Topographia Circuli Burgundici: Tornick

Topographia Germaniae
Tornick (heute: Doornik, frz. Tournai)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 188–190.
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[188] Tornick / Dornyck / Tornay, Tornacum. Diese alte Bischoffliche und der alten Nerviorum, so jetzt Tornacenses genannt werden / Statt / ist / von Iulii Caesaris Zeiten an / unter dem Römischen Reich gewesen / biß Clodius, Pharamundi Sohn / der Francken König / solche eingenommen / und die Römer dannen vertrieben hat / so umbs Jahr 427. geschehen. Als er aber von den Wandalern / Alanern / Schwaben / und Burgundern / überzogen worden / hat er sich von der Schelde / Maas / und Rhein / dahin er mit seinen Waffen gelangt war / wieder in Franckreich gewendet. Es hat aber hernach Clodovaeus, oder Ludovicus, der erste Christliche König in Franckreich / als er Anno Christi 486. den Römischen Landvogt auff Soisson überwunden / neben vielen andern Orten / auch diese Statt Tornick in seinen Gewalt gebracht; ist auch dieselbe unter der Frantzosen Regierung biß auffs Jahr 1513. gewesen / in welchem sie König Henrich auß Engelland eingenommen / aber An. 1518. dem König Francisco I. in Franckreich restituirt,

[T118]

