisenquellen zu den salinischen Wassern das ihm nahe verwandte Franzensbad anzuschließen.
Der Curort Elster liegt in der weit nach Böhmen hineinragenden Spitze des zum Königreiche Sachsen gehörenden Voigtlandes, etwa drei Meilen von der Stadt Plauen entfernt und breitet sich in einem von der Elster gebildeten höchst anmuthigen, ziemlich breiten, den Sonnenstrahlen vollkommenen Eintritt gewährenden Thale aus, mitten unter duftigen Nadelholzwaldungen ein überaus freundliches Bild friedlicher Ruhe bietend.
Der Ort selbst, welcher gegenwärtig die Benennung „Bad Elster“ führt, besteht als Curort seit etwa dreißig Jahren, obschon man seine Quellen lange vorher kannte und eine derselben bereits im Jahre 1669 von einem Arzte beschrieben wurde. In diesen letzten drei Decennien ist das frühere alte Elster, welches bis dahin ein kleines bescheidenes Dörfchen war, durch eine große Anzahl Neubauten, welche namentlich in der Nähe der Quellen entstanden, nachdem die Staatsregierung ein großartiges Bade-Etablissement gegründet hatte, zu einem stattlichen Bade-Orte herangewachsen und zählt gegenwärtig mehr als 130 fast durchgehends von wohlgepflegten Gärten umgebene Villen, welche, zur Aufnahme von Curgästen bestimmt, etwa annähernd 2000 Personen auf einmal zu beherbergen vermögen. Ihre inneren Einrichtungen sind fast durchgehends vorzüglich zu nennen und können an Comfort mit den besteingerichteten und renommirtesten Curorten Deutschlands concurriren. Hierzu kommen noch mehrere sehr gute Hotels, welche für Verpflegung und ebenso für Unterkommen in vorzüglicher Weise Sorge tragen. Dabei ist das Leben in Elster kein theures zu nennen, und die Miethpreise für Wohnungen sind meist sehr civile.
In Einklang mit dieser Entwickelung des Orts steht selbstredend auch die Zunahme der Frequenz. Sie ist im stetigen Steigen begriffen und hat nach etwa dreißig Jahren die Ziffer von 5300 Curgästen bereits erreicht, welche aus dem nördlichen Deutschland, Rußland und anderen Ländern dahinströmen, ein Aufschwung, dessen sehr wenige Curorte sich rühmen können, und welchen Elster namentlich der unermüdlichen Fürsorge der Regierung verdankt.
Die Bade-Anstalt, welche Eigenthum des Staates ist, bildet den Mittelpunkt des Curlebens. Sie besitzt sechs große Badehäuser, von denen drei zu Wasserbädern, drei zu Moorbädern eingerichtet sind, außer verschiedenen Nebengebäuden, und ist mit allen Utensilien, welche die neuere Badetechnik fordert, und mit allem Comfort ausgerüstet. Schmucke Brunnenmädchen, in ihrer eigenartigen Volkstracht, verabreichen den Curgästen das Quellwasser. (Vergl. unser Initial, welches nach einer Photographie von A. Tietze in Elster gezeichnet ist.)
Der chemischen Zusammensetzung und Wirkung der Mineralquellen Elsters entsprechen auch die Krankheitszustände, welche hier vorzugsweise vertreten sind. Es finden sich in diesem Bade besonders jene Frauenkrankheiten ein, welche mit höheren Graden der Blutarmuth sich verbinden und bei welchen Blutstockungen im Unterleibe und verlangsamte Thätigkeit des Darmrohrs sich in besonders störender Weise entwickelt haben. Die Curerfolge sind meist höchst befriedigender Art. So kehrt manche junge, dem Siechthume verfallene Frau mit rothen Wangen und neuer Gesundheit nach vollendeter Cur in ihre Heimath zurück, aber auch manche andere begrüßt mit Dank die endliche Erfüllung langgenährter Wünsche.
