Ein ländliches Volksfest (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Ein ländliches Volksfest
Untertitel: Von David Teniers
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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The Rustic Festival.     Ein ländliches Volksfest.

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Ein ländliches Volksfest.
Von David Teniers.

In dem weiten, mit den herrlichsten Blumen gezierten Garten des Edelhofes eines Dorfes, unweit der guten, alten Stadt Alkmaar in Holland, erging sich der jugendliche Herr der Besitzung mit seiner schönen Frau.

Beide waren sehr nachdenklich. Jacques van dem Bosch hatte unter der breiten Krämpe seines Sommerhutes die Stirn düster gefaltet; die reizende Schloßherrin sah betrübt darein und achtete kaum auf die kindlichen Spielereien und das Plappern des Erstgebornen, welchen sie, ungeachtet er bereits anfing, derbe Formen zu zeigen, auf dem Arme trug.

Ihre Aufmerksamkeit war auf ein fern unter einer Reihe von halbdurchsichtigen Fliederbüschen wandelndes Paar gerichtet. Es war ein schöner junger Mann und eine schlanke, üppig blühende Dame, welche Arm in Arm langsam an den Blumenbeeten dahin schlenderten und manchmal, während ihres, dem Anschein nach sehr lebhaften und interessanten Gesprächs einige Minuten stehen blieben. Wenn dieser Herr und diese Dame nicht in einander verliebt waren, so befanden sie sich auf dem Wege, es zu werden.

– Sieh nur, Jacques! flüsterte die junge Frau, verstohlen auf das ferne Paar deutend. Diese Jacobaea benimmt sich aber doch zu frei. Sie sollte doch bedenken, daß sie den Mynheer van Liljedorp erst seit drei Tagen kennt . . .

– Lange genug, um das leicht entzündliche Gemüth meines alten Freundes zu entflammen! sagte der Herr van Bosch achselzuckend.

– Und Anna kommt noch immer nicht! klagte die Dame. Was sie nur zurückhält, hier zu erscheinen, wo eine unverschämte Freundin sich bemüht, alle ihre Hoffnungen auf Erdenglück zu zerstören . . . O, Anna, Du meinst zu der Verlobung mit Deinem geliebten Cornelius zu eilen . . . Arme Schwester; Du wirst eben noch früh genug kommen, um Jacobaea Blander mit Deinem Bräutigam das Gelübde wechseln zu sehen.

[322] – Nein, Geliebte! sagte Jacques mit festem Tone. Du gehst zu weit. Ich kenne Cornelius Liljedorp besser. Dies Verhältniß mit dem Fräulein van Blander ist nun einmal eine seiner bekannten Spielereien. Dann aber bin ich überzeugt, sieht mein Freund Deine Schwester Anna wieder, so wird Dame Jacobaea, die wir mit so unzeitiger Zuvorkommenheit bei uns einluden, bald in Unbedeutendheit zurücksinken.

– Ich wünsche es! seufzte die Schloßfrau. Glaube aber nicht daran. Jacobaea ist nicht unbedeutend, sie ist sogar glänzender als Anna.

– Als Anna? fragte Jacques erstaunt. Diese Coquette sollte der hoch gebildeten, geistreichen Anna überlegen sein? Schöner ist Deine Schwester jedenfalls und ihre geistigen Reize sind mit denjenigen der Dame drüben, denke ich, gar nicht in Parallele zu stellen.

– Gut, mein Theurer! Aber Anna hat nicht die Stimme dieser Jacobaea. Ich versichere Dich, daß sie, wenn sie singt, mich sogar hinreißt. Ich weiß nur zu wohl, welchen ungeheuren Eindruck eine Frau durch vollendeten Gesang auf ein Männerherz machen kann.

– Du hast Recht, erwiderte der Edelmann lächelnd; denkst Du etwa daran, daß Du das erste Glied der Kette, womit Du mich fesseltest, durch Deine herrliche Stimme bildetest? – Aber um von Anna zu reden, so besitzt sie denn doch wahrlich das ausgezeichnetste Malertalent . . .

– Ach, das wirkt zu indirekt! sagte die Dame kopfschüttelnd. Die Persönlichkeit der Künstlerin tritt zu sehr in den Hintergrund. Und hier kommt es eben darauf an, diese und zwar im höchsten Grade geltend zu machen.

Der Edelmann ward diesen scharfsichtigen Bemerkungen gegenüber selbst nachdenklich und für das Glück seiner abwesenden Schwägerin besorgter als zuvor. Endlich aber schien ihm ein sicherer Hoffnungsstrahl aufzugehen.

– Anna ist ja vorzüglichste Tänzerin! rief er lebhaft. Geh doch mit Deinen Befürchtungen . . . Ist das auch etwa eine Kunst, welche sich mittelbar geltend macht, oder eine, bei welcher ein Mädchen Alles entwickeln kann, was ihr an Reiz und Grazie zu Gebote steht?

– Wo soll denn Anna zum Tanzen kommen? fragte die sichtlich auf die Fremde erzürnte Dame. Soll sie dem Herrn von Liljedorp, um ihn wieder für sich zu interessiren, etwa solo auf unserer Stube etwas vortanzen?

In diesem Augenblicke kam Cornelius Liljedorp mit seiner Dame am Arm auf das Ehepaar zu. Liljedorp war ein elegant gewachsener Mann mit dunklem Haar und kleinem Schnurrbarte, etwa sechsundzwanzig Jahr alt. Der bräunliche Ton seiner Gesichtsfarbe paßte vortrefflich zu dem Feuer seiner braunen, blitzenden Augen. Er schien sehr nachdenklich; die Frau van dem Bosch glaubte seine innere Zerrissenheit zu bemerken, welche durch seine aufkeimende Liebe zu Jacobaea, seine Verpflichtungen gegen Anna gegenüber, in seiner Brust hervorgerufen wurde.

Jacobaea dagegen stralte förmlich vor Glück. Es ist wahr, dies stolze Mädchen mit den schwellenden Formen, mit dem frisch blühenden Gesichte und den blonden Locken, die selbst der Neider schön finden mußte, war jedenfalls dem reizendsten Frauenzimmer eine höchst gefährliche Nebenbuhlerin, zumal aber, wenn dieses abwesend war. Das Fräulein van Blander schien sich, nur die Jagd auf die Hand des anziehenden jungen Mannes an ihrer Seite im Auge, wenig um den Eindruck zu kümmern, den ihr Benehmen auf ihren freundlichen Wirth und seine Gemahlin hervorbrachte. Sie wußte, daß ihre Jugendfreundin Anna in diesen Tagen von Amsterdam [323] eintraf; sie mußte daher vorher ihre Eroberung durchaus vollendet haben, oder Cornelius war ihr auf immer verloren.

Das Gespräch zwischen diesen vier Menschen wurde, ungeachtet Jacobaea so unbefangen als möglich schwatzte, sehr bald stockend und kalt. Das Ehepaar zog sich bald zurück; Cornelius, von den verschiedensten Empfindungen bestürmt, begab sich auf sein Zimmer und das Fräulein van Blander setzte sich in ihr mit Blumen geziertes Schlafgemach, stimmte ihre Laute und sang, daß es weit über den Garten hinaus durch die schwüle, heiße Luft des späten Sommerabends tönte.

Cornelius wollte bei diesem Gesange fast verzweifeln. Er nahm Anna’s Bildniß, welches an der Wand hing und richtete fest die Blicke drauf. Er durchlebte in Gedanken nochmals die seligen Augenblicke in ihrer Nähe; er wollte seine Seele gewaltsam von dem verführerischen Bilde Jacobaeas losreißen . . . Da – welche Töne quollen in italienischen Melodien, von ihrer Nachtigallenkehle hervorgezaubert, empor und bewegten sein Herz zu stärkeren Schlägen . . . Sein Kampf ward beendigt, denn ein Wagen rollte auf dem Schloßhofe. – Anna, die Geliebte, war angekommen. Cornelius schlich sich fast wie ein Missethäter hinab ihr entgegen.

Anna war brünett, schlanker als Jacobaea; ihr Auge, weniger lüstern, als das der Sängerin, war tiefer, geistreicher, ehrlicher. Für einen Moment sah und empfand Liljedorp nur sie, die Braut. Entzückt sah die Frau van Bosch dieser Empfangsscene zu. Heiterer war sie seit einigen Tagen nicht gewesen, als jetzt, wo sie dem Paare die breite Treppe hinauf zu dem Gesellschaftssaale folgte.

Da kam Jacobaea ebenfalls. Sie stand jetzt dicht neben ihrer Freundin. Cornelius schloß die Augen; er zitterte heimlich an allen Gliedern. Abermals, abermals stand er, ein neuer Herkules am Scheidewege. Der Bräutigam verbrachte eine höchst unerquickliche Nacht.

Am andern Tage war Sonntag. Am Nachmittage kamen die jungen Burschen und Mädchen des Dorfes mit ihrem Dorfgeiger und einem Dudelsackpfeifer an der Spitze auf den Schloßhof gezogen um die Herrschaften vom Edelgute zu einer von der Gemeinde veranstalteten Lustbarkeit einzuladen.

