Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche/Kapitel XXIII

← Kapitel XXII Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche (1880) von Edmund Veckenstedt
Kapitel XXIII
Kapitel XXIV
Die Bedeutung der Doppellinie erläutert Veckenstedt im Vorwort auf Seite V folgendermaßen: „Die Sagen und Märchen der deutschredenden Wenden finden sich in jedem Abschnitte nach dem Zeichen, welches zwei parallele Striche bilden.“ Ferner führt er auf Seite X den Grund der Kennzeichnung an: „Nicht unwillkommen wird, hoffe ich, der Forschung die Art sein, wie ich die reine Sorbentradition von derjenigen Ueberlieferung geschieden habe, welche zwar auf wendischer Grundlage ruht, aber eben weil sie einem Geschlecht deutschredender Menschen entnommen ist, vielleicht eine oder die andere Modification erlitten hat.“
[278]
XXIII.
Die Hexen.

1.

Zwei Tage vor dem heiligen Abende der grossen Feste erscheint den Mädchen, welche sich an einem solchen Tage versammelt haben, eine Hexe.

Branitz.     
2.

Wenn man eine Hexe in das Wasser wirft, so geht sie darin nicht unter.

Dissen.     
3.

Die Hexen gehen in die Spinnstuben. Betritt eine solche das Zimmer, so verdunkelt sich dasselbe, sie selbst aber ist unsichtbar. Man merkt ihre Anwesenheit auch daran, dass alsdann selbst in einem geschlossenen Zimmer ein heftiger Wind weht.

Sylow.     
4.

In Schorbus fuhren einmal Brautleute zur Kirche. Als die Vorreiter des Hochzeitszuges fast die Kirche erreicht hatten, kam aus einem Hause eine alte Frau, welche einen Dornenzweig in der Hand trug, und huschte über die Strasse weg, gerade zwischen den Vorreitern und dem Hochzeitswagen. Die Frau muss es dem jungen Paare angethan haben, denn Glück und Zufriedenheit ist in der Ehe nie gewesen.

Schorbus.     
5.

Ein alter Mann fiel einst beim Wasserschöpfen in den Brunnen. Als er sich mit vieler Mühe wieder herausgearbeitet hatte, sass oben auf dem Rande des Brunnens eine weisse Katze. Er schnitt dieser Katze, da er nichts Gutes [279] ahnte, eine Pfote ab. Zufällig kam er am nächsten Tage zu seinem Nachbar. Der erzählte ihm, seine Frau habe sich beim Holzhacken am Tage zuvor eine Hand abgehauen. Der alte Mann wusste nun, dass die Frau eine Hexe sei und dass er ihr eine Hand abgeschlagen habe, als sie sich in eine Katze verwandelt hatte.

Ruben.     
6.

Es war einmal ein Windmüller, bei dem waren alle Müllergesellen, wenn sie nur eine Nacht auf dem Windbock zubrachten, den andern Morgen todt. Als sich das stets wiederholte, nahm der Müller keine Gesellen mehr an und besorgte seine Mühle allein.

Einst kam ein hübscher Müllergesell zu ihm und fragte nach Arbeit. Da sprach der Meister: „Ich wollte Euch gern hier behalten, aber in meiner Mühle ist es nicht recht richtig, dort sind alle Gesellen umgekommen, wenn sie auch nur eine Nacht oben gewesen sind.“ Da lachte der Gesell dazu und sprach: „Ich will bei Euch bleiben, ich will mit dem Spuk schon fertig werden.“

Der Müller gab dem Gesellen zu essen und führte ihn dann auf die Mühle. Der Gesell machte sich an die Arbeit; der Müller sah, dass derselbe sehr brauchbar sei. Darauf entfernte er sich. Als es Abends neun Uhr war, trug der Müller dem Gesellen das Abendessen hinauf. Er freute sich, den Gesellen so munter zu finden, blieb noch eine Weile bei ihm und ging dann nach seiner Wohnung, um zu schlafen. Der Gesell setzte sich hin und las in einem Buche. Als der Wächter im Dorfe elf blies, suchte er sich ein Beil hervor, das legte er neben sich, dann machte er einen Kreis um den Stuhl, auf welchem er sass, und sprach etliche Zaubersprüche dabei.

Es mochte ungefähr zwölf Uhr sein, als mit einem Male ein Gepolter in der Mühle entstand: plötzlich sprangen zwei bunte Katzen auf den Mehlkasten. Dort spielten sie eine ganze Weile. Der Müllergesell suchte sie an sich zu locken, indem er „Mieze, Mieze“ rief, aber die Katzen kamen nicht. Er rief jedoch wieder: „Mieze, Mieze.“ Endlich näherte sich [280] eine von den Katzen dem Kreise. Der Gesell griff heimlich nach seinem Beil. Plötzlich erfasste er eine Pfote der Katze und zog das Thier bis in den Kreis hinein. Schnell schlug er mit dem Beile zu und traf die Katze so, dass er ihr eine Pfote abhieb, welche in den Kreis fiel. Er steckte die abgehauene Pfote in die Rocktasche. Sogleich verschwanden die Katzen. Darauf legte er sich ruhig zu Bett. Am andern Morgen stand er schon sehr früh auf und ging in das Dorf, um bei dem Müller Kaffee zu trinken. Der Müller freute sich, als er den Gesellen kommen sah. Er fragte ihn, was er wolle. Der Gesell sagte: „Essen, denn ich bin sehr hungrig.“ Darauf erzählte er dem Müller sein Abenteuer. Der Müller sagte, er wolle das Essen bestellen, was er auch that, aber das Essen kam nicht. Als der Gesell nach einiger Zeit wieder davon sprach, sagte der Müller, er müsse noch etwas warten, seine Frau sei in der Nacht krank geworden, er wolle ihm das Frühstück selbst bereiten. Darauf langte der Müllergesell in die Rocktasche und brachte eine Menschenhand mit einem blanken Ring zum Vorschein. Erstaunt besah sich der Müller dieselbe und rief: „Das ist ja die Hand meiner Frau.“ Er lief eilig mit dem Gesellen zu dem Bett seiner Frau und richtig, es fand sich, dass derselben die Hand abgehauen war. Die Frau bekannte jetzt, dass sie und die Pfarrerin Hexen seien. Beide hätten, erzählte sie, allnächtlich in der Mühle ihr Wesen getrieben.

