Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Volksthümliche Leibspeisen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 667–668
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
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[667] Volksthümliche Leibspeisen – eine nicht immer unbedenkliche Geschmackssache – besitzen alle Nationen, und wir Deutsche erfreuen uns eines besonders großen Vorraths derselben. Die in einer Land- oder Ortschaft vorzugsweise erzeugten oder gepflegten Gaben des Thier- oder Pflanzenreichs bieten den Grundstoff des Leibgerichts und bestimmen dessen Benennung. Dafür zeugen Westfälischer Schinken und Pommersche Gänsebrüste ebenso sehr wie die Backhändl, Rostbratwürste, grauen Erbsen, Spätzle und Waldklöße, jegliches an seinem Orte. Bei letzteren aber wollen wir ein wenig verweilen.

Unter Waldklößen verstehen wir die Thüringer und Vogtländischen Kartoffelklöße, welche die Sonntags- und Feiertagshauptspeise in allen Familien, bei Reich und Arm im ganzen Gebiet ihrer Herrschaft sind. Dieses Gebiet erstreckt sich in Thüringen und Franken über das Land [668] der ehemaligen gefürsteten Grafschaft Henneberg, namentlich vom Kamm des Thüringer Waldes bis nach Koburg hinab, das sich als die südliche Hauptstadt dieses Nationalspeise-Reiches auszeichnet.

Die wesentlichste Eigenthümlichkeit derselben besteht aber darin, daß zur Bereitung dieser Klöße die Kartoffeln nicht erst gekocht, sondern in rohem Zustande gerieben werden. Ist dieser Brei gehörig (eine Nacht über) entwässert, so wird er tüchtig ausgepreßt, mit Milch angebrüht, mit scharf gerösteten Semmelbröckchen gefüllt und mit der Hand zu Kugeln geballt in das kochende Wasser geworfen. Wenn ihre Herstellung geglückt ist, so steigen sie, sobald sie „fertig“ sind, an die Oberfläche des Wassers und müssen nun auch sogleich auf den Tisch kommen. Wenn ein solcher Kloß auf dem Teller liegt, so darf er nicht mit dem Messer geschnitten werden, das wäre eine schwere Verletzung für jedes sachkundige Auge; der Kloß muß schon zittern, wenn man nur am Teller wackelt, und es braucht nur geringer Nachhilfe mit der Gabel, um ihn aus einander fallen und seine knusperige Fülle zeigen zu lassen. Neben der Klöße- hat allezeit die Bratenschüssel zu stehen, denn Klöße ohne Braten mit kräftiger fetter Brühe sind eine reine Unmöglichkeit und gälten für ebenso unannehmbar wie Braten ohne Klöße.

Diese Klöße, welche im Vogtland „grüne Klöße“, im Meiningischen Henneberg „Hütes“ und im Preußischen „Knolle“ oder „Knödel“ genannt

Kartoffelpresse.

werden, erfreuen sich der doppelten Ehre, indem sie von Fürsten des Landes als Hausmannskost hoch gehalten werden und von Dichtern des Landes poetisch verherrlicht worden sind. Ganz bestimmt wissen wir ersteres vom Koburger Hofe, von wo aus übrigens alle in Koburg erzogenen Prinzen des Hauses ihre heimathliche Leibspeise mit auf ihre hohen Lebensstellungen in die Fremde trugen. So kann Herzog Ernst II. von Koburg in seinen Memoiren (Band 1, IV. Kapitel) uns von seiner ersten Reise nach Portugal, wo sein Geschwisterkind Ferdinand von Koburg-Kohary als Gemahl der Maria II. da Gloria König war, erzählen, daß die dortige Küche „mit unserer Hausmannskost“ viele Ähnlichkeit habe und daß er in Lissabon auch schon mit Koburger Klößen überrascht worden sei. Wenige Volksleibspeisen können sich solcher Treue ihrer Liebhaber in der Fremde rühmen. Was aber die Poeten betrifft, so hat nicht nur schon ein Dichter in der Henneberger Mundart treffliche Belehrung über die Bereitung dieser Klöße ertheilt, wie z. B.:

„Klenner, röst’ die Bröckle,
Laß se net verbrenn’,
Mach hinsch kläne Stöckle,
Bin s’ ins Mäule genn’ –“

sondern der gefeiertste Henneberger Dichter der Gegenwart, Rudolf Baumbach, hat den „Hütes“ ein Lied gesungen, welches weit über das Klößegebiet hinaus, das übrigens auch jenseit der Meere seine Kolonien hat, unzählige Menschen erquickt.

Das Hauptinstrument zur Kloßbereitung ist die Kartoffelpresse. Sie gilt als so wichtig für den Haushalt, daß sie beim Aufbau des Ausstattungswagens früher immer ihren Ehrenplatz neben der Wiege gefunden hat. Erfährt ein solches Werkzeug eine wesentliche Verbesserung, so sind wir derselben unsere Aufmerksamkeit schuldig. Wie bei der Buchdruckerkunst die Presse lange Zeit von Holz war, bis die eiserne sie verdrängte, so tritt jetzt auch für die Kartoffelpressung an die Stelle der alten, oft recht unförmlichen hölzernen eine eiserne Presse, und zwar ist diese Erfindung in der südlichsten Hauptstadt des Klößegebiets, in Koburg, ins Leben getreten. Daß wir dieselbe sofort selbst probirten, ist selbstverständlich, und so können wir sie und ihren Verfertiger und Verkäufer, Joh. Nic. Dehler in Koburg, um so freudiger empfehlen, als seine neue starke und zierliche Eisenpresse uns die Veranlassung gab, diesen Gegenstand einmal vor unser Publikum zu bringen.
Fr. Hfm.