Winkler & Sohn, Rochlitz, Mechanische Weberei und Wollwaren-Fabrik

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Titel: Winkler & Sohn, Rochlitz, Mechanische Weberei und Wollwaren-Fabrik
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aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Mechanische Weberei, Färberei u. Appretur
WINKLER & SOHN, ROCHLITZ i/S.


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Winkler & Sohn, Rochlitz
Mechanische Weberei und Wollwaren-Fabrik.

Wir sehen in dieser Firma einen der Veteranen der sächsischen Großindustrie vor uns, der nicht bloß 1½ Jahrhunderte eng mit deren Schicksalen und Wandelungen verknüpft war, sondern auch diese ganze Zeit im Besitze der Familie des Begründers verblieben ist. Die fünfte Generation ist es, die jetzt in der Person des Herrn Kommerzienrates Heinrich Julius Hartmann die Leitung dieses Welthauses übernommen hat. Und diese fünf Generationen haben redlich ihr Teil mit dazu beigetragen, dem anmutigen Städtchen Rochlitz industrielles Leben, Handel und Wandel zuzuführen, es zu einer Etappe auf den Straßen des Weltmarktes zu machen. Auch diese Firma ist eine Vertreterin der Textilindustrie, die in unserem Vaterlande eine so hervorragende Rolle spielt und die Hauptursache bildet, daß das kleine Sachsen mit zu den ersten Industriestaaten der Welt zählt. – Die Firma Winkler & Sohn wurde im Jahre 1750 von Johann Christian Winkler in Rochlitz begründet. Die ersten zwölf Jahre lang bewegte sich ihr Geschäftsbetrieb in den Grenzen eines einfachen Handlungshauses, und erst im Jahre 1762, als ein Fabrikgebäude errichtet worden war, etablierte sie sich als eigentliche Manufaktur. Ihre Erzeugnisse bestanden zuerst in Tuchen, dann gesellte sich die Anfertigung wollener Zeugwaren – wie Segowie, Halbtuche, Casimir, Camelotte und Berrocan – hinzu und später erstreckte sich die Produktion des Geschäftes auf jene Artikel, die noch heute seine Haupterzeugnisse bilden; auf Cachemire, Merinos, Mousseline, Satin de laine, Croisées, Foulets, Cheviots, Konfektionsstoffe in Kammgarn, Cachemir-Tücher und Long Châles, sowie indische Châles.

Schon aus der Mannigfaltigkeit dieser Erzeugnisse läßt sich ein Schluß ziehen auf den großen Apparat an Maschinen- und Menschenkräften, der der Firma Winkler & Sohn zur Verfügung steht. Zwei Dampfmaschinen, die eine zu 80, die andere zu 12 Pferdekräften, sind ständig im Betrieb, und ein Personal von ca. 300 Arbeitern und Arbeiterinnen wird jahraus jahrein beschäftigt. Der Jahresumsatz, zu dem alle fünf Weltteile beitragen, beläuft sich auf 1½–2 Millionen Mark; Hauptabnehmer sind dabei außer Deutschland, speziell England, Schweden, Nord- und Südamerika, der Orient, Ostindien, Nordafrika und Australien. Mannigfach sind auch die Auszeichnungen, die Winkler & Sohn für ihre Erzeugnisse erhielten; die Reihe derselben beginnt mit dem Anfange dieses Jahrhunderts und schreitet fort bis auf unsere Zeit. Bereits 1810 wurde der Firma die große goldene sächsische Preismedaille verliehen; dieselbe Anerkennung wiederholt sich dann noch zweimal in den Jahren 1835 und 1850; in Berlin wurde ihr 1844 ebenfalls die große goldene Preismedaille zuerkannt, 1854 in München eine Ehrenmedaille, 1851 in London nochmals eine Preismedaille und 1873 in Wien eine Verdienstmedaille.

