Von Paul Beneke, dem deutschen Helden

Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Von Paul Beneke, dem deutschen Helden
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 240–246
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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132. Von Paul Beneke, dem deutschen Helden.

1473. In dieser Zeit trieben die Englischen großen Muthwillen gegen alle Osterschen Städte, Lübeck, Hamburg, Wismar und Danzig; und wiewohl viele Verhandlungen dieserhalb stattgehabt, konnte die Sache doch nicht vertragen werden. Deßwegen waren die Osterschen Städte genöthigt, Schiffe mit Volk und Geschütz in See zu halten, welche die Kauffahrt vor den Engelschen beschützen sollten.

Nun begab es sich, daß die Engelschen ein großes Schiff in See hatten, das Johannes hieß; und sich hören ließen, sie wollten die ganze See verbitten, und alle die Osterlinge damit zwingen. An dieses große Schiff kam ein Schiffer von Danzig, mit Namen Paul Beneke, welcher auch ein Orlogsschiff führte; und scharmützelte mit den Engelschen, und gewann das große Schiff, und brachte es seinen Herren nach Danzig. Ein Rath von Danzig aber bemannte es in Eil, und setzte einen Rathsherrn als Hauptmann darauf. Aber die Engelschen hüteten sich wohl dem Schiff zu begegnen, und so lag es den ganzen Sommer umsonst in See; endlich lief es nach der Elbe, um sich Getränk und Proviant zu holen. Da reiste der Rathsherr zu Lande nach Haus, setzte aber den Paul Beneke zum Hauptmann, und befahl ihm, das Schiff um den Skagen herum nach der Weichsel zu führen.

[241] Aber weil der Wind gut war, lief Paul Beneke unter die Küste von Flandern, um gute Beute zu machen; denn es ward ihm zu wissen, wie zu Brügge etliche Florentiner, damals Finanzer, später Fucker genannt, von den Englischen großes Geld empfangen, damit sie unter ihrem Namen ihnen das englische Gut zugehen ließen; auch daß sie zu Sluys dafür eine große Galeere gemiethet, die sie mit Geschütz und Volk mächtig ausgerüstet und mit Wappen und Bannern des Herzogs Karl von Burgund geziert, auch, damit es um so weniger auffiele, Welsche und Florentiner darauf gesetzt hätten.

Als Paul Beneke dieß hörte, hatte er Verlangen, sich die Galeere zu besehn. Es dauerte auch nicht lange, da kamen die Florentiner damit zu See, als ob ein Schloß oder eine Burg daherschwämme. Paul Beneke näherte sich ihnen, bot ihnen seinen Gruß, und fragte: woher sie kämen und wohin sie willens wären? Aber der Hauptmann oder Patron der Galeere, ein Lombarde, gab ihm eine spöttische Antwort: was er danach zu fragen hätte? ob ihm nicht das Wappen, sowohl in Bannern als auf der Galeere bekannt sei? wo er zu Haus gehöre? er habe wohl sonst noch keine Leute gesehn? – denn der hochfahrige Lombarde ließ sich gedünken, der Deutsche mit seinem Schiff müsse dem Welschen wohl weichen.

Aber er fand einen rechtschaffen deutschen Mann vor sich. Deßhalb sprach Paul zu dem Lombarden: er [242] solle streichen, und die Güter herausgeben, die den Engelschen gehörten; wenn er aber nicht mit Gutem wolle, solle er schon das Streichen lernen, und damit Schiff und Gut verloren haben. Aber diese Worte achtete der Welsche für große Thorheit; er ließ vielmehr statt der Antwort eine Büchsenladung auf den Deutschen abknallen. Alsbald aber war Paul Beneke und sein Volk fertig, setzten bei und scharmutzirten eine Zeitlang mit den Welschen.

Weil aber das Schiffsvolk sah, daß die Welschen in der Galeere an Geschütz und Mannschaft überlegen waren, wurde es zaghaftig und nahm den Wich. Das sahen die Welschen und riefen und schrieen ihnen aus Leibeskräften nach. Da hub Paul Beneke, zornig und traurig zugleich, an und sprach zu den Seinen: „Ach, Gesellen, was machen wir da? was soll daraus werden? wie wollen und können wir das verantworten? wollte ich doch, ich hätte diesen Tag nicht erlebt, da ich mit eignen Augen sehn muß, wie so mancher deutsche ehrliche Kriegsmann und Seemann vor den Welschen verzagt und die Flucht nimmt? was für Ursach haben wir denn; was macht uns so feigherzig? Wär’ es nicht ehrenvoller, daß wir alle vor unsern Feinden um unseres Vaterlandes Freiheit stürben und auf dem Platz blieben: als daß wir unser Lebenlang die Schande tragen, daß die Kinder mit Fingern auf uns weisen und uns nachschreien: das sind sie, die sich von den Welschen jagen lassen! Das wird [243] den Engelschen Muth machen, und sie werden allezeit gewinnen, und wir davonlaufen! Wie manchen frommen deutschen Seemann und Kaufmann werden wir um Leib und Gut bringen! ach, wären wir nur gar nicht losgegangen! es wäre ja besser, daß uns die Welschen ihr Lebenlang nicht mit Augen gesehn. Habe ich Euch nicht vorher gesagt: „Brüder, da wäre wohl eine gute Beute, aber sie wird Arbeit kosten? Wolltet Ihr alle, wie ich, mit Ehren drauf und dran, so sollte sie uns nicht entstehn; aber unerschrockne Herzen und Fäuste gehören dazu. Die Galeere ist groß, und wie ein scheußliches Beest anzusehn, dessen Ihr nicht gewohnt seid; dazu viel größer als unser Schiff und mit vielem Volk und Geschütz zugerüstet; jedoch es sind Welsche und keine Deutsche. Wollen wir aber nach unserer Väter Art mit Herzen und Fäusten Deutsche sein: so soll die Beute uns nicht entstehn, und uns unser Lebenlang gut thun.“ Da rieft Ihr alle, man sollte Euch nicht anders befinden, als wie es deutschen Männern wohl anstünde. O, großer Gott, nun muß ich mit eignen Ohren anhören, daß die Welschen uns nachrufen: so müsse man deutsche Hunde jagen! Sollte nicht ein ehrlicher Deutscher lieber sterben als das anhören?“

