Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Wien vor zweihundert Jahren
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 36, 37, S. 585–589, 596–600
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[585]

Wien vor zweihundert Jahren.

Ein Ruhmeskranz der alten Kaiserstadt. (Vergl. Illustration S. 588.)

Von allen Folgen des Dreißigjährigen Krieges war die schlimmste die fast vollständige Vernichtung einer obersten Staatsgewalt im deutschen Reiche. Mit teuflischer List hatte namentlich Frankreich es in den berüchtigten Friedensverhandlungen zu Osnabrück und Münster (1648) – bei welchen „das Elend des Krieges durch die Schande des Friedens womöglich noch überboten wurde“ – durchgesetzt, daß allen, auch den kleinsten deutschen Fürsten in weltlichen Dingen dieselbe Unabhängigkeit [586] vom Kaiser gesichert wurde, welcher sich in geistlichen die protestantischen Fürsten vom Papste erfreuten. An der Souveränitätssucht der Glieder erkrankte der ganze Körper des Reiches, und wenn es noch 150 Jahre dauerte, ehe es dieser verderblichsten Staatskrankheit ganz erlag und dem Namen nach von der Karte Europas verschwand, so verdankte es dies nur der unverwüstlichen Kraft des Volkes. Daß trotz aller Leiden und der tiefen Erniedrigung, in welche dasselbe versunken und niedergedrückt war, der Kämpfmuth noch in den Herzen festsaß, dafür sollte Wien sich das glänzendste Zeugniß des siebenzehnten Jahrhunderts erwerben.

Die achtziger Jahre jenes Jahrhunderts brachten über Deutschland abermals Verluste und bedrohten es mit Gefahren, die nicht nur den Bestand des Reiches in Frage stellten, sondern vor denen alle Völker westeuropäischer Bildung zittern sollten. Zwei Bollwerke pries damals der Deutsche am höchsten, denn sie bildeten den stärksten Schutz gegen die zwei mächtigsten und unversöhnlichsten Feinde Deutschlands, Straßburg gegen die Franzosen und Wien gegen die Türken. Kaiser Karl der Fünfte soll einst den Ausspruch gethan haben: „Wenn die Franzosen vor Straßburg und die Türken vor Wien stünden, so würde ich Wien fahren lassen und Straßburg retten.“ Und nun war Straßburg, ein Hauptsitz deutscher Gelehrsamkeit und Kunst und die feste Stätte eines kerndeutschen Bürgerthums, seit dem 30. September 1681 für das Reich verloren, und der Fürst Egon von Fürstenberg, welcher es an Ludwig den Vierzehnten mit verrathen, hatte als Bischof von Straßburg zu dem Verbrechen noch die Schmach gefügt, dem französischen König bei dessen „Siegereinzug“ den Gruß Simeon’s zuzurufen: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen!“ - Und nach dieses selben Königs Willen sollte jetzt Wien den Türken überliefert werden.

Ludwig der Vierzehnte, der sich als mächtigster König Zeit fühlte, strebte in der Unersättlichkeit seines Ehrgeizes nach der, trotz aller inneren Schwäche des Reichs, in den Augen der Welt doch noch glänzenden Kaiserkrone. Bei der erprobten Feilheit mancher Reichsfürsten mochte ihm die Erreichung dieses Ziels nicht gar schwer erscheinen. Wirklich bot sich auch die Gelegenheit dazu. Kaiser Ferdinand der Dritte starb am 2. April 1657, sein Sohn gleichen Namens, der bereits König von Ungarn und Böhmen und zum künftigen Kaiser gewählt war, starb noch vor ihm, und so stand der Thron des Reichs erledigt da. Sofort eilten französische Gesandte an alle Kurhöfe, um Ludwig’s Wahl zum römischen Kaiser deutscher Nation zu betreiben. Schon waren die drei geistlichen Kurfürsten am Rhein für ihn gewonnen; um so kräftiger traten die protestantischen Fürsten für die Wahl eines deutschen Oberhauptes auf. Sie fiel auf den zweiten Sohn Ferdinand’s, der als Leopold der Erste den Thron bestieg. Ludwig sann auf Rache, und da Wien nicht seine zweite Hauptstadt geworden war, so sollte fortan ein türkischer Pascha dort seinen Sitz erhalten. Seitdem hetzten französische Sendlinge insgeheim unaufhörlich Türken und Ungarn zum Krieg gegen den Kaiser, während er das Reich im Westen nie zur Ruhe kommen ließ.

Die Wahl Leopold’s zum Kaiser war, wenigstens für die protestantischen Fürsten, wenn sie auf eine dankbare Schonung für ihre Glaubensgenossen in den Ländern des Habsburgers gehofft hatten, eine verfehlte. Leopold war, ursprünglich zum Geistlichen bestimmt, von Jesuiten erzogen und blieb ihr folgsamer Zögling bis an sein Ende. Diese Glaubensrichtung und der enge Schnürleib spanischer Hofsitte, in welchem er sich bewegen mußte, konnte nur einen abgeschlossenen, unzugänglichen Menschen, keinen Mann aus ihm machen. Nicht was er that, sondern was er geschehen ließ, bildet die traurige Geschichte seiner Regierung.

Trotzalledem begünstigte ihn in seinen ersten Kämpfen gegen die Türken das Glück. Die allgemeine Türkenfurcht trieb ihm Hülfe vom Reich, selbst von Spanien und Venedig zu, und sogar Ludwig der Vierzehnte sandte ihm, um öffentlich den Schein seiner „allerchristlichsten“ Majestät zu retten, 6000 Mann unter dem Herzog von La Fouillade. Von tüchtigen Feldherren, Montecuculi, dem Grafen von Waldeck und dem General Spork geführt, errang das Heer den großen Sieg bei St. Gotthard, am 1. August 1663, welcher die Türken zwang, zu Vasvar einen Frieden auf zwanzig Jahre zu schließen.

Leider wurde dieser Sieg von der alleinherrschenden Jesuiten-Camarilla nur dazu benutzt, um die Ungarn, die man schon in ihren Rechten vielfach gekränkt hatte, nun, namentlich durch die heftigsten Verfolgungen aller Protestanten, deren Geistliche man sogar in großer Zahl gefangen nahm und auf die Galeeren verkaufte, zu offener Empörung zu zwingen. Der Uebermuth der Soldateska, welcher jede Frevelthat gegen den Landmann und „Ketzer“ freigegeben zu sein schien, zerriß das letzte Band der Pflicht. Der Adel, voran die Grafen Zriby, Nadasdi und Ragoczy, stellte sich an die Spitze einer Verschwörung.

Als diese entdeckt worden und ihre Häupter dem Blutgericht verfallen waren, stellte sich Emerich Tököly, das Haupt der ungarischen Protestanten, an die Spitze der Empörer, und sie wurden sowohl von dem französischen „Sonnenkönig“ Ludwig dem Vierzehnten (der gerade damals das Edict von Nantes aufhob und die Hugenotten vertrieb), als von dem spätern Türkenbesieger, dem Polenkönige Johann Sobieski, mit Geld und Mannschaft unterstützt. Sie bemächtigten sich der Münzstätten in Oberungarn und ließen Ducaten prägen, welche theils das Bild Ludwig’s des Vierzehnteu mit der Umschrift „Beschützer der Ungarn“, theils dasjenige Tököly’s als Fürsten der von ihm besetzten Gebiete mit der Inschrift „Für Religion und Freiheit“ trugen. Der Kaiser sah sich genötigt, mit den Insurgenten um Frieden zu verhandeln, aber die Franzosen und Türken verleiteten durch ihre Versprechungen Tököly zu so hoch gespannten Anforderungen, daß sich Alles zerschlug, und nun riefen Magyaren und Türken den Rebellenführer zum „Könige von Ungarn“ aus. Unter diesen Umständen brach das verhängnißvolle Jahr 1683 an.

