Wilhelm Löhes Leben (Band 2)/Die Generalsynode von 1853

« Die Wendung zum Besseren Johannes Deinzer
Wilhelm Löhes Leben (Band 2)
Die Agitation des Jahres 1856 und dadurch veranlaßte Reformgedanken Löhes »
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Die Generalsynode von 1853.
 Diese Synode bot freilich in vielen Stücken ein ganz anderes Bild als diejenige, welche vier Jahre vorher in Ansbach getagt hatte. War dort die Bezeichnung „evangelisch-lutherische Kirche“ aus der Mitte der Synodalen selbst als unberechtigte Neuerung bekämpft worden, so konnte diesmal der geistliche Dirigent der Synode (Harleß) nicht bloß ohne Anstoß und Widerspruch, sondern unter freudiger Zustimmung von vielen Seiten die diesmalige Generalsynode als die „erste ungeteilte Synode evangelisch-lutherischen Bekenntnisses“ bezeichnen. Nicht nur war nämlich inzwischen durch einen kirchenregimentlichen Erlaß vom 3. März 1853 die Benennung „evangelisch-lutherische“ Kirche für den innerkirchlichen Gebrauch angeordnet worden, nicht nur waren in Folge der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse der Reformierten diesseits des Rheins die Vertreter dieser Kirche, die auf der Ansbacher Generalsynode noch Sitz und Stimme gehabt hatten, diesmal von ihr ausgeschlossen: sondern es wurde auch der obersten an eine solche Versammlung zu stellenden Forderung der Bekenntnistreue Rechnung getragen, indem die sämtlichen geistlichen und weltlichen Abgeordneten durch Handgelübde verpflichtet wurden, „das Wohl der evangelisch-lutherischen Kirche auf Grund des bestehenden Bekenntnisses gewissenhaft befördern zu wollen.“ Dies alles war, im Vergleich zu der Zerfahrenheit und der Mischung heterogenster Standpunkte, welche die letzte Generalsynode charakterisiert hatte, ein unleugbarer Fortschritt. Auch sonst hat die bayerische Landeskirche dieser Generalsynode manche gesegnete| Frucht zu verdanken, so z. B. die Einführung des neuen bayerischen Gesangbuchs, sowie einer neuen Ordnung und Form des Hauptgottesdienstes, die im wesentlichen die Form der altlutherischen communio war; ferner die Beratung eines neuen Agendenentwurfs, der, wenn er auch einem reiferen liturgischen Standpunkt vielfach ungenügend erschien,[1] dennoch eine Neugestaltung des gottesdienstlichen Lebens der lutherischen Gemeinden Bayerns herbeiführte, und so manches andere. Freilich zur Abstellung des Hauptgravamens Löhes, der an nicht wenigen Orten im Lande herrschenden gemischten Abendmahlsgemeinschaft, zeigte auch diese Synode nicht viel Entschlossenheit. Löhe hatte nämlich im Verein mit seinen Gesinnungsgenossen eine Petition an die Generalsynode eingereicht, deren mit der Petition von 1849 gleichlautendes Rubrum schon andeutete, daß sie eine Fortsetzung der vor vier Jahren eingeleiteten Kämpfe und Bestrebungen zur konfessionellen Bereinigung der Zustände in der bayerischen Landeskirche sein sollte. Zwar wurde in dieser Petition der wirklich vorhandene Fortschritt zum Besseren nicht in Abrede gestellt. Die Unterzeichner der Petition sagen zum Eingang derselben wörtlich: „Wir verkennen es keineswegs, sondern wir erkennen und bekennen es mit Dank zu Gott, daß einige von den im Jahre 1849 der Generalsynode kundgegebenen Beschwerden gehoben wurden:

 Die unierte Distributionsformel im heil. Abendmahl ist den Dienern der lutherischen Gemeinden verboten worden;

 die Geistlichen und andere Religionslehrer sollen auf das Bekenntnis verpflichtet werden;

 das Handgelübde der Generalsynodaldeputierten ist entsprechend geändert worden;

|  in unsern Generalsynoden haben die Reformierten nicht mehr Sitz und Stimme;

 die reformierten Gemeinden sollen in ein eigenes Dekanat vereinigt werden;

 vielleicht gelingt es in Baldem, ein der lutherischen Kirche würdiges Gesangbuch herzustellen;

 vielleicht werden demnächst die Statuten des bayerischen Missionsvereins und die Instruktion für den Verwaltungsausschuß desselben wirklich konfessionell geregelt.