Schließlich müssen wir noch bemerken, daß es in Elster nicht an Vergnügungen und Zerstreuungen aller Art fehlt, wie sie die meisten Bäder Deutschlands zu bieten pflegen, und auch die nächste Umgebung dieses idyllischen Ortes verlockt den Curgast zu zahlreichen Ausflügen. Da blühen nämlich die Industrien des sächsischen Voigtlandes. Im nahen Adorf wird eifrig die Fabrikation der Perlmutterwaaren getrieben, denn die weiße Elster wird von zahlreichen echten Perlmuscheln bewohnt (vergl. „Gartenlaube“, Jahrg. 1878, S. 120), in den Häusern der Einwohner der umliegenden Dörfer und kleinen Städte fertigen Frauen die weit und breit bekannten Weißstickereien, und schließlich lockt auch den Wanderer das nicht weit entfernte Markneukirchen, berühmt durch die Fabrikation verschiedenartigster Musikinstrumente, bekannt unter dem stolzen Namen des „deutschen Cremona“.
Eng mit Elster verbunden ist, wie schon oben angedeutet, das unweit davon, aber in Böhmen liegende, auf der Ebene des fruchtbaren Egerlandes sich ausbreitende, von wogenden Saatfeldern umgebene Franzensbad. Es ist ein alter Curort mit vortrefflichen Cureinrichtungen und gehört unleugbar zu den hervorragenderen der österreichischen Monarchie, worauf schon die Frequenz an Curgästen, die bis zu 8000 Individuen sich erhebt, hinweist. In den letzten Decennien hat Franzensbad sich durch eine große Anzahl prachtvoller, mit großem Luxus ausgeführter Neubauten wesentlich vergrößert und verschönert, hat neue Anlagen und in mancher Beziehung Verbesserungen erfahren. Es stellt eine kleine Stadt mit hübschen Straßen dar und bietet dem Fremden schon alle Genüsse, die sonst nur eine größere Stadt zu gewähren vermag, denn Franzensbad ist eben eine Stadt, eine Oase in weit sich ausdehnenden Kornfeldern, aller Naturreize entbehrend, soweit sie die Kunst nicht hat schaffen können, und unterscheidet sich dadurch wesentlich von Elster, welches ungeachtet seiner raschen Entwickelung seinen ländlichen Charakter sich zu wahren gewußt hat.
Das Leben ist in Franzensbad nicht billig, aber die Bade-Anstalten sind vorzüglich und besitzen eine große Anzahl zweckmäßig eingerichteter Badestuben, in welchen neben Mineralbädern auch Moorbäder verabreicht werden. Ihre Anzahl ist zur Zeit fünf, welche, mit Ausnahme des städtischen Badehauses, in Privathänden sich befinden. Mit besonderem Luxus ist das neue Singer’sche sogenannte Kaiserbad, das neueste der hier vorhandenen Etablissements, eingerichtet.
Auch die Franzensbader Mineralquellen, deren Anzahl eine sehr große ist, werden, wie die von Elster, meist zu den alkalisch salinischen Eisenwässern gezählt, ihr Eisengehalt aber ist kein so hoher, daß er mit den renommirteren Eisenquellen, wie wir sie in Deutschland besitzen, mit Erfolg concurriren könnte, und deswegen ist ihr eigentliches Wirkungsgebiet auch weniger das der Eisenquellen, als vielmehr das der salinischen Wasser. Ihr Ruf, [315] den sie sich bei verschiedenen Frauenkrankheiten erworben haben, fällt auch mit dieser ihrer chemischen Beschaffenheit zusammen, und diese führt ihnen bei dem Reichthnm an Kohlensäure, den sie besitzen, mehr nervenleidende und an Verdauungsbeschwerden leidende Frauen zu.
Eine andere Richtung in der Heilung und Behandlung der Frauenkrankheiten wird durch die akalischen Wässer vertreten, welche in den Thermen von Ems einen würdigen Vertreter finden. Es sind vorzugsweise die katarrhalischen Erkrankungen der Frauen, welche hier Gegenstand der Behandlung werden.
Der alte Curort Ems, dessen Quellen schon seit mehreren Jahrhunderten bekannt sind und auf den sich durch die öftere Anwesenheit unseres Kaisers die öffentliche Aufmerksamkeit mehr hingezogen fühlt, liegt in einem schönen, von der Lahn durchflossenen Thale des früheren Herzogthums Nassau, der jetzigen Provinz Hessen-Nassau, und gehört bei seiner hohen Frequenz, die jährlich auf etwa 15,000 Curanten und Passanten sich beläuft, zu den renommirtesten Bädern Deutschlands. Ems besitzt gegen zwanzig Natronthermen von sehr verschiedenen Temperaturgraden, von denen aber nur neun medicinische Benutzung finden. Alle Einrichtungen in den verschiedenen Badchäusern verdienen alles Lob, die Privathäuser bieten meist gute Wohnungen von großer Einfachheit an bis zum höchsten Luxus und die zahlreichen Hôtels vorzügliche Verpflegung. Das Leben ist hier das einer großen Stadt mit allen seinen Vergnügungen und dem entsprechend auch der Kostenaufwand, den eine Cur daselbst nothwendig macht.
