Topographia Braunschweig Lüneburg: Wolffenbüttel

Topographia Germaniae
Wolffenbüttel (heute: Wolfenbüttel)
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Wollerßhausen
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 207–213.
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Wolffenbüttel Schloß / Vestung vnd Ampt / sampt der Heinrich-Statt vnd Augustus-Statt.

Die berühmte Vestung Wolffenbüttel ist mehrentheils auff einem morassigten Grund gelegen / dadurch dieselbe zwey freye seiten hat / also / daß man mit keinen Approchen daselbst ankommen kan. Diese Vestung ist in drey vnterschiedene Theile von einander abgeschnitten; Als erstlich ein Citadel, die Dam-Vestung genant / welches zwischen den andern zweyen fortificirten Stätten mitten in gelegen / vnd ist mit vier starcken gantzen / vnd zwey halben / mehrentheils auffgemaurten / vnd vnter den Wallgängen gewölbten Bolwercken / vmbgeben; vnter welchen Bolwercken das eine / so der Crocodilsberg genant wird / vnterschiedliche grosse vnd fast grausame Gewölbe vnter sich hat / die mit vnsäglichen Kosten vnd Arbeit sind gebawet worden / darin nicht allein allerhand Gefängnussen / vnd die Peinigekammer zu finden / sondern es kan auch daselbst ein überauß grosser Vorraht an allerhand Materien / die Vestung zu versehen / sicher vnd ohn alle Gefahr verborgen gehalten werden.

Dieses Casteel oder Citadel, ist eigentlich die Fürstl. Residentz-Vestung; an der einen seiten solcher Residentz oder Dam-Vestung / gegen Orient, ist die Heinrich-Statt gelegen / mit fünff gantzen vnd zwey halben Bollwercken vmbgeben / so theils vnter den Wallgängen mit schönen Gewölben wol außgebawet / davon hernacher ein mehres folgen wird; An der andern seiten gegen Occident, ist die Augustus-Statt gelegen / dieselbe ist erstlich new fortificiret / in form eines gekrönten Hornwercks / mit einem gantzen vnd zwey halben Bollwercken / auch mit zwey Flügeln gegen die eussersten Graben des Citadels angezogen / vmbgeben. Auß dem Kupffer- oder Grundriß kan man ersehen / [208] wie der Ocker-Strom vmb diese Vestung geführet wird. Auß gedachtem Fluß wird auch durch die Dam-Vestung vnd Heinrich-Statt / vermittelst der Schleusen / so viel Wasser gelassen / als zu den Korn- vnd Sagemühlen vonnöhten.

Das Fürstl. Schloß Wolffenbüttel hat Hertzog Ekbert im Jahr Christi 1046. an dem Ockerstrom angefangen zu bawen / der Anfang desselben ist gewesen der runde sehr alte Thurn / so noch jetzund zu sehen / vnd im Stande ist; Den Nahmen hat das Schloß aller Vermuhtung nach / daher bekommen / weil der Ort gleichsam mitten im Bruuche vnd morassigten sumpfigen Orte gelegen / daselbst sich die Wölfe sonst auffgehalten / vnd wegen der ringst herumb gelegenen Holtzungen ihre sichere Schlupfflöcher gehabt haben. Dieses Schloß ist hernach / wegen der Wolgelegenheit / zu einer Vestung gemacht / vnd haben die regierenden Herren dasselbe von Jahren zu Jahren immer mehr befestiget / vnd außgebawet / biß es zu einer solchen berühmten starcken Vestung geworden / wie vorhin erwehnet.

Es haben auch Hertzog Augusti Fürstl. Gn. nach deme dieselbe den 14. Septembr. Anno 1642. diese Vestung / durch gnädigsten Beystand GOttes deß Allerhöchsten / mit Dero gantzen Hoffstatt bezogen / dieses vhralte Schloß / welches von der Keyserl. Guarnison sehr verwüstet / vnd fast zu grunde gerichtet gewesen / dermassen mit grossen Speesen wiederumb erhoben / auch auß- vnd inwendig mercklich verbessert / vnd theils newe Fürstl. Zimmer köstlich vnd Fürstlich angerichtet / also / daß etzliche Keyserliche hohe Officirer / welche solches hernach gesehen / selbst sich darüber verwundert / daß nunmehr solch Fürstlich Schloß / nicht vnbillig / vnter die fürnehmste in Ober- vnd Nieder-Sachsen mit gerechnet wird.