 Überhaupt ist nicht zu leugnen, daß sich die öffentliche Meinung zu Gunsten der kirchlich-lutherischen Richtung verändert hat; schneller als man glaublich finden könnte ist Bekenntnis und Name der lutherischen Kirche zu Ehren gekommen; die Hoffnung auf Wiederherstellung und Gedeihen der lutherischen Kirche in Bayern ist gestiegen.“

 „Allein – fährt die Petition fort – noch stehen die meisten unsrer Beschwerden von 1849 unverändert.“ Als der schreiendste Übelstand, „dessen Beseitigung die größten Schwierigkeiten vor sich findet und die peinlichsten Verlegenheiten bereiten kann,“ wird die Existenz „der unionistischen Mischgemeinden“ bezeichnet, „deren sich eine ganze Kette durch die ehemals rein römisch-katholischen Gegenden des Königreichs hinzieht, die gleich amerikanischen Kolonistengemeinden aus verschiedenen Bestandteilen zusammengeflossen, sich dem Organismus der Landeskirche einfügten, ohne ihr Dasein auf eines der protestantischen Bekenntnisse begründet zu haben.“

 Solche Gemeinden – fährt die Petition fort – könne man nicht für lutherisch anerkennen und noch weniger einen Pfarrer, der einer solchen Mischgemeinde vorgestanden habe, bevor er durch Buße und Bekenntnis seines Irrtums oder seiner Schuld der lutherischen Kirche genug gethan habe. „Es ist – heißt es in bezug hierauf in der Petition – nur ein Zeugnis vom jämmerlichsten Verfall| des kirchlichen Lebens und Erkennens, daß man bei fortgesetzten Zuständen der genannten Art sich für lutherisch hält und trotz alledem glaubt halten zu dürfen.“

 Als eine zweite aus gleichen Ursachen fließende Beschwerde wird die an vielen Orten herrschende Abendmahlsgemeinschaft mit der lutherischen Gemeinden eingesprengten unierten und reformierten Diaspora bezeichnet. „Es ist – so wird in der Petition ausgeführt – für uns bayerische Lutheraner so gut wie nichts gewonnen, selbst auf den Fall hin, daß die Reformierten verfassungsmäßig von uns getrennt würden, und die Unierten eigene gesonderte Rechte gewännen, wenn nicht zugleich alle Abendmahlsgemeinschaft aufgehoben und streng, ja bei Verlust des Amts und bei Exkommunikation verboten würde. Es zeigt sich eben hier, daß nicht in der Verfassung, sondern in dem Abfall von der lutherischen Praxis, weil von lutherischer Anschauung und Erkenntnis, unsre Grundübel beruhen – und es ist daher die Abendmahlsfrage, die Frage der innern Kirchengemeinschaft, weitaus die wichtigste der Zeit geworden. Die Ehre der lutherischen Reformation und ihrer treuesten Diener und Glieder in drei Jahrhunderten ist auf dem Spiel, und es kann von keiner lutherischen Kirche mehr die Rede sein, wir sind in den leitenden Grundsätzen zur reformierten Kirche übergetreten, wenn wir irgend eine Abendmahlsgemeinschaft mit Andersgläubigen zugestehen und dulden.“ Am Schluß der Petition werden noch bittere Klagen über jene Geistlichen erhoben, welche treue Gemeindeglieder, die sich des Sakramentsgenusses an den Altären ihrer Heimatgemeinden um der dort getriebenen Abendmahlsmengerei willen seit Jahren mit Leid und Weh enthielten, als Abendmahlsverächter bezeichneten, wogegen sie Haufen von wirklichen Abendmahlsverächtern dicht um sich her nicht sähen, und, während sie vom HErrn Befehl hätten, die schwachen Brüder auch durch keine irdische Speise zu ärgern, dieselben an der Himmelsspeise ärgerten.

