Textdaten
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Autor: Elise Polko
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Titel: Verloren gegangen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 579
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[579] Verloren gegangen. Die „Gartenlaube“ hat schon so oft mit Erfolg Verlorene gesucht, die der Strom des Lebens fortgerissen, daß sie den Augen der Zurückbleibenden entschwanden, um, an ferne Küsten verschlagen, von der Heimath sehnsuchtsvoll zu träumen, daß ich hoffe, sie leiht nicht allein Menschen, sondern auch einem verloren gegangenen Meisterwerke aus deutscher Hand ihren Beistand. Es handelt sich nämlich in diesem Falle um eine räthselhaft verschwundene Geige des Geigenerfinders Tieffenbrucker, den man bekanntlich italienisirt und in der Musikgeschichte Duiffopruggar genannt hat. – Es war vor wenigen Wochen, als ich in der Werkstatt des ebenso bescheidenen wie tüchtigen Geigenbauers Völker zu Hannover, der auch durch wunderbaren Zufall, über Holland, ist den Besitz eines Receptes des altitalienischen leuchtenden Geigenlacks gerieth, eine nach alten Zeichnungen und Maßen von ihm mit höchster Feinheit und Sorgfalt gefertigte Kopie der berühmtesten der fünf Geigen Tieffenbruckers sah. Das Original selber aber ist zuverlässigen Mittheilungen zufolge zuletzt im Besitze eines alten Musikers in Aachen gewesen, der es nur Sonntags zur musikalischen Messe im alten Dom zu spielen pflegte. Auf dem Boden dieses hochinteressanten Instrumentes war unten das aus verschiedenen Holzarten kunstvoll geschnittene und eingelegte Bild einer Stadt zu sehen, oben die Form der ersten Geigen mit ihrem Bogen, eingefaßt von Zweigen, die sich wie ein Kranz um die Zeichnung legen. Die Zargen tragen die sinnreiche Inschrift: „Viva fui in sylvis, dum vixi tacui, mortua dulce cano.“ („Ich lebte damals in Wäldern – als ich lebte, schwieg ich, jetzt, da ich todt bin, singe ich lieblich.“) Die herrliche Schnecke aber zeigt den schön geschnittenen, ausdrucksvolle Kopf eines bärtigen Mannes, nach aufgefundenen Notizen das Selbstporträt des Tieffenbruckers. Der Ton eben dieser Geige soll von wahrhaft zauberischer Schönheit gewesen sein. Vier der andern Geigen dieses deutschen Geigenerfinders sind nachweisbar in Privatbesitz – wohin ist nun diese fünfte, allem Anschein nach vollkommenste gerathen? Sie verschwand spurlos mit der Gestalt des alten Musikers in Aachen. Wer hilft sie suchen? –
Elise Polko.