Der Herr van Bosch sagte sein Kommen zu und unter Jubelruf entfernte sich der Zug. Einige Zeit später machte sich die Gesellschaft auf den Weg und kam bald auf dem grünen Rasen vor dem Wirthshause an. Van Bosch führte seine Frau am Arm, welche ihren kleinen Jan an der Hand hielt. Liljedorp führte rechts Anna, links Jacobaea. Anna war, wie ihre Schwester, in schwarze Seide und zwar einfach gekleidet; nur ihre flandrischen Spitzen am Halse zeigten, daß sie die Schwester einer der reichsten Edeldamen der Gegend war. Jacobaea prangte in weißen Seidenstoffen, mit herrlichem Fächer und vielem Geschmeide; sie war wahrhaft bräutlich gekleidet. Die Erscheinung der Gesellschaft erregte allgemeine Bewunderung unter der lebendigen Gesellschaft.

Ein kräftiger Bauer, welcher ballgerecht angezogen war, das heißt, Jacke und Weste abgelegt hatte, kam, um Namens der Anwesenden das Fräulein Anna zum Tanze zu führen. Dies war Ehrensache und ward bereitwilligst von der Dame zugesagt.

Der alterthümliche Tanz, „Kuckuck und Kiebitz“ begann, wobei der Kiebitz, die Dame, sich von Zeit zu Zeit niederkauert, während der Tänzer ihre Hand festhaltend, um dieselbe herum tanzt. Indeß spielten die beiden Musiker aus Leibeskräften, drei Paar tanzten bereits, was sie konnten und Anna’s Tänzer that alles Mögliche, um seiner wichtigen Pflicht Ehre zu machen.

[324] Einzig aber war Anna. Wie schwebte sie, wie wiegte sie sich auf den Hüften, mit welcher unnachahmlichen Grazie sank sie nieder auf das eine Knie um sich federgleich wieder emporzuschnellen. Wie rosig glühte ihre Wange, wie lebensvoll blitzte ihr Auge, wenn es sich jetzt nicht mehr demüthig und beschämt, sondern, von dem Gefühle der frischen Lust beseelt, fast herausfordernd auf den Geliebten richtete! Schöner war sie nie! Das war die Schönheit, welche Cornelius Liljedorp’s Herz so lange ersehnte, das war der lebendige, freie Reiz, den sein Herz bisher an Anna vermißt und den er an der coquettirenden Jacobaea so hinreißend gefunden hatte. Sicherlich, Anna war nichts weniger, als ein halb melancholisches, beschauliches Wesen; auch in ihren Adern strömte feurig das Blut, auch sie war, und mehr als die im Innern hohle Jacobaea, im Stande, volle lebensreiche Liebe zu spenden. – Rasch machte sich Liljendorp von Jacobaea’s Arme los, wie in einer Art Begeisterung flog er auf die Geliebte zu und im nächsten Augenblicke wirbelte er, eng mit ihr verschlungen, so körperlich als geistig, durch die frohen Paare der Tanzenden.

Bosch musterte mit wohlgefälligem Lächeln die Scenerie in seiner Umgebung. Er, Holländer durch und durch, war selbst über die schärferen Pinselstriche in diesem Gemälde nicht ungehalten, denn hier war Alles, bis aufs geringste, ächt vaterländisch. Diese dicke holländische Bauerfrau mit dem Bierglase zwischen den Händen, welche mürrisch sich von ihrem alten Ehemanne und den Nachbarn den Hof machen ließ; diese „sehr Erheiterten,“ welche schliefen, oder mühevoll aus der Hinterpforte geleitet wurden; diese niederländischen Politiker mit dem Schloßförster vor dem Wirthshause, die Enthusiasten vor der Thür desselben, von der Wirthsfrau höchst phlegmatisch angestarrt; diese zechenden Domine’s und Schulmeister an einem Nebentische – Alles war ein Beweis, daß das alte Volksleben Hollands sich unverfälscht erhalten habe.

Mit wahrer Heiterkeit mischte sich Jacques van Bosch mit seiner etwas widerstrebenden Gemahlin in den Reigen und als endlich der Mond aufging, als die noch Stand haltenden Männer und Burschen der Gesellschaft in dem freigebig von dem Edelmanne gespendeten Weine Gesundheiten zu trinken begannen, da gingen das edle Ehepaar und Cornelius Liljedorp mit Anna im höchsten Glücke nach Hause zurück. Anna hielt den Geliebten dasmal für ewig gefesselt.

Jacobaea aber, höchst übellaunig, sang heute Abend nicht und reisete am andern Morgen unter einem Vorwande ab, um nicht Zeugin sein zu müssen, wie Anna sich mit Demjenigen verlobte, welchen sie von Rechtswegen als ihr Eigenthum angesehen hatte.