Es fand Deutschland in einer sehr mißlichen Lage. Die ultramontane Politik Oesterreichs hatte dem Kaiser fast alle deutschen Fürsten entfremdet; nur Baiern stand beharrlich zu demselben. In Ungarn machte Tököly reißende Fortschritte und nahm dem Kaiser fast alles ihm noch übrig gebliebene Land weg, wozu ihn vorzüglich die fortgesetzt ihm zufließenden französischen Hülfsgelder befähigten. Die Türken aber fanden diese Constellation ihrem alten Streben, in Mitteleuropa Fuß zu fassen und das Christenthum zu vernichten, im höchsten Grade günstig. Der allmächtige Großwesir Kara Mustapha, den die Lorbeeren seiner ebenso siegreichen, als grausamen Vorgänger nicht ruhen ließen, riß den Sultan Mahommed den Vierten zum Kriege fort, rüstete mit allen Kräften und anerkannte Tököly, welcher unterdessen die Kaiserlichen mit fruchtlosen Unterhandlungen arglistig hinhielt, als Vasallenfürsten von Ungarn, dessen Reichsinsignien er ihm sandte.

Schon im October 1682 begab sich der Sultan nach Adrianopel, um gegen Oesterreich aufzubrechen, dessen Gesandten Caprara der Wesir immer noch in Sicherheit wiegte. Lange genug dauerte in Wien die Verblendung, als stände kein Krieg bevor, und als der Schleier der Täuschung endlich zerriß, da sah sich der Kaiser fast ohne Bundesgenossen, denn die westeuropäischen Staaten fanden sich genöthigt, ihre Unabhängigkeit gegen Frankreich zu wahren, das somit die Interessen der Türkei wacker vertrat; in England aber ging die Revolution gegen das Haus Stuart ihren Gang, in den auch Holland hineingezogen wurde. Baiern war der erste Staat, der dem Kaiser werkthätige Hülfe zusagte. Ueberraschender Weise aber folgte jetzt auch Polen nach, dessen König, von Ludwig dem Vierzehnten empfindlich beleidigt, mit Frankreich brach und am 31. März 1683 mit Kaiser Leopold das folgenreiche Bündniß schloß.

Jetzt wurde auch in Wien eifrig gerüstet. Es waren 80,000 Mann in Aussicht genommen. Gegen 30 neue Regimenter zu Fuß und zu Pferd wurden errichtet. Der tapfere Herzog Karl von Lothringen wurde zum Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres ernannt.[1] Eben von schwerer Krankheit genesen, traf er im April 1683 aus Innsbruck, wo er Statthalter war, in Wien ein und verbesserte sofort die bisher ungenügenden Verteidigungsmaßregeln.

Bei Kittsee wurde am 6. Mai große Heerschau über 40,000 Mann deutscher und ungarischer Truppen abgehalten, welcher der Kaiser, die Kaiserin und der Kurfürst von Baiern beiwohnten.

Unterdessen hatte sich das türkische Heer, 200,000 Mann stark, in Bewegung gesetzt. Ein Wolkenbruch bei Adrianopel, der [587] viele Leute und Pferde fortriß, wurde von Manchen als eine unglückliche Vorbedeutung aufgefaßt, nicht so aber vom Sultan und Wesir. In Belgrad trafen am 12. Mai Gesandte Tököly’s mit den Türken zusammen und übergaben ihnen den Plan zum Vormarsche nach Wien. Feierlich überreichte dann der Sultan seinem Kara Mustapha die grüne Prophetenfahne, sowie den Säbel und Schmuck etnes Seraskiers, mit der Ermahnung, gegen die Feinde des Korans tapfer zu kämpfen und damit das Paradies zu verdienen.

In Ungarn angekommen, zogen die Türken, wie billig, auch ihren Freund Tököly zum Kriegsrathe bei, in welchem er sich jedoch gegen die sofortige Belagerung Wiens und vorerst nur für die Eroberung von ganz Ungarn aussprach, nach welcher die Einnahme Wiens leicht sein würde.

Ehe wir zur Schilderung der Belagerung selbst übergehen, werfen wir einen Blick auf das uns bildlich dargestellte Wien von 1683. Bekanntlich ist das Vindobona der Römer während der Stürme der Völkerwanderung zwar aus der Geschichte verschwunden, aber schwerlich ganz verödet gewesen. Wenn aber auch der feste Ort schon unter Karl dem Großen bestand und zur Zeit der Ungarneinfälle und ihrer Niederlage auf dem Lechfelde (955) eine Rolle spielte, so kommt er mit dem Namen „Wien“ doch erst in einer Urkunde von 1137 vor. Von Bedeutung muß gleichwohl die Stadt schon gewesen sein, sonst würde, als Kaiser Friedrich der Erste dem fürstlichen Geschlechte der Babenberger die Ostmark verlieh, der erste Herzog von Oesterreich, Heinrich Jasomirgott, dieselbe nicht zur bleibenden Residenz gewählt haben. Nach dem Aussterben der Babenberger benutzte König Ottokar von Böhmen seine kurze Herrschaft (1251 bis 1276), um die Befestigungen Wiens so weit hinauszurücken, daß die Innerstadt die Gestalt erhielt, die sie mehrere Jahrhunderte lang behalten hat.

Dasjenige Bauwerk, ohne welches Niemand heutzutage sich Wien vorstellen kann, der Stephansdom, verdankt seine Entstehung erst dem vierzehnten und die Vollendung des Thurmes dem fünfzehnten Jahrhundert (1433). In derselben Zeit war die Universität gegründet und die Burg zum Hauptsitz der gesammten herzoglichen Familie erhoben worden. Die Stadt hatte das Bedürfniß, sich auszubreiten. Da aber die Innerstadt noch in ihren alten Gürtel von Wallgräben, Mauern und Thürmen eingeschnürt war, so wagte man sich vor die Mauern und baute Vorstädte, deren Bewohner in Kriegsgefahr in der Innerstadt Schutz suchten.

In der langen Friedenszeit, die seit der Thronbesteigung Rudolph’s von Habsburg Wien genoß, genügte dies, und die Vorstädte wuchsen und manches Dorf schloß sich ihnen an. Als aber in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts Wien mehrmals (dreimal vom König Matthias Corvinus von Ungarn) belagert worden war, wobei die offenen Vorstädte ungeheuren Schaden gelitten hatten, suchte man diesem Uebelstande dadurch für die Zukunft abzuhelfen, daß man nicht nur die Mauern der innern Stadt erhöhte, mit einem Wallgang versah und nette Bastionen errichtete, sondern auch die Vorstädte mit Bollwerken ausrüstete.