|  Die Petition gipfelt in 9 Anträgen, die wir hier wörtlich folgen lassen.
1. Die hochwürdige Generalsynode wolle ihrerseits die Sache der bayerisch-protestantischen Kirchenverfassungsfrage aufs neue in Erwägung ziehen, auf Abstellung der verfassungsmäßigen Übelstände durch vollständige Trennung der Lutheraner und Reformierten dringen und kein gesetzliches Mittel ungebraucht lassen um dahin zu wirken, daß bei dem nächsten Landtage die hochwichtige Angelegenheit zum Heil der lutherischen Landeskirche erledigt werde.
2. Die hochwürdige Generalsynode wolle auch ihrerseits dahin wirken, daß die protestantischen Mischgemeinden, welche seit Jahrzehenten in den römisch-katholischen Landesteilen bestehen und an Zahl zunehmen, irgendwie zu konfessioneller Entscheidung geführt werden.
3. Die hochwürdige Generalsynode wolle ihrerseits darum bitten und darauf dringen, daß fernerhin kein Pfarrer oder Kandidat, der an reformierten oder unierten Gemeinden stand, an lutherische Gemeinden versetzt werde, bevor er dem lutherischen Bekenntnis genug gethan; sowie daß alle Pfarrer, welche neuerdings oder früherhin auf diese Weise an lutherische Gemeinden versetzt wurden, nachfolgend ihren früheren Standpunkt verwerfen und der lutherischen Kirche ihr Bekenntnis thun.
4. Die hochwürdige Generalsynode wolle ferner darauf dringen und darum bitten, daß den lutherischen Pfarrern verboten werde, fernerhin Reformierte, Unierte oder andere dem lutherischen Bekenntnis nicht zugethane Leute zum Sakrament und in die Gemeinde zu nehmen, bevor sie ihren Irrtümern entsagt und der lutherischen Kirche Bekenntnis gethan haben.
5. Die hochwürdige Generalsynode wolle ferner darauf dringen, daß die lutherischen Soldaten in der Pfalz oder auch andere in der Diaspora lebende Lutheraner kirchlich konfessionell nach Genüge versorgt werden.
6. Die hochwürdige Generalsynode wolle darauf dringen, daß allenthalben diejenigen, welche sich bereits längere oder kürzere Zeit zum Sakrament in der lutherischen Kirche und zu lutherischen Gemeinden gehalten haben, ohne dem Irrtum ihrer früheren Kirchengemeinschaft zu entsagen und der lutherischen Kirche Bekenntnis zu thun, zum mindesten angehalten werden, ihren bisherigen Abendmahlsgenuß als Übertritt ordentlich zu pfarramtlichem Protokoll zu bekennen.
7. Die hochwürdige Generalsynode wolle ihrerseits auf größere Wachsamkeit und Strenge gegen die rationalistischen Pfarrer und Lehrer dringen.
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8. Die hochwürdige Generalsynode wolle darauf dringen, daß den Pfarrern die Annahme von offenbaren unbußfertigen Sündern und Ungläubigen zum Sakrament verboten werde.
9. Endlich beantragen wir, mit Hinsicht auf den letzten im Jahr 1849 gestellten Antrag, daß die hochwürdige Generalsynode mit uns darum bitten wolle: Es möge von Seiten des Kirchenregiments ferner keine Konferenz beschickt werden, welche zum Teil aus den Abgeordneten nicht lutherischer Landeskirchen und wohl gar aus Abgeordneten solcher Kirchen besteht, welche, wie die nassauische und die badische Landeskirche, unsere Brüder und Glaubensgenossen verfolgen;
 dagegen möge von Seite der bayerischen Landeskirche und ihrer Vertreter offizielle und innige Gemeinschaft nicht bloß mit wirklich lutherischen Landeskirchen, sondern auch, mit den Kirchen der preußischen, nassauischen und badischen Lutheraner hergestellt werden“