bei Vetschau R.     
7.

In Mischen wurde bei einem Bauer das Vieh krank. Da er vermuthete, dass demselben etwas angethan sei, so schickte er einen Boten nach Radusch zu einer klugen Frau. Der Bote musste ihr Alles berichten und sie bitten, dass sie, wenn es nöthig sei, selbst kommen möchte. Die kluge Frau hielt es für nöthig, den Boten zu begleiten. Sie schüttelte schon unterwegs oft mit dem Kopfe, indem sie dabei sagte: „Bei Euch geht es recht schlecht.“ Als sie in Mischen angekommen war, liess sie in den Viehställen dreieckige Löcher graben; sie sagte, man werde beim Graben schon etwas finden. In dem Kuh- und Schweinestall fand man nichts, [281] dafür aber desto mehr in dem Pferdestall. Schon bei dem zweiten Stich stiess der Spaten an etwas: der Knecht rief sogleich die kluge Frau herbei, darauf grub er weiter. Man fand jetzt Topfscherben, Gänsefüsse, Knochen, Haare, Hautstücke und noch manches andere. Die kluge Frau befahl, man solle das Alles zusammennehmen und auf einem Kreuzweg nach Sonnenuntergang verbrennen. Der Knecht, welchem dies aufgetragen wurde, fürchtete sich sehr und fragte, ob er nicht noch vor Sonnenuntergang Alles verbrennen könne? Die Frau willigte endlich in die Bitte ein; sie versprach ihm auch, sie wolle Alles fern halten, was ihm gefährlich werden könne, wenn er sich nicht umsehe. Darauf ging der Knecht auf den Kreuzweg, grub ein Loch, machte darin Feuer an und begann, als das Feuer hell brannte, das Ausgegrabene hineinzuwerfen. Alsobald sauste und brauste es im Feuer. Der Knecht aber sah sich nicht um. Darauf machte er sich auf den Heimweg. Auch jetzt sah er sich nicht um, und so langte er ungefährdet zu Hause an. Nach wenigen Tagen war das Vieh des Bauers wieder gesund.

Mischen.     
8.

Bei einem Bauer in Saspow kam oft eine graue Katze in den Stall. Jedes Mal, wenn dies geschehen war, wurde das Vieh im Stalle krank, so dass etliche Stück todtgeschlagen werden mussten. Die Leute wandten alle mögliche Mühe an, um ihr Vieh zu erhalten, aber es half nichts. Da gingen sie zum Scharfrichter nach Spremberg. Der aber konnte mehr als Brod essen. Sie klagten ihm ihre Noth. Der Scharfrichter kam nach Saspow. Er ging in den Stall und grub darin mehrere Löcher, in welche er Zaubermittel legte. Dann machte er vor die Thürschwelle ein Loch, worin er noch etwas vergrub. Darauf sagte er den Leuten, sie sollten nichts Fremdes in den Stall lassen, weder Menschen noch Thiere, möge kommen, was da wolle. Darauf fuhr er wieder nach Spremberg. Am andern Abend, als man im Stalle die Kühe molk, kam eine graue Katze, welche, da die Thür nicht fest zugemacht war, schnell über die Schwelle sprang. Der Mann nahm einen Knittel und schlug nach der [282] Katze, aber es gelang ihm nicht, sie zu treffen. Darauf nahm er eine Düngergabel und stach damit die Katze in den Hals, dass sie schrie. Das Thier sprang wüthend zu einem Loche des Stalles hinaus ins Freie. Der Mann lief ihr zwar nach, aber er konnte sie nicht mehr fassen.

Den andern Tag hatte eine Frau, welche nicht weit von dem Bauer wohnte, mehrere Löcher in dem Halse. Jetzt wusste das ganze Dorf, wer die Hexe war. Die Frau behielt, so lange sie lebte, einen schlimmen Hals.

Saspow.     
9.

Die Hexe hat Gewalt über Milch und Butter. Sagt sie zu Jemand: „Du hast viel Butter“, so erhält die betreffende Bäuerin viel Butter, sagt sie aber: „Du hast wenig Butter“, so ist im Butterfass nur Buttermilch.

Sylow.
10.

Ein reicher Bauer hatte in der Haide Streu kehren lassen. Die Knechte fuhren den Wagen heim und gingen, nachdem sie die Pferde ausgespannt hatten, in das Haus. Einer jedoch von den Knechten kehrte nach einiger Zeit an den Wagen zurück. Da fand er eine Frau am Wagen beschäftigt, welche Streu in ein Säckchen steckte. Er merkte, dass die Frau eine Hexe sei, hieb ihr mit der Mistgabel über den Arm und nahm ihr das Säckchen ab. Die Hexe gab ihm den guten Rath, er solle nicht sagen, was er gesehen habe.