Von besonderem Interesse ist es, einen Blick auf die interne Geschichte der Firma zu werfen, auf die Aufeinanderfolge der Besitzer, auf die Stellung, die das Etablissement als hochangesehenes [Ξ] Glied innerhalb der Gesamtheit der sächsischen Industrie einnahm. Der Begründer des Geschäftes, Herr Johann Christian Winkler, starb am 15. Juli 1812. Er war nicht bloß ein weitblickender Kaufmann gewesen, dessen ernstes, redliches Streben von verdientem Erfolge gekrönt ward, sondern zugleich auch ein Mann von ausgeprägtem Bürger- und Gemeinsinn. Er hatte sich große und mannigfache Verdienste um den Staat wie um das Rochlitz erworben. In welchem Ansehen er stand und wie allgemein sein Hinscheiden betrauert ward, davon zeugt der ehrenvolle Nachruf, den ihm die Königliche Leipziger Zeitung am 4. August 1812 widmete. Nachfolger im Besitze der Firma waren seine Söhne, die Herren Christian Gottlieb, Carl Christian und Christian Friedrich Winkler. Bis zum Jahre 1839 arbeiteten die drei Brüder gemeinsam; zu diesem Zeitpunkte schied dann Herr Christian Gottlieb Winkler aus der Firma aus, um sich ins Privatleben zurückzuziehen. Gleichzeitig wurden die Söhne der beiden im Geschäft verbleibenden Brüder, die Herren Emil, Moritz und Alexander Winkler, als Teilhaber aufgenommen. Einige Zeit später setzte sich auch Herr Carl Christian Winkler, dem mittlerweile der Titel eines königlich preußischen Kommerzienrates verliehen worden war, zur Ruhe, und nachdem am 1. Juni 1844 noch Herr Christian Friedrich Winkler gestorben war, blieb das Geschäft in den Händen der drei Nachfolger. Von diesen schieden im Laufe der Zeit die Herren Emil und Alexander Winkler aus, so daß Herr Friedrich Moritz Winkler Alleinbesitzer wurde.

Die Persönlichkeit Friedrich Moritz Winklers, welcher 1884 starb, spielt eine bemerkenswerte Rolle in der Geschichte der Firma. Seine hervorragenden Eigenschaften lenkten bald die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf ihn, und mannigfache Auszeichnungen wurden ihm zuteil. So war er im Jahre 1867 Mitglied der Jury auf der Pariser Weltausstellung und erhielt unter anderem auch das Ritterkreuz des königlich sächsischen Verdienstordens verliehen. Seine Arbeiterfreundlichkeit bezeugte er dadurch, daß er eine Friedrich Moritz Winkler-Stiftung für bedürftige Arbeiter ins Leben rief und außerdem in Gemeinschaft mit seinem Neffen und Associé, Herrn Julius Hartmann, im Jahre 1888 eine Altersversorgungskasse für Arbeiter und Beamte begründete und mit Mark 20 000 dotierte. Nachdem er eine Reihe von Jahren das Geschäft allein geführt hatte, nahm er seinen Neffen, Herrn Julius Hartmann, als Teilhaber auf.

Friedrich Moritz Winkler starb, wie schon erwähnt, im Jahre 1884, und Herr Julius Hartmann befindet sich seit jener Zeit im Alleinbesitz der Firma. Die Periode der Wirksamkeit des gegenwärtigen Inhabers – der die fünfte Generation der Familie Winkler mütterlicherseits repräsentiert, in deren Besitz sich die altehrwürdige Firma befindet – zeichnet sich durch große und bedeutungsvolle Neuerungen auf technischem Gebiete aus. Herr Julius Hartmann errichtete im Jahre 1866 eine mechanische Weberei mit zunächst 50 Stühlen, welch’ letztere im Laufe der Zeit aber bis auf 400 anwuchsen. Außerdem wurden die Färberei und die Appreturanstalt zeitgemäß umgestaltet, erweitert und vergrößert. Trotzdem läßt die Fabrik noch zeitweilig größere Posten rohe Ware im Lohne verarbeiten. – Die Firma Winkler & Sohn hat sich von jeher der Aufmerksamkeit der sächsischen Regenten erfreut. Noch heute bewahrt sie eine prächtige Meißner Porzellanvase auf, die ein Geschenk Seiner Majestät König Antons ist und die Abbildung des Lustschlosses Pillnitz trägt. Im Jahre 1877 ferner wurde dem Etablissement die Ehre eines Besuches Seiner Majestät des Königs Albert zuteil, und 1888 verlieh derselbe dem jetzigen Inhaber der Firma, Herrn Julius Hartmann, den Titel eines königlich sächsischen Kommerzienrates.

Der vorstehende kurze Abriß aus der Geschichte der Firma Winkler & Sohn würde unvollständig sein, bliebe das gute Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unerwähnt, welches seinen besten Ausdruck darin findet, daß das Geschäft eine ganze Anzahl älterer Arbeiter und Beamte besitzt. So mancher ihrer Angestellten hat seit langen Jahren Freud und Leid mit der Firma geteilt, und von den ältesten derselben wurden 1884 einem Beamten und drei Arbeitern die silberne Medaille für dreißigjährige treue Dienste verliehen. – Möge es auch in Zukunft dem altehrwürdigen Hause vergönnt sein, ebenso als sicherer Hort einer zahlreichen Arbeiterschar zu gelten, als sich mit steigendem Wachstum sich mehrende Erfolge zu erringen!