Vor dem Schlosse ist ein schöner vnd grosser Platz / welcher nicht allein dem Schloß einen lustigen Prospect gibt / sondern im Nohtfall zur Defension / können ein paar tausent Mann darauff ins Gewehr gestellet werden.

Das stattliche herrliche Zeughauß / welches die eine seite deß erwehnten Vorplatzes schleusst / hat Hertzog Heinrich Julij Fürstl. Gn. Anno 1613. angefangen / vnd Hertzog Friederich Vlrichs Fürstl. Gn. mit grossen Kosten Anno 1618. zu völliger Perfection bringen lassen; Die länge vom Zeughauß ist 227. die breite 70. Schue: In diesem / von lauter Steinen auffgeführten / vnd mit Schiefer bedecktem Zeughause / ist eine zimliche menge allerhand Waffen / Kriegs Instrumenten / grosser vnd kleiner Geschütze / vnd anderer Armatur / vnd vnter denselben zwey überauß lange vnd dicke eiserne Stücke verhanden / darunter das eine das allergrösseste vnd längste Geschütz in gantz Teutschland ist.

Zu nechst dem Zeughause ist der alte Marstall gelegen / über welchem die Rüstkammer gewesen / darin viele Raritäten vor diesem befindlich: Vorhochermeldt Hertzogen Augusti Fürstl. Gn. haben dieses Gebäw repariren / vnd nicht mehr zu Verwahrung Wehr vnd Waffen / sondern zu einer sicheren Behaltnuß dero in gantz Europa berühmten Bibliothec, wol vnd herrlich aptiren lassen / Inmassen dann mit Lust vnd Verwunderung anzusehen / wie schön vnd ordentlich angedeutete Fürstl. Bibliothec, welche nunmehr über die 64000. außerlesene Bücher in sich hält / daselbst eingerichtet / vnd alles Fürstlich vnd zierlich mit grossen Vnkosten angestellt vnd ordiniret ist. Gegen der Bibliothec über ist die Truckerey / welche die Sterne von Lüneburg daselbst angerichtet haben.

Der Ort / wo jetzo die Heinrich-Statt vor der Vestung vnd Residentz Wolffenbüttel belegen / ist vor Alters ein sumpfiger vnd morassiger Ort gewesen / also daß / wann man vom andern Ort zur Vestung sich machen wollen / zuvor über einen Damm oder außgefüllete Höhe sich begeben müssen; Als aber bey Regierung Hertzogen Heinrichen deß Eltern (so in anno 1491. annoch bey Lebezeiten seines Herrn Vattern / Hertzogen Wilhelm deß Jüngern / die Regierunge angetretten) solcher Damb immer mehr vnd mehr außgefüllet / ist anfangs

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[209] von denen Fürstl. Dienern vff solchem Damme für der Vestung ein oder ander Wohnhauß gebawet / damit dieselbe ohnfern von der Vestung ihr Haußwesen anstellen konten; Welches immer mehr vnd mehr also zugenommen / daß bey Zeiten Hertzogen Heinrichen deß Jüngern / (welcher in anno 1514. nach Ableiben seines Herrn Vattern / die Regierung angetretten) nicht alleine solche vff dem Damb erbawete Häuser in die Vestung mit beschlossen / sondern auch für dem Damb allerhand von Adel vnd Bürgers Standes Personen / jedoch ohn alle Ordnung / zu bawen angefangen / biß endlich eine sonderliche Commun für dem Damm vnd Vestung geworden / vnd dieselbe von Hertzog Heinrich dem Jüngern die Newstatt genennet worden / mit Bürgermeister vnd Raht besetzet / vnd so wol in gemein / als einem vnd andern insonderheit Fürstliche Gunst vnd Freyheiten ertheilet / vnd endlich auch im Jahr 1567. drey / oder nach Gelegenheit / vier Gerichte / über die Bürger vnd derer Sachen civiliter zu cognosciren / wie nicht weniger dieselbe mit Straff vnd Geldbussen / ausserhalb deß jenigen / was zu der hohen Obrigkeit vnd Burgfrieden gehörig / zu belegen / concediret vnd verstattet worden.