Mehrere Tage nach diesem Vorfalle sollten die Mägde buttern. Es gelang ihnen nicht, Butter zu bekommen, so viel sie auch arbeiteten, das Butterfass war und blieb bis oben hinan mit Schaum gefüllt. In ihrer Noth wandte sich die Bäuerin an den Knecht und fragte ihn, ob er helfen könne. Der Knecht meinte, er wolle dem Uebel abhelfen. Er machte sich mit dem Butterfass zu schaffen und steckte unvermerkt das Säckchen unter das Fass, darauf hiess er die Mägde wieder buttern. Es währte gar nicht lange, so füllte sich das Fass mit Butter. Die Bauerfrau merkte, dass der Knecht mit Hexen zu thun haben müsse.

Nach acht Tagen, als die Mägde beim Buttern wieder [283] nur Schaum im Fasse hatten, sollte der Knecht auf’s Neue helfen. Diesmal merkte die Bauerfrau genau auf, als der Knecht sich mit dem Butterfass zu schaffen machte, was er treibe. Da sah sie, wie er ein Säckchen unter das Butterfass schob. Kaum war dies geschehen, so wurde die Milch zu Butter. Als der Knecht später das Säckchen wieder einstecken wollte, nahm es ihm die Frau ab und gab ihm dafür zehn Thaler. Fortan besass die Bäuerin ein Mittel, vermöge dessen sie jedes Mal sofort beim Buttern die gewünschte Butter erhielt.

Ströbitz.     
11.

In einem Dorfe bei Cottbus gab eine Kuh stets rothe Milch. Man merkte daran, dass sie behext war. Der Bauer, welchem die Kuh gehörte, fragte eine kluge Frau, was er dagegen thun könne. Diese rieth ihm, er solle die rothe Milch auf ein glühendes Hufeisen giessen. Das geschah. Fortan gab die Kuh wieder gute, weisse Milch.

bei Cottbus.     
12.

Einst gaben in Gross-Döbern die Kühe lange Zeit keine Milch. Das hatte folgenden Grund. Im Dorfe lebte eine Hexe, welche in der Stube hinter dem Ofen einen langen Strick hängen hatte. So oft nun die Leute im Dorfe melkten, zog die Hexe an dem Strick. Sofort floss alle Milch von den Kühen im Dorfe in die Gefässe, welche die Hexe unter das Ende des Strickes gestellt hatte.

Gross-Döbern.     
13.

Ein Bauer kam einst zufällig in seinen Kuhstall. Da sah er, wie seine Frau molk, aber nicht eine Kuh, sondern einen Strick, aus welchem die Milch quoll. Sogleich eilte der Bauer hinzu und begann auch am Strick zu melken. Die Frau aber rief: „Melke nicht, die Kuh stürzt.“ Der Bauer kehrte sich aber an das Geschrei seiner Frau nicht, sondern zog an dem Strick weiter, bis derselbe plötzlich keine Milch mehr gab. Am andern Morgen erfuhr er, seinem Nachbar sei eine Kuh gefallen. Da wusste er, dass seine [284] Frau eine Hexe sei. Er aber wollte mit einer Hexe nicht leben, deshalb verstiess er seine Frau.

Gross-Döbern.     
14.

Es giebt Menschen, welche sich in Hühner, Störche oder Bären verwandeln können.

Kolkwitz.     
15.

In der ersten Mainacht gehen die Männer, welche hexen können, gewöhnlich in Gestalt eines Esels um, die Frauen aber in derjenigen einer Gans.

Dissen.     
16.

In der ersten Mainacht und in den Nächten, welche auf die heiligen Abende folgen, reiten die Hexen auf ihrem Besen umher. Sind die Kühe vor diesen Nächten nicht gehörig abgefüttert, oder ist die etwa vorräthige Milch nicht ausgetrunken, so sterben die Kühe.

Ströbitz.     
17.

Am ersten Mai gehen die Hexen auf neun Acker und neun Grenzen. Dort schneiden sie unter Sprüchen, welche nur ihnen bekannt sind, Gras und Futterkräuter. Das Feld, auf welchem sie geschnitten haben, gewährt dem Besitzer in dem Jahre keinen Ertrag.

Stradow.     
18.

In Guhrow hielt einst ein Bauer in der ersten Mainacht bei seinem Kuhstall Wache, damit die Hexen, welche in dieser Nacht umgehen, seinem Vieh keinen Schaden thäten. Als es zwölf schlug, vernahm er plötzlich ein sonderbares Geräusch. Er sah sich um und bemerkte einen Esel, welcher auf den Stall zuging. Der Bauer ergriff eine Heugabel; als der Esel ihn bei Seite drängen wollte, stach er ihn damit. Da schrie der Esel: „Martin, Martin, das bin ich ja.“ Da merkte der Bauer, dass es mit dem Esel nicht recht richtig sei.

Dissen.     
[285]
19.