 Daß dieses Aktenstück stellenweise eine scharfe Sprache führt, geht schon aus den mitgeteilten Bruchstücken hervor; daß aber die dort geschilderten Übelstände und konfessionswidrigen Misbräuche innerhalb der bayerischen Landeskirche übertrieben oder in allzugreller Beleuchtung dargestellt worden seien, wurde auch auf der Generalsynode nicht zu behaupten versucht, während man sich freilich durch „den ganzen Sinn, in dem die Petition verfaßt war“ und durch „manche Härten der Ausführung“ gestoßen fühlte.

 Harleß, der sich, resp. das Kirchenregiment in dieser Petition direkt angegriffen glaubte, eröffnete die Diskussion über dieselbe mit einer Ansprache, in welcher er seinem Mißfallen an der Petition und ihrem Inhalt einen scharfen Ausdruck gab. Nachdem er einleitend bemerkt hatte, daß die Anträge dieser Petition in Bezug auf das rubrum (Wahrung des Bekenntnisses und Einführung desselben in seine Rechte innerhalb der lutherischen Kirche) ihn gefreut hätten, weil daraus hervorgehe, daß die Antragsteller jene Meinung nicht teilten, die jetzt mit vielen Künsten zu beweisen versucht werde, daß innerhalb Bayerns eine lutherische Landeskirche nicht bestehe (denn von dieser Voraussetzung ausgehend wäre es ein| Widerspruch, das Kirchenregiment um Wahrung des Bekenntnisses zu bitten), fährt er wörtlich fort: „Wahrlich, meine theuern Herren, ich darf Ihnen versichern, daß die Wahrung des Bekenntnisses dem Kirchenregiment eine Herzensangelegenheit ist. Indem ich das mit gutem Gewissen vor Gott und Menschen versichere, beklage ich dennoch an diesem Antrag die Art, in welcher man die Unterschriften überall und an allen Enden, unter allerlei Volk, Verständigen und Nichtverständigen, sammelte, und daß in solcher Weise zusammengebrachte Anträge an das Kirchenregiment und an die hohe General-Synode gebracht werden.“

 „Von der Motivierung will ich nicht reden; aber nicht ohne Hinblick auf dieselbe muß ich sagen, wenn man ein Haus oder eine Kirche reinigen will, so muß man nicht allen Unrat, der noch darinnen ist, herausfahren und damit die Wände bestreichen, daß es jeder sieht und sagt: ,so sieht dieses Haus, diese Kirche aus‘. So reinigt man nicht die Kirche, man verunehrt nur die Kirche vor Freund und Feind!“

 „Auf der anderen Seite aber erregen solche Anträge, zu denen man überall die Unterschriften sammelt, in Köpfen und Herzen derer, die nicht einmal im stande sind, die Verhältnisse zu kennen, beständige Unruhe, Unzufriedenheit und Ungewißheit über das, was man wirklich schon hat: das aber führt zu nichts Gutem.“

 „Wenn das Kirchenregiment wirklich das Vertrauen der Geistlichen als der nächsten Vertreter der Gemeinden hat, so bedarf es nur specieller Anträge auf Besserung an die geordnete Behörde.“

 „Die Kirchenbehörden werden es nicht fehlen lassen, solchen Anträgen nach ihren Kräften zu entsprechen. Ich meine überhaupt und wünsche, daß ich damit Ihre Meinung, meine theuern Herrn, und die Meinung aller Wohlgesinnten getroffen hätte, daß jetzt die Zeiten der Sturm- und Drang-Petitionen vorüber seien.“

