Theodor Wiede’s Maschinenfabrik Aktien-Gesellschaft, Chemnitz

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Autor: Diverse
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Titel: Theodor Wiede’s Maschinenfabrik Aktien-Gesellschaft, Chemnitz
Untertitel:
aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Theodor Wiede’s Maschinenfabrik, A.-G., Chemnitz.


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Theodor Wiede’s Maschinenfabrik
Aktien-Gesellschaft, Chemnitz.

Dieses Etablissement ist insofern bemerkenswert und verdient auf der Votivtafel der sächsischen Großindustrie einen Ehrenplatz, als es von bestimmendem Einfluß auf verschiedene Zweige der letzteren gewesen ist und sich nicht damit begnügte, lediglich das an Maschinen zu liefern, was der Tagesbedarf verlangte. Zu vortrefflichem Sinne geleitet, begegnete die Firma Theodor Wiede’s Maschinenfabrik, Aktien-Gesellschaft, deren Spezialitäten von ihrer Begründung an der Spinnereimaschinenbau, wie nicht minder der Dampfmaschinen- und allgemeine Maschinenbau bilden, den Konjunkturen des Weltmarktes, indem sie der sächsischen Industrie, vor allem der Spinnereibranche, überall da, wo eine Überflügelung von anderer Seite drohte, neue Maschinen zur Verfügung stellte; sie sicherte ihr die Fabrikation gewisser Spezialartikel dadurch, daß sie immer und immer wieder verbesserte Konstruktionen ersann; sie gab nicht, wie andere Maschinenfabriken, der scheinbar unüberwindlichen, englischen Konkurrenz gegenüber in jenen Branchen den Kampf auf, in welchen dieselbe durch die verschiedensten Umstände begünstigt, – sich thatsächlich in Überlegenheit befindet, sondern erhielt – oft unter schweren Opfern und unter Anspannung der äußersten Kräfte – ihre Erzeugnisse im Spinnereimaschinenbau gleichwertig und konkurrenzfähig auf dem Markte. Sie folgte damit den Traditionen ihres Vorbesitzers, des leider zu früh verstorbenen Herrn Theodor Wiede, eines Mannes von weitausschauendem Blicke, unermüdlicher Thatkraft und lebhaftem schöpferischen Geiste, unter dessen Leitung, wäre er nicht vorzeitig aus dem Leben abberufen worden, das Etablissement ohne Zweifel schon damals jene Entwicklung erfahren haben würde, durch welche es sich heute den in gleichem Umfange betriebenen Konkurrenz-Werken ebenbürtig zur Seite stellt.

Es gereicht dem Unternehmen daher auch zur dauernden Ehre, den Namen des Mannes weiter führen zu dürfen, welcher durch seine Thätigkeit nicht nur ein Beispiel nachahmenswerter Umsicht und Thatkraft, sondern auch ein bleibendes Denkmal edelster Pflichterfüllung hinterlassen hat.

[Ξ] Begründet im Jahre 1837 von Herrn August Götze, – dem Zeitgenossen und einstigen Associé von Richard Hartmann, – befaßte sich die Firma zunächst mit dem Bau von Spinnerei­-Maschinen, und zwar solcher für Streichgarnspinnerei, welche Maschinen in der Folge die erste Spezialität des Etablissements wurden. Die Nachfolger im Besitze, die Herren Ernst und Theodor Wiede, fügten später noch den Bau von Baumwollfeinspinnereimaschinen hinzu. Bald darauf wurde das Vigognegespinnst eingeführt, ein Gemisch aus Wolle und Baumwolle, welches so außerordentlichen Anklang fand, daß die Fabrik sich eine Zeit lang ausschließlich dem Bau der hierzu erforderlichen Maschinen widmen konnte. Bekannt ist, daß die Vigogne speziell sächsische Erfindung ist, und daß England, obwohl auf dem Gebiete des Spinnereimaschinenbaues tonangebend, noch heute nicht in der Lage ist, Sachsen im Bau von Maschinen jener Spezialität erfolgreich Konkurrenz zu machen. Diese Thatsache ist in erster Linie auf die Vorzüglichkeit der Theodor Wiede’schen Fabrikate zurückzuführen.

Eine weitere sächsische Spezialität, welche gleichfalls, fast ausschließlich dem Theodor Wiede’schen Etablissement ihren Ursprung und ihre Konkurrenzfähigkeit verdankt, ist die Herstellung des Barchentgarnes, das, aus Baumwolle bezw. deren Abfällen erzeugt, auf den für Vigogne gebräuchlichen, bezw. ihnen verwandten Maschinen hergestellt wird. Auch in diesem Artikel haben sich die englischen Fabriken wiederholt versucht, ohne indes nennenswerten Erfolg zu verzeichnen.