So glaubte man sich vor jeder Gefahr gesichert, als Wien von einem Feind bedroht wurde, gegen dessen Heeresmassen und Kriegsausrüstung die gepriesene Befestigung nicht Stand halten konnte: Sultan Soliman der Zweite zog zur Unterjochung des Abendlandes heran und stand am 23. September 1529 vor der Stadt. Jetzt zeigte es sich, daß auch für die stärkste Besatzung die Vertheidigung der Stadt und der Vorstädte eine Unmöglichkeit sei, ja daß, um die Hauptstadt mit ihren Schätzen und ihrer Bedeutung als östlicher Schlüssel zum Reich zu retten, die Vorstädte geopfert werden müßten. Und so geschah es. Der ganze Kranz der Vorstädte mit ihren Palästen und Kirchen wurde niedergebrannt, aber durch dieses außerordentliche Opfer und den heldenmüthigsten Kampf Wien und Deutschland gerettet.

Die ungeheure Größe dieser Gefahr erweckte im ganzen Reiche zum ersten Male wieder den Gemeinsinn. Die Wichtigkeit Wiens als Bollwerk war erkannt und von allen Seiten brachte man Beisteuern, um diese Stadt in eine starke Festung zu verwandeln. Den neuen Bau leitete der Ingenieur Hirschvogel. die Kosten desselben beliefen sich auf anderthalb Millionen Gulden.

Trotz dieses Aufwandes war es nicht möglich, die Angst und Sorge vor den Türken zu mildern. Beide dauerten fort im ganzen sechszehnten und in’s siebenzehnte Jahrhundert hinein und forderten zu immer neuen Opfern für die Befestigung der Kaiserstadt auf. Und als während des Dreißigjährigen Krieges die Schweden zweimal bis an die Vorstädte Wiens vorgedrungen waren und neue Stürme der Türken bevorstanden, mußte endlich der letzte Schritt zur möglichsten Sicherung der Innerstadt gethan werden. Kaiser Leopold beauftragte den Feldmarschall Marquis Gonzaga mit den neuen Befestigungsarbeiten. Dieser aber hielt es für unweigerlich nothwendig, den Raum vor allen Bastionen frei von allen Bau-Anlagen zu halten. Und so wurden denn, auf des Kaisers Befehl, alle Gebäude, welche bis auf zweihundert Schritte von der Contrescarpe hinaus standen – es waren deren zweihundertdreißig – niedergerissen und jeder Neubau dort verboten.

So entstand das später sogenannte „Glacis“ – und so zeigt uns unsere Abbildung die Festung Wien, wie sie im Jahre 1683 den letzten Ansturm der Türken erwartete.[2]

Um das Andringen der Türken nach Möglichkeit aufzuhalten, bis die Hülfsvölker aus dem Reiche und aus Polen das Heer des Kaisers verstärkt hätten, stellte Herzog Karl seine Truppen gegen Ende Mai bei Komorn auf.

Der Herzog unternahm zuerst die Belagerung von Neuhäufel, wobei die ersten Zusammenstöße mit den Türken erfolgten, gab sie jedoch bald wieder auf, um dem Hauptheere des Feindes die Spitze besser bieten zu können. Er marschirte nun gegen Raab hin, um diese Stadt gegen die heranziehenden Türken zu schützen, welche, sengend und brennend, am 1. Juli im Angesichte der Kaiserlichen erschienen. Auf beiden Ufern der Raab standen sich 34,000 Kaiserliche und 310,000 Türken gegenüber, welche letztere Zahl aber durch die Truppen Tököly’s auf mehr als 400,000 vermehrt wurde. Als aber auch sogenannte Tataren aus Süd-Rußland sich den Türken anschlossen und in der ganzen Gegend mordeten und brannten, verzichtete Herzog Karl auf einen Kampf mit so ungleichen Kräften und trat den Rückzug an. Von Türken und Tataren verfolgt, welche ihrer Gewohnheit gemäß jedes passirte Dorf niederbrannten, aber bei jeder Wendung der Deutschen zur Flucht umkehrten und nur bei Petronell am 7. Juli einigen Erfolg hatten, kamen die Kaiserlichen ohne bedeutenden Verlust in Wien an.

Das türkische Hauptheer folgte nach, ließ sich aus Ofen alles zur Belagerung der Hauptstadt Nöthige nachführen und traf am 14. Juli vor Wien ein, das sie ohne Säumen von allen Seiten einschlossen. Herzog Karl hatte in der Stadt den größten Theil seiner Infanterie zurückgelassen und war mit der Reiterei auf das linke Donau-Ufer übergegangen, um hier den endlichen Anmarsch der äußerst langsam sich bildenden Hülfsvölker zu erwarten. Der Kaiser hatte sich nach Linz und dann nach Passau in Sicherheit begeben, verfolgt von dem Spott und Hohn des Landvolks.

Rastlos behielt Herzog Karl den Entsatz des bedrängten Wien im Auge. Mit tiefem Schmerze beobachtete er aus seinem Lager die Mord- und Brandthaten der Türken in der Umgebung Wiens und die Wegschleppung ganzer Bevölkerungen in die Sklaverei. Seiner Kühnheit gelang es, Preßburg der Uebermacht der Türken und Rebellen, die es überfallen und ausgeplündert hatten, wegzunehmen und sonst noch manche Vortheile über die Feinde zu gewinnen, während er zugleich Alles tat, den Anmarsch der Bundesgenossen zu beschleunigen.

Indessen erduldete die Stadt Wien schwere Tage. Viele Einwohner hatten schon vor Ankunft der Türken sich und ihre Habe nach auswärts geflüchtet, während dagegen die Landleute in Menge hinter den Wällen der Stadt Zuflucht suchten. Die äußerste Erbitterung herrschte gegen die Jesuiten, denen man mit Recht diese Bedrängniß zur Schuld anrechnete. Commandant der Stadt war Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg, kaiserlicher Feldzeugmeister.

[588]

Kahlenberg.       Kaiserl. Burg.       Brigittenau.   Brücke üb. d. Donaucanal.       Leopoldstadt.   Praterau.
Löwelbastei. 0Burgbastei.0Kärnthnerbastei. Kärnthnerthor. Wasserkunstbastei. 0Braunbastei.0 Bastei auf der 0Biber-Ravelin.     Bei den Weißgerbern.
St. Maria de MonteSerrato u. Abtei.       Augustiner-Ravelin.       Kärnthner-Ravelin.   Hollerstauden.   Auf der Landstraße.

Auf der Wien. 0 Auf der Widen.      Wien vor der letzten Belagerung durch die Türken. Originalzeichnung von J. Kirchner.  

Textdaten
zum vorherigen Teil
<<< >>>
aus: Die Gartenlaube 1883, Heft 37, S. 596–600

[596] Mit dem Kaiser und dem gesammten Hofe hatte nahezu die Hälfte der Bevölkerung die Stadt verlassen. Jetzt erst war dem Grafen Starhemberg freie Hand gegeben, und er benutzte seine Macht so energisch und weise, daß in kurzer Zeit mit der Wohlthat strenger Ordnung auch der Muth des Selbstvertrauens in die Herzen der Wiener Einkehr hielt.

Ein Kreis von erprobten Männern stand dem Commandanten zur Seite und zur Verfügung, vor Allen Feldzeugmeister Graf von Capliers, der Ingenieur-Oberst Rimpler, der Artillerie-Oberst Werner und Allen an Muth und Thatkraft ebenbürtig der Bürgermeister Wiens, Andreas von Liebenberg. Starhemberg hielt eine Ansprache an die Bevölkerung, welche rasch die weiteste Verbreitung und Befolgung fand. Er erklärte, daß weder die Befestigung noch die Besatzung der Stadt einem Angriff der Türken gewachsen sei, daß es an Verproviantirung wie an Munition fehle und daß alle dem mit vereinten Kräften abgeholfen werden müsse. Und so geschah’s. Aus den kampffähigen Bürgern wurden Freicompagnien gebildet, der Rector Grüner pflanzte die Marienfahne auf dem Universitätsgebäude auf und die Studenten eilten zu den Waffen; alle nicht waffentragenden Bewohner, vom höchsten Adel und von der Geistlichkeit bis zu den in die Stadt geflüchteten Landleuten, arbeiteten an den Festungswerken, an der Herstellung von Wällen und Batterien, an der Erneuerung der verfaulten Palissaden, an der Bedeckung der Häuser mit Dünger und Erde. Um Allen ein Beispiel zu geben, belud der Bürgermeister sich den ersten Karren und fuhr ihn zur befohlenen Stelle. Niemand weigerte sich fortan eines Dienstes, eines Wagnisses, eines Opfers. Soweit es noch möglich war, mußten die Landleute ihr Vieh in die Stadt retten; zu rechter Zeit kam noch ein Munitionstransport die Donau herauf und die letzte noch sehnlich erwartete Infanterie hatte die Thore erreicht, die nun zum großen Theil vermauert wurden. Die Bevölkerung der Stadt betrug in diesem Augenblick noch 60,000 Seelen; darunter 16,000 Mann Besatzung, nämlich 11,000 Mann Soldaten und etwa 5000 Mann Bürgermiliz, zu welcher namentlich die Studenten und die Handwerker gehörten. Und abermals mußten nun die so schönen, heiteren und reichen Vorstädte (bis auf die Leopoldsvorstadt, welche die Türken selbst später zerstörten) niedergebrannt werden, um nicht dem Feind als sichere Annäherungsmittel an die Stadt zu dienen. Augenzeugen erzählten noch lange: der Brand von Troja könne nicht so schrecklich gewesen sein. Es war Unglaubliches für die Vertheidigung gethan und geopfert worden, aber Wien stand gerüstet und kampfbereit da, als am 14. Juli das Türkenheer, dessen Spur die Flammen der brennenden Dörfer anzeigten, die Kaiserstadt umschloß.

Ueber 25,000 Zelte umfaßte das feindliche Lager; in der Mitte desselben glänzte der prächtige Zeltpalast Kara Mustapha’s, und die Zelte der vielen Paschas standen diesem an Pracht nicht viel nach. Die Stärke des Belagerungsheeres, wohl 180,000 Mann, erfüllte den Großwesir mit solcher Zuversicht, daß er eine Befestigung seines Lagers für überflüssig hielt. Da den Türken die Belagerungskunst fremd war, so leiteten ungarische und französische Ingenieure ihre gegen die Stadt gerichteten Arbeiten. Ihre Laufgräben waren auf 300 Schritte vom Glacis entfernt, der Kärnthner-, Burg-, Löwel- und Melkerbastei gegenüber angelegt und schon am 16. Juli nur noch 80 bis 90 Schritte von der Spitze der Ravelins vor dem Burgthor entfernt. Gefangene Christen wurden dabei durch Bastonaden zur Arbeit gezwungen. Was Wien von den Barbaren zu erwarten hatte, wenn sie siegen würden, bewies schon am 15. Juli die Beschießung des Fleckens Perchtoldsdorf, der dabei in Feuer aufging; als die Einwohner sich gegen Zusicherung ihres Lebens ergaben, wurden sie sammt und sonders niedergehauen. Ja, der befehligende Pascha tödtete eigenhändig die Jungfrau, die ihm die Schlüssel des Ortes übergeben wollte!

Aber selbst die heftigste Beschießung und Stürmung der Stadt vermochte nicht den Muth der Vertheidiger zu schwächen. Und doch drohten ihnen Gefahren im Innern, an welche sie im Kampfeifer nicht gedacht hatten. Die größte Gefahr für Alle war

[597]

Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg.
König Johann Sobieski von Polen.   Herzog Karl V. (IV.) von Lothringen.

Die Befreier Wiens.
Originalzeichnung von A. Greil.

[598] offenbar die mehrmalige Verwundung Starhemberg’s. Wäre der Mann, Kopf und Herz der Vertheidigung, gefallen, wie wäre das Ende geworden! Eine andere Gefahr erschien mit einer so hartnäckigen Ruhrkrankheit, daß durch sie die an sich schwache Zahl der Kämpfer noch verringert wurde. In dieser Noth erwarb sich der Bischof Kollonitz hohes Verdienst an den Krankenbetten. Auch eine Art Anerkennung dafür ist der Schwur Mustapha’s, ihn, wenn er in seine Hände falle, zu enthaupten und seinen Kopf dem Sultan zu senden. Später sendete man dem Bischof den Kopf des Mustapha, der in der Wiener historischen Ausstellung zur Erinnerung an den Sieg von 1683 zu sehen war; ebenso das Fernrohr, mittels dessen Starhemberg auf dem Stephansthurm die Bewegungen des Feindes zu beobachten pflegte.

Wie immer, wenn ein großes Schicksal die Menschen erhebt, fehlte es auch hier nicht an großherzigen und aufopfernden Zügen.

Nachdem ein Kürassier, welcher durch die Donau schwamm, der Lieutenant Michael Gregorowitsch, welcher bei den Türken gefangen gewesen war, und Jacob Heider, der Diener des im türkischen Lager gefangen gehaltenen kaiserlichen Residenten Freiherrn Kuniz, mit ihren Briefen glücklich in die Stadt gekommen, dann aber mehrere Couriere, die man aus der Stadt an den Herzog von Lotringen gesandt, nicht mehr zurückgekehrt waren, unternahm es der dreiundvierzigjährige Bürger und Kaufmann Georg Franz Koltschitzky, ein geborener Serbe, der lange im Orient gewesen und geläufig türkisch sprach, am 13. August Abends freiwillig in türkischer Kleidung und begleitet von seinem Diener Michailowitsch das Lager zu durchschreiten, er kam über die Donau und brachte dem Herzog seine Briefe. Auf dem Rückwege, am 17. August, wurden sie bei dem Versuche, wieder in die Stadt zu gelangen, von den Türken überrascht, konnten aber noch rechtzeitig die Palissaden übersteigen. Da Koltschitzky erkannt war, durfte er den gefährlichen Gang nicht wieder wagen; aber Michailowitsch unternahm ihn noch dreimal, scheint aber doch bei dem letzten Wagstück umgekommen zu sein, denn man hat später nichts mehr von ihm gehört.