 Das was bleibt und worum ich alle, die mein Wort hören,| aus Herzensgrund bitten möchte: schenken Sie dem obersten Kirchenregimente den reinsten Wein ein in Bezug auf kirchliche Übelstände, die das Kirchenregiment zu beseitigen die Pflicht hat. Aber vor allem statt solcher Petitionen fordern Sie, meine theuern Herren, die Gemeinden auf, daß sie sich vereinigen im Gebete für das Kirchenregiment, daß Gott ihm Mut und Kraft, aber auch Weisheit und Mäßigung schenke, den Übelständen zu begegnen, über welche man sich zu beklagen ein Recht hat.“

 „Habe ich mit dieser Erklärung Ihre Meinung ausgesprochen, so wird es leicht sein, in der weiteren Beratung oder Abstimmung über die Meinung Ihres verehrlichen Ausschusses wenigstens jene Diskussion zu vermeiden, deren Schärfen und Härten ich fürchte, und die einen Mißklang in den sonst so harmonischen Einklang der hohen General-Synode brächten.“

 Die Versammlung erklärte ihre Zustimmung durch allgemeine Erhebung von den Sitzen. Das Referat des Ausschusses über diese Petition glaubte nicht alle Punkte der Petition begutachten zu sollen. Zu dem ersten Punkte der Petition (kirchliche Trennung der Reformierten von den Lutheranern) wurde von dem Ausschusse die Bitte beantragt: „die oberste Kirchenbehörde wolle ihrerseits thunlichst bald die geeigneten Schritte hiefür thun, wozu vom Dirigenten die Erklärung gegeben wurde, daß auch von reformierter Seite allerhöchsten Ortes darauf bezügliche Anträge gestellt worden seien, deren Bescheidung abgewartet werden müsse. Der Ausschußantrag wurde einstimmig angenommen.

 In bezug auf den zweiten Petitionsantrag wurde vom Ausschuß an das, was bereits vom Kirchenregiment geschehen sei, erinnert und damit der von der Generalsynode gleichfalls einstimmig genehmigte Wunsch verbunden, „daß die gethanen Schritte recht bald zu dem erwünschten Ziele führen und damit alle Klagen über Mischgemeinden fortan verstummen gemacht werden.“

|  Der dritte und vierte Petitionsantrag wurde vom Ausschusse zusammengezogen, der zweite Absatz des dritten Antrags nicht vertreten, hinsichtlich des Übrigen aber beantragt: „Die Generalsynode wolle auch die Ordnung dieser allerdings hochwichtigen Angelegenheit getrost in die Hände der obersten Kirchenbehörde legen in der um so zuversichtlicheren Hoffnung eines guten Erfolges, als nicht nur entsprechende Versicherungen gegeben, sondern dieselben teilweise auch schon zur Erfüllung gekommen seien.“ Zu dem vierten Punkt gab der Deputierte der theologischen Fakultät (Thomasius) bei der Verhandlung eine Erklärung ab, deren wesentlicher Inhalt dahin lautete:
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 „Er könne seine Zustimmung zu den wohlberechtigten Anträgen des Ausschusses nicht abgeben, ohne zugleich seinen Dissensus mit dem Sinne, in welchem die Petition selbst verfaßt sei, auszusprechen. Sie ruhe auf einer irrigen Anschauung. Es sei etwas anderes um das Verhältnis von Kirche zu Kirche, von Konfession zu Konfession, und um das Verhältnis von Einzelnen zu einer Kirche. Principielle Abendmahlsgemeinschaft zwischen Sonderkirchen sei unstatthaft; denn das heilige Abendmahl sei wie der Akt der innigsten Kommunion mit dem Erlöser, so auch ein Bekenntnisakt, weil in dem Bekenntnis zum Abendmahl alle Radien des Bekenntnisses zusammentreffen; gerade hier liege der eigentliche Differenzpunkt zwischen den Kirchen. Principielle Abendmahlsgemeinschaft sei daher gleich Union, die wir alle nicht wollen. Aber innerhalb oder unterhalb dieses Princips könne es eine Reihe von Fällen geben, welche in die Kategorie des Liebesdienstes und der Notfälle gehörten; und in solchen Fällen werde die Zulassung zum Abendmahl überall da statthaft sein, wo keine Pflichtverletzung gegen die eigene Kirche oder gegen den, der die Zulassung begehre, stattfinde. Wenn z. B. ein Fremder, ein Studierender, dessen Heimat zwar der Union angehöre, der aber| vielleicht eben im entscheidenden Kampfe um die alten Güter und Schätze der lutherischen Kirche begriffen sei, mit dem Bekenntnisse lutherischer Überzeugung die Teilnahme am Abendmahle begehre, so versage er einem solchen seine Bitte nicht; denn damit werde keine Pflichtverletzung an der eigenen Kirche begangen, sofern man nur denen, die das heil. Abendmahl begehrten, bezeugt habe, daß die Teilnahme an demselben ein Akt des Mitbekennens sei. Begehrten solche es darauf hin mit uns zu empfangen und mit uns zu bekennen, so nehme er sie an und wünsche ihnen Gottes Segen. Es könne jedoch auch andere Fälle geben, wo es Pflicht sei, die Zulassung zu versagen; aber für dergleichen einzelne Fälle lasse sich nicht durch ein Gesetz vorsorgen. Der Redende bezeichnete zum Schlusse seine von der Petition abweichende Grundansicht dahin: „Das ist das rechte Luthertum, zuerst Christus und der Glaube, dann erst die Kirche, und bei der Kirche, wieder zuerst die innere Gemeinschaft der Gläubigen, die Gemeinschaft der Heiligen, dann die äußere kirchliche Gemeinschaft.“

