Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Vom Sankt Johanniskirchlein

Der steinerne Kopf Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
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148.
Vom Sankt Johanniskirchlein.

Von Friedrichrode wandelt man zum Theil auf den herrlichgrünen Bleichwiesen und durch waldige Gehege oder auch über Bergpfade nach Georgenthal, einem stattlichen Amtsdorfe, in welchem vormals ein berühmtes Kloster stand, von dessen Kirche Mauergrund und Säulenreste in neuerer Zeit ausgegraben wurden. Wandelt man über die Berghöhen, so wird das Dorf Altenberga berührt, und mit ihm ein geheiligter Boden, denn gleich über Altenberga erhebt sich ein frei stehender und weit sichtbarer Bergkopf, und auf diesem hat, der alten Sage nach, Bonifacius-Winfried nächst jener Kapelle bei Schloß Altenstein, die erste Christenkirche in Thüringen begründet, und dieselbe in die Ehre Sankt Johannes des Täufers geweiht. Es war aber auch diese Höhe schon vor Bonifacius Ankunft ein geheiligter Ort, und wenn die auf genaueren Forstkarten am [284] Abhange dieses Berges verzeichneten Namen „Oelberg“ und „Heiligenholz“ auf christliches Alterthum hinzeigen, so erinnert der Name des Waldes, der den Bergscheitel unmittelbar bedeckt: „Hain“ an die vorzeitliche Bedeutsamkeit dieser Stätte. Oft faßte das kleine Kirchlein nicht die Menge der Hörer, wenn der Gottesmann predigte, und die Menge der auf dem Berge versammelten Raben, Dohlen und Krähen störte durch ihr Geschