Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Visionen großer Männer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 380
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[380] Visionen großer Männer. Das Gespenst ist ein Gespinnste unseres eigenen Gehirns, welches von der Gestaltungskraft unserer eigenen Phantasie zu einem Wesen außer uns erhoben, nun den Zusammenhang mit uns verliert und als ein eigenes, fremdes Wesen uns entgegentritt. Geschwächte, überarbeitete Geisteskraft begünstigt oft dieses plastische Spiel der Phantasie, da der Geist eben zu schwach ward, sich die Meisterschaft über die Phantasie zu erhalten. So hatten oft große Geister in schwachen Stunden Visionen. Man kann sagen: alle großen, produktiven Männer haben zuweilen an Visionen gelitten. Goethe ritt in seinen alten Tagen einmal aus in Weimar, und war ganz abergläubisch erschrocken, als plötzlich ein genaues Bild seiner selbst im hellen Rocke ihm entgegenritt und ihn grüßte, indem es verschwand. Er hielt die Vision für sein höheres Ich, das einen Versuch gemacht, außer dem Kerker des Körpers zu leben, da es diesen Körper bald verlieren werde. – Der Maler Spinello, welcher den Fall des Erzengels Lucifer zur Hölle gemalt hatte, wurde im Alter von seinem eigenen gemalten Teufel so oft erschreckt, daß er’s endlich nicht mehr aushalten konnte und sich ermordete. – Von einem englischen Carikaturmaler heißt es, daß er sich ebenfalls das Leben genommen, weil ihm seine „Spottgeburten“ lebendig und in Lebensgröße jede Nacht den Schlaf raubten. – Müller, der Schöpfer der Kupferplatte der Sixtinischen Madonna, war glücklicher. In seinem Alter besuchte ihn die liebliche Madonna und ihm mit süßer Stimme dankend für die künstlerische Liebe, die er in Ausgrabung ihres Bildes ihr so lange gewidmet, lud sie ihn zugleich ein, ihr in den Himmel zu folgen. – Der berühmte Ben Johnson betrachtete öfter die ganze Nacht seine große Zehe, um den Kämpfen von Tataren und Türken, Katholiken und Protestanten u. s. w. zuzusehen, welche sich diesen etwas unbequemen Kriegsschauplatz zur Ausfechtung ihrer Ansprüche gewählt hatten. – Beethoven, der bekanntlich in den letzten Jahren taub ward, bekam dadurch ein so feines Gehör, daß er nicht nur beim Dirigiren jeden Ton genau hörte, sondern ganze große Compositionen Ton für Ton vollständig auf- und ausgeführt hörte, während Alles um ihn her todtes Schweigen war. Man glaubt es der jetzigen allgemeinen Bildung schuldig zu sein, Träume, Visionen, magnetische Affectionen und „Nachtseiten der menschlichen Seele“ stets sehr nüchtern und verständig mit „Blut, schwachen Nerven, Mangel an Stuhlgang“ und dergleichen zu erklären. Man thut dies bereits bis zum Ueberdruß, so daß man hoffen darf, es werde nun bald wieder für anständig gelten, auch an noch nicht erklärte Kräfte des menschlichen Organismus zu glauben.