 Der Ausschußantrag wurde darauf hin einstimmig angenommen. Dasselbe geschah mit dem Antrag des Ausschusses über den fünften Punkt der Petition: „daß vom Königlichen Oberkonsistorium auf geeignete konfessionell kirchliche Versorgung der in der Diaspora lebenden Lutheraner überhaupt und der lutherischen Soldaten in der Pfalz insonderheit möglichst Bedacht genommen werden möge.“

 Die sämtlichen übrigen Anträge der Petition wurden nach den Anträgen des Ausschusses „zur Würdigung und sachgemäßen Erledigung vertrauensvoll in die Hände des hohen Kirchenregiments gelegt.“

 Wiewohl sich also nach dem Mitgeteilten die Synode darauf beschränkte, die Erledigung der Beschwerden Löhes vertrauensvoll in die Hände des Kirchenregiments zu legen, so hatte Löhe doch| Ursache, mit der Behandlung seiner Anträge diesmal zufriedener zu sein als mit der summarischen Abfertigung, welche die Synode von 1849 seiner damaligen Petition angedeihen ließ. Er war auch nicht so unbillig, das Erfreuliche an der Haltung der diesmaligen Generalsynode zu verkennen. „Unsere Generalsynode – schrieb er am 15. Dezember 1853 an P. Meinel in Hamburg – ist besser als wirs dachten, ausgefallen. Wir sind getreten worden, wie sichs versteht, wir sinds aber gewohnt, und wollen uns nur dann dagegen wehren, wenn die gegebenen Hoffnungen dennoch fehlschlagen.“ Eine öffentliche Entgegnung auf die von Harleß gegen die Unterzeichner der Petition erhobenen Vorwürfe unterließ er. Dagegen übernahm Pfarrer Wucherer, einer der Mitunterzeichner der Petition, die Verteidigung seiner Gesinnungsgenossen in dem damals von ihm redigierten „Sammelkasten“, einem Beiblatt des „Sonntagsblatts“. Er verwahrte sich zuerst gegen die Behauptung, daß die Unterzeichner der Petition darauf ausgegangen seien, bei „Verständigen und Unverständigen“ Unterschriften zu ihrer Eingabe zu sammeln. „Hätten wir das gewollt – sagt er – so wäre es uns ein Leichtes gewesen, die Zahl der Unterzeichner aufs doppelte zu bringen. Aber unsre Sache ist nicht von gestern her. Schon bei der Generalsynode von 1849 reichten wir eine ähnliche Eingabe ein, die dazumal eine ziemlich schnöde Behandlung erfuhr. In welche Gewissensnot wir dadurch gerieten, zu welchen Schritten wir gedrängt, wie wir durch öffentliche Aufforderungen ganzer Konferenzen zu der Schwabacher Erklärung bewogen, darauf mit der Suspension vom Amte bedroht wurden etc., das alles ist nicht im Winkel geschehen und blieb denen, die sich in dieser elenden Zeit noch um kirchliche Dinge bekümmern und noch ein Herz für die Kirche und ihr gesundes Gedeihen haben, nicht verborgen. Was Wunder, wenn sie fragten: ob bei der heurigen Generalsynode kein weiterer Schritt in dieser wichtigen Sache gethan werde? Wenn sie verlangten, daß sie wenigstens| durch Unterschrift