Textdaten
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Autor: Dr. Cn.
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Titel: Vom Wolkenhimmel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 28
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[28] Vom Wolkenhimmel. Einer der interessantesten, im Ganzen aber doch wenig beobachteten Naturvorgange ist die Wolkenbildung. Der Mensch der Bedürfnisse ist in der Regel vom Treiben auf der Erde so in Anspruch genommen, daß er nur selten den Blick über sie erhebt. Nur etwa, wenn ihm von dem sichtbaren Himmel eine Gefahr zu drohen, ein Vergnügen gestört zu werden scheint, richtet sich sein Blick besorgt nach oben und versucht er den Erscheinungen der Atmosphäre die Antwort auf seine Fragen abzugewinnen. Ihre stilleren Prozesse, der immerwährende Wechsel in den sichtbaren Gestaltungen, das ewige Spiel in Bildung, Verbindung und Wiederauflösung der Wolken, die in den Haushalt der Natur und des Menschen so tief eingreifen, läßt er meist unbeachtet. Zwar hat die Wissenschaft die unendliche Mannigfaltigkeit der Wolkenformen in einige charakteristische Abtheilungen zu bringen sich bemüht; sie nennt uns Locken- oder Federwolken, Haufenwolken, Schichtwolken mit einer Reihe Neben- und Unterarten für die Uebergänge und Verbindungen, aber sie alle genügen nur für die scharf hervortretende Eigenthümlichkeit und lassen uns für eine Menge der wechselndsten Gestalten dieses Luftproteus im Stiche. Ebenso erschöpfen die Ansichten über das Zustandekommen der Wolken selbst noch lange nicht den anziehenden Gegenstand.

Mannigfaltig wie die Gestalt, ist das Vorkommen der Wolken. Jenen Theilen der Welt, wo sie zu den Seltenheiten gehören, stehen andere gegenüber, wo es gleich selten ist, einen wolkenlosen Himmel zu sehen. Tausenderlei Ursachen, zum Theil bekannt, zum Theil nicht gehörig gewürdigt, oder schwer erkenn- und bestimmbar, wirken auf dieses Verhalten ein. Unzählig sind die Umstände, welche das Gleichgewicht der Atmosphäre stören, unberechenbar die atmosphärischen Strömungen, welche hier ihren Einfluß üben. Man versuche es nur, in unserm launischen Klima einmal längere Zeit an einem besonders veränderlichen Tage das Treiben am Himmel zu beobachten, und man wird sich bald von seinen schönsten Vorkenntnissen in der Meteorologie verlassen fühlen. Hier bricht durch eine finster dräuende Wolke, von der wir mindestens einen tüchtigen Regenschauer erwarteten, wieder strahlend die Sonne, und während sie noch in ungetrübtem Glanze leuchtet, überrascht uns aus lichtgrauer Schleierwolke ein feiner Staubregen. Jetzt, so weit wir blicken, ein düstres Gewölke finstrer Wolken über uns; wenige Minuten, und der Himmel zeigt sein schönstes Blau; fast spurlos ist das Gewölke verschwunden oder es zeigt uns nur die fliehende Nachhut. Ein ander Mal erblicken wir nur ein Wölkchen in der klaren Luft schweben. Kurze Zeit, und der kleine Punkt hat sich zur weiten Masse entwickelt, die, ehe wir es uns versehen, mit dem Rollen des Donners erschreckt.

Mächtige Ursachen beständiger Wetterprozesse sind die Gebirge, je höher desto mehr, desto eigenthümlicher in den Erscheinungen. So sind die Alpen wahre Wettersäulen und in ihrer gewaltigen Höhe wie in der kaum übersehbaren Verknotung ihrer in allen Richtungen streichenden Arme die ungeheuren Werkstätten einer ungemein mannigfaltigen Wolkenbildung. Es ist nicht meine Absicht, hier in diese Prozesse näher einzugehen, der Leser erlaube mir nur, ihm, so weit es Worte vermögen, eine Beobachtung mitzutheilen, die ich in gleich überraschender Schönheit und Eigenthümlichkeit zu machen meines Erinnerns noch nie Gelegenheit hatte.