Am Walpurgisabend wachte ein starker Mann an seinem Gehöft, damit die Hexen nicht in dasselbe eindrängen. Als er eine gute Weile dort gestanden hatte, näherte sich ihm ein Esel, der wollte zu ihm in den Hof. Der Bauer wehrte ihn aber ab. Als der Esel mit Macht auf ihn eindrang, erfasste er dessen Ohren. Der Esel setzte sich zur Wehre. Da der Mann aber sehr stark war, so gewann er im Ringen die Oberhand. Dabei zerriss er dem Esel die Ohren. Am folgenden Tage erzählten sich die Leute, es sei Jemand im Dorfe ganz zerschlagen, derselbe habe auch die Ohren zerrissen. Es war nicht anders: der zerschlagene Bauer war wirklich der Zauberer, welcher sich in einen Esel verwandelt hatte.

Papitz.     
20.

In der Walpurgisnacht entstand einst auf dem Viehhofe eines Bauers grosse Unruhe. Als man nachsah, bemerkten die Knechte eine Gans, welche fortwährend schreiend den Viehstall entlang lief. Die beiden Knechte des Gehöftes wollten das Thier hindern, solches Unwesen zu treiben. Sie machten sich daran, die Gans zu fangen. Es gelang ihnen auch, dieselbe zu ergreifen. Plötzlich aber flog die Gans mitsammt den Knechten, welche ihre Beute nicht losliessen, über den Thorweg. Nach einem Weilchen liess sich die Gans wieder zur Erde nieder. Auch jetzt liessen die Knechte nicht los. Da schlug es auf dem Kirchthurm eins. Mit dem Schlage eins hatten die beiden Knechte ein altes Weib unter ihren Händen. Das bat sie dringend, sie möchten es nicht verrathen, dann werde es ihnen gut gehen. Die Knechte aber hielten den Mund nicht. Darauf ist die alte Frau erkrankt und kurze Zeit darauf gestorben.

Kolkwitz.     
21.

In Werben wachte einst am Walpurgisabend ein Bauer vor seinem Hofe, damit die Hexen ihm nicht ins Gehöft hinein schlichen und Schaden brächten. Als er so dastand, näherte sich ihm eine fremde Gans. Die Gans las unterwegs [286] Halme auf, gerade als ob sie ihr Nest bauen wollte; dabei sah sie ganz harmlos aus. Auf diese Weise wollte sie unbemerkt in den Hof watscheln. Der Bauer aber fasste sie plötzlich. Er hatte jedoch genug zu thun, die Gans zu halten, denn sie war überaus stark. Sie lief mit ihm den Zaun entlang, durch die Gärten, so dass er ganz erschöpft war. Bei dem Laufen beschädigte er ihr einen Flügel, dann liess er sie los. Am nächsten Morgen war in einem Nachbarhause viel Klagens und Weinens. Die Kinder aus dem Hause erzählten, ihre Mutter liege im Bette und habe einen Arm gebrochen. Da wussten die Leute, denen der Bauer von seinem Abenteuer erzählt hatte, dass die Frau, welche den Arm gebrochen hatte, eine Hexe sei, die sich am Walpurgisabend in eine Gans verwandelt hatte.

Werben.     
22.

In Schmellwitz lebte einmal ein Bauer, welcher mit seinen Kühen kein Glück hatte. Da beschloss er in der Walpurgisnacht zu wachen und zu sehen, ob mit seinen Kühen etwas vorgehe. Er hatte zwei Freunde gebeten, sie möchten mit ihm wachen. Das geschah. Kaum war es Nacht geworden, so erblickten alle drei eine schwarze Katze im Stalle: sie machten sich sogleich darüber her und stachen das Thier nieder. Die Katze aber starb nicht. Als sie sich noch darüber wunderten, dass die Katze ihren Stichen nicht erlegen war, stand plötzlich ein Hund vor ihnen. Nun wussten sie, dass sie es mit einer Hexe zu thun hatten und dass sie dieser nichts anhaben konnten. Da sie noch mehr Unheil fürchteten, so liefen sie eilig davon.

Sylow.     
23.

Einem Schmied, welcher in einem Dorfe bei Cottbus lebte, war das Gerücht zu Ohren gekommen, seine Frau sei eine Hexe. Um sich davon zu überzeugen, ob die Leute die Wahrheit redeten, beschloss er, in der nächsten ersten Mainacht auf ihr Thun und Treiben genau zu achten. Deshalb begann er, als der betreffende Abend nahte, zu schmieden. Seine Frau musste dabei am Ambos stehen und zuschlagen. [287] Es währte aber nicht lange, so bat die Frau ihren Mann, er möchte sie ein wenig fortlassen, sie müsse nach der Küche gehen, um dort zu trinken, denn es dürste sie sehr. Der Schmied aber erlaubte es nicht. Allein die Frau jammerte so lange, bis der Mann endlich, als es bereits halb zwölf in der Nacht war, ihr die Erlaubniss gab. Die Frau stellte sich nun, nachdem sie getrunken hatte, sehr ermüdet und that so, als ob sie sich auf die Schwelle setzte, um auszuruhen. Nach etwa einer Viertelstunde besuchte den Schmied ein Nachbar und fragte, wo seine Frau sei? Der Schmied erwiederte: „Siehst Du sie denn nicht? Sie sitzt ja dort auf der Schwelle und ruht aus.“ Der Nachbar aber brach in ein lautes Gelächter aus und sagte: „Dort auf der Schwelle sehe ich nur einen Flederwisch.“ Da wusste der Schmied, dass seine Frau eine Hexe war: sie hatte an der Hexenfahrt doch Theil genommen und ihn durch Blendwerk getäuscht. Am andern Morgen prügelte er seine Frau gehörig durch, um ihr die Lust an den Fahrten zu vertreiben.

Branitz.     
24.

Die Hexen melken in der ersten Mainacht die Kühe. Will man sie vor den Hexen schützen, so muss man an die Stallthür drei Kreuze malen.

Sylow.     
25.

Die Hexen rutschen am ersten Mai des Nachts um zwölf Uhr den Blocksberg hinunter. In der Spur, welche sie hinterlassen, fliesst Sahne. Einst wollten drei Männer, welche davon gehört hatten, den Blocksberg in der ersten Mainacht besteigen; sie wurden aber, bevor sie den Gipfel erreicht hatten, in einen Esel, eine Gans und einen Hund verwandelt und kamen als solche in ihr Dorf zurück.

Guhrow.     
26.

Die Hexen ziehen am ersten Mai, auf einem Besen reitend, durch den Schornstein nach dem Hexenberge, welcher in Sachsen liegt, und tanzen dort.

Kunersdorf.     
[288]
27.

In der Walpurgisnacht versammeln sich die Hexen auf dem Blocksberg, um sich dort mit ihrem Herrn und Meister, dem Teufel, zu berathen. Darauf belustigen sie sich in wilden Tänzen und beschliessen das Fest mit einem gemeinsamen Mahle.

Dissen.     
28.

Es war einmal eine Wittwe, welche eine erwachsene Tochter hatte. Das hübsche Bauerngut, welches ihnen gehörte, war so gross, dass sie sich auch einen Knecht darauf halten konnten. Derselbe vermuthete schon lange, dass die Frau und ihre Tochter Hexen seien. Gewissheit aber erhielt er erst später.

Den Tag vor dem ersten Mai sprach die Wittwe zu dem Knecht: „Hans, was Du heute findest, bringe mit nach Hause.“ Der Knecht zog auf’s Feld, um zu pflügen. Die Sonne neigte sich schon zum Untergange, aber der Knecht hatte noch nichts gefunden als einige Steine, welche er bei Seite gelegt hatte. Bei der letzten Furche jedoch, welche er umwendete, fand er eine überaus grosse Kröte. Er steckte dieselbe in seine Tasche, dann spannte er die Pferde aus und fuhr nach Hause. Als er dort angekommen war, fragte die Frau, ob er etwas mitbringe. „Ja,“ sagte Hans, „ich bringe eine Kröte mit.“ Die Frau nahm dieselbe. Als es Abend geworden war, setzten sich alle drei an den Tisch, um Abendbrod zu essen. Hans that dabei sehr schläfrig. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, legte sich Hans auf die Ofenbank. Nach kurzer Zeit stellte er sich, als sei er fest eingeschlafen. Er schnarchte, dass es in der Stube nur so schallte. Da hörte er die Tochter sagen: „Der Hans schläft am Ende doch nicht, wir wollen ihn mit Nadeln stechen.“ Die Frauen thaten es, aber Hans rührte sich nicht. Darauf nahm die Bäuerin ihre Kröte, that dieselbe in einen Tiegel und schmorte sie. Dann bestrich sich jede der Frauen mit dem Krötenfett, nahm einen Besen, setzte sich rittlings darauf und sprach:

„Fahre aus, fahre ein,
Stoss nirgends darein.“

[289] Husch! fuhren sie zum Kamin hinaus. Der Hans, welcher nicht geschlafen hatte, sprach jetzt zu sich: „Du willst auch nachfahren.“ Er bestrich sich gleichfalls mit Krötenfett und setzte sich auch rittlings auf einen alten Besen. Darauf sprach er den Spruch. Er sagte aber die Worte verkehrt her, so dass er beim Ausfahren überall anstiess und den Schornstein fast einriss. Aber endlich kam er doch glücklich zu dem Platz, auf welchem die Hexen tanzten. Dort hörte er eine schauerlich schöne Musik. Die Frauen bekamen den Hans gleich zu sehen, nahmen ihn in die Mitte und tanzten mit ihm tüchtig darauf los. Als die Geisterstunde um war, machten sich alle auf, um nach Hause zu reiten; Hans bekam zu diesem Zweck einen grossen Bock. Die Bäuerin sprach zu ihm: „Besteige den Bock und reite heim, aber hüte Dich, dass Du unterwegs nicht fluchst, sonst geht es Dir schlecht.“ Hans setzte sich auf den Bock. Im Nu ging es auf und davon durch die Lüfte. Unterwegs kam Hans mit seinem Bock an einen breiten Wassergraben. Als der Bock etwa in der Mitte über dem Graben war, verlor Hans bei einem heftigen Ruck seines Bockes die Mütze. Da rief er ärgerlich aus: „Schwerenoth, das war ein Ruck!“ Plumps, lag er im Wasser und kam nicht wieder zum Vorschein.

Mischen.     
29.

Ein junger Bauer liebte ein Mädchen. Man sagte von seiner Geliebten, sie sei eine Hexe. Er wollte gern Gewissheit haben, ob das Gerede wahr sei oder nicht. Deshalb ging er am Walpurgisabend zu den Eltern seines Mädchens. Nachdem er ein Weilchen dort war, stellte er sich, als sei er auf der Ofenbank eingeschlafen, liess sich später auch durch kein Rufen und Schütteln ermuntern. Bald darauf kamen noch mehr Frauen und Mädchen, welche auch Hexen waren. Die Hexen salbten sich, ergriffen Besenstiele, sagten einen Spruch her und fuhren davon. Der junge Bauer machte ihnen Alles nach, nur sagte er den Spruch zuerst verkehrt her, so dass er bei seiner Fahrt durch die Esse überall anstiess. Als er aber den Spruch richtig gesagt hatte, ging es in sausender Eile davon. Unterwegs kamen ihm zwei Hexen entgegen, seine Geliebte und ihre Mutter, [290] welche durch ihre Kunst von seinem Vorhaben wussten; sie riethen ihm ab, mitzufahren, da er sich nicht in ihre Zunft habe einschreiben lassen. Wenn er umkehre, so dürfe er unterwegs nicht sprechen, sonst gehe es ihm schlecht. Der junge Bauer kehrte auch um. Auf der Heimfahrt aber vergass er, als sein Besenstiel plötzlich einen grossen Satz machte, das Verbot, und es entschlüpften ihm einige Schimpfworte. Sogleich lag er an der Erde. Nun musste er zu Fuss heimkehren. Nach langer Wanderung kam er wieder in die Heimath. Seit der Zeit mied er den Umgang mit seiner früheren Geliebten.

bei Senftenberg.     
30.

Ein Schneider hatte einmal gehört, die Hexen tanzten in der Walpurgisnacht auf einem bestimmten Berge. Er wollte den Tanz der Hexen gern mit ansehen, deshalb versteckte er sich an dem betreffenden Tage auf dem Berge. Als es zwölf Uhr Nachts war, kamen die Hexen an. Die Einen ritten auf schwarzen Böcken, die andern auf Besen oder Ofengabeln. Der Schneider bemerkte, dass die Hexen ihre Kleidungsstücke verkehrt an hatten. Als sie versammelt waren, begannen sie zu tanzen. Kaum war der Tanz beendet, so stieg plötzlich aus der Erde ein einstöckiges Haus auf, welches ganz schwarz angestrichen war. Die Hexen begaben sich sogleich in das Haus hinein. Der Schneider suchte zu erlauschen, was sie im Hause trieben, allein es war vergebens, er sah nichts, auch verstand er kein Wort von dem, was sie sprachen. Nach einiger Zeit flogen die Hexen durch den Schornstein davon. Das Haus versank in demselben Augenblick wieder, in welchem es die letzte Hexe verlassen hatte.

Glinzig.     





31.

Eine Scharfrichterfrau in Hoyerswerda wusste Alles, was geschah, wenn sie es auch nicht gesehen hatte. So trieb einst ein Mann seine Kühe auf ihren Acker. Als die Kühe den Acker betraten, schlug es gerade halb zwölf Uhr, als sie die Weide verliessen, schlug es zwölf. Am andern Tage [291] fragte die Scharfrichterfrau den betreffenden Mann, wie er dazu komme, bei ihr die Kühe auf die Weide zu treiben? Der Mann bestritt, das gethan zu haben, aber die Scharfrichterfrau gab ihm alle näheren Umstände so genau an, das alles Leugnen nichts half.

Hoyerswerda.     
32.

In Hoyerswerda hatte einst die Frau eines Fleischers für ihren Mann zu einer Reise auf das Land Alles zurecht gemacht. Sie hatte ihm auch Geld in die Rocktasche gesteckt, damit er dafür Vieh kaufe. Darauf holte sie ihn vom Schlachthause in die Stube. Als Mann und Frau in die Stube traten, fand es sich, dass das Geld gestohlen war. Die Frau ging sogleich zu einer Scharfrichterfrau; man wusste nämlich, dass diese mehr konnte, als Brod essen. Die Frau gab ihr allerlei Kräuter an, welche sie auf dem Heerde verbrennen sollte. Sei dies geschehen, so müsse der, welcher das Geld gestohlen habe, es wiederbringen, selbst wenn Thür und Thor verschlossen wären. Die Frau des Fleischers ging nach Hause, verschloss alle Thüren und verbrannte darauf die betreffenden Kräuter. Es währte auch nicht lange, so klopfte es heftig an die Thür. Die Frau öffnete jedoch nicht. Da kam ihre Magd über den Zaun gekrochen und brachte ihr das Geld: dieselbe sagte, sie habe das Geld gestohlen, müsse es jetzt aber zurückbringen.

Hoyerswerda.     
33.

In Sassleben wohnte vor mehr als fünfzig Jahren ein Schullehrer, welcher eine sehr böse Nachbarin hatte. Die Frau war als Hexe im ganzen Dorfe verschrieen. Eines Abends musste der Lehrer um zehn Uhr im Auftrage des Dorfschulzen nach Kalau gehen. Beim Nachhausegehen traf er auf einem Kreuzweg eine dunkle Gestalt, welche vor seinen Augen bald grösser, bald kleiner wurde. Plötzlich sprang sie mit Heftigkeit auf ihn zu. Sie schnürte ihm den Hals so zusammen, dass der Lehrer Furcht bekam, sie werde ihn erwürgen. In der Angst nahm er seinen derben Knotenstock und schlug aus Leibeskräften auf den Spuk los. Die Schläge klangen, wie wenn sie auf einen alten Topf fielen. [292] Plötzlich verschwand der Spuk: nur in der Ferne hörte der Lehrer noch ein Rauschen. Ganz matt kam er zu Hause an und erzählte den Seinen, was ihm begegnet sei. Da öffnete sich schnell die Thür: die älteste Tochter der Nachbarin trat ganz bleich herein und sprach: „Mein Gott, wir wissen gar nicht, was wir mit unserer Mutter anfangen sollen, sie geberdet sich in ihrem Bette wie wahnsinnig; sie fing auf einmal an, fürchterlich zu schreien und zu toben, als wenn sie grosse Schmerzen hätte, ihr Rücken und ihre Arme sind braun und blau geschlagen.“ Da wusste der Schulmeister gar wohl, was mit der Nachbarin los war. Ihr Geist war im Felde gewesen und hatte die Gestalt angenommen, welche ihn belästigt hatte, während ihr Leib ruhig im Bette gelegen hatte.

Sassleben.     
34.

Dicht bei dem Dorfe Leipe im Spreewalde lag früher die Katzensteg’sche Mühle. Von der Mühle geht folgende Sage. Vor ungefähr fünfzig bis sechzig Jahren trieben dort böse Geister ihr unheimliches Wesen. Um Mitternacht erhob sich Nacht für Nacht ein furchtbarer Lärm: man hörte lautes Poltern und Katzengeschrei. Die Leute wandten alle mögliche Mühe an, um diesen Spuk zu vertreiben, aber nichts half. Bald wurde die Mühle von ihren Bewohnern verlassen. Da, eines Tages kam ein reisender Scharfrichter in das Dorf. Dem wurde von dem seltsamen Treiben, welches in der Mühle vor sich ging, erzählt. Der Scharfrichter sagte: „Da will ich bald helfen!“ Er begab sich Nachts in die Mühle und liess in dem Zimmer einen Tisch aufstellen, auf den Tisch aber zwei Leuchter mit brennenden Kerzen. Dann zog er einen grossen Kreis um den Tisch. Darauf setzte er sich in der Mitte des Kreises auf einen Stuhl, legte auch ein scharfes Messer vor sich auf den Tisch und begann seine Beschwörungen. Alle Wächter in der Umgegend bliesen die zwölfte Stunde. In demselben Augenblick erhob sich ein furchtbares Poltern und Katzengeschrei. Eine Menge von Katzen von allen Farben kamen zur Thüre herein. Die Katzen gingen aber nur bis zum Kreise und erhoben dann ein jämmerliches [293] Geschrei. Mitunter wurde auch eine Stimme laut, welche sagte: „Geh Du hinüber, geh Du hinüber!“ Aber keine Katze wagte sich über den Strich. Endlich langte eine alte, dicke Katze mit ihrer Pfote in den Kreis hinein. Da hieb der Scharfrichter mit seinem Messer nach derselben; er traf die Pfote dergestalt, dass sie blutete. Plötzlich zerstob die ganze Gesellschaft mit grossem Geschrei, und es wurde still in der Mühle.

Am andern Tage hiess es, die Frau des Amtmanns im nächsten Dorfe habe eine kranke Hand, sie habe sich geschnitten. Die Leute wussten aber gar wohl, was ihr fehlte; sie war eine Hexe und hatte mit den andern Frauen der Umgegend allnächtlich in der Mühle ihr Wesen getrieben.

Leipe.     
35.

Zu einer Bauerfrau in Kittlitz kamen jeden Abend zwei Hasen aus dem Walde. Die Hasen setzten sich immer auf die Schwelle des Kuhstalles, wenn die Frau ihre Kühe melkte. Hatte die Frau fertig gemolken, so gab sie den beiden Hasen in einem Schüsselchen, welches für sie im Kuhstall stand, etwas Milch. Sobald die Hasen die Milch getrunken hatten, rannten sie eilig fort. Das fiel den Leuten auf. Sie hatten auch gemerkt, dass die Frau an bestimmten Tagen in den Wald ging und von dort erst beim Aufgang des Mondes nach Hause zurückkehrte. Da beschlossen zwei Frauen, der Bäuerin nachzugehen, wenn sie wieder in den Wald ginge. Das geschah auch. Da erblickten sie denn seltsame Dinge. Unter einem grossen Eschenbaume im Walde sass beim hellen Mondenschein die Bauerfrau, ihr zur Seite die beiden Hasen, ein Eichkätzchen, zwei kohlenschwarze, glänzende Raben, ein Rothkehlchen und ein grosser, grauer Wolfshund. Alle schauten zur Baumkrone hinauf. Von Zeit zu Zeit lief das Eichkätzchen den Baum hinan und sprang auf den Aesten herum; dazu machte es „Ting, Ting“. Die Frau und die Thiere, alle redeten eine gar seltsame Sprache. Nur das konnten die beiden Frauen verstehen, dass die Raben sagten: „Die Kreuze sind verschwunden, [294] werden auch die Glocken schwinden.“ Dann standen sie auf, neigten sich vor dem Baum, strichen denselben mit der linken Hand und dann guckten sie eine ganze Weile in den Mond. Darauf gingen sie auseinander. Die Frauen erzählten, die Bauerfrau habe unter der Esche so glänzend ausgesehen, wie sonst nie in ihrem Leben.

Kittlitz.     
36.

In Bolschwitz soll es viel Hexen geben. Deshalb passen die Leute gewöhnlich in der ersten Mainacht auf, damit Niemand, mag sein wer will, auf ihre Gehöfte kommt. Einst stellte sich auch ein Bauer hin, um zu sehen, was in der betreffenden Nacht etwa kommen werde. Er stand noch nicht lange vor seinem Kuhstall, so kamen ein paar schwarze Hunde angelaufen. Er jagte dieselben schnell vom Hofe herunter. Darauf kamen ein paar grosse Katzen, sodann eine weisse Gans. Er aber jagte alle die Thiere vom Hofe. Nun dachte er: „Jetzt wird wohl Niemand mehr kommen.“ Schon wollte er in sein Haus gehen, als auf einmal ein Mann mit einem Sacke auf dem Buckel und einem Messer in der Hand an die Kuhstallthür trat. Der Mann nahm sein Messer und schnitt in die Kuhstallthür, indem er sprach:

„Ich mache einen Schnitt,
Butter und Käse nehme ich mit.“

Da trat der alte Bauer rasch hervor, griff nach einem derben Stock und schlug mit aller Gewalt auf den Mann los. Dieser verschwand plötzlich vor seinen Augen.

Bolschwitz.     
37.

Zu einem Bauer in Sassleben sind einmal, als er allein zu Hause war, aus Coswig drei Hexen gekommen. Es war gerade der erste Mai um die Mittagszeit. Die Hexen fragten den Alten zuerst nach Speck, dann nach Geld.

Der Alte sagte, er habe weder Geld noch Speck. Da fragten ihn die Hexen, ob er Brod habe, worauf er sagte: „Ja, das kann ich Euch geben.“ Darauf stand er auf, um Brod zu holen. Allein kaum war er in der Mitte der [295] Stube, so gingen die Hexen dreimal um ihn herum und bezauberten ihn, so dass er weder sprechen noch sonst etwas vornehmen konnte: er musste auf demselben Fleck still stehen bleiben. Darauf trieben die Hexen allerhand Unfug mit ihm; dann nahmen sie von Allem, was im Hause war, so viel ihnen beliebte.

Als sie fortgehen wollten, sahen sie unter dem Kamin eine Gans brüten. Da rissen sie die Gans vom Nest, besprachen die Eier und setzten den alten Bauer darauf. Dann machten sie die Stube und die Hausthüre fest zu, legten einen Besen vor die Thürschwelle und flogen nach Coswig.

Als am Abend die Frau und die Dienstboten heimkamen, merkten sie, dass im Hause nicht Alles richtig sei, denn es war Alles im Hause todtenstill. Schnell eilte die Bäuerin in die Stube. Da sah die Frau ihren Mann auf dem Neste sitzen und fragte ihn: „Was machst Du denn da?“ In dem Augenblick wich der Bann von ihrem Mann, denn die Frau hatte ihn angeredet. Jetzt konnte er wieder aufstehen und sprechen. Er erzählte seiner Frau, was sich zugetragen hatte. Merkwürdiger Weise war von den Eiern, auf welchen er gesessen hatte, keines zerschlagen.

Sassleben.     
38.

Eine[WS 1] alte Frau erzählt, dass auf den Freibergen bei Kalau jedes Jahr die Hexen aus der Umgegend in der ersten Mainacht eine grosse Zusammenkunft gehabt haben. Einmal hat sich dort sogar Folgendes zugetragen. Die Hexen waren um Mitternacht alle versammelt, da erschien mitten unter ihnen ein Mann welcher sich in einen Bock verwandelte. Der Bock kletterte auf einen grossen Stein. Ein alter Hexenmeister sprach: „Das ist unser Herr, den müssen wir anbeten.“ Darauf knieten alle Hexen und der Hexenmeister vor dem Bock nieder. Dann standen sie wieder auf und drehten ihm den hintern Theil des Körpers zu. Darauf fragte der Bock, ob ihm alle angehören wollten. Alle Anwesenden sagten Ja. Da nahm der Bock ein Gefäss, welches wie ein Kelch aussah, und eine alte Schüssel, in welcher etwas darinnen lag. Damit stellte er sich auf den Stein. Darauf [296] stimmte er ein Lied an und sprach Weiheworte über die beiden Gefässe. Dann gingen die Hexen und der Hexenmeister um den Stein herum. Der Bock gab ihnen aus dem Kelch zu trinken und aus der Schüssel zu essen, aber der Trank aus dem Kelch war so bitter wie Galle, und das Brod aus der Schüssel so zähe wie Leder. Als der Umgang beendet war, fingen alle an zu tanzen, der Bock aber tanzte mit allen Hexen. Wenn er mit einem Hexenmeister tanzte, so schien es, als tanzte er nicht mit einem Mann, sondern mit einer Frau, tanzte er aber mit einer Frau, so war er wie ein schöner Jüngling anzusehen.

Sobald der Tanz zu Ende war, verschwand der Bock unter üblem Geruch. Darauf ritt die ganze Gesellschaft auf Besenstielen und Ofengabeln nach Hause.

Sassleben.     
39.

Alte Leute in Vetschau wissen sich noch zu erinnern, dass, als eine alte Frau, welche überall für eine grosse Hexe galt, starb, sich ein furchtbarer Sturm in der Nähe ihres Hauses erhob.

Man trug den Sarg aus dem Hause, um ihn auf die Bahre zu stellen; da fing der Sturm an, noch fürchterlicher zu wüthen, ja der Sargdeckel hob sich öfter in die Höhe, so dass er mit starken Stricken festgebunden werden musste.

Kurz vor ihrem Tode soll sich auch ein schwarzer Hund an ihrem Sterbelager gezeigt haben. Da soll die Frau immer gesagt haben: „Willst Du fort? willst Du fort?“ Aber der schwarze Hund soll nicht eher fortgewesen sein, bis die Frau gestorben war. Darauf erhob sich der grosse Sturm.

Vetschau.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ein
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