Tanzende Hunde und wandelnde Taschentücher

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Tanzende Hunde und wandelnde Taschentücher
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 380
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[380] Tanzende Hunde und wandelnde Taschentücher. Daniel Collis und William Poland, gut gekleidete junge Herren, wurden neulich vor den Magistratsherrn auf der Surreyseite Londons, Norton (nicht im besten Lichte berühmt durch seine geschiedene Frau, den „weiblichen Byron“’, Mrs. Norton) gestellt, angeklagt, einen Hund tanzen und Taschentücher wandeln gelassen zu haben. Durch Zeugen stellte sich heraus, daß Collis in einer belebten Straße durch seinen tanzenden und sonst in Künsten und Wissenschaften sich sehr bewandert und ausgebildet bewährenden Hund Aristoteles große Massen von Menschen so zur Bewunderung hingerissen, daß es seinem Geschäftsgenossen Poland gelungen war, verschiedene Taschentücher, in Gedanken versunken, aus fremden Taschen zu reißen. Ein Polizeibeamter sagte auch aus, daß er den jungen Herrn Poland seit drei Jahren als eines der geschicktesten und thätigsten Mitglieder einer sehr genialen Diebesbande zu kennen die Ehre, aber zugleich das Unglück gehabt habe, ihn nie zu erwischen. Zuerst seien sie mit ausstudirten weißen Mäusen auf der Straße erschienen, welche durch ihr graziöses, zartes Benehmen und ihre Anhänglichkeit an ihre Lehrer namentlich das schöne Geschlecht an- und ihm die Taschentücher ausgezogen hätten. Außerdem wurden die sieben Weißen aus dem Geschlechte der Mäuse mit vielem baaren rothen Kupfer honorirt. Doch die weißen Mäuse wurden in der freien Presse Englands endlich unehrlichen Lebenswandels beschuldigt, so daß sie in ihrer gekränkten Ehre sich zurückzogen (und vor Gram grau wurden), um das Feld einem unschuldigen, aber sehr gelehrten Spatze zu räumen. Spatz machte aber als Künstler nicht besondere Kasse, so daß er bald einem Eichhörnchen weichen mußte, welches, von Natur mit viel liebenswürdiger Komik ausgestattet, auch noch in der drolligsten Weise verschiedene Leute judasküßte, während die Verräther hinten Taschentücher für andere Nasen abführten, als die der Eigenthümer. Doch auch der größte Künstler und die berühmtesten Sängerinnen haben ihre Zeit, wie nach Salomo viele andere Dinge und Menschen. So auch das Eichhörnchen (das londoner wie das berliner). Vom Eichhörnchen kommen die londoner Künstler und Diplomaten auf den Hund, einen Hühnerhund von der berühmten Sorte auf der Insel Skye. Seine Kunst auf den Hinterbeinen war heiter, aber ernst das Leben, in welches er seine Lehrer hineintanzte. Er tanzte fehlerfrei, klassisch, aber Mr. Poland griff zu unrechter Zeit und fehl. – Das treue, unschuldige Thier, sich keines Unrechts bewußt, folgte den Gefangenen mit fragenden, theilnehmenden Blicken nach dem Gefängnisse und winselte Tag und Nacht so jämmerlich vor der eisernen Thür, die sich ihm nicht öffnen wollte, daß der Gefängnißwärter Cook mit großer Wärme, die ihm gegen Menschen völlig fremd geworden war, vor Gericht den höchsten Ruhm des Thieres schilderte. An seinem Leben habe er nicht so etwas vor Freude und Entzücken gesehen, als diesen Hund, als er ihn zu den Gefangenen gelassen. Eine halbe Stunde habe er sich wie ein Rasender geberdet, und sei ununterbrochen an seinem Lehrer in die Höhe gesprungen, um ihn zu küssen, und so oft er auch dabei jämmerlich auf den Rücken gefallen, immer sei er wieder aufgesprungen, um in neue leidenschaftliche Beweise seines Entzückens auszubrechen. Die Ungeheuer von Lehrern des Hundes verleugneten jede Bekanntschaft mit ihm. Der Gefängnißwärter hatte große Schwierigkeiten, das von ihm geliebte Thier zu überreden, mit ihm in bessere Gesellschaft zu kommen. Norton: „Haben Sie gefunden, daß er wirklich so geschickt ist?“ Cook: „O und wie, Sir! Es ist ein bewundernswürdiges Geschöpf: Tanzen ist das Wenigste. Er thut fast Alles, was man ihm heißt.“ Cook versprach, ihn in Moral zu unterrichten, während seine Elementarlehrer ihre drei Monate absitzen.