Es war am 24. Juli dieses Jahres nach mehreren sehr heißen Tagen mit stets klarem Himmel, während welcher, wie es nicht selten der Fall ist, nur die fernen Alpengipfel sich mit feststehenden Wolken, halbkugeligen, selbst wieder gebirgsähnlich nach oben gewölbten Haufenwolken, bedeckt gezeigt hatten, und zwar so, daß jene Gipfel nur zuweilen kaum kenntlich durch den Schleier matte Umrisse entdecken ließen, – als ich auf freier Höhe mehrere hundert Fuß über dem Spiegel des Zürichsees stand, Abends um halb Acht. Ein wunderbar prächtiges Schauspiel bot sich dem Blicke. Im Westen war die Sonne hinter Wolken im Versinken. Ihrem Untergangspunkte scheinbar gegenüber, doch mehr im Südwesten begannen die tiefen Wolkengehänge an den Bergen sich von unten allmälig in den lebhaftesten Purpurtinten zu färben. Die feurig glühende Röthe wuchs allmälig immer höher am Himmelsgewölbe herauf – ein Gluthenmeer von unbeschreiblicher Pracht, in dem einzelne von der Hauptmasse sich nach oben ziehende Haufenwolken selbst wieder in rosigerer Röthe magisch schimmerten. Der Spiegel des Sees glich einer grünen Schale flüssigen purpurnen Blutes. Die idyllischen Ufer, das begränzende Waldgelände schwammen in einem bläulich violetten Lichtdufte. Die übrigen Gegenden des Himmels zeigten sich in unveränderter Reinheit; nur hier und da lagerte sich neben eine einfache Haufenwolke eine lichtere im höhern Himmel streifig verfließende Röthe. Im Westen aber hatte sich ein anderes reizendes Bild entfaltet. Wäre es möglich gewesen, so hätte man zu der Annahme versucht sein können, ein Spiegelbild der Hochalpenkette zu erblicken, so genau auch in der Farbe täuschend hatten hier die Haufenwolken die Gestalt des Gebirges mit seinen Kuppen und Gipfeln angenommen, die von den Strahlen der scheidenden Sonne beleuchtet, in jenem Rosenlichte erglänzten, mit dem das Tagesgestirn am Morgen oder Abend die Firnen und Häupter der Alpen zu bekleiden pflegt. Oben war der Himmel azurnes Blau. Das Ganze gewährte einen so wunderschönen Anblick, wie ihn selbst die an ähnlichen Erscheinungen so reiche Alpenwelt höchst selten bieten möchte. Der daraus folgende nächtliche Himmel hatte nichts mehr von dieser Wolkenbildung zurückbehalten; im Gegentheil schimmerte sein Sternenheer in lange nicht gesehener Reinheit und fast südlicher Klarheit und Pracht; nur tief am Horizonte ließ sich von Zeit zu Zeit fernes Wetterleuchten sehen. Der folgende Abend brachte nach gleichfalls heißem Tage ein ähnliches Naturschauspiel, aber schon nicht mehr in dieser Fülle; im Westen fehlte die täuschende Nachbildung der Hochgebirgskette, und die Nacht hatte höher am Horizonte herauf und in weitester Verbreitung rings herum elektrische Entladungen von sichtlich gewaltigster Intensität. Das hier Geschilderte hing ohne Zweifel mit ungewöhnlichen Anhäufungen der Luftelektricität zusammen, die sich denn auch in der nächsten Nacht und den nächsten Tagen da und dort in den heftigsten Gewittern entluden. – Wenn ich mit dieser kurzen Mittheilung den Zweck verbinde, die Aufmerksamkeit der Leser, mehr als gewöhnlich geschieht, auf einen so anziehenden und wichtigen Vorgang in der Natur wie die Wolkenbildung, zu lenken, dürfte es Keinen gereuen, für eine kleine Mühe einen unendlich reichen Genuß einzutauschen.

Dr. Cn.