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Titel: Unsere eßbaren Pilze
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 452
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[452] Unsere eßbaren Pilze. Jedes Jahr liest man in Zeitungen Nachrichten von Erkrankungen und Todesfällen infolge des Genusses von giftigen Pilzen. Jedes Jahr werden bei dieser Gelegenheit Warnungen erlassen und Vorschläge zur Ueberwachung des Marktes gemacht; wir besitzen eine ganze Litteratur von „Pilzsammlern“ und „Pilzführern“, und trotzdem kehren die Unglücksfälle immer wieder. „Und doch ist es so leicht, giftige Pilze von eßbaren zu unterscheiden,“ meint noch heute so manche Hausfrau, „man braucht ja nur einen silbernen Löffel in die gekochten Pilze einzutauchen! Wird er schwarz, so ist das Gericht giftig.“ Unzählige Male wurde dieses Mittel als ganz und gar unzuverlässig bezeichnet (vergl. „Gartenlaube“ 1885, S. 563). Aber trotzdem giebt es noch unzählige Menschen, die es anwenden und fest daran glauben.

Freilich, das einzige Mittel, welches uns wirklich vor der Vergiftung schützt, ist nicht so einfach, obwohl es sich in die wenigen Worte: „die eßbaren Pilze genau kennenlernen!“ zusammenfassen läßt. Wer Pilze sammelt, kauft oder kocht, muß diese Kenntniß besitzen, sonst kann er leichtfertigerweise das Leben seiner Nächsten gefährden. Von dem Bewußtsein dieser Pflicht sind viele noch lange nicht durchdrungen. Ich kenne Hausfrauen, die in der Küche Vortreffliches leisten, infolge ihrer Schulbildung aber kaum die Merkmale des Champignons oder des Steinpilzes kennen. Sie kochen auch Pilze und vertrauen dabei dem Wissen des Sammlers oder Verkäufers. Im großen und ganzen leiden sie dabei keinen Schaden; denn die Landbevölkerung und die Marktweiber kennen in der Regel die eßbaren Arten aufs genaueste. Es giebt aber keine Regel ohne Ausnahme – und wenn man bedenkt, wie oft unerfahrene Kinder auf die Pilzjagd geschickt werden und was für Personen mitunter sich dem Marktgeschäfte widmen, so wird es uns nicht wundern, daß so oft Vergiftungen infolge des Pilzgenusses vorkommen. Aus diesem Grunde möchten wir unsere Hausfrauen, die der Küche vorstehen, ganz besonders auf die Pflicht, eßbare Pilze genau kennenzulernen, aufmerksam machen. Gekocht oder zubereitet wird nur der Pilz, den man genau als eßbaren kennt; alles andere wird zurückgewiesen: das sollte ein feststehender Grundsatz in der Küche sein. Das Kennenlernen verursacht allerdings Mühe, aber so überaus schwierig ist es nicht. Es wird von den Hüterinnen des häuslichen Herdes durchaus nicht verlangt, daß sie sich in die Geheimnisse der Pilzkunde vertiefen. Sie sollen in dieser nur ebenso bewandert sein wie in der Fleischkunde. Ob sie wissen, woraus ein Muskel besteht, oder nicht, ist ganz gleichgültig, aber sie müssen auf den ersten Blick Rindfleisch vom Schweinefleisch, oder eine Taube von einem Rebhuhn unterscheiden können. Ebenso einfach ist die Forderung, die eine Pilzart von der andern unterscheiden zu können. In der Schule haben wir es nicht gelernt, also müssen wir es nachholen durch Selbststudium.

Für einige der am häufigsten vorkommenden eßbaren Pilze hat die „Gartenlaube“ Seite 514 des Jahrgangs 1889 nützliche Winke gegeben. Außerdem giebt es eine große Zahl von Handbüchern der Pilzkunde; als die zweckmäßigsten aber erscheinen uns diejenigen, welche in kurzer bündiger Form das Nöthigste enthalten und vor allem gute naturgetreue Abbildungen bringen. Ein solches Büchlein ist das beste Pilzlexikon für den Haushalt. Da haben wir z. B. einen verdächtigen, uns nicht bekannten Pilz vor uns; wir sehen die Abbildungen der eßbaren Pilze in unserem Büchlein durch, und finden wir den Verdächtigen darin nicht – so werfen wir ihn weg. Sein Name und seine übrigen Eigenschaften können uns gleichgültig sein, er ist eben nicht eßbar.

Auf ein solches Büchlein, das bereits in zweiter Auflage vorliegt, möchte ich nun die Leser und namentlich Leserinnen aufmerksam machen. Es verdient unbedingt ein Plätzchen neben dem „Kochbuche“, und es wird in allen fraglichen Fällen die beste Auskunft geben. Der Titel desselben lautet: „Unsere eßbaren Pilze in natürlicher Größe dargestellt und beschrieben mit Angabe ihrer Zubereitung von Dr. Julius Röll“ (Tübingen, Verlag der H. Lauppschen Buchhandlung). Wir lernen in demselben nur unsere eßbaren Pilze kennen und zwar in trefflichen „Porträts“, denen sozusagen lediglich das „Signalement“, die Beschreibung ihrer äußeren Eigenschaften, beigegeben ist. Nur ein Giftpilz findet sich in dieser ehrenwerthen Gesellschaft: es ist der giftige Knollen- oder Gichtblätterpilz, der in seinem Jugendzustand mit dem edlen Champignon leicht verwechselt werden kann und dem die „Gartenlaube“ im Jahrg. 1885, S. 219 wegen seiner Gemeingefährlichkeit einen besonderen Artikel gewidmet hat. *