Von der Lahnbrücke, die im Ganzen eine ziemlich beschränkte Aussicht bietet, konnte man einst, wie Bädecker berichtet, in acht verschiedener Herren Länder blicken, nämlich in die von Mainz, von Stein, von der Leyen, Trier, Metternich, Nassau-Weilburg, Nassau-Oranien und Hessen-Darmstadt. Die Zeiten der alten Zerrissenheit unseres Vaterlandes sind gottlob! für immer dahin, und die große Zeit, welche das Einheitsband in siegreichem Ringen flocht, hat nicht die unbedeutendste ihrer Thaten in Ems geschehen lassen.
In dem Curgarten, unweit des Musikpavillons, finden wir eine im Boden angebrachte Marmortafel, auf der die einfachen Worte zu lesen sind: „13. Juli 1870, 9 Uhr 10 Minuten Morgens.“ Das ist die denkwürdige Stelle, an welcher König Wilhelm den Gesandten des corsischen Kaisers in gebührender Weise abfertigen ließ.
Noch andere geschichtliche Erinnerungen knüpfen sich an die nächste Umgebung von Ems. Eine Familiengruft liegt auf der Höhe zwischen Ems und Braubach in dem Dorfe Frücht. Dort finden wir eine Marmorplatte, deren Inschrift lautet: „Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr von und zum Stein, geboren 27. October 1757, gestorben 29. Juni 1831, ruhet hier; der Letzte seines über sieben Jahrhunderte an der Lahn blühenden Rittergeschlechtes; demüthig vor Gott, hochherzig gegen Menschen, der Lüge und des Unrechts Feind, hochbegabt in Pflicht und Treue, unerschütterlich in Acht und Bann, des gebeugten Vaterlandes ungebeugter Sohn, in Kampf und Sieg Deutschlands Mitbefreier.“ In derselben Capelle ist auch das Grab des Vaters des Ministers; es trägt eine sinnreiche Inschrift, welche wörtlich lautet:
„Sein Nein war Nein gerechtig,
Sein Ja war Ja vollmächtig,
Seines Ja war er gedächtig,
Sein Mund, sein Grund einträchtig,
Sein Wort, das war sein Siegel.“
Doch wir verlassen das an Erinnerungen reiche Ems, um den Hauptrepräsentanten einer anderen Quellengruppe, der indifferenten Thermen, aufzusuchen. Es ist das berühmte Schlangenbad, welches ebenso wie Ems zu Hessen-Nassau gehört und das unter allen Quellen der zuletzt genannten Art von Frauen mit besonderer Vorliebe besucht wird. Ein krankes Rind, welches sich täglich von der Heerde trennte und an der warmen Quelle Hülfe für sein Leiden suchte, soll einen Hirten zunächst zur Entdeckung derselben geführt haben.
Dies geschah vor mehr als zweihundert Jahren, und bald darauf entstand an jener Stelle ein Bade-Ort, zu dem Fürsten, Geistliche und Stiftsdamen herbeiströmten. Auch Prinz Eugen, der edle Ritter, verweilte im Jahre 1708 längere Zeit in Schlangenbad, um hier eine Cur durchzumachen.
Dem seltsamen Namen Schlangenbad gaben die Gelehrten verschiedenartige Deutung. Nach der Meinung der Einen wurde es also genannt, weil in seiner Nähe eine Schlangenart (coluber flavescens) sich vorfand, nach dem Urtheile Anderer aber, namentlich nach dem Simrock’s, verdankt der Ort diese Benennung „der Schlangenglätte der Haut, welche dieses Schönheitsbad seinen von allen vier Enden der Welt herbeiströmenden Nixen verleiht.“ Bekanntlich erklärt man die ähnliche Bezeichnung einer Quelle in Schönau bei Teplitz (Schlangenbad) durch die früher beobachtete Thatsache, daß um die warme Quelle herum sich massenhaft Schlangen ansammelten.