Nach Absterben Hertzogen Heinrichen deß Jüngern / in anno 1568. vnd bey antrettender Regierung Hertzogen Julii zu Braunschweig vnd Lüneburg / hochseel. Andenckens / haben Hertzogen Julii Fürstl. Gn. solche von dero Herrn Vatter höchstlöblichen Andenckens / angerichtete Newstatt in honorem parentis die Heinrichstatt nennen lassen / auch die zuvor bey seines Herrn Vattern Regierung vnordentlich gebawete Häuser zu einer weiten vnd Höhe / auch zu räumigen schnurrichtigen Strassen einzurichten / vnd derogestalt zu aptiren anbefohlen / daß alle Strassen vff die Vestung Wolffenbüttel lauffen musten. Ferners auch dieselbe in anno 1570. mit allerhand sonderlichen Statt-Befreyungen / Jahr- vnd Wochenmarckten / Handwercksgilden vnd Gewonheiten / Bier zu brawen / vnd Brodt zu backen / Wein- vnd Bierkeller / Apotheken / Brodt- vnd Fleischscharren zu haben / vnd andern mehr Freyheiten / sampt einem RahtsWapen / benantlich ein weiß springendes vnangefesseltes Roß / das sich von vorwerts mit allen vieren in die höhe zeigt / mit einem schwartzen Zaum / Sattel vnd Hinterzeug / in einem blawen Schild / vnd einer rohten Seul / mit einer gelben Cron / ein weisser Stern / deßgleichen auch zu beyden seiten deß Schildes zwey Engel / zur Rechten in roht vnd gelben / zur Lincken aber schwartz vnd weissen Kleidern / vnd mit Lorberkräntzen vff den Häupten / Fürstlich begnadet vnd angesehen; welche Privilegia, Freyheiten vnd Gewohnheiten auch von der Röm. Keyserl. Mayest. Rudolpho dem Andern dieses Nahmens / sub dato Wien / den 15. Tag Monats Julij / 1578. allergnädigst confirmiret vnd bestättiget worden.

Nachgehends ist in anno 1579. 80. 81. ohnfern von solcher Heinrich-Statt / ein Ort zur Handelstatt vnd Niederlage angerichtet / vnd derselbe zum Gotteslager genennet worden. Endlich auch in anno 1584. 85. 86. zwischen der Heinrich-Statt / (so von etzlichen auch die newe Heinrich-Statt geheissen) an derer seits deß Ockerstroms / vnd Gotteslager / abermahlen die Heinrich-Statt erweitert / vnd solcher erweiterter Ort die Julius-Friedenstätt genennet; Vnd ob wol bey erst antrettender Regierung Hertzogen Heinrich Julii, in anno 1589. anfangs solcher Ort gleichfalls Julius-Friedenstätt genennet; So ist dennoch aber kurtz hernach die Heinrich-Statt / vnd Julius-Friedenstätt in eines von Hertzogen Heinrich Julio die Heinrich-Statt genennet / vnd derselben am Tage Pauli Bekehrung 1602. verschiedene sonderliche statuta, vnd nützliche Ordnungen gegeben / auch ein Fürstl. Schultheiß / Burgermeister vnd Raht vorgesetzet worden.

Der Ockerstrom wird an verschiedenen Orten durch die Statt geleittet / also / daß vom Hartze herunter biß in die Statt [210] Holtz geflösset werden könne / welche Flösse anfangs von Hertzogen Julio angeleget / vnd am 7. Augusti 1570. ein zimlich Antheil Holtz dadurch zum ersten mahl vom Hartze herunter geführet worden.