Mit solchen und ähnlichen Worten machte Paul Beneke seinem Volke das Blut wieder warm, daß es sprach: „Lieber Herr Hauptmann, hier ist noch nicht [244] groß versehen; daß wir eine Wendung machen, kann uns viel, unsern Feinden keinen Nutzen bringen. Laß uns jetzt nur alles aufs sorgsamste und nützlichste einrichten; wir sind noch Deutsche und wollen uns auch als Deutsche finden lassen. Aber führe uns nochmals vor die Feinde: die Welschen sollen Hunde finden, die nicht laufen, sondern weidlich beißen können; sie sollen diesen Tag noch unser sein, und wenn ihrer noch so viel wären; oder wir wollen Alle sterben.“

Als nun Paul Beneke vermerkt, daß der Kriegs- und der Seeleute Blut wieder warm und hitzig geworden, wollte er sie auch nicht höher erbittern, sondern gab dem Schiffer gute Worte, daß er das Schiff an die Galeere steuern ließe. Da entfiel den Welschen der Muth; da begannen die Preußen sich als Deutsche zu erweisen; wie Löwen saßen sie dem Feind im Nacken und packten ihn; und eh’ er sich’s versah, waren sie in der Galeere und begunnten zu würgen, was ihnen in den Wurf kam. Da hätte man Wunder sehn mögen, wie der große Patron von der Galeere, der vorher alle Deutschen allein fressen wollen, und die anderen großen Fucker auf die Erde fielen, sich vor die Brust schlugen, und die Deutschen wie Götter anflehten. Und hier ließ Paul Beneke sich abermals wie ein Deutscher hören und sehn; denn wiewohl die Welschen mit ihrem Hohn an den Deutschen kein Gutes verdient, konnte das edele deutsche Blut doch nicht [245] anders, als Barmherzigkeit beweisen über die, welche nun überwunden sich demüthigten und Gnade begehrten.

Als aber die Galeere genommen war, entstand dem Paul Beneke eine neue Müh, denn das Kriegs- und das Schiffsvolk wollte durchaus nicht zugeben, daß die Galeere nach Danzig gebracht würde: sie besorgten, da so großes Gut, viel tausend Gulden werth, darin war, die Beute würde ihnen nicht alle zu Theil werden, sondern der Danziger Rath als Reeder die Hälfte nehmen: außerdem fürchteten sie das Hin- und Herschreiben. Sie trugen also dem Hauptmann vor, daß sie ganz und gar nicht nach Danzig wollten. Obwohl nun Paul Beneke allen möglichen Fleiß anwandte, – wie es einem ehrlichen Deutschen wohl ansteht, daß er seinem Herrn allewege Treue beweist, – konnte er doch das Volk nicht überreden; sondern es blieb bei seinem Vornehmen, lief auf die Elbe, und begehrte Geleit vom Bischof von Bremen, daß die Beute getheilt werden möchte. Dieses Geleit ward ihnen gegeben; derhalben legten sie sich vor die Schwinge, und nahmen von dem Stader Rath Geleit, da die Hamburger es ihnen abschlugen. Kaum boten sie die Beute aus: da ließen die Herren von Lübeck und Hamburg bei Leib und Leben verbieten, daß man davon kaufen solle: es geschah aber doch, weil der Kauf gut war.

Nun wurde bald hernach zu Utrecht zwischen den Osterschen Städten und den Engelschen getagt; die Lombarden [246] also fuhren dahin und klagten kläglich, daß sie wie Feinde behandelt wären, und hingen große Drohworte daran; nur verschwiegen sie weislich, daß sie Finanzern mit den Engelschen getrieben. Die Herren aber gaben ihnen zur Antwort: sie wären nicht gesandt, zu richten: sie sollten allein Fleiß anwenden, daß es zwischen den Osterschen Städten und den Engelschen zum guten Vertrage käme; behülflich wollten sie aber gerne sein, wenn man sich an die hielte, die den Schaden gethan.

So von den Herren von Lübeck, Cöln, Bremen etc. abgewiesen, bewogen sie den Herzog Karl, daß er an Paul Beneke einen Sendboten abgehen ließ; der aber kam ledig nach Haus zurück; und Paul Beneke und sein Volk schieden die Beute so, daß jener für den Rath von Danzig die Hälfte empfing: die andere Hälfte theilten die Kriegsleute unter sich und wurden alle reich.

Darauf schrieb und drohte Herzog Karl dem Danziger Rath; aber der kehrte sich nicht groß an das Schreiben.

Aus der männlichen That Paul Beneke’s aber entstand so viel, daß die Engelschen ernstlich an den Frieden dachten, und die langjährige Fehde dadurch geendet ward, daß die deutschen Kaufleute für den Schaden, den ihnen jene zur See gethan, zehntausend Pfund Sterling erhielten.

Wollte Gott, daß solcher deutschen Hauptleute viele wären!

Bemerkungen

[396] (nach Cock.)