« §.5 Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs §.7 »
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Textdaten
Autor: Johann Christoph Harenberg
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Titel: Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs ...
Untertitel: §.6 - Die Meynungen der alten von den Bluht-gierigen und Bluht-essenden Geistern, und dem Uhrsprunge der Irthümer von den Würckungen der Geister.
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Erscheinungsdatum: 1733
Verlag: Johann Christoph Meißner
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Erscheinungsort: Wolfenbüttel
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Quelle: Digitalisat des Göttinger Digitalisierungszentrums bzw. bei Commons
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§.VI

[45] Daß die Engel sich von dem Bluhte, so wohl der Opfer als insonderheit der Thiere, sättigen und erquicken, ist eine uhralte Heidnische Meynung. Denn die meisten Völcker opferten das bluhtige Fleisch der Thiere, auch einige die Theile des Cörpers der Menschen; wusten aber von der Einsetzung und dem wahren Grunde der Opfer nichts. Damit sie dennoch etwas mehr als nichts sagten, gaben sie unter andern diese Ursache, warum man opfern müste, an, nemlich daß die Engel oder Mittel-Geister müsten gespeiset und mit Blut (b)[1] erquicket werden. Zu dem Ende wurden die Geister nach den Quartieren der Luft, der Erde, der Gewässer, und der unterirrdischen Oerter eingetheilet. Insonderheit schriebe man viele Würckungen der Menschen und der Natur, wie nicht weniger die Unfälle und Kranckheiten selbsten, den Geistern zu. Man merckete aus der täglichen Erfahrung an, daß die Begebenheiten in der Welt nicht einerley Verhältnis gegen den Menschen hätten, sondern bald glücklich, bald unglücklich wären. Dieser Ausgang der Zufälle gab Gelegenheit, daß man die Geister in gute und böse theilete. In die Zahl derselben setzete man auch die Seelen der Verstorbenen. Viele Weltweisen standen in der Einbildung, daß die Seelen der verstorbenen [46] Cörper sich annoch eine Zeitlang in ihren alten Quartier aufhielten. Der berühmte Jude DON ISAAC ABARBANEL(*)[2] suchte dannenhero zu behaupten, daß die Seelen einige Monahte bey ihren Cörpern im Grabe zurück blieben, ehe sie aus den Fesseln derselben könnten losgewickelt werden. Zur Beforderung solcher vermeinten Loswickelung haben viele Völcker ihre Todten verbrannt und dem unzertrennlichen Geiste Raum geben wollen. Aus diesen Gedancken ist die Necromantia entstanden, wodurch einige Menschen den übrigen ihres Geschlechts die Einbildung eingeflösset haben, daß man die Seelen aus dem Grabe wieder hervorbringen könne. Dergleichen Wahrsagers bedienten sich vieles Räuchwercks und anderer Mittel, wodurch sie die Nerven der Leichtgläubigen in eine Entzückung und die Einbildungs-Kraft zur grösten Lebhaftigkeit brachten. Wenn dieses geschehen, so konnten sie die elenden, wie sie nur wolten, bereden. Insonderheit wurden dazu allerley Lieder und unverständliche Wörter (c) [3] gebraucht, wodurch die Götter und Geister solten hervorgebracht, gebunden, (d)[4] oder gelöset werden. Daher hiessen [47] die Wahrsagers ἐπαοιδοὶ, incantatores. Es findet sich hievon albereits ein Exempel bey den HOMERO in Odyssea L. XIX. v. 456. 457. DIOGENES LAERTIVS schreibet dergleichen Kraft den Persischen Wahrsagern zu in Prooemio p. 5. Die Psilli beschworen mit dergleichen Liedern die Schlangen und nahmen ihnen das Gift. Allein Jobus Ladolfus hat angemercket, daß die Giftnehmung gantz natürlich gewesen sey, und vermittelst des Krautes Assazoë zu Wercke gerichtet worden. Vide ACTA Eruditorum latina a. 1682. p. 65. Die Babylonischen und Persischen Wahrsager brauchten zu ihren Beschwerungen eine gantze Reihe der Götter oder Geister, so von einander sollten entsprungen seyn. DAMASCIUS de Principiis §. 