Weinprobe und Weinversteigerung

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Titel: Weinprobe und Weinversteigerung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 751–754
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Weinprobe und Weinversteigerung.


Ueber uns das blaue Gewölbe eines frischen, heitern Maimorgens, unter und um uns der Vater Rhein mit seinen vielbesungenen grünen Wogen und vor uns die Weinberge des Rheingaus und die Bingen-Ingelheimer Landschaft – so rauschten wir von Mainz aus stromabwärts dahin auf dem neuen, nach amerikanischem Muster erbauten Dampfschiff „Wilhelm, Kaiser und König der Deutschen“. Es war in der That für Alles gesorgt, was das Herz nur wünschen konnte. Denn in dem Riesenschiff, welches in seinen drei über einander liegenden Etagen mehrere hundert fröhliche Passagiere barg und welches über hunderttausend Thaler gekostet haben soll, genoß man bei der comfortabelsten und elegantesten Einrichtung und einer ebenso vorzüglichen als billigen Verpflegung die größte Behaglichkeit, und dabei lag über der ganzen uns umgebenden Natur, über Wald und Strom, eine Anmuth und Farbenpracht, daß sich die Brust plötzlich stolzer erhob und das patriotische Herz höher schlug bei dem Gedanken an den übermüthigen Nachbar im Westen, der seine räuberischen Hände nach diesem Juwel der deutschen Nation auszustrecken gedachte. „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“ und „Fest steht und treu die Wacht am Rhein“, so erklang es vom Vorderdeck her aus einem Kreise fröhlicher Heidelberger Studenten, ja es klang uns älteren Passagieren, die wir das Becker’sche Rheinlied einst als etwas „ganz Neues“ mit Begeisterung gesungen haben, wie die Bestätigung und Erneuerung eines alten Schwures der Treue und Standhaftigkeit.

Im Städtchen Elfeld (Eltville ist eine ungerechtfertigte Neuerung, welche selbst von den Bewohnern nicht adoptirt ist) verließen wir das Schiff, um sofort binnen wenigen Minuten und für noch weniger Groschen nach dem weinduftigen Hattenheim zu fahren, wo uns der Allerweltsfreund Vater Laroche im „goldnen Anker“ mit kostbarem Geisenheimer-Rothenberger und Mainzer Handkäse erquickte. Vater Laroche nennt alle seine Gäste ohne Ansehen der Person „Ihr“ und weiß so köstlich vom Rhein und dessen Weinen zu erzählen, daß man sein Haus stets belehrt und erheitert verläßt. Frankfurter oder vielleicht auch Mainzer Weinkaufleute saßen mit uns im Zimmer; sie sprachen die Absicht aus, die berühmten Domanial-Weinlager von Eberbach zu besuchen und behufs der in nächster Zeit stattfindenden Weinversteigerung die erforderliche Probe abzuhalten, so daß wir gern die freundlichst gebotene Gelegenheit zu einer so zuträglichen und interessanten Fußpartie ergriffen, welche nun sofort angetreten wurde. Ueber die berühmte Flur „Markobrunn“, welche ihren Namen von einer dem heiligen Markus geweihten Quelle ableitet, gelangten wir an das schon etwas höher gelegene Domanialgehöft „Neuenhof“, welches von dem Domanium nur zu dem Zwecke erworben ist, um daraus den Dünger für den unmittelbar angrenzenden hochberühmten „Steinberg“, die Wiege des Steinberger Cabinetweins, zu gewinnen.

Dieser edle Berg, ein Fürst unter den Weinbergen, ist wie einst das salomonische Heiligthum, von einer gewiß sehr kostbaren hohen Mauer rings umschlossen und nur durch wenige Thore zugänglich. In der Mitte der gewaltigen Fläche erhebt sich ein geschmackvolles Lusthaus mit der Hauptaussicht nach jener kostbarsten Perle, jener kleinen Parzelle am südlichen Abhange, welche das vorzüglichste Gewächs liefert und deshalb auch ganz besonders behandelt und abgeerntet wird. Das war also der berühmte Steinberg, dessen Namen wir schon so oft ganz am Schlusse der Weinkarte in gleichem Range mit dem Schloß-Johannisberger gelesen, dessen nähere Bekanntschaft wir aber aus ökonomischen Rücksichten stets vermieden hatten. Letzteres vielleicht zu unserem Glück, denn nach unseren nunmehrigen Erfahrungen hätten wir vermuthlich in den meisten Fällen den auf der Weinkarte notirten hohen Preis für einen wenn auch nicht gerade verächtlichen, jedenfalls aber ganz unebenbürtigen Stiefbruder des hochedeln Herrn von Steinberg bezahlen müssen. Ueberhaupt mußten wir heute von verschiedenem Illusionen Abschied nehmen, welche uns bisher so treu durch das Leben begleitet hatten, und unter Anderem brach bei den Mittheilungen unserer sachverständigen Begleitung jene idyllische Vorstellung von dem Leben und der Arbeit der Winzer wie ein morsches Gebäude zusammen. Hört man dergleichen Mittheilungen aus sachkundigem Munde, so könnte man bei dem Gedanken an den sauern Arbeitsschweiß, welcher zur Herstellung des Products erforderlich ist, und an die Seufzer der bittersten Enttäuschung bei schlechter Ernte den Appetit verlieren, wenn der Geist des Bacchus nicht kräftiger wäre, als die unfruchtbare, sentimentale Reflexion.

Hinter dem Steinberg noch ein kurzer Marsch auf der Chaussee, und vor uns liegt rechts hoch auf dem Rücken eines bewaldeten Hügels die großartige Irrenheilanstalt Eichberg und geradeaus im waldigen Thale das ehrwürdige Kloster Eberbach. Die alten Mauern, welche uns demnächst umfingen, haben eine reiche Geschichte, welche jetzt ihren vorläufigen Abschluß darin gefunden hat, daß an Stelle der frommen Cisterzienser Zuchthaussträflinge getreten, während die Keller der guten frommen Väter noch heute mit dem edelsten Naß gefüllt sind. Sämmtliche Räumlichkeiten sind den neueren Zwecken entsprechend und nach Bedürfniß hergestellt, namentlich das ehemalige Dormitorium der Mönche (der Dörmter), welches den Gefangenen ebenfalls als Schlafsaal dient und mit seiner langen Reihe von Pfeilern perspectivisch deshalb eine so mächtige Wirkung hervorbringt, weil die Pfeiler sich allmählich verjüngen. Zu beklagen ist es, daß die Bilder der Aebte in einem offenen Flur hängen, so daß die Spuren der allmählichen Zerstörung durch den Zahn der Zeit bereits in bedenklicher Weise sichtbar werden; aber ebenso bedauerlich ist es, daß das ehemalige Refectorium, ein kühner, durch [752] einen einzigen Pfeiler getragener Gewölbebau, jetzt als Holzstall benutzt wird und dem Verfall preisgegeben zu sein scheint. Es dürfte doch wohl nöthig sein, den sonst doch so conservativen Kunstkenner Herr von Quast einmal hierherzuschicken, um durch ihn ein Machtwort sprechen zu lassen. Besser erhalten ist derjenige Theil der ehemaligen Klosterkirche, in welchem jetzt die sechszehn Kelterpressen aufbewahrt werden und in welchen unsere Gesellschaft nunmehr eintrat, um eine jener am Rheine so beliebten und jeder Versteigerung nothwendig vorausgehenden Proben vorzunehmen.

Unter einer solchen Probe muß man sich nicht etwa ein lustiges Fest mit vollen schäumenden Humpen, Liedern und Kränzen u. dgl. vorstellen, sondern ein höchst wichtiges ernstes Geschäft, zu dessen richtiger Erledigung ganz intime Vorkenntnisse gehören. Da stehen auf langen Tischen primitivster Constuction eine Reihe von gefüllten Achtelgläsern, ein jedes auf seiner deutlich mit Kreide oder Schwärze geschriebenen Nummer, deren letzte diesmal Vierundachtzig war. Die Weine sind genau nach der Güte rangirt und man begeht ein ungeheures Verbrechen, wenn man das Glas nach erfolgter Probe nicht wieder auf die richtige Nummer stellt. Man beginnt die Probe mit der geringsten, oder hier besser gesagt, wenigst guten Sorte, denn das Prädicat „gut“ beanspruchen sie alle mit Recht. Da standen sie nun vor uns, die edeln Neroberger, Steinberger, Gräfenberger, Hattenheimer und Markobrunner aus den Jahrgängen 1868, 1869 und 1870, um vor den Zungen der Weisen eine scharfe Prüfung zu bestehen. Da standen am Tische die Examinatoren schmeckend, kopfschüttelnd, die Augen gen Himmel aufschlagend und – spuckend, denn getrunken wird bei dieser Gelegenheit in der Regel fast Nichts, sondern die Kostproben werden nach erfolgter Einwirkung auf die Zunge sofort den Göttern als Libation zurückgegeben, eine Eigenthümlichkeit, welche uns genußsüchtige Nordländer anfangs zwar sehr befremdete, welche wir aber doch bis zu Nr. 70 getreulich mitmachten, oft in Versuchung, das herrliche Naß hinuntergleiten zu lassen. Indessen nahe liegende Bedenken hatten uns bis zu dieser Nummer einen hohen Grad von Selbstbeherrschung zur Pflicht gemacht, hinter der Nr. 70 kamen einzelne, selbst starke Charaktere in’s Schwanken, hinter Nr. 73 bemerkte man schon einige Schwache, bei denen die teuflische Neigung der Pflicht der Selbsterhaltung vollständig besiegt hatte, und hinter der Nr 77 gab es nur noch wenige Scheinheilige, die es nicht laut als eine unverzeihliche Sünde erklärten, einen solchen Göttertrank ungenossen zu lassen, ja, wir sind fest überzeugt, daß selbst diese wenigen Heuchler die Feuertropfen heimlich hinter die Binde gleiten ließen. Unter Ausrufen des Entzückens gelangten wir zu den Nummern 81, 82 und 83, an die Stelle des geschäftsmäßigen Schweigens war längst die lauteste Mittheilsamkeit getreten, und selbst Mirza Schaffy hätte hier noch etwas lernen können, so floß Lob und Preis des schönen Weines von den weintriefenden Lippen.