In der That ist die Wirkung dieser Bäder eine wohlthuende, die Haut angenehm berührende, ihr eine gewisse Zartheit und Weichheit verleihende. Darum ist auch dem berühmten Curorte die Benennung eines kosmetischen Bades beigelegt worden. Ueberhaupt sind es Nerven- und Hautkranke, welche sich vorzugsweise hierher zur Cur wenden.
Schlangenbad ist Ems gegenüber nur ein kleiner Curort, aber durch die prächtigen Buchenwaldungen, in deren Mitte er liegt, bietet er vor vielen anderen Bädern manchen Vortheil. Die Bade-Anstalten sind zweckmäßig eingerichtet, Häuser und Hôtels sind durchaus befriedigend.
Wesentlich andere Zwecke werden in den Soolbädern, zu denen eine große Anzahl kranker Frauen wandern, verfolgt. Es sind mehr chronisch entzündliche Zustände und Schwellungen gewisser Organe, Ausschwitzungen in inneren Räumen des Körpers und andere ähnliche Krankheitszustände mehr, welche durch sie Heilung, wenigstens Erleichterung finden.
Die Zahl dieser Quellen ist eine außerordentlich große, und wenn wir aus ihr Kreuznach herausheben, so geschieht es, weil dieser Curort von altersher einen besonderen Ruf gegen verschiedene Frauenkrankheiten genießt.
Kreuznach, eine Stadt mit 15,000 Einwohnern in der preußischen Rheinprovinz, im schönen Nahethale gelegen, hat ein großartiges Bade-Etablissement, verschiedene stoffreiche, durch ihren Gehalt an Bromverbindungen und Chlorcalcium sich auszeichnende Kochsalzquellen und eine Jahresfrequenz von etwa sechstausend Curgästen. Alle Bade-Einrichtungen, Hôtels und Privathäuser sind gut. Das Klima ist mild und angenehm, aber das Leben soll in Kreuznach ziemlich theuer sein.
Ihren Namen erhielt die Stadt einer alten Ueberlieferung zufolge von einem Kreuze, welches auf der Nahe-Insel von den ersten Aposteln des Christenthums in Deutschland aufgepflanzt wurde.
Auf dieses Ereigniß beziehen sich die folgenden Verse von G. Pfarrius:
„Sie kamen zu der Insel gepilgert durch den Wald,
Belehrt durch’s Kreuz, bekehret zum Kreuz ward Jung und Alt,
Und eine Stadt erhob sich, wo einst die Hütte stand:
Vom nahen Kreuz der Insel ward Kreuznach sie genannt.“
In der Fischergasse ist das Haus, in welchem 1507 hier der Schwarzkünstler Joh. Georg Sabellicus Faust wohnte, welcher als Rector am Gymnasium angestellt war, bald aber aus der Stadt flüchten mußte.
Die nächste Umgebung von Kreuznach bietet Manches, was nicht nur durch den romantischen Reiz der Landschaft verlockt, sondern auch von geschichtlichem Interesse ist. Da erheben sich auf hohem Felsen die von drei Seiten unzugänglichen Reste der Burg der einstmaligen Reichsgrafen, der „Rheingrafenstein“, und im Huttenthale steht noch die Ebernburg, in welcher der wackere Sickingen hauste und die im Volksmunde den Namen der „Herberge der Gerechtigkeit“ führte. Auf dieser Burg weilte einst Hutten, unter des Sickingen Schutz für die Geistesfreiheit kämpfend, hier fanden Zuflucht die Streiter der Reformation Oecolampadius, J. Schwebel und auch Ph. Melanchthon.
Wir schließen hiermit unsere flüchtige Rundschau der deutschen Frauenbäder. Die Illustration, welche unseren Artikel schmückt, wird wohl Viele an freudig verlebte Tage erinnern, und allen Denjenigen, welche sich jetzt zur Reise in irgend eines der genannten Bäder rüsten, geben wir den herzlichsten Wunsch auf den Weg, daß sich ihre Hoffnungen erfüllen und sie gesund und zum Kampf des Lebens gestärkt heimkehren mögen.