Anders in der Baumwollspinnerei! Hier sind die Engländer infolge ihrer günstigen Lage immer weiter vorgeschritten und beherrschen heute fast ausschließlich den Weltmarkt. Die sächsischen, bezw. Chemnitzer Maschinenfabriken gaben daher die Fabrikation der Baumwollen­-Spinnmaschinen nach und nach wieder auf; Theodor Wiede’s Maschinenfabrik allein hielt Stand und ist zur Zeit noch die einzige deutsche Fabrik, welche es, allerdings nicht ohne Opfer, dahin gebracht hat, ihre Maschinen weiter liefern zu können. Viel trägt zur Niederlage dieser Branche in der deutschen Maschinenfabrikation der geringe Eingangszoll bei, der auf englische Erzeugnisse erhoben wird. Theodor Wiede’s Maschinenfabrik wird indes den Bau der Baumwollspinnerei­-Maschinen nicht aufgeben, wie andere Werke, sondern hofft, ihn durch zu vervollkommnende Einrichtungen und Einführung neuer Konstruktionen nach und nach wieder lukrativ zu machen. Hinzugefügt sei bei dieser Gelegenheit, daß, während Deutschland dem englischen Maschinen-Import gegenüber nahezu machtlos ist, der hohe Schutzzoll Rußlands den Export in jenes Land, welches früher ein reger, nicht zu unterschätzender Abnehmer war, bedeutend erschwert.

Während es auf der einen Seite der Firma gelang, von Anfang an die Fabrikation von Spinnereimaschinen durch Erzeugung von nach jeder Richtung hin vollendeten Systemen zu ihrer Spezialität zu machen und dergestalt der sächsischen, vor allem Chemnitzer Spinnereiindustrie als Grundlage zu dienen, eröffnete andererseits die vermehrte Einführung der Dampfkraft im Gewerbebetrieb ihr ein neues, fruchtbares Arbeitsfeld. Sie nahm in der Folge, um in der Lage zu sein, die Einrichtung vollständiger Spinnereianlagen auszuführen, auch die Fabrikation von Dampf­-Maschinen und Transmissionen in den Rahmen ihres Betriebes auf. Auch hier hat Theodor Wiede’s Maschinenfabrik, Aktien-Gesellschaft, Erfolge zu verzeichnen, die dem Etablissement einen Ehrenplatz innerhalb der sächsischen Großindustrie verschafften und es tonangebend machten. Es erreichte, indem es durch Vervollkommnung der Konstruktion den immer mehr wachsenden Forderungen auf Ausnutzung der Dampfkraft entgegen kam, in seinen Erzeugnissen die höchste Stufe der Vollendung, so daß es sich heute, wie schon hervorgehoben, mit den bedeutendsten Spezialwerken dieser Branche aus gleicher Höhe befindet.

[Ξ] Im Jahre 1872 erfolgte die Umwandlung in eine Aktien-Gesellschaft. Durch Ankauf von Grundstücken und Fabrikanlagen, vor allem der früher C. C. Merkel’schen Fabrik, zog das Etablissement mit der Zeit neue Betriebszweige in seinen Bereich und gewann eine gewaltige Ausdehnung. Es nimmt gegenwärtig einen Flächenraum von nicht weniger als ca. 30 000 □m ein, auf dem ca. 30 Fabrikgebäude stehen, und 8 Dampfmaschinen, von 4 Kesseln gespeist, mit ca. 200 Pferdekräften die Arbeit der Menschenhand fördern helfen. Der Jahresumsatz der Firma beträgt rund 1 Million Mark, doch dürfte derselbe in Zukunft noch eine wesentliche Steigerung erfahren. Das Hauptabsatzgebiet ist Deutschland, welches etwa 60% der Gesamt­-Produktion aufnimmt, sodann hauptsächlich Rußland, die Donauländer, Schweden, Dänemark, Frankreich, ferner Italien, Spanien und Südamerika. Als Rohmaterialien dienen englisches und deutsches Roheisen, Stabeisen, wie überhaupt die Walzwerkfabrikate der westfälischen und schlesischen Hütten; hinzu kommt noch zahlreiches Holzmaterial für den Modellbau, für Maschinenteile und Emballage etc. etc.

Nach dem heutigen Stande der Dinge zerfällt die Gesamtproduktion der Werkstätten von Theodor Wiede’s Maschinenfabrik, Aktien-Gesellschaft, in drei große Hauptgebiete: Dampfmaschinen- und Transmissionsbau, Spinnereimaschinenbau und allgemeinen Maschinenbau. Die erste Abteilung allein ist umfangreich genug, um allen an eine Spezial­-Fabrik gestellten Ansprüchen zu genügen. Sie liefert Ventilmaschinen mit zwangläufiger Ventil­-Steuerung nach eigenem Patent (D. R. P. Nr. 36 101) von 30–1500 Pferdekräften, Schieber­-Maschinen in liegender und stehender Anordnung, schnelllaufende Dampfmaschinen zum Betriebe von Dynamos, Dampfpumpen in allen Größen, Kondensationseinrichtungen, Förder- und Wasserhaltemaschinen, Regulatoren u. a. m. Der Transmissionsbau erstreckt sich auf Transmissionen nach Seller’s, wie nach eigenem System, auf Kreisseiltriebanlagen, Reibungskuppelungen (D. R. P. Nr. 59 489), Riemenscheiben, Seilscheiben und dergl., Drahtseilanlagen und Kraftübertragungen mittels elektrischen Stromes.