Diese Heinrich-Statt hat nachgehendes / wegen der Fürstl. Hoffstatt / sehr zugenommen / vnd haben sich viele frembde von frembden Orten dahin begeben / vnd also eine ansehnliche Volckreiche Burgerschafft entstanden: Wie dann auch die Statt bequem vnd wol außgebawet / auch mit einem starcken Wall vnd tieffen Graben vmbgeben / auch sonderlich mit grossen Bolwercken (darunter der Philipsberg drey grosse steinerne Gewölbe über einander / darinn etzliche tausent Mann sich bergen / vnd aller Proviant verwahret werden kan) befestiget / vnd also zu einer ansehenlichen Vestung vnd Statt geworden: Wiewol die gute Bürgerschafft / wegen der langwierigen Keyserlichen Guarnison / über alle masse hart mitgenommen / viele Häuser verwüstet / vnd herunter gerissen / vnd also diese Statt an wolhabenden Inwohneren / vnd vorigem Wolwesen vnd flor sehr verringet worden / biß durch deß Allerhöchsten gnädige Verleihung der regierende Landesfürst die Residentz-Vestung hinwieder occupiret / vnd also den gesampten Einwohneren vnd Vnterthanen Zeit vnd Gelegenheit gegeben / der langen Trübsal vnd erlittenen Schadens zu erholen; Gestaltsam nunmehr dieser Ort hin vnd wieder repariret / auch die Anzahl der Bürgerschafft zimlich wieder vermehret worden.

Bey wehrender Keyserlichen vnd Beyerischen Guarnisonen / hat die Statt drey vnterschiedene Belägerungen vnd Blocquirung außgestanden; vnd zwar in der letzten Belägerung / Anno 1641. ist durch Verfertigung eines Dammes / der Ockerstrom so hoch gestauet / daß das Wasser über alle Gassen gangen / auch an etzlichen Orten der Statt Picken hoch auff den Gassen gestanden / vnd hat solche Stauung biß in die eilffte Woche gewehret.

Es ist auch in der Heinrich-Statt eine von grund auff newerbawete / vnd von grossen schönen Quaderstücken durch vnd durch auffgeführte newe Kirche verhanden; der Anfang deß bawens ist Anno 1608. gemacht / vnd hat damals Hertzog Julius Augustus zu Braunschweig vnd Lüneburg den ersten Stein gelegt / In folgenden Jahren ist mit grossen schweren Vnkosten mit dem Gebäw immer verfahren / biß diese Kirche endlich außgebawet / vnd zu dem ansehnlichen herrlichen Stande / darin sie noch jetzund begriffen / gerahten: Sie ist nicht allein mit kostbaren / vergüldten vnd kunstreichen Altaren / Orgeln / Predigstuel vnd Tauffe inwendig gezieret / Sondern es ist auch das inn- vnd außwendige Maurwerck mit allerhand kunstreicher Arbeit / Pfeilern vnd Bildern dermassen beschaffen / daß auch die in der Keyserlichen Guarnison sich befundene Außländer / als Italiäner vnd Spanier sich über ein solches wolangerichtetes / vestes vnd kusntreiches Gebäw verwundert haben.

Es gehöret zu diesem Fürstl. Residentz-Schloß das stattliches Ampt Wolffenbüttel / welches in der Circumferentz über acht Meilen weges begreiffet / ist in die quer an etzlichen Oertern 2. 3. biß 4. Meilen weges breit / vnd sind in diesem Ampte vnterschiedliche Stätte / Clöster vnd Adeliche Häuser / nebst ein vnd siebenzig Dörffern situirt / ist an Vnterthanen Volckreich / an Fruchtbarkeit / Ackerbaw vnd Viehezucht gut vnd außträglich / vnd einer guten Graffschafft gleich zu schätzen / wo nicht vorzuziehen.

Wegen solcher grösse / vnd begriffenen weiten Circumferentz / wird das Ampt vertheilet in Sechs Gerichten / mit ihnen angehörigen Dörffern.

Zu dem Gerichte Beddingen gehören siebenzehen Dörffer / darüber zwey Vögte vnd ein Gogreve gesetzet.

Dieses Gericht ist sehr Korn- vnd Viehreich / wegen deß schönen Ackers / vnd stattlichen Weide / auch fleusst dadurch die Aue / so oberhalb Leihne / im Ampt Liechtenberg springet / welches einen morassigen Graben hat / vnd nicht durchgeritten werden kan / fleusset herunter nach Vechelde / vnd weiters in das Halbgerichte / da dann

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[211] die Awe den Nahmen verändert / vnd die Ese genant wird / vnd weiters nach Zelle in die Fuhse läufft / vnd gar Fischreich ist. In diesem Gerichte oberhalb Adersum vnd Immendorff / befindet sich ein Spring / vnd daneben gemachte zween Forellen-Hälter / der Plunckenborn dahero genant / weil ein gemeiner Wahn / daß wann die Leute deß Springwassers getruncken / alsdann ein Zeichen dabey lassen müssen / oder es müsse der Trincker mit Kranckheit befallen / dahero viel Lumpen / alte Pluncken / an den Busch geknüpffet oder gehencket / noch heutiges Tages an dem Busche bey diesem Springe gefunden werden.

Es hat auch diß Gerichte sehr stattliche Holtzung gehabt / welche bey dem Kriegswesen sehr verwüstet / vnd die Dänische vnd Keyserl. Guarnison in Wolffenbüttel an der Holtzung / allein in diesem Gerichte / über eine Tonne Schatz werth Schaden gethan.

In diesem Gerichte / über Thide / nicht weit von Steterburg / als Anno 1641. die Keyserliche vnd Bairische die von der Hertzogen von Braunschweig Lüneburg fürgenommene starcke Belagerung der Vestung Wolffenbüttel auffheben wollen / ist die Schlacht geschehen / darin die Keyserlichen den kürtzern gezogen / es sind auch von beyden Theilen über 4000. Mann auff der Wahlstatt blieben. Vnfern von diesem Orte / bey dem Dorff Tide ins Norden / ligt ein Berg / der Lindenberg genant / daselbsten ist ein herrlicher Steinbruch / von allerhand stattlichen Quaderstücken / vnd vnd andern guten Maursteinen / wie auch in der nähe eine reiche Gipskuhle / Gemächere damit zu begiessen.

Das andere Gerichte im Ampt Wolffenbüttel / wird genant das Halbgerichte / hat dahero den Nahmen / daß die Einwohnere so wol dem Hildesheimschen Stifftshause Peine / als dem Fürstlichen Hause Wolffenbüttel / vnterworffen / grentzet mit dem Ampte Liechtenberg gegen Mittag / dem Fürstenthumb Lüneburg / oder Ampt Meinersen gegen Mitternacht / dem Gerichte der Eichen gegen Morgen / vnd seyn darin neun Dörffer / so an das Hauß Wolffenbüttel dienen; die übrige aber an das Hauß Peine / auch acht Kirchen in obgedachten neun Dörffern befindlichen; vnd hat Illustrissimus Hertzog Heinrich 1579. zu Bettmar an der Langen Wiesche / eine newe Fürstl. Vogtey gebawet / woselbsten der Fürstl. Vogt wohnet / vnd die Inspection über obgedachte Dörffer hat.

In diesem Halbgerichte ist vor den meisten Dörffern ein wolaußtragender Acker / auch reich von Eichen / Buchen vnd anderm Vnterholtz / daß auch zu Mastzeit die Notturfft von KüchenSchweinen feist machen können / So findet sich auch daselbsten / in den Höltzern / vnd sonsten gute Weide / so gute gelbe Butter gibt / der freischen Butter gleich.

Vor dem Dorff Wahle ist auff einer Wiesen vor diesem ein Heilbrunn entsprungen / welchen viel tausent Menschen besuchet / vnd viel bresthaffte dabey gesund worden / Inmassen viel Krücken daselbst vnd in der Kirchen zum Gedächtnuß verblieben; die Krafft deß Brunnens hat sich aber hernacher allgemach verlohren.