2. p. 258. sq. apud I. C. WOLFIUM To. III. Anecdotorum Graecorum. HERODOTUS L. I. c. 132. STRABO L. XV. P. 695. Insonderheit gebrauchte man viele Kräuter dazu, deren die kräftigsten in Colchide und Thessalia wuchsen. CALLIERGUS in Scholio ad Theocriti Idyllion II. p. 206. VIRGILIUS in ecloga VIII. et Aen. VII. v. 19. 20. VIII. v. 750. sqq. Die einsamen und der Einbildungs-Kraft gemäße Oerter wurden zu solchen Wirckungen ausgesucht. AMMIANUS MARCELLINUS L. XXII. p. 457. sq. Der vortrefliche Phavorinus zeigete zu seiner Zeit den Ungrund dieser Wahrsagungen durch die auserlesensten Beweis-Gründe, welche uns GELLIUS aufbehalten L. XIV. Noctium Atticarum c. I. Man kann dabey nachsehen, was der scharfsinnige Petrus BAELIUS angemerckt hat dans la Continuation des Pensées diverses sur la Comete To. I. §. 40. 43. p. 183. sqq. imgleichen Cornelius AGRIPPA de [48] Vanitate Scientiarum c. 45. MACHIAVELLUS de Republica L. I. c. 12. p. 52. Die Poßen der Babylonier und Perser (a)[5] sind nachher von den Juden (b)[6] eifrigst angenommen und mit den Lehren der Heiligen Schrift vermenget. Dieses gestehet ausdrücklich REUCHLINUS L. I. de Arte Cabalistica col. 3. wie denn der Augenschein solches deutlich entdecket, wenn man die Bücher Sohar, Bahir, Raia Mehimna, Sitre thora, Midrasch, Haneëlam, Idra Rabba und andere, so CHRISTIANUS KNORRE, der Freyherr von Rosenroht, in der Kaballa nudata herausgegeben hat, durchlieset. Der Uhrsprung solcher Träume, so aus den Pfützen Babels und Egyptens, wie auch des phantastischen Platonis, entsprungen sind, haben nachhero grosse Verehrer gefunden an dem Johanne Carolo Saraceno, Pico Mirandulano, und insonderheit dem Paracelso, der auch viele alte Wörter bey der von ihm verbesserten Scheide-Kunst aufbehalten hat. Aus dem Paracelso und der Chimie ist die Theologie des IACOB BOEHMENS, und anderer entstanden. Man findet durchgehends, daß alle diese Leute viele Geister und Götter angeben, um die Würckungen der Natur und ihrer Kunst-Griffe zu erklären. Es ist auch weit leichter, alle Schwürigkeiten, so sich bey den Begebenheiten der Natur äussern, durch die Lehre von den [49] Geistern zu heben, als solche durch die ausführliche Erklährung der Kräfte, welche durch die Bewegung der Cörper zur Würckung fortgehen, auszumachen. Dieses wuste der Weltweise Thales gar wohl, welcher alles mit Geistern erfüllete, damit er so fort einen zur Hand hätte, wenn ihm ein schwerer Knote aufzulösen vorfiel. Jedennoch will ich auch eben nicht läugnen, daß die Lehre von den Geistern, wenn sie erst besser eingerichtet seyn wird, einem Christlichen Weltweisen gar bequeme Hülffs-Mittel an die Hand geben könne, aus welchen sich die Neigungen der Gemüther und andere natürliche Umstände eines theils werden erklähren lassen. Es sind aber viele Dinge vorher auszumachen und fest zu setzen, bevor die Lehre von den Geistern in eine gäntzliche Form der Wissenschaft sich bringen läßt. Sichere Erfahrungen, deutliche Schlüsse, und eine gründliche Auslegung der schwersten Stellen aus dem Worte GOttes, werden hieselbst die Haupt-Sache ausmachen. Die Windmühlen-Geister und sanft-sausenden Einbildungs-Winde müssen zuvor weggewehet und ausgetrieben werden.


  1. (b) Ich habe dieses anderst wo aus den Platonicis sonderlich erwiesen. PORPHYRIVS de Abstin. L. IV. p. 212.
  2. (*) In Commentario ad Gen. XXIII. V. 19. Conf. PORPHYRIVS I. c. p. 213.
  3. (c) ORACVLA Zoroastres v. 316. AELIANVS Var. Hist. L. II. c. 17.
  4. (d) ORACVLA eadem v. 310. sqq. STANLEIVS de Philosophia Chaldaeorum Sect. II. c. 25. sqq. HESYCHIVS in εφεσια γραμματα. PETRONIVS in Satyrico p. 201. SUIDAS p. 477, ed. Kusteri, Frachmentum libri Enoch apud SCALIGERVM in Eusebium nec non apud IOANNEM ALBERTVM FABRICIVM in codico Pseudepigrapho V. T. p. 179, sq.
  5. (a) vide MICHAELIS PSELLI Dialogum de Operatione daemonum et THOMAE STANLEII librum de Philosophia Orientalium.
  6. (b) Diß erhellet aus der Caballa Practica Chr. Gersonis Jüdischen Talmud, Eisenmengers entdeckten Judenthum etc.