Die Hauptthätigkeit besteht indes nach wie vor in dem Bau von Spinnereianlagen. Das Etablissement übernimmt ebenso die Ausführung vollständiger Einrichtungen für sämtliche Zweige der Spinnereiindustrie, (Baumwoll-, Barchent-, Shoddy-, Mungo-, Vigogne-, Streich- und Flanellgarn-Spinnereien, Wattfabriken), wie auch die Lieferung einzelner Maschinen, insbesondere Reinigungs- und Vorbereitungsmaschinen, Spinnmaschinen für Streichgarn, Vigogne etc. nach D. R. P. 63 201, Zwirnmaschinen, sämtlich in den verschiedensten Konstruktionen, bis herab zu Garnpressen, Bündelpressen und einfachen Handweifen.

Der allgemeine Maschinenbau endlich beschäftigt sich mit den mannigfachsten Erzeugnissen, wie sie den Bedarf der verschiedensten Industrien bilden. Es seien hier nur von den wichtigsten genannt: Pumpen aller Systeme für Dampf- und Transmissionsantrieb, Kesselspeise­-Pumpen, Hydraulische Pressen bis zu 1 000 000 kg Druck, Centrifugen, Aufzüge und Fahrstühle, Henze’sche Dämpfapparate, Malzquetschen, Vormaischbottige, Kühlschiffe, Montejus und Göpelwerke, Lederknetmaschinen, Hartzerkleinerungseinrichtungen etc. etc.

Eine große Anzahl der Maschinen und Konstruktionen der Firma sind patentiert worden, wodurch ein ungehinderter Alleinvertrieb gesichert ist; besonders in Bezug auf den Spinnerei­-Maschinenbau macht sich dieser Umstand vorteilhaft geltend. Das Etablissement hat Spinnerei­-Maschinen geschaffen, die seinen Ruf und Namen weit über die Grenzen des Vaterlandes hinaustrugen, und heute werden seine Konstruktionen, die im Laufe der Jahre mannigfache [Ξ] Verbesserungen durchmachten, als die renommiertesten dieser Branche angesehen. Hat die Firma doch Maschinen geliefert, die sich seit dreißig Jahren im Gange befinden und noch heute tadellos arbeiten. Einen nicht minder guten Ruf besitzen die Dampfmaschinen, Transmissionen und hydraulischen Pressen. Solide Ausführung und sachgemäße Konstruktion sind die charakteristischen Merkmale derselben. Das beste Zeugnis hierfür bildet der Umstand, daß trotz mancher Veränderungen, denen das Geschäft unterworfen war, die Kundschaft treu blieb und sich exakter und prompter Bedienung versichert hält.

Es erübrigt noch, der Auszeichnungen zu gedenken, welche Theodor Wiede’s Maschinenfabrik zu teil wurden. Außer der Ehre eines Besuches Seiner Majestät des Königs Albert, die ihr im Jahre 1885 widerfuhr, sind die Erzeugnisse ihrer Werkstätten auf all’ den Ausstellungen prämiiert worden, die beschickt wurden. In den letzten Jahren indes hat die Firma, wie fast sämtliche übrigen Chemnitzer Maschinenfabriken, darauf verzichtet, sich an solchen zu beteiligen.

Zum Schluß sei noch anerkennend hervorgehoben, daß die genannte Firma auch eifrig auf das Wohl ihrer Arbeiter bedacht ist, indem sie, unabhängig von der staatlichen Invaliditäts­- und Altersversorgung eine eigene Arbeiterpensionskasse unterhält, aus welcher ihrem Personal, sowie den Hinterbliebenen desselben Unterstützungen und Geschenke zufließen. –

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist verflossen, seit Theodor Wiede’s Maschinenfabrik, Aktien-Gesellschaft, begründet wurde, und dieselbe stellt sich uns als ein Welthaus ersten Ranges, sächsischen Gewerbfleiß verkörpernd, dar. Im Interesse des Vaterlandes wie der Arbeiter ist daher aufrichtig zu wünschen, daß diese Firma, die als ein so mächtiger Faktor innerhalb der Großindustrie Sachsens wirkt, auch in Zukunft blühe und gedeihe.