Topographia Sueviae: Leutkirch

Topographia Germaniae
Leutkirch (heute: Leutkirch im Allgäu)
<<<Vorheriger
Lettstätten
Nächster>>>
Lewen
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1643, S. 117–119.
Leutkirch im Allgäu in Wikisource
Leutkirch im Allgäu in der Wikipedia
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du unter Hilfe
Link zur Indexseite


[T36]
[117]
Leutkirch /

Ein Reichsstatt / im Algöw / am Wasser Eschach / darzu bald die Aitrach kompt / auf einer Ebne gelegen / darob es aber gleich einen Berg / der Hochberg genandt / hat / auff welchem vor Zeiten ein Schloß / zum Rotenfan / oder Bolanda genandt / soll gestanden seyn; welches der Römer Wilpart / eines Römischen vertriebenen Herrn / des Curii (den Thomas Lyrer in seinem Schwäbischen Chronico einen Käyser nennet / ) vierdter Sohn gewonnen / gebawet / vnd Leutkirch soll genandt haben. Aber viel glaublicher ist anderer Meynung / die da sagen: Daß die Pfarrkirch allhie zu S. Martin / deß gantzen daselbst herumb gelegenen Landes Pfarrkirch gewesen sey / so noch vil Kirchen auf dem Lande vnter sich / vnd grosses Einkommen hat / vnnd daher von so vielen Leuthen / die dahin Pfärrig / sie / vnd also folgends auch die darbey auffkommene Statt / den Nahmen Leutkirch / bekommen habe. Wie alt aber solche Kirch / welche Römisch-Catholische zu Leutkirch innen haben / sey / weiß niemandts kein gewisse Zeit zubenennen / ist vermuthlich / daß die erste Kirch gebawet worden / als das SchwabenLand zu dem Christenthumb ist bekehret worden. Jn der jetzigen Kirch / so ein trefflich gantz gewölbt stattlich Gebäw / hat das lang Hauß / oder Vntertheil der Kirchen / ausserhalb deß Chors / drey schöne Gewölb / auff 8. Säulen stehend / deren das Mittel vil höher / als die zwey Nebengewölb. Vnnd hat der Vntertheil in die Länge hundert vnd fünff vnd zwantzig / vnd in die Breyte acht vnd siebentzig Schuh. Der Chor ist vmb 4. Staffel erhöhet / vnnd künstlich gewölbt: Hat in die Länge fünff vnd fünfftzig / in die Breyte aber zwey vnd dreissig Schuh. Dieser Baw / als der an statt der alten Kirchen / auff den alten / doch erweiterten Platz / vnd Orth / gesetzt worden / hat seinen Anfang laut der Jahrzahl / welche in der vntern Thür gehawen / Anno 1514. genommen / ob der Sacristey Thür stehet 1518. in dem Gewölb ob dem hohen Altar 1519. Auß Bericht der Alten hat man / daß die Pfarrkinder so wol in der Statt / als die auff dem Land wohnende / (deren drey vnnd zwantzig vnderschiedliche Orth seyn / ) den höchsten Eyffer bey diesem Kirchenbaw haben sehen lassen / also / daß die auff dem Land Stein zugetragen / so offt sie in die Statt / deß Gottesdiensts / Marckts / oder andrer Vrsach halber / kommen seyn. Dieser Kirchbaw ist zu Ehren der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit / den 10. Septembris Anno 1519. eyngeweyhet / vnd die Jährliche Kirchweyhung auff den Sonntag Vocem Jucunditatis gelegt / vnnd zu einem Patronen der H. Bischof Martinus erwöhlet worden; S. Kilianus aber deß vor dem Chor stehenden Altars (als allda in der alten Kirchen der hohe Altar gestanden) Patron verblieben. Die Geistliche dieses Tempels [118] vnd Pfarrkirchen seynd nicht Ordens / sondern weltliche Priester / haben jhren Vnterhalt von Zehenden / Zinsen der Früchten. Theils in der Statt / den mehrertheils aber ab dem Land. E. Ers. Rath hat die Administration vber die Kirchenpfleg / der muß / laut eines Vertrags / mit dem Abbt Gerwick Plarer von Weingarten / als Collatoren der Pfarr / vnnd der auff allen Caplaneyen das Jus praesentandi hat / in Anno 1562. den 27. Aprilis auffgericht / alle Nothwendigkeit hergeben. Es seyn erstlich / neben dem Pfarrer / neun Caplaneyen gewesen / darvon durch jetztgemelten Vertrag / 3. Pfründe / zu Vnterhaltung der 2. Evangelischen Prediger allhie / nämlichen / S. Nicolai / S. Margarethae / vnd S. Annae / vberlassen worden. Dann der Rath allhie mehrertheils der Augspurgischen Confession zugethan / vnd mit 12. Personen besetzt ist / darunter 2. Burgermeister / ein Statt Amman / vnd 9. Rathsherrn seyn / die alle vnd jede Stattgeschäfft verrichten müssen. Es hat auch ein Clausen von Schwestern allhie / so von niemands gestifftet / oder mit Jährlichen Eynkommen dotirt, sondern von andächtigen geistlichen Schwestern S. Francisci Ordens de Observantia angefangen worden / die haben mit Weber-Arbeit jhre Nahrung gesucht / vnd noch. Hat kein gewisse Zahl der Schwestern. Seynd immediatè dem Orden vnterworffen; werden jährlich von dem Provincial visitirt / deme der Bischoff zu Costantz / noch andere / einigen Eintrag nicht thun. Der Catholische Pfarrer hat einen schönen wol accommodirten Pfarrhoff / darinnen ein Gräf- oder Fürstliche Person sich wol betragen könte / welcher Anno 1616. da Herr Abraham Fuertenbach Bawherr daselbsten war / gebawet worden. Anno 1546. haben die Bürger einen Evangelischen Prediger / Namens Hanß Schelhaimer von Memmingen / angenommen / vnd die obgedachte Pfarrkirch zwey gantzer Jahr inngehabt. Aber An. 1549. bekamen die Catholische selbige wider / vnd haben hernach die von Leutkirch / zwey gantzer Jahr keinen Prediger jhrer Religion gehabt: Nach Außgang der zwey Jahren aber habens wider einen Evangelischen Prediger / Nahmens David Braun / angenommen / von welcher Zeit das Exercitium Augspurgischer Confession allwegen allhie (in dem Spitalkirchlein) gewesen; vnd seyn der Zeit diese 2. Prediger / Herr M. Bernhard Müller / vnd Daniel Kellenreutter: Vnd begehen sich beyde Religionen gar wol / vnd friedlich mit einander.

