Viehstück – 2 (Gemälde der Dresdener Gallerie)
Das scharfe Auge für die Auffassung von Merkzeichen, welche den eigenthümlichen Ausdruck der durch die Kunst zur Darstellung zu bringenden Gegenstände bedingen, hat Roos in der großen Menge von Bildnissen, welche er theils in Frankfurt, theils am kurmainzer und hessischen Hofe in den Jahren von 1657 bis 1685 malte, genügend bewährt. Doch steht die in seinen Portraits dargelegte Charakteristik, welche selten zur künstlerischen, wahrhaft geistigen Auffassung der persönlichen Besonderheiten hindurchdringt, der freien kräftigen Naturwahrheit in seinen Landschaften und Thierstücken aus früherer Periode in der Regel weit nach.
In seinen Thiergestalten erkennt man das sorgfältigste Studium und demzufolge eine Sicherheit der Zeichnung, welche dem Maler erlaubte, mit der größten Leichtigkeit die verschiedensten Stellungen und Gruppirungen auszuführen. Bei aller Treue, womit Roos die Thiere [321] meist in Heerden und in ruhiger Situation darstellt, giebt er ihnen stets etwas Akademisches, möchten wir’s nennen, in Lage oder Stellung, welches sehr oft so bedeutend hervortritt, daß der Beschauer sich unwillkürlich gesteht, wie diese Thierfiguren sehr gute Muster für die Ausführung durch einen Bildhauer abgeben, oder vielleicht nach antiken Vorbildern der Sculptur gezeichnet sein könnten. Die Landschaft stimmt zu diesem Typus der Viehstücke von Roos ganz vortrefflich mit ihrem Schmuck von starken Thürmen und alterthümlichem Gemäuer, das mehr an Rom und Griechenlands antike Baureste, als an die alte Architectur in dem Vaterlande des Malers zu erinnern pflegt. Diese landschaftlichen Partien in den Gemälden von Roos sind ebenso wahr und verständig ausgemalt, als die Thiere selbst. Schon vor dem Tode des Meisters (1685) behaupteten seine Oelbilder und geätzten Blätter bedeutende Preise, welche gegenwärtig rücksichtlich der Arbeit aus seiner Blüthenperiode sich ganz unverhältnißmäßig gesteigert haben, da kaum ein wichtiges Bild von Roos nicht in festen Händen ist.