Das dritte Gericht heisset das Gerichte Dahlum; dieses Gericht begreifft in sich zehen Dörffer / darüber ist gesetzet ein Gogreve vnd Vogt / grentzet mit dem Gerichte Beddi / ins Westen an der Ocker hinab / im Norden mit Braunschweig / im Osten mit dem Gericht Evessen / im Süden / nach der Altenaw vnd Netebrücken. In diesem Gerichte / bey dem Dorffe Dahlum / ist ein stattlich Saltzwerck / auch guter Mergel verhanden / hat auch vor den Dörffern ins gemein guten Acker / auch Notturfft von Buschholtze.

Es hat die Wulffenbüttelsche Guarnison diesem Gerichte an Eichen vnd Buchen Holtze / gleichfalls über eine Tonne Schatz werth Schaden gethan / wie dann auch das stattliche Lechelen-Holtz / darinne Buchen Bäume / wie Mummenfässer dicke / gestanden / gäntzlich verwüstet vnd abgehawen. Nach dem aber nach Abzug der Keyserl. Guarnison auß Wolffenbüttel / dieses Lechelnholtz ein Jahr oder eilffe Ruhe gehabt / vnd ins Gehege geschlagen / ist es [212] sehr dicke / wegen deß guten Bodens / wiederumb auffgeschlagen / daß man nicht allein Waesen vnd ander Vnterholtz zum brawen darin nach Notturfft hawen / sondern es sind auch wiederumb die jungen Heisters auffgeschneitelt / vnd stehen in solcher menge vnd Wachsthumb / daß man in künfftig ein stattlich Eichen vnd Büchen Mastholtz zu hoffen.

Das vierdte Gericht Evessen betreffende / darin befinden sich eilff Dörffer / vnd grentzet ins Westen mit dem Gerichte Dahlum / ins Norden mit Juncker Honrodts Holtzung zu Veltheim / wie auch ins Osten mit Honrotten / Lokulumb / vnd Gericht Schöppenstett / ins Süden scheidet es die Altenaw: In diesem Gerichte ist der Acker an etzlichen Orten wässerich / an etzlichen Orten sehr mergerlich / vnd dahero nicht so Kornreich / an etzlichen vnd meisten Oertern aber guter wol außtragender Acker / hat auch gar stattlich Eichen Mast: vnd Bawholtz / darzu den grossen Wald Elm / worauff die meisten Dörffere berechtiget / vnd ihre eigene abgetheilte Holtzung haben; Ist aber lauter Buchen / vnd auch sonsten allerhand Vnterholtz / zur Fewrung dienlich; Es ist der Elm zwey gute Meil weges lang / in die breite an etzlichen Oertern eine gute Meile / an andern wol etwas weniger.

Es ist beneben dem Dorff Aeylum / auff der Wiese / Anno 1636. vmb Pfingsten / ein Heilbrunn entstanden / welcher vom Kühhirten zu Aeylum anfangs erfunden / vnd zwar solcher gestalt / daß gedachter Kühhirt einen offenen ohnheilbaren Schaden gehabt / derselbe ist vngefehr zu diesem Brunn kommen / vnd etzliche Tage deß Wassers für dem Dorff getruncken / vnd befunden / daß immittels sein offener Schade dadurch heil worden / vnd also von dem Kühhirten weiter vnter die bresthafften Leute gebracht / da dann ein grosser Zulauff entstanden / der Brunn auch vielen Leuten geholffen. Die grösse deß Heilbrunnen ist oben einer Ellen in der runde / niederwerts zwey Ellen vnd drey Ellen tieff / gewesen / es seynd mitten im Sommer auff einmahl über die sechshundert Hütten dabey gezehlet worden.