Tornick

[189] und folgends demselben solche Käyser Carl der Fünffte abgewonnen / und mit Flandern vereinbaret hat. Wie sie dann seithero / sampt ihrer Landschafft / Balivat oder Castillaney / herumb / le Tornesis, Tornesium, oder Tornacesium genant / (darinn / neben andern vielen Orthen / auch Mortaine, oder Mortaigne, Lesdain, Pecque, Estainburg, Marsian, Callon, und S. Amand, ligen / und die Sprach da Frantzösisch ist) bey Flandern verblieben; wiewol bey den Landtägen und Zusammenkunfften der Stände in Niederland / es seinen eignen besondern Ort / so wol / als Brabant / Flandern / oder ein andere Provintz / hat. Wie dann auch Anno 1600. ErtzHertzog Albertus, und seine Gemahlin / die Infantin auß Hispania / allhie absonderlich in der Kirchen / und dann auch auff dem Marckt den Eyd geleistet / hergegen ihnen auch haben huldigen lassen / als damaln einer von Betencourt Bischoff allda gewesen. Sie hat grosses Einkommen / und der Raht die hohe Obrigkeit über die ihrige / dem hierinn der Königliche Spanische oder Landsfürstliche Beampter / was die Justitz anbelangt / nicht einzureden hat. Darauß / wie auch bey anderen Orthen mehr / zu sehen / daß die Abtheilung deß Niederlands in 17. Provintzen / nicht just ist. Es ligt aber Tornick an der Scheld / von Atrecht / und Camerach 17. von Gent 12. von Bergen in Hennegöw 9. von Dovay 8. von Rüssel und Cortrick 5. Meilen. Ist jederzeit ein ansehenliche und gewaltige Handelsstatt gewesen / und / wann sie schon durch Krieg / und ander Ungemach / (wie sie dann / unter andern Zuständen / Anno 1353. mit zweyen Ruthen / als dem Wasser und Feuer / gesteupet worden / indeme die Schelde biß an den Marckt gangen / und an S. Michaelis Tag 3200. Häuser / mit unglaublichem Schaden / und 3. Personen / verbronnen seyn / wie Jacobus Meyerus lib. 13. Annal. rer. Flandr. schreibet /) viel erlitten / so hat sie sich doch bald wieder erholt / weilen es da fürtreffliche Künstler / und gute Handwercksleut hat / die sonderlich / wann die alte Form / und Gattungen / nicht viel mehr gelten wollen / geschwind neue erdencken / und sich damit bereichern. Daher dann die Statt mächtig ist; auch einen gesunden subtilen Lufft / und lustigen fruchtbaren Boden herumb hat. Es gibt noch allda viel alte Häuser / auff die Römische Manier / und wie man solche zu Cöln findet / erbauet. Fam. Strada beschreibet sie in der Bevestigung also: Perlabitur hanc urbem, dividitque Scaldis fluvius, concludunt moenia 68. turribus opere antiquo firmata; circumvallat ingens, atque è Scaldi magnam partem restagnans fossa, in quam propugnacula 11. excurrunt, à moenibus paulùm abjuncta, ac ponte pervia; tuetur ac terret Arx in extrema urbe ad Scaldis ripam ab Henrico VIII. Angliae Rege aedificata. Hat 17. Pfarrkirchen / viel Stiffter / Clöster / Spitäl / und andere Gottshäuser. Die Bischoffliche Hauptkirch zu S. Marien ligt fast mitten in der Statt / und ist ein prächtiges Gebäu / mit 5. hohen Thürnen / wie ein Burgundisches Creutz gestaltet. Der Chor in derselben wird von vielen andern seiner Weite / hohen Gewölbs / und Liechte halber / gelobet. Man weiset allda ein zimliches Stück vom Creutz Christi. Den ersten Grund zu solcher Kirchen hat S. Piatus, ein Priester oder Bischoff / gelegt / so allhie umbs Jahr ungefehr 299. (al. 306.) gemartert worden ist. Zu deß obgedachten Königs Clodovaei Zeiten / hat solchen Tempel S. Eleutherius, der Bischoff allhie / vermehret / so Anno 523. gestorben. Ihme hat der Heilige Medardus succedirt / dessen Tod theils ins 556. theils ins 563. oder 64. Jahr setzen / und der in dem Benedictiner Closter seines Namens / nicht weit von Soisson gelegen / ruhet / so das vornehmste in gantz Franckreich ist / wie Aubertus Miraeus, in Fastis Belg. p. 307. schreibet. Zun Zeiten deß H. Bernhardi, umbs Jahr 1148. ist Anselmus allhie Bischoff gewesen. Es ligt in diesem Bisthum die vornehme Abtey der Canonicorum Regularium Cisoing, oder Cisonium, in welcher deß H. Calixti, oder Callisti, deß Pabsts / und Märtyrers / Cörper ruhet; wie auch desselben Stiffter / S. Everhardus, ein sehr mächtiger Graff / sampt seiner Gemahlin Gisla, [190] Käysers Caroli Calvi Schwester. Obgedachter Miraeus schreibet in seinen Elog. Belgicis p. 139. daß seiner Zeit / umbs Jahr 1609. Dionysius Villerius, Domherr / und Cantzler allhie zu Tornick / über die ansehenliche Bibliotheck / dergleichen von privat-Personen vielleicht niemands in Niederland besitze / auch sehr viel Römische Müntzen und außländische Wunderwerck / so auß der andern Welt gebracht worden / fleissig auffbehalten: Anno 1581. ist Tornick vom Hertzog Alexander von Parma belagert worden; in welcher Belagerung / als man viel Steine unversehens von der Mauren geschossen / Maximilianus, Herr zu Vaux, ins Haupt getroffen ward / daß er halb todt zur Erden gefallen / und hernach / auff Eroberung der Statt / in wenig Tagen gestorben ist / nachdem ihm besagter von Parma / beym König in Spanien / den Graffen Titul von seiner Altvätterlichen in Artois gelegenen Herrschafft Bucquoi, neulich erlangt hatte. Er verließ einen Sohn zehen Jahr alt / nemblich den Carolum Longuevallium, Grafen zu Bucquoi, der hernach den Käysern Matthiae, und Ferdinando II. wider die Böhmen / und andere gedienet hat. Sihe ein mehrers von dieser Statt / auch von deme / so oben gesagt worden; ausser der angezogenen Meyeri, und Miraei, beym Guicciardino in Beschreibung Flandern / de Anno 1613. pag. 254. G. Braun im 4. Theil deß Stättbuchs / C. Ens in delic. apodem. pag. 92. seqq. Joh. Bochio in hist. narrat. de Alb. et Isab. Archid. Hier. Conestag. l. 2. p. 68. und insonderheit deß Joannis Cognati historiam Tornacensem, vergangene Jahr / wie berichtet wird / gedruckt.