Wenn die Wiener ihre Mauern und mit ihnen ihre Lieben und ihr Leben, trotz der furchtbarsten Noth und steigenden Drangsal noch mit der Aussicht auf Erlösung vertheidigten, so geschah auf dem platten Lande der Kampf gegen die blut- und beutegierigen Bedränger mit dem Mute der Verzweiflung. Nur im Norden der Donau hatte das Volk des offenen Landes in der Armee des Herzogs von Lothringen einigen Schutz; im Süden, wohin jetzt kein Soldat kam, mußten Bürger, Bauern und Mönche ihre Städte, Dörfer und Klöster elligst durch Verhaue wenigstens gegen die Streifzüge mordender und plündernder Horden zu decken suchen, und oft thaten sie es nicht ohne Erfolg. Noch häufiger aber wurden sie die Opfer der entmenschten Asiaten. Nicht weniger als 30,000 Landbewohner Oesterreichs sind damals von Türken und Tataren ohne Kampf niedergemacht und 40,000 in die Gefangenschaft geschleppt worden.

Bis zum 1. September waren die sehr kunstvoll angelegten türkischen Laufgräben ohne Erfolg gewesen, und die mit höllischer Musik und betäubendem Allahgeschrei vollführten Stürme mit fast übermenschlicher Tapferkeit abgewiesen worden. Am 3. September aber fiel der dreiundzwanzig Tage lang heldenmüthig verteidigte Burg-Ravelin in die Hände der Janitscharen, die freilich bei dieser Arbeit Tausende ihrer Mordbrüder verloren.

Nun war die Gefahr zu erschreckender Höhe gestiegen, die Gräben und Palissaden mußten in jener Gegend in die Straßen der Stadt verlegt und konnten offenbar nicht mehr lange gehalten werden, wenn nicht baldigst Hülfe herannahte. Am 4. September explodirte eine Mine an der Spitze der Burgbastion mit solchem Krache, daß die halbe Stadt erzitterte und Tausende von Feinden mit wildem Jubelgeheul antworteten. Die Türken kletterten bereits über den Schutt der Mauer hinauf, des Geschoßhagels nicht achtend, der auf sie niederprasselte; es wurde anderthalb Stunden verzweiflungsvoll gerungen und schon wehten Roßschweife auf der Bastion. Da erschien Graf Starhemberg selbst mit seinem ganzen Stabe an der Spitze der Reservetruppen und stürzte die bereits siegestrunkenen Barbaren mit gewaltiger Hünenkraft über die Mauertrümmer hinab in den Graben. Tag und Nacht arbeiteten nun alle Hände, Männer und Weiber, an der Ausfüllung der Bresche. Aber schon am 6. September führte eine neue springende Hauptmine an derselben Stelle einen neuen Sturm herbei, und auch dieser wurde glücklich abgeschlagen und hat 1500 Türken und nur 100 Christen das Leben gekostet.

Noch nie hatten die Türken so wüthend die Stadt beschossen und bestürmt, wie an diesen und den noch übrigen Tagen der Belagerung; denn Zweierlei war ihnen klar geworden: einmal, daß sich die Stadt nicht mehr lange halten könne, und zweitens, daß der Entsatz herannahe, und daß sie diesem zuvorkommen müßten, wenn sie Wiens Herr werden wollten.

Jetzt war der Augenblick der höchsten Noth für die edle Stadt gekommen! Und gerade in diesen schwersten Tagen mußte (am 10. September) der Tod den Mann rauben, welcher neben dem Commandanten von unschätzbarem Werth, ein unersetzlicher Verlust für Alle war, den Bürgermeister Liebenberg! Er sollte die Befreiung seiner Stadt nicht mit erleben!

Da nahte aber auch die Hülfe und Rettung.

Schon am 11. September bemerke man von den Thürmen der Stadt aus im Lager ein geschäftiges Hin- und Herrennen; Pferde wurden gesattelt, Kameele bepackt und Reiter zusammengezogen. Die Türken hatten sichere Kunde erhalten von dem Herannahen des Entsatzheeres, und des Wütherichs Kara Mustapha Hochmuth befand sich am Vorabend des jähen Falles.

Herzog Karl von Lothringen hatte am 24. August bei Bisamberg eine Abtheilung der Türken glänzend geschlagen, ein Ereigniß, das die Stadt, in welche, trotz aller Absperrung, diese Nachricht gedrungen war, als den ersten Hoffnungsstrahl mit Jubel begrüßt hatte. Und nun rückten, Fahnen um Fahnen, die Entsatztruppen an. Schon vor jenem Treffen waren die Baiern angekommen, geführt vom Kurfürsten Max Emanuel und dem F.-M.-L. Freiherrn von Degenfeld, und bald nach ihnen die Salzburger, Württemberger und Franken unter dem Reichsmarschall Fürsten von Waldeck. Ohne einen besonderen Vertrag mit dem Kaiser abzuwarten, zogen die Sachsen unter dem Kurfürsten Johann Georg dem Dritten heran und waren am 5. September in der Nähe Wiens. Die Polen, deren Anmarsch durch die Schwerfälligkeit ihrer Regierung und französische Ränke verzögert war, standen am 30. August in Nikolsburg, und am 31. hatte der ritterliche König Johann Sobieski die erste Zusammenkunft mit Herzog Karl bei Oberhellabrunn. Am 3. September schlug der König sein Hauptquartier bei Tulln an der Donau auf. Es folgten schließlich noch kaiserliche Truppen, die zerstreut im Reiche und den Erbländern gestanden hatten. Und nun übernahm den Oberbefehl der König von Polen.

Das Heer der Befreier überschritt die Donau und lagerte auf der Ebene bei Tulln. Es teilte sich in das Corps de bataille unter dem Kurfürsten von Baiern und dem Fürsten von Waldeck, den linken Flügel unter dem Herzog Karl von Lothringen und dem Kurfürsten von Sachsen, und den rechten Flügel unter dem polnischen Großfeldherrn Fürsten Jablonowski. Die Angaben über die Stärke des Entsatzheeres schwanken zwischen 65,000 und 83,000 Mann. Bei demselben befand sich als junger Officier der spätere Kriegsheld Prinz Eugen von Savoyen.

Kara Mustapha hatte dem Entsatzheere, das nun über den Kahlenberg heranzog, noch über 100,000 Mann entgegenzustellen, nachdem er über 30,000 Mann in den Laufgräben vor Wien zurückgelassen hatte; es waren Türken, das heißt Orientalen verschiedener Abkunft aus Europa, Asien und Afrika, neben ihnen Tataren, Ungarn, Siebenbürger, Walachen, Moldauer als Vasallenheerhaufen; Tököly befand sich mit etwa 30,000 Mann zu ihrer Unterstützung in Ungarn.

Kara Mustapha teilte sein Heer ebenfalls in drei Theile; das Mitteltreffen führte er selbst, den linken Flügel Pascha Ibrahim von Ofen, den rechten Pascha Kara Mehemed von Diarbekir, und so erwartete er seinen Gegner auf den Höhen zwischen Nußdorf und Dornbach.