sich auch daran beteiligen dürften?.... Eben darum konnte das auch unsre Meinung bei dieser Petition nicht sein und wars auch nicht, den Unrat, der in der Kirche ist, herauszufahren und die Wände damit zu bestreichen, um sie so vor Freund und Feind zu verunehren. Denn unsre Anliegen waren längst keine Geheimnisse mehr, und wenn die Oberbehörden das Haupt, die Gemeinden Leib und Gliedmaßen einer Landeskirche sind, so darf man wohl die Generalsynode als das Herz derselben ansehen, und so wollten wir unser innigstes Anliegen der Landeskirche ans Herz legen, daß unsre Bitten durch das Herz zum Haupte gebracht und dadurch als ein Herzensanliegen der ganzen Kirche um so kräftiger und freudiger ihrer Erfüllung entgegengeführt würden. Dabei glaubten wir die Öffentlichkeit nicht scheuen noch meiden zu müssen.... Denn wie jeden Menschen aufrichtige Buße nicht verunehrt, sondern ehrt, so kann auch einer Kirche offenes Erkenntnis und Bekenntnis ihrer Schäden und Gebrechen nur zur Ehre gereichen, insonderheit wenn sie sich willig und bereit zur Besserung zeigt.... Zur Unruhe und Unzufriedenheit oder Ungewißheit über das, was wir wirklich haben, haben wir dadurch niemand erregen wollen, noch, unseres Wissens, erregt. Die Mitunterzeichner unserer Petition haben sich vielmehr zum teil in schwierigen Verhältnissen und unter der drückendsten Entbehrung des Sakraments, wozu sie durch die beklagten Mißstände gedrängt wurden, als Kinder des Friedens und der Ruhe bewährt, als Leute, die in Geduld der Besserung harrten, mit vertrauender Erwartung zum neuen Kirchenregiment aufschauten und um Mut, Kraft und Weisheit für dasselbe beteten. Dazu sind sie auch von uns vielfach ermahnt und ermuntert worden.... Haben wir nun Schläge verdient, so gereicht es uns zum großen Troste, daß wir sie nicht um irgend einer Unwahrheit oder eines Unrechten Begehrens willen empfangen haben, sondern weil wir’s in der Form versehen zu| haben schienen; wir trösten uns dessen, daß wir dabei aus verehrtem und geliebtem Munde das Zugeständnis von „Übelständen“ vernehmen, „über welche man sich zu beklagen ein Recht hat“, und die Versicherung, „daß die Wahrung des Bekenntnisses dem Kirchenregiment eine Herzensangelegenheit ist“ und freuen uns, daß die Generalsynode doch die wichtigsten Punkte unsrer Petition dem Kirchenregiment zur Berücksichtigung einstimmig empfohlen hat. Denn wir sind überzeugt, daß, wenn mit diesen Ernst gemacht wird, die Erledigung der andern von selbst nachfolgen muß. Das gebe Gott!“





  1. Löhe tadelte an dem Agendenentwurf namentlich manche willkürliche Abweichung von der liturgischen Tradition der lutherischen Kirche. Näheres siehe Corresp.-Blatt der Ges. f. i. M. 1853 VIII und 1857, V.


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