Topographia Braunschweig Lüneburg: Walckenried

Topographia Germaniae
Walckenried (heute: Kloster Walkenried)
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aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 199–200.
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Walckenried.

Ein vornehm vnmittelbahr Closter / an einem feinen lustigen Orte / zwo Meilen von der Statt Northausen gelegen. Ob es seinen Nahmen vom Walcken vnd rieht / (à fullonica et cariceto) oder von Graff Volckmarn / dessen Gemahlin es gestifftet / oder sonsten anders woher / stellet man dahin.

Die Stiffterin dieses Closters ist gewesen Fraw Adelheit / Graff Volckmars zu Lauterberg vnd Klettenberg / wie schon gemeldet / Gemahlin. Dann / (wie Joannes Ditmarus in Catalogo Abbatum veteris Campi schreibet) als dieselbe zu Neuß den vnüberwindlichen Kämpffer in deß HErrn Streit Quirinum, vnd zu Cölln der Heil. Märtyrer Gräber gesehen / vnd besuchet / hat Sie sich nach dem Closter Altvelt begeben / von dannen etliche Brüder mit sich genommen / vnd wieder zu den ihrigen gewendet. Diesen Brüdern hat Sie darauff bey ihrer Burg am Hartze mit grossen Kosten das Closter Walckenried zu bawen angefangen. Bey dem Closter findet sich davon folgende Nachrichtung zu Latein: Anno 1127. à prima fundatione Cistertii 29. anno 2. Imperatoris Lutharii tertii Imperatoris piissimi, Pontificarus sanctissimi Honorii P. P. 2. consensu Reverendissimi Alberti Archi Episcopi Moguntini in ipsius dioecesi fundata est Abbatia Walckenre: Cisterciensis ordinis ad radices Hercyniae sylvae, in praediis devotae Dominae Adelheidis quondam Comitissae de Clettemberg, pertinentibus ad imperiale castrum Sachsenburg tunc destructum: Et advocato venerabili viro Domino Henrico primo Abbate ex veteri Campo, una cum religioso conventu, ut Deum ibidem jugiter colant, est monasterium humile assignatum.

Die Jahrzahl der Stifftung haben die Münche in dieses distichon verfasset:

Anno milleno centum septemṕue vigeno
Walckrieth extruitur, Christus ubi colitur.

Damit es nun den Brüdern deß Closters an nohtwendigen Lebensmitteln / vnd gehörigem Vnterhalt nicht ermangeln möchte / hat die Stiffterin das Gut Berbesleben / welches Sie vmb fünffzig Talent gekauffet / vnd nach ihrem Tode alle ihre Haab vnd Geschmuck dem Closter zugewendet / auch so wol über die Stifftung / als Vbergab bemeldeten Gutes / deß Keysers Lotharii Confirmation zu wege gebracht / welche bey dem Ekstormio in seinem Chronico Walkenredensi zu befinden. [200] finden. Vber dieses ist dem Closter nach vnd nach von einem vnd anderm viel an ligenden Gründen / Höfen / Aeckern / Zehenten vnd dergleichen vermachet / viel Stücke auch von den Conventualen dazu erhandelt vnd gekauffet worden; deren aber ein grosser Antheil nachgehends injuria temporum davon abkommen / vnd in anderer theils benachbarter theils weit entlegener Stände / auch privatorum Hände gerahten / vnd also die Auffkünffte deß Closters fast sehr verringert worden.

Im Jahr Christi 1137. den 2. Maij / ist dieses newe Closter von Ertzbischoff Alberten zu Meintz / mit grosser Solennität eingeweihet / vnd der heiligen Jungfrawen Marien / vnd dem heiligen Bischoff Martino zu Ehren gewidmet / in beyseyn vieler Bischoffe / Aebten / Pröbsten / vnd andern Weltlichen Herren. Die Ceremonien / so dabey gebrauchet / seyn bey dem Ekstormio zu lesen.

Als sich aber befunden / daß das erste Clostergebäwe an keinem bequemen Orte gelegen / ist es von dannen gegen Mittag / zwey oder drey Büchsenschuß weiter hinauß gesetzet / vnd seyn die rudera deß alten Walckenrieds (wie es heutiges Tages genant wird) annoch zu sehen. Nach dieser beschehenen Versetzung deß Closters / ist die herrliche grosse Kirchen / dergleichen kaum in einem andern Closter in Teutschland gewesen seyn soll / zu bawen angefangen / vnd darüber / ehe sie fertig worden / bey die achtzig Jahr zubracht. Welcher massen aber dieses herrliche Gebäw hernachmals ruiniret / vnd in Abgang kommen / ist bey besagtem Ekstormio p. 197. zu lesen. Sonsten hat das Closter noch viel andere Kirchen vnd Capellen gehabt / deren theils auch annoch verhanden. Vnter denselben ist das vor Zeiten gewesene Capitularen Hauß / welches im Jahr Christi 1570. nach dem die alte Kirche verfallen / zu Verrichtung deß Gottesdienstes wiederumb verordnet worden.

Im Jahr Christi 1546. als Johannes der Achte deß Nahmens / vnd in der Zahl der Aebte der neun vnd dreissigste Abt gewesen / seyn die Päbstischen Mißbräuche in selbigem Closter abgeschaffet / vnd der reine Gottesdienst eingeführet worden. Etliche Jahre hernach / hat selbiger Abt Johannes / auff der damahligen Grafen von Hohnstein Einrahten / eine Schule / zu Vnterweisung der Jugend / in dem Closter angerichtet / zwölff alumnos oder Schüler anfänglich hinein genommen / vnd den Rectorem der Schule zu Elrich / Joannem Mylium, dahin beruffen / vnd zum ersten Rectoren dieser newen Schule bestellet. Dessen Nachfolger / Abt Hermannus, hat die Zahl der alumnorum biß auff 36. erhöhet / vnd noch einen Schul-Collegen angenommen. Diesem Hermanno seyn noch drey Aepte succediret / vnd werden also von dem ersten Henrico, biß zu dem letzten Georgio, 43. Aebte dieses Closters gezehlet.

Nach dieses Letzten tödtlichen Hintritt / hat Graff Ernst von Hohnstein die Administration deß Closters über sich genommen / vnd nach dessen im Jahr 1593. erfolgten tödtlichen Hintritt / Herr Heinrich Julius / postulirter Bischoff deß Stiffts Halberstatt / Hertzog zu Braunschweig vnd Lüneburg / wie derselbe im Jahr Christi 1613. diese Welt gesegnet / ist sein Sohn vnd Nachfolger / Herr Friederich Vlrich / Hertzog zu Braunschweig vnd Lüneburg / hinwiederumb zum Administratorn dieses Stiffts erwehlet worden / welche er auch biß an seinen im Jahr 1634. erfolgeten tödtlichen Abscheid geführet. Da dann dem Durchleuchtigen / Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / Herrn Christian Ludwigen / Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg / die Administration wieder angetragen / vnd durch den im Jahr 1648. zu Münster vnd Oßnabrück gemachten Friedensschluß dergstalt befestiget / daß dieses Closter dem Fürstlichen Hause Braunschweig Lüneburg zu einem stetswehrenden ewigen Lehen / mit allen seinen Zubehörungen zugeeignet worden.

Es wird aber noch anjetzo eine Schule für verschiedene alumnos darin frey gehalten / vnd soll die Anzahl derselben bey jetzigen / GOtt Lob / erlebten Friedenszeiten / so viel immer möglich / vnd die Closter-Intraden erleiden wollen / allerförderlichst erhöhet vnd vermehret werden.

[T116]