Wie wurde Theodor Körner von Leipzig aus gerettet?

Textdaten
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Autor: Wilhelm Starke
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Titel: Wie wurde Theodor Körner von Leipzig aus gerettet?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 384
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[384] Wie wurde Theodor Körner von Leipzig aus gerettet? Die Biographien von Theodor Körner, welche dem Verfasser der nachstehenden Erzählung bekannt sind, erwähnen nur im Allgemeinen, daß derselbe von Leipzig aus durch treue Freunde nach Carlsbad gebracht worden sei. Ein Beweis, daß über das Wie noch nichts in Erfahrung gebracht worden ist. Jetzt nach funfzig Jahren erregt aber Alles, was Theodor Körner betrifft, da sein Todestag nahe ist, ein besonderes Interesse, und so glaube ich, daß diese einfache Erzählung von ihm einigen Beifall finden wird.

Es war am 28. Juni 1813 Vormittags,[1] an einem schönen, warmen Tage, als ich, damals ein junger Mann und Besitzer eines literarischen Geschäfts in Chemnitz, zu einer befreundeten Dame gerufen wurde. Sie theilte mir mit, daß ihrem Manne, welcher aber verreist sei, von einem Freunde in Leipzig ein preußischer Officier, Namens Körner, der in dem Ueberfall bei Kitzen verwundet worden, empfohlen wäre, um ihn sicher nach Carlsbad zu bringen. Sie bat mich um Rath, wie dies auszuführen wäre, und erwähnte, daß er sich in Carlsbad unter dem Schutze der Herzogin von Kurland und ihrer Schwester, der Frau von der Recke, welche dort verweilten und mit seinem elterlichen Hause befreundet wären, begeben wolle. Obgleich eine Reise bis an die Grenze nicht ohne Gefahr war, da französische Marodeurs umherstreiften, so entschloß ich mich doch, ihn durch meine Begleitung sicher nach Annaberg, der größeren Strecke des Weges, zu bringen und dazu Extrapost in meinem Namen zu bestellen und dort das Erforderliche zu seiner weitern sichern Reise zu besorgen, welches meine Freundin mit Dank annahm.

Im Nebenzimmer fand ich einen großen, schlanken Mann von edler Haltung und Gesichtsbildung in dunkler Kleidung, welcher von einem geschickten Wundarzt aus der Nachbarschaft verbunden wurde. Er hatte bei dem Ueberfall drei Hiebwunden an der linken Seite des Kopfes bekommen, wovon eine ziemlich tief war. Es war Theodor Körner, der Dichter und beliebte dramatische Schriftsteller, jetzt Officier und Adjutant im Lützowschen Freicorps oder der schwarzen Legion, wie es damals genannt wurde. Er war mit einer Perrücke versehen, theils zum Schutz der Wunden, theils um sich unkenntlich zu machen. Er war von Leipzig über Frohburg in einem offenen unscheinbaren Wagen bis vor Borna, einem Dorfe eine Stunde vor Chemnitz, gefahren, dort abgestiegen und zu Fuße in die Stadt gegangen. Ich sagte ihm, was ich mit meiner Freundin über seine Weiterbeförderung verabredet hätte, und empfahl mich dann, um das Erforderliche in meinem Geschäft zu besorgen und die Extrapost zu bestellen. Nach Tische, nachdem er zu mir gekommen, die Postchaise vorgefahren war und meine Frau uns mit Kirschen zur Labung versehen hatte, fuhren wir ab. Unterwegs unterhielten wir uns sehr angenehm. Er erzählte mir von seinem Leben und seiner Familie, auch sprachen wir über Literatur und seine theatralischen Schriften, die bereits Epoche gemacht hatten. Auf der Hälfte des Weges, vor Ehrenfriedersdorf, machten wir Halt, um sowohl uns zu restauriren, als auch die Pferde füttern zu lassen, da es eine Station von vier starken deutschen Meilen war und dazumal noch keine Chaussee existirte. Nach einiger Zeit trat ein sächsischer Gensd’arm ein, der, da er eine Extrapost vor der Thüre traf und zwei noble Herren, die sich mit Kaffee regalirten, in der Stube fand, nicht nach unseren Pässen fragte, die wir auch nicht hatten. Bald darauf ging es weiter, und wir kamen ohne Gefährde glücklich nach Annaberg und fuhren nach dem Posthause, wo ich gleich wieder rasche Pferde als Extrapost nach Carlsbad bestellte. Während dies besorgt wurde, gingen wir zu einem Kaufmanne, an den Körner von dem Chemnitzer Hause durch ein mitgebrachtes Schreiben empfohlen war. Dieser Herr unterhielt sich mit ihm und empfahl ihm, sobald er die Grenze passirt sei, sich der österreichischen Behörde zu erkennen zu geben. Wir begaben uns dann nach der Post zurück, wo Alles bereit war. Körner dankte mir mit herzlichen Worten für Alles, was ich für ihn gethan hätte, wir schüttelten und druckten uns die Hände, und nach innigen Wünschen einer glücklichen Beendigung seiner Reise unter Gottes Schutz stieg er in den Wagen und fuhr davon. Bald darauf kehrte auch ich mit der Chemnitzer Postchaise, welche ich dort behalten hatte, nach Hause zurück, wo ich in der Nacht um zwei Uhr eintraf.

Vier Jahre nachher, im Sommer 1817, machte ich mit meiner Frau eine Reise in meine alte Heimath und blieb auf der Rückreise in Berlin bei Verwandten einige Tage. Hier beehrte mich der Geheime Oberregierungsrath Körner, Theodor Körner’s Vater, mit seinem Besuche, da er meine Anwesenheit durch meine Verwandten, mit denen er freundschaftlich bekannt war, erfahren hatte. Er dankte mir mit herzlichen Worten und Thränen in den Augen für den großen Dienst, den ich seinem verstorbenen Sohne geleistet hätte, und empfahl sich mir und meiner Frau.

W. St.

  1. An demselben Tage fand auch die denkwürdige Unterhaltung zwischen Napoleon I. und dem Minister von Metternich im Marcolini’schen Palais zu Dresden statt.