Endlich erschien der 12. September, der Tag der Entscheidung. Noch am Tage zuvor waren die Truppen, nach Möglichkeit, in ihrer Ausstellung vorgedrungen, aber mit unsäglicher Mühe, denn ein anhaltender Regen hatte die Wege grundlos gemacht und die Waldwasser waren angeschwollen. Dennoch gelang es fünf sächsischen Bataillonen den Gipfel des Kahlenbergs zu ersteigen und, durch Oesterreicher verstärkt, bei der Leopolds-Capelle drei Geschütze aufzustellen. Diese drei sächsischen Kanonen brachten der Stadt den ersten Gruß der nun sicheren Hülfe, und gewiß ist nicht oft ein Kanonendonner mit solchem Jubel begrüßt worden, wie dort von den Tausenden in höchster Noth.

[599] Das Entsatzheer drang so weit vor, daß der linke Flügel den Leopolds-Berg, das Centrum den Hendel- und Langenberg und der rechte Flügel den Hermanns, Kobel- und Sauberg besetzten. In dieser Stellung, welche der König um drei Uhr noch einmal beritt, erwartete man den großen Morgen.

Wie hatte der Türke Kara Mustapha sich für den Tag vorbereitet? Echt türkisch! Derselbe sah der allmählichen Anhäufung und Entwickelung der feindlichen Streitmacht mit dem schönsten Türkenphlegma zu. Nur zu einem Befehle raffte er sich auf: im Lager bei Hernals wurden 30,000 christliche Gefangene jeden Alters und Geschlechts bewacht, um in die Sclaverei abgeführt zu werden. Da aber die Abführung derselben jetzt unmöglich und deren Bewachung lästig war, so erhielt der Pascha von Temesvar den Befehl, sie alle niederzumetzeln! Das geschah am 8. September. – Am folgenden Tage entschloß er sich, Wien noch eiligst mit Sturm zu nehmen, zog es aber dann vor, auf der Höhe von Döbling und Währing die noch heute an ihn erinnernde „Türkenschanze“ zu bauen, und nachdem er am 11. September noch die „zu spät“ gekommene Besetzung des Kahlenbergs versucht hatte, kam er endlich zu dem Entschlusse, am 12. September das Entsatzheer zu vernichten.

„Morgenroth, leuchtest mir zum frühen Tod“. Als der Tag erwachte, erkannte der Scharfblick des Königs die Schwächen der türkischen Aufstellung, die von Nußdorf bis Dornbach sich hinzog. Ein Kriegsrath mit den übrigen fürstlichen Befehlshabern führte zu dem Entschlusse, die Schlacht noch heute zu wagen. Nachdem man gemeinsam in der Klosterkirche das Abendmahl genossen, eilten alle Führer zu ihren Truppen – es war sechs Uhr geworden – und gleich darauf donnerten die Kanonenschüsse in’s Donauthal, die das verabredete Zeichen zum Aufbruche gaben.

Der Kampf des Tages war sehr schwer, denn jetzt war an die Türken die Reihe gekommen, um ihre Selbsterhaltung mit dem Muth, ja mit der Wuth der Verzweiflung zu kämpfen.

Der Kampf begann zwischen acht und neun Uhr auf dem linken Flügel gegen die Stellung der Türken am Nußberge unweit Nußdorf. Osman Oglu, der hier befehligte, hatte von Sachsen und Oesterreichern sich von diesem wichtigen Punkte verdrängen lassen und setzte nun Alles daran, wieder Herr desselben zu werden. Trotz aller Kampftüchtigkeit stieg von Augenblick zu Augenblick die Gefahr des Erliegens – dem die nahestehende Reichsinfanterie des Fürsten von Waldeck ruhig zusah –, da ließ der Prinz von Baden sächsische Dragoner absitzen und mit zwei Kanonen vordringen. Das Gefecht stand wieder, aber erst als noch vier Dragonerdivisionen und schließlich auch die gesammte sächsische Infanterie herbeigekommen, wurden die Höhen von Nußdorf gestürmt, und nach einem abermaligen wüthenden Widerstand bei Döbling fielen Nußdorf und Heiligenstadt in die Gewalt des siegreichen linken Flügels.

Das Centrum und der rechte Flügel hatten so bedeutende Terrainschwierigkeiten zu überwinden, daß sie nur langsam vordrangen. Erst gegen Mittag rückte der König an der Spitze seiner Reiterei und unter dem Schutze von vier Bataillonen des Centrums, deren Geschütz aus dem Galizinberge aufgestellt war, unweit Dornbach aus dem Walde hervor, während das Centrum die Höhen von Grinzing (bei Patzelsdorf) besetzte und mit dem rechten Flügel Fühlung gewann. Vom Siege des linken Flügels begeistert, brannten die Krieger vor Kampfbegierde, und bald sollten sie diese Begierde in Uebermaß zu stillen haben. Denn Kara Mustapha zog den Kern seiner Truppen zusammen und entfaltete die grüne Fahne des Propheten. Und als nun der König mit seiner Reiterei sich mitten auf den feindlichen Heerhaufen warf, stieß er auf unbezwinglichen Widerstand. Ein Theil seiner Reiterei wurde aufgerieben, ein Theil floh sogar, und der Großwesir jubelte schon Sieg!

Da kam die Rettung durch den Herzog Karl. Er sah die Gefahr und forderte den Kurfürsten von Sachsen zu einem Generalangriff auf den rechten feindlichen Flügel auf; beide erstürmten die große Batterie bei Döbling und eine Redoute bei Währing, die Sachsen, als die ersten bei den Batterien, richteten die Kanonen gegen den Feind und fort stürzten die aufgelösten Massen in regelloser Flucht erst in ihr altes Lager und dann weiter ohne Widerstand und Aufenthalt.

Durch diesen Angriff war der Großwesir gezwungen worden, vom König abzulassen. Dieser sammelte, ordnete und ermuthigte indeß seine Reiterschaaren, und als er nun abermals bei Dornbach hervorbrach, ergriff die Türken der panische Schrecken. Vergeblich erhob der Großwesir selbst die heilige Fahne und beschwor seine Paschas zu neuem Kampfe, vergeblich fiel er sogar dem Khan der Tataren zu Füßen, seine Rettung von ihm erflehend – Alles vergebens! Um sechs Uhr war die Schlacht zu Ende. Schon um fünf Uhr hatte Prinz Ludwig von Baden mit sächsischen und österreichischen Dragonern vor dem Stubenthor sich mit den Wiener Ausfalltruppen Starhembergs vereinigt. Da gab es wohl ein Händedrücken wie nicht oft in der Welt.

In das Türkenlager war zuerst der Herzog Karl mit den siegreichen Sachsen eingezogen; später kam der König mit den Polen und endlich die übrigen Truppen. Die Beute war außerordentlich groß, fiel aber zu drei Viertel in die Hände der Polen. Der werthvollste Beutetheil waren 500 Kinder, deren Eltern in Gefangenschaft geschleppt oder gemordet waren. Sie alle nahm der Bischof in seinen Schutz.

Dieser Tag hatte den Türken gegen 15,000 Mann gekostet; der Glanz der Janitscharen war für immer verblichen. Das christliche Heer verlor gegen 5000 Mann, darunter 1200 Polen.