Das fünffte Gericht Schöppenstett / grentzet mit dem Gericht Evessen ins Westen / mit dem Hause Sampleben ins Norden / mit dem Ampt Schöningen oder Vogtsdahlum ins Osten / mit dem Gerichte Asseburg ins Süden / vnd ligen darinn vier Junckern-Sitze / Samptleben / Watzum / Kublingen / Schlistett / auch über dem sechs Dörffer / vnd die Statt Schöppenstett / so vnter deß Stattvogts zu Schöppenstett Inspection begriffen / vnd hat dieses Gerichte den Nahmen von genanter Statt Schöppenstett: Die Dörffer haben in diesem Gerichte / ausser Eitzen / guten vnd wolaußtragenden Acker.

In dem sechsten Gerichte Asseburg befinden sich siebenzehen Dörffer / sampt etzlichen Junckern Dörffern / als Achem / Bornum / Lütken-Vahlberg / Remlingen vnd Neindorff; Es ist über diese siebenzehen Ampts-Dörffer gesetzet ein Vogt / vnd ein Gogreve / hat überall dieses Gerichte einen stattlichen wolaußtragenden Weitzen-Acker / vnd wann derselbe geräht / können die Leute ein groß Geld darauß machen. Diß Gericht grentzet ins Osten mit dem Gerichte Schöppenstett vnd Jerxheim / ins Süden mit dem Gerichte Hessen vnd Homburg / ins Osten mit Liebenburg / ins Norden scheidet das Wasser die Altenaw. In diesem Gerichte gehet eine starcke Landstrasse von Leipzig über den Hessendamb / daselbsten das Fürstl. Hauß Wolffenbüttel das Weggeld einnimbt. So ist auch in diesem Gerichte stattliche Holtzung an der Asse / von Buchen vnd Eichen. Auff der Spitze dieses Berges hat vor Jahren ein vestes Schloß gelegen / die Asseburg genant / so Anno 904. Hertzog Otto gebawet haben solle / ist nachgehends auff die Edle von der Asseburg / so anfänglich die von Hagen genant wurden / gekommen; Weil aber diese von Adel in ihrem angestammeten Wapen / darin Sie sonst einen Wolff führeten / auß lauterem Hoffart / vnd zu Beschimpffung deß Landesfürsten / einen Löwen (wie der Hertzog führete) mahlen liessen / vnd auff den Löwen den Wolff setzeten / der dem Löwen mit seinen [213] Klawen nach den Ohren griff / sich auch über das trotzig vnd übermütig gegen dem Landesfürsten erwiesen / hat Hertzog Albrecht von Braunschweig vnd Lüneburg / im Jahr 1255. dieses Schloß vnd Vestung Asseburg belagert; Es hat aber die Belagerung biß ins dritte Jahr gewehret / ehe das Schloß erobert worden. Als auch bey wehrender Belagerung Ertzbischoff Gerhard zu Meintz / vnd Graff Conrad von Eberstein / dem Hertzog von Braunschweig ins Land fielen / sind Sie nicht allein überraschet vnd geschlagen / sondern auch beyde gefangen / vnd dem Hertzog vor der Asseburg gebracht worden / woselbst der Graff von Eberstein / weil er wider seinen Lehens- vnd Landesfürsten gehandelt / vnd Eydbrüchig geworden / bey den Füssen ist auffgehencket / also daß er zum grausamen Spectacul / biß in den dritten Tag elendiglich gehangen / vnd endlich in grosser Angst vnd Pein den Geist auffgegeben. Der Ort / wo der Grafe gehangen / wird annoch gezeiget.

Im Jahr 1492. als Hertzog Heinrich der Elter wider Braunschweig Krieg führete / haben die von Braunschweig das Schloß Asseburg außgebrant / vnd als 1494. darauff die Sache zum Friede gerahten / ist es mit verglichen / daß dieses Schloß also verwüstet bleiben soll / wie es dann noch heutiges Tages ist. Es ist ein schön Marmorbruch auff diesem Berge / wachsen auch darauff sonderlich gute Kräuter. Es befindet sich auch an diesem Berge / nicht weit von dem Dorff Grossendenckte / ein schön Springk / welchen die Leute / wegen deß frischen gesunden Wassers / brauchen / vnd sonderliche Besserung vnd Gesundheit daher verspüren.