Als sich nun aber noch einmal die Pforten öffneten und der Küfer mit verklärtem Gesichte hereintrat, um uns die Nr. 84 zu kredenzen, da erhöhte sich selbst diese muntere Scene noch einmal und die Lustigkeit steigerte sich bis zum frohen Gesang und Vivatruf. Der Küfer, welcher von den übrigen Sorten immer gleich mehrere zugleich herbeigebracht hatte, trug diese Sorte ganz allein, aber mit einer gewissen Feierlichkeit und mit der stolzen Miene eines Siegers, als wolle er alle Welt zum Kampfe herausfordern und den Beifall der strengen Weinmeister mit Gewalt an sich reißen. Und dieser wurde ihm reichlich zu Theil, denn die Nr. 84, ein 1868er Steinberger, übertraf seine sämmtlichen Brüder so weit, wie Nr. 83 etwa die Nr. 63, und darum erhob sich denn auch beim Kosten ein allgemeiner Jubel, welcher sich zuletzt in den Klängen des alten Weinliedes auflöste:

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben,
Gesegnet sei der Rhein,
Da wachsen sie am Ufer hin und geben
Uns diesen Labewein!

Noch niemals, auch als junge lebensfrische Studenten nicht, haben wir diese Worte des alten Wandsbeckers mit so heller Begeisterung und mit solcher Berechtigung gesungen, als hier im Kellerhause von Eberbach.

Die Probe war vorüber, unsere kaufmännischen Begleiter machten ihre Notizen, um danach ihre Maßregeln für die demnächst stattfindende Versteigerung zu treffen, und später erfuhren wir denn auch noch als willkommenen Nachtrag, daß bei der Versteigerung selbst, der wir leider nicht beiwohnen konnten, der beste Steinberger mit zweitausendzweihundert Thalern für zweihundertfünfundneunzig Maß von Valkenberg in Worms, die zweitbeste Sorte aber für zweihundertneunundneunzig Maß zu eintausenddreihunderteinundzwanzig Thalern von dem berühmten Haus Mumm in Frankfurt a. M. erstanden worden sei.

Uebrigens war es uns später dennoch gestattet, auch eine Versteigerung mitanzusehen und zwar eine, die zu den berühmtesten innerhalb der Grenzen des Rheingaus zählt und von Sachverständigen aus weiter Ferne besucht ist. Dieselbe ward in dem geräumigen Kelterhaus des ehemals kurmainzischen, dann nassauischen und nun preußischen Amtsgebäudes zu Rüdesheim abgehalten, und es kamen dabei die Erträge der fiscalischen Weinberge in und bei Rüdesheim zum Auswurf, nämlich die weißen Gewächse: Flecht, Aßmannshäuser Traminer, Schloßberg Orleans und Rießling, Hinterhaus, Burgweg, Kiesel Aßmannshäuser Rothweiß (sogenannter Claret, welcher vielfach zu dem Rosachampagner verwendet wird) und Rottland aus den Jahrgängen 1868, 1869 und 1870 und die Aßmannshäuser Rothweine von 1869 und 1870. Diese Versteigerung, welcher wir, wie gesagt beizuwohnen Gelegenheit fanden, ward, wie alljährlich, auch diesmal geleitet durch den als Weinkenner weit und breit berühmten Weinbau-Inspector Victor aus Wiesbaden.

Wir treten in den geräumigen Saal, in welchem wir an drei langen, parallel nebeneinander hinlaufenden Tischen etwa hundertundfünfzig bis zweihundert Männer versammelt finden, während im Hintergrunde des Saales das Versteigerungs-Bureau constituirt und der unter der Aufsicht des Oberküfers stehende Probentisch etablirt ist. Auf jedem der langen Tische stehen in kurzen Zwischenräumen große leere Flaschen mit Trichtern und Flaschen mit klarem Wasser, vor jedem Auctionsgast aber ein Weinglas. Wir betrachten das kauflustige Publicum und finden Männer aus allen möglichen Lebensstellungen und Lebensaltern mit jener Farbenfrische der Wangen und sichtbaren Dauerhaftigkeit der Gesundheit, welche die Begleiter des verständigen und mäßigen Lebensgenusses, die Folgen des Umganges mit dem reinen Rebensafte sind, und mit jenem Ernst im Gesichtsausdruck, welcher dem Abschluß eines schwierigen und wichtigen Geschäfts angemessen ist. Da finden wir die Eigner oder die Agenten der großen und berühmten Weingeschäfte, zum Beispiel den Agenten des Bremer Rathskellers und die Beauftragten rheinischer Privatgesellschaften, welche, wie etwa das Casino in Coblenz, es sich zur heiligsten Pflicht gemacht haben, ihren Mitgliedern nur reinen Wein einzuschenken; aber vor allen Dingen finden wir da die eigentlichen Kenner des Rheinweins, die Privatbesitzer von Weinbergen, die Producenten, deren Wiege im Rheingau gestanden hat und die in einem langen Leben manchen Schluck musternd auf die Zunge nahmen. Da sitzt uns gegenüber eine alte ehrwürdige Greisengestalt mit glatt rasirtem, stark gefurchtem Gesicht, die langen weißen Locken hinter das Ohr gestrichen und den schwarzen runden Filzhut auf das ehrwürdige Haupt gestülpt, etwas rücküber, so daß eine breite denkende Stirn sichtbar wird, unter welcher ein Paar alte, aber blitzende Augen hervorleuchten. Ein herrliches Greisenbild mit dem Blick der frischen Jugend! Und wer ist dieser eigenthümliche Mann, der eher nach einem Geistlichen oder Schulmeister, als nach einem Weinkenner aussieht? Haben wir ihn nicht schon oft im Leben gesehen, ohne doch im Augenblick zu wissen, in welchem Fache des Gedächtnisses wir ihn finden sollten? Aber da hilft uns unser freundlicher Nachbar aus Mainz, an den wir unsere Frage richteten. „Gewiß,“ lautete die Antwort, „kennen Sie den Alten, er ist ja eine Hauptfigur aus Hasenclever’s berühmter und überall gekannter ‚Weinprobe‘, er ist der alte, nun fast neunzigjährige Weinbauer G. hier aus Rüdesheim, ein Freund des Malers, der ihn auf seinem Bilde offenbar mit besonderer Vorliebe als die ansprechendste Figur von allen gemalt hat, und eine allbekannte Wein-Autorität.“

Die Versteigerungsverhandlung begann mit der Vorlesung der Bedingungen, aus denen wir lediglich hervorheben, daß als geringstes Weitergebot nur drei Thaler zugelassen werden, ein Gebot, welches übrigens selten genug vorzukommen scheint. Nach dieser Vorlesung, der Niemand zuhörte, da jeder Anwesende die Bedingungen und eine Liste der zur Versteigerung kommenden Sorten gedruckt vor sich liegen hatte, setzten sich die blaubekittelten Küferjungen in Bewegung, um sämmtliche Gläser mit einigen Tropfen [753] aus dem zunächst zur Versteigerung kommenden Fasse zu versehen. „Die Proben sind herum,“ ruft Herr Victor freundlich schmunzelnd sein Publicum überschauend. „Wer bietet auf dieses Faß von dreihundertdrei Maß inclusive Faß?“ Sofort beginnt das Bieten mit fünfzig Thaler, um mit hundertdreißig zu enden, und in dieser Weise werden acht Sorten 1869er schnell hintereinander verkauft, die beste dreihundertein Maß enthaltend, für dreihundertzweiundsechszig Thaler. Ihnen folgen sechs Sorten 1870er zu weit niedrigeren Preisen, wogegen die nächsten neun Sorten 1868er wieder besser fortgehen, namentlich ein Faß Aßmannshäuser Traminer von zweihundertneunundneunzig Maß für vierhundertzwölf Thaler.