Am 13. September hielten die Sieger ihren Einzug in dem befreiten Wien. Am 14. gab der Kaiser sich diese Ehre. Am 15. fand die Zusammenkunft des Kaisers mit dem König statt. Es war bei Schwechat, wo zum Andenken an den großen Augenblick eine Pyramide errichtet worden ist. Schade, daß man nicht diesen Stein die Frage des Kaisers eingegraben hat:

„Wie soll ich den König empfangen?“
Und die Antwort des Herzogs:
„Majestät, mit offenen Armen, denn er hat das Reich gerettet!“

Wir wollen den kaiserlichen Undank, über den sich so Mancher zu beklagen hatte, als schwarze Wäsche der Geschichte, hier bei Seite liegen lassen. Manchen ist ja doch ihr Lohn geworden. So wurde Starhemberg zum Feldmarschall, Bischof Kollonitz vom Papste zum Cardinal ernannt, und der mutige Koltschitzky erhielt von der Stadt die Erlaubniß, aus den im Lager erbeuteten Vorräthen von Kaffee das erste Kaffeehaus in Wien zu errichten.

Wir wollen noch einen Blick auf die vier Haupthelden des weltgeschichtlichen Ereignisses werfen, von welchen leider nur drei auf unserer Illustration Platz gefunden haben. Ohne alle Frage verdankt man den großen Doppelsieg der Vertheidigung und der Entsetzung Wiens, nächst der Tapferkeit und dem Opfermuth der Truppen und der Bürger, dem Feldherrntalente des Königs von Polen und des Herzogs von Lothringen, der Kriegserfahrenheit und dem Muthe des Kurfürsten von Sachsen und den ritterlichen und männlichen Eigenschaften des Grafen von Starhemberg.

Der König stehe auch hier obenan.

Wie kam es, daß gerade der Polenkönig zum Oberbefehlshaber des Entsatzheeres ernannt wurde? War dies etwa eine Courtoisie, welche man dem Oberhaupte eines verbündeten Staates erweisen zu müssen glaubte? Keineswegs! Die Auszeichnung galt einzig und allein dem Manne, dessen kriegerische Thaten schon lange vor der Schlacht bei Wien die Bewunderung der damaligen Welt hervorgerufen hatten.

An der Ostgrenze Polens begann er seine Laufbahn als einfacher Edelmann, und in jenen blutgetränkten Ländern, in denen nie der Friede herrschte, sondern ein fast ununterbrochener Kampf mit der anwachsenden Macht der Russen, mit den rebellischen Kosaken und dem anstürmenden Halbmond tobte, führte ihn der Gott der Schlachten bis zu den höchsten Staffeln des Ruhmes und Ansehens, die je ein Bürger der adeligen Republik erlangen konnte. Nicht allein den Feldherrnstab, auch die Krone selbst legte die Fortuna in seinen Tornister.

Als im Jahre 1672 der polnische Thron durch den Tod des Königs Michael „verwaist“ war, stand Sobieski als Kronfeldherr im Felde, um den Türken ihre Eroberungen im Osten des Reiches zu entreißen. Bei Chocim griff er den Seraskier Hussein an und errang mit 30,000 Mann einen glänzenden Sieg über die doppelte Macht des Feindes. Jener Morgen des 11. November war einer der glorreichsten Tage seines Lebens, und wenn man die Thaten für sich selbst und nicht nach ihrer geschichtlichen Bedeutung beurtheilen will, ruhmreicher als der 12. September 1683, an dem er mit anderen Feldherrn sich in den Lorbeer theilen mußte. Der Schnee fiel in dichten Flocken, als Sobieski mit gezücktem Säbel seine Infanterie zum Sturm gegen die Wälle des [600] türkischen Lagers führte, mit eigner Hand die grüne Hauptfahne Hussein’s eroberte und nach dreistündigem Kampfe das osmanische Heer vernichtete.

Die Erinnerung an diesen Sieg bewirkte es wohl, daß Sobieski am 21. Mai 1674 auf dem Wahlfelde zum König von Polen ausgerufen wurde. Und kaum hatte er den Thron bestiegen, da mußte er bald um Polens Dasein kämpfen, denn Ibrahim Pascha war mit 150,000 Mann vor den Thoren Lembergs erschienen. Da raffte König Johann ein Häuflein seiner erprobten Krieger, das kaum fünftausend Mann stark war, zusammen; mit diesem wagte er den furchtbaren Kampf gegen die dreißigfache Uebermacht und schlug den Feind in wilde Flucht. Und später hielt er mit wenigen Tausenden wochenlang das Heer des Seraskier Ibrahim Scheitan (200,000 Mann) auf und verrichtete Wunder der Tapferkeit.

So gelang es ihm, mit geringen Streitkräften übermächtige Feinde an der Ostgrenze seines Reiches zu bezwingen, und so ging auch der Schrecken seines Namens her vor den Fahnen der polnischen Heere. Aus diesen Gründen war gerade sein Erscheinen vor Wien von großer Wichtigkeit und das ihm anvertraute Commando durchaus gerechtfertigt.

Der diesem königlichen Helden an Verdienst und Würde zunächst stehende ist Herzog Karl V. (IV.)[3] von Lothringen. Das Leben dieses Mannes führt uns in die Intriguen ein, durch welche der französische Hof das Herzogthum Lothringen vom deutschen Reiche losriß.

Karl’s Vater, Franz, war der Bruder jenes Karl IV. (III.), welcher sein ganzes Leben lang mit der französischen List und Herrschsucht um die Selbstständigkeit seines Herzogthums im Kampfe stand. Aus seinem Lande vertrieben, flehte er die Kaiserlichen und Brandenburger an, vereinigt „die Grenzländer des Reiches“ zu schützen. Niemand erhörte ihn, und so ist er 1674 zu Albach bei Bernkastel aus Zorn und Kummer gestorben.

Diesem Oheim Karl’s war nämlich die Tochter seines Oheims Heinrich’s des Zweiten, Nicoläa, zur Gemahlin aufgedrungen worden; die Ehe war unglücklich und blieb kinderlos. Das aber war ja gerade die französische Absicht und eben deshalb war der jüngere Bruder desselben, Franz, zum Cardinal ernannt worden, damit auch er nicht durch Nachkommenschaft gefährlich werde. Die Schwester der Nicoläa, Claudia, sollte einen jüngeren Bruder Ludwig’s des Dreizehnten heirathen und dieser dann der einzige Erbe Lothringens werden. Als Franz von diesem Plane Kunde erhielt, entledigte er sich eiligst des Cardinalshutes und ließ sich mit der ihm längst gewogenen Claudia selbst heimlich vermählen. Das Geheimniß hielt sich nicht lange, und der französische Befehlshaber von Nancy wurde angewiesen, das junge Paar gefangen zu nehmen und zu trennen. Claudia aber schlich sich als Page verkleidet zu ihrem Gemahl, und Beiden gelang es, aus der Stadt und der französischen Gewalt zu entfliehen. „Damals fühlte Lothringen noch ganz deutsch“. Und da der Papst später die romantische Ehe anerkannte, so wurde der Stamm der Lothringer am Leben erhalten, um als Erbe der Habsburger den deutschen Kaiserthron zu besteigen.

