Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche/Kapitel XXXIX

XXXVIII. Versunkene Wagen Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche (1880) von Edmund Veckenstedt
XXXIX. Versunkene Orte
XL. Der Drache
Die Bedeutung der Doppellinie erläutert Veckenstedt im Vorwort auf Seite V folgendermaßen: „Die Sagen und Märchen der deutschredenden Wenden finden sich in jedem Abschnitte nach dem Zeichen, welches zwei parallele Striche bilden.“ Ferner führt er auf Seite X den Grund der Kennzeichnung an: „Nicht unwillkommen wird, hoffe ich, der Forschung die Art sein, wie ich die reine Sorbentradition von derjenigen Ueberlieferung geschieden habe, welche zwar auf wendischer Grundlage ruht, aber eben weil sie einem Geschlecht deutschredender Menschen entnommen ist, vielleicht eine oder die andere Modification erlitten hat.“
[382]
XXXIX.
Versunkene Orte.

1.

In der Nähe des Dorfes Eichow ist in einem kleinen Wäldchen, dicht an dem alten Babower Wege, ein Wasserloch. Der Volksmund berichtet, dass an dieser Stelle eine Schänke mitsammt ihren Bewohnern und Gästen versunken ist. Von dem Vorgang wird Folgendes berichtet: An einem Feiertage tanzten junge Bursche und Mädchen in der Schänke. Da zog ein starkes Gewitter herauf. Die Tänzer und Tänzerinnen liessen sich jedoch dadurch in ihrem Vergnügen nicht stören. Plötzlich schlug der Blitz in das Haus ein: mit donnerähnlichem Gekrache versank die Schänke nebst Allem, was darin war. Aus der Tiefe aber quoll Wasser hervor und bildete einen grossen See. Die Reste dieses Sees bilden das jetzige Wasserloch.

Eichow.     





2.

In der Nähe von Kaden ist eine Ledung, welche von den Kadenern und den Bewohnern der umliegenden Dörfer das todte Dorf genannt wird. Früher soll dort ein grosses Dorf gewesen sein. Man erzählt, dass dasselbe von den heidnischen Wenden zerstört worden ist. Die Seelen der Verstorbenen sollen noch jetzt dort des Nachts umgehen.

Kaden.     
3.

Einst fuhr ein Bauer mit seinem Kahn auf dem See bei Byleguhre. Man erzählt, dass darin eine Stadt, Namens Klein-Cottbus, versunken ist. Das muss auch wohl wahr [383] sein, denn der Bauer ist mit seinem Kahn auf die Spitze eines Kirchthurmes gefahren.

Byleguhre.     
4.

Zwischen Straupitz und Byleguhre ist ein See, welcher nach dem letzteren Dorfe seinen Namen führt. Einst hat dort, wo jetzt der See ist, ein Städtchen gestanden. Man erzählt, dass dieses Städtchen, welches „Klein-Cottbus“ hiess, auf folgende Weise untergegangen ist. Eine Frau buk einmal Plinze, während ihr kleines Kind in der Wiege lag. Das kleine Kind hatte sich verunreinigt. Da die Frau gerade nichts zur Hand hatte, um das Kind zu reinigen, nahm sie dazu einen ungerathenen Plinz. Diese Frevelthat musste aber die ganze Stadt büssen. Kaum hatte nämlich die Frau den Plinz so unziemlich verwandt, so that sich die Erde auf und die Stadt versank. Aus der Tiefe aber quoll das Wasser in reichlicher Fülle empor und bildete einen grossen, wogenden See.

Byleguhre.     
5.

In dem Ziegelteich bei Teuplitz ist eine tiefe Stelle, welche auch dann nicht wasserleer ist, wenn der Teich abgelassen wird. Abgelassen aber wird der Teich des Fischens wegen jährlich einmal. Geschieht dies, so müssen einige Arbeiter des Nachts vor dem Tage, an welchem gefischt werden soll, in das Wasser steigen und die tiefe Stelle möglichst auszuschöpfen versuchen. Man erzählt, es habe an der Stelle, wo jetzt der Teich ist, früher ein Dorf, Namens Teuplitz, gestanden. Das Dorf soll versunken sein. Dort, wo das Wasser jetzt am tiefsten ist, soll die Kirche gewesen sein.

Es muss etwas Wahres an dieser Erzählung sein, wie folgender Vorgang beweist. Einst sass eine Frau mit ihrem Kinde am Rande des Teiches. Die Frau hatte gestrickt. Sie hatte bei der Arbeit nicht auf den Knäuel Acht gegeben. Da kollerte derselbe in den Teich hinein und zwar gerade da, wo das Wasser am tiefsten ist. Als die Frau den Verlust ihres Knäuels gewahr wurde, fing sie an, den Knäuel an dem Faden in ihren Händen wieder an sich zu ziehen. [384] Sie merkte bald, dass etwas Schweres an demselben hing, sie zog aber ruhig weiter. Da kam plötzlich ein Kirchthurm, um den sich der Faden geschlungen hatte, an die Oberfläche des Wassers. Sobald das Kind den Thurm erblickte, stiess es einen Fluch aus. Alsobald versank der Thurm mit lautem Schall wieder. Darauf kam aus dem Teich eine Welle angerauscht und zog Frau und Kind in die Tiefe des Teiches hinab.

Teuplitz.     



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