Den 4. vnnd 14. Martij Anno 1613. hat man an der jetzigen Evangelischen Kirchen zu bawen angefangen / darzu die Burgerschafft ein Nahmhafftes hergeschossen / das vbrige ist auß gemeiner Statt Cassa gangen. Den ersten Stein an diesem schönen Gotteshauß (so sich wol sehen läßt / hundert vnd 21. Werckschuh lang / fünff vnd siebentzig breyt / vnd zwey vnd viertzig Schuh hoch ist) hat H. Hieronymus Fuertenbach / dazumal seines Alters eylff Jahr / gelegt / so den ersten Febr. Anno 1615. vollendet / vnd solche Kirch zur H. Dreyfaltigkeit genandt worden; darinn H. M. Johann Graf die erste / vnnd M. Bernhard Mylius, oder Müller / die andere Predig gethan / auch der Freyherr von Rietheim / vnd Angelberg / eine gemahlte Tafel dahin machen lassen. Die newe Glock hat zwölffhundert Gülden gekostet. Es ligt diese Statt (deren Monatlich einfacher ReichsAnschlag zehen zu Fuß / oder viertzig / zum CammerGericht aber jährlich zwey vnd sechtzig Gülden / ist) an der rechten Landstrassen / so wol gegen Italia, als auch gegen dem Tyrol / daher viel Durchreysens von frembden Leuten / sonderlich der Zeit von Soldaten / da ist. Sie ist nicht groß / vnd nit viel grösser / als Geißlingen / aber zierlich- vnd Stättischer erbawet. Das Rathhauß ist ein altes Gebäw / darvor ein schöner steinerner Röhrkasten stehet. Hat ein stattliche Wasserstuben / da man mit geringem Vnkosten das gute Brunnenwasser hin vnd wider leyten kan / wie dann auß oberwehntem Hohen Berg / auß einem Felsen / ein schöner Fluß entspringet. Item / 3. Thor / deren aber nur 2. gebraucht werden. Vmb die Statt herumb hat es ein feine lustige Gelegenheit / guten Kornwachs / vnd ernehren sich die Bürger / sonderlich dieser Zeit / meistentheils ab dem Ackerbaw / vnd ab dem Leinwatgewerb; vnd ist vor dieser betrübten elenden Zeit / allhie ein namhaffte Summa Leinwat gewürckt / abgeblaicht / vnd in ferne Land versandt worden. [119] Wer Lust zum Weydwerck hat / der kan solche allhie wol finden / wie dann diese Statt deßwegen in der Landvogtey ein schöne Gerechtigkeit hat / vnd derenthalben priviligirt ist / welches viel ansehenliche Stätt nicht haben. So gibt es auch hierumb etliche Teich / vnd Weyher / darinn gute Fisch / sonderlich aber Karpffen seyn. Es wächst zwar allhie kein Wein / aber man kan den in der Nähe vom Bodensee haben / vnd vmbs Gelt alles / was zur Schnabelweyd gehört / bekommen. Hat auch da einen guten gesunden Lufft. So gibt es auch schön Gehöltz / (so deren von Leutkirch meister Schatz ist) vmb die Statt. Vnd haben sich auch Leut gefunden / die sondere Zuneygung zum Baumpflantzen / vnd Blumenwerck allda gehabt. H. Johann Faber / weyland Bischoff zu Wien / von hier bürtig / hat viel gestiffter dieser Statt geordnet. Es hat solcher Orth bey disem Krieg auch nicht wenig außgestanden / vnd ist man den 10. Febr. Anno 1631. Vorhabens gewesen / die obgedachte Evangelische Kirch zu sperren.

Anno 1632. haben die Schwedische die Statt (nach dem sie daselbst gelegene Ossische Leibguardi zu Pferd / zum theil erschossen / die meisten gefangen / vnd spolirt) außgeplündert / mit Schlagen / Verwunden / vnd Schiessen / vbel da gehauset / auch der Prediger nicht verschonet aber den Vorstätten ist ausser etlicher Roß / nichts geschehen. Der anderer stätigen Durchzügen / Einquartirungen / vnd von Soldaten / in so vielen Jahren her / von beyden Theilen verübten Insolentien / zugeschweigen. Anno 1635. seyn an der Pest in siebenhundert Personen allhie gestorben. An. 1646. haben die Schwedischen disen Ort wider außgeplündert: Hernach hat jhr Gen. H. FeldMarschall Wrangel / etc. allda sein HauptQuartir gehabt vnd ist von dannen / den 22. Decemb. gegen Bregentz auffgebrochen. Auß günstiger Communication Herrn Michael Mauchers / Catholischen Pfarrers zu Leutkirch / Herrn Hieronymi Fuertenbachs / vnd anderer / auch denen Relationibus.