Der zweite Sohn aus dieser romantischen Ehe war der Herzog Karl V. (IV.), dessen Kriegsthaten wir im Kampfe vor Wien bewunderten. Er war 1463 in Wien geboren. Sein Oheim Karl hatte ihn zum Nachfolger im Herzogthume bestimmt, mußte ihm aber schleunigst die Reise nach Nancy verbieten, als er von Paris die Kunde erhalten hatte, daß Prinz Karl sich zu einer verletzenden Aeußerung gegen Ludwig den Vierzehnten vergessen habe, die diesem zugetragen worden sei. Karl reiste sofort nach Paris, um sich vor dem König selbst zu rechtfertigen, erhielt aber dort nur den Befehl, Frankreich binnen vierzehn Tagen zu verlassen. Er kehrte nach Wien zurück und zeichnete sich in den damaligen Türkenkriegen aus. Als wieder einmal die polnische Krone feil war, trat er als Bewerber um dieselbe auf, mußte aber dem Johann Sobieski weichen; ihr gemeinsamer Sieg vor Wien machte Beide zu Freunden. Im Jahre 1674 starb sein Oheim und hinterließ ihm das Recht der Erbfolge in Lothringen, jedoch unter der von Ludwig dem Vierzehnten befohlenen Bedingung, daß das Herzogthum nach seinem Tod an Frankreich falle. Als Karl gegen diese, alle Reichs- und Familiengesetze verhöhnende Bedingung protestirte, erhielt er vom Könige die Antwort: Er habe die Herablassung gehabt, Lothringen als eine freie Gabe anzunehmen, und die lothringischen Prinzen reichlich dadurch belohnt, daß er sie für Prinzen von (königlich französischem) Geblüt anerkannt habe.

Herzog Karl schien dieses „Geblüt“ nicht so hoch anzuschlagen, er blieb lieber kaiserlicher General, vermählte sich mit der Schwester des Kaisers, der verwittweten Königin Eleonora von Polen, und ward Vater von vier Söhnen, deren ältester, Leopold, im Frieden von Ryswick Lothringen zurückerhielt, während der zweite, Karl Leopold, Kurfürst von Trier wurde. Seine fernere Feldherrnlaufbahn, die ausgefüllt ist mit Kämpfen gegen die Türken und Franzosen, können wir hier nicht verfolgen. Sie sind unvergängliches Eigenthum der Geschichte. Herzog Karl starb 1690; man sagt, er sei durch seinen Kammerdiener mittelst einer vergifteten Perrücke getödtet worden,

Von dem Kurfürsten Johann Georg dem Dritten von Sachsen, dem vom Kaiser Leopold auch mit Undank belohnten dritten Feldherrn vor Wien, können wir hier nur erwähnen, daß leider sein Kriegsheldenthum kein Glück für sein Land war. Aber sein patriotischer Sinn, der ihm gegen beide Reichsfeinde, Türken und Franzosen, das Schwert in die Hand drückte, verdient dankbare Anerkennung. Wären alle übrigen deutschen Fürsten Seinesgleichen an Vaterlandsehrgefühl gewesen, so würde die Schmach am Rhein nicht so hoch gestiegen, würde die Verwüstung der Pfalz nicht möglich geworden sein. Er starb, als Führer einer Rheinarmee, von der im Heere ausgebrochenen Seuche ergriffen, am 12. September 1691 in Tübingen.

Der dritte der auf unserer Illustration Dargestellten steht mit Recht im Bilde an der Spitze derselben: Ernst Rüdiger, Graf von Starhemberg, der Held und Mann, welcher den Triumph der Uebrigen durch die Erhaltung Wiens erst recht erhöht hat. Graf Ernst Rüdiger war zu Graz in Steiermark 1635 geboren, Sohn des damaligen Statthalters von Niederösterreich. Er trat in früher Jugend unter die Fahne und fand in Montecuculi seinen Lehrmeister, und zwar in einer Schule, welcher die Praxis nicht fehlte, denn die Kämpfe zwischen Türken und Ungarn waren sein Lehrfeld, aber zugleich seine Ehrenstaffel, auf welcher er in seinem fünfundvierzigsten Jahre die Stufe des Feldzeugmeisters erreicht hatte. Sein Sieg über Tököly in Mähren, 1680, veranlaßte den Kaiser, ihm beim Anzug der Türken 1683 die Vertheidigung Wiens anzuvertrauen.

Wie er dieses Vertrauen gerechtfertigt, ist in dem vorliegenden Artikel dargetan, und gegen ihn war der Kaiser gerecht, indem er ihm einen kostbaren Ring und 100,000 Thaler spendete, ihm ferner den Feldmarschallstab, die Würde eines Staats- und Conferenzministers und endlich das Recht verlieh, fortan den Stephansthurm in seinem Wappen zu führen. Die Stadt Wien erklärte das gräflich Starhembergische Haus auf der Wieden für abgabenfrei, der Papst beehrte ihn mit einem Breve, der König von Spanien mit dem Orden des goldenen Vließes.

Im Verein mit dem König von Polen setzte er den Krieg gegen die Türken und Ungarn fort, ward aber vor Ofen so schwer verwundet, daß er den Heerbefehl aufgeben mußte. Er kehrte nach Wien zurück und widmete sich fortan als Hofkriegsraths Präsident mit Vorliebe der besseren Organisation des Heeres, wozu er an dem Herzog Karl von Lothringen und dem Prinzen Eugen von Savoyen treue und gediegene Helfer fand. Er starb am 4. Januar 1701.

Als Nachtrag und Abschluß unseres Artikels möge man noch das Folgende gelten lassen. In ganz Europa fand der Sieg über die Türken freudigen Wiederhall, die Türken aber fühlten, daß von diesem Tage an ihr Halbmond im Abnehmen begriffen war. Bezeichnend für sie ist, daß Kara Mustapha den unschuldigen greisen Ibrahim Pascha erdrosseln ließ und selbst wieder auf Befehl des Sultans in Belgrad erdrosselt wurde. Die Verfolgung der fliehenden Türken aber wurde binnen wenigen Jahren zur Rückeroberung von ganz Ungarn aus den Händen der Asiaten und zum Wiedergewinn des Landes für Europa. Tököly, der im türkischen Heerlager blieb, starb als Vasall des Sultans in Kleinasien.


  1. Ueber König Joh. Sobieski, Herzog Karl und Graf Starhemberg fügen wir Ausführlicheres dem Schlusse dieses Artikels an.
    D. Red.
  2. Auf unserer Abbildung sehen wir die Bastionen und Ravelins von der Löwelbastei bis zum Biber–Ravelin. Um die Uebersicht der Befestigungen zu vervollständigen, führen wir hier noch als auf der andern Stadtseite zwischen den beiden genannten Werken liegend an, von der Löwelbastion beginnend: die Melkerbastei, das Schottenthor und das Schotten Ravelin, die Elendbastei, das Neuthor und die Neuthorbastei, das Wasser–Ravelin, die Gonzagische Bastei, die Biberbastei und das Judenschänzel, das wieder an das Biber–Ravelin anschließt.
  3. Diese doppelte Bezifferung der Lothringer Herzöge des Namens Karl rührt daher, daß der Sohn des Königs Ludwig IV. von Frankreich, welcher, 953 geboren, von Kaiser Otto II. mit dem Herzogthume Niederlothringen belehnt worden war, als Karl I. mitgezählt wird. Er starb 993. Von der zweiten Lothringer Herzogsreihe wird dann Karl, der Sohn des Herzogs Johann I., als Karl II. (I.) bezeichnet.