Sobald die Probe vorüber, das heißt der nur auf die Zunge gelegte Schluck den unterirdischen Göttern geopfert ist, gießt Jedermann den Rest des Weines in den Trichter, um sofort aus den Händen der Küferjungen die nächstfolgende Probe eingeschenkt zu erhalten. Die Käufer der einzelnen Fässer werden von der ganzen Gesellschaft sorgfältig notirt, auch werden die Namen nachher durch alle Localblätter bekannt gemacht, damit Jedermann weiß, wo Barthel vorkommenden Falles seinen Most zu holen hat. Nach einer gewissen Anzahl von Proben spült man das Glas mit Wasser aus und genießt ein Stück wohlschmeckendes Schwarzbrod, welches die Kellerverwaltung in großen Körben reichlich vertheilt, und so sieht man denn die ganze Versammlung vor sich schlürfend, kauend, schreibend, spuckend und bietend, letzteres aber nicht etwa mit lautschallender Stimme, wie bei gewöhnlichen Auctionen, sondern meistens nur durch stumme Winke mit den Armen oder Fingern, eine Zeichensprache, welche der Auctionator mit einer erstaunenswerthen Virtuosität versteht.

Nach den weißen Weinen gelangten achtzehn Sorten rothe Aßmannshäuser, Jahrgang 1870, zur Versteigerung; sie wurden nicht sehr gelobt, auch nicht hoch bezahlt, denn die geringste Sorte von hunderteinundsechszig Maß kostete nur neunundsiebenzig Thaler, die beste von hundertvierundsechszig Maß hundertzwölf Thaler. Nun aber folgten zweiundzwanzig Sorten des rothen Aßmannshäusers aus dem köstlichen Jahrgang 1869, und aus der allgemeinen Bewegung, welche plötzlich in der Versammlung entstand, konnte man schließen, daß etwas Ungewöhnliches bevorstehe. Die Versteigerung begann und „zweihundert Thaler für hundertzweiundsechszig Maß“ lautete das Angebot. Das Faß ging für zweihundertvierundfünfzig Thaler fort, aber die Preise steigerten sich bei jeder besseren Sorte, bis endlich die beste von hunderteinundsechszig Maß für fünfhundertelf Thaler verkauft wurde. Dabei sei für die Leser der Gartenlaube, welche sich etwa die Preise auf Flaschen berechnen wollen, in Parenthese bemerkt, daß die nassauische Maß zwei Liter, das heißt etwa drei gewöhnliche Flaschen, enthält. Das edle Naß wurde also diesmal theuer genug losgeschlagen, die 1869er Sorten waren aber auch ganz vorzüglich und unser Vis-à-vis, die alte Weinautorität, versicherte laut und freudig, daß ein solcher Aßmannshäuser in diesem Jahrhundert noch nicht gewachsen sei. „Sind Sie,“ so ergänzte ihn einer seiner Nachbarn, „sind Sie ein Freund von leichtem Getränk, so kaufen Sie sich Burgunder oder Bordeauxweine, wollen Sie aber lieber etwas Herzhaftes trinken, so greifen Sie zu dieser Sorte,“ und dabei schlürfte er stolz auf sein schönes rheinisches Heimathland und mit der tiefsten Verachtung gegen Frankreich erfüllt die schwarzen schweren Tropfen, von denen auch wir kosten und empfinden mußten, daß sie in Wahrheit wie Feuer durch die Adern rollen. – Die Versteigerung war vorüber, die Käufer legten ihre Siegel an die erkauften Fässer, nahmen die Probeflaschen in Empfang und die Gesellschaft zerstreute sich.

Schon während der Auction stand Einer draußen am Brunnen, er hatte mit Hülfe des eitlen Quellwassers aus einem halben Glase Aßmannshäuser ein volles gemacht und prüfte nun Farbe und Geschmack. Was beabsichtigte dieser Künstler? wollte er nach [754] Art der homerischen Helden einen, Mischtrank bereiten, oder verfolgte er zum Besten der Menschheit Sanitätszwecke? Wollte er selbst hier unserem Herrgott in das Handwerk pfuschen, unserem Herrgott, der in seiner Weisheit ganz gewiß den Wein und das Wasser selbst zusammengegossen haben würde, wenn er solche Mischung für zweckentsprechend gehalten hätte? So aber hat er wohlbedacht den Wein, oben auf den Bergen wachsen und das Wasser unten im Thal fließen machen, und deshalb soll die Beiden auch Niemand zusammenkommen lassen, abgesehen von dem bekannten guten Worte, das uns schon der wackere alte Kopisch zugerufen hat:

„– daß ein guter Christ
In Wein niemalen Wasser gießt,
Dieweil darin ersäufet sind
All sündhaft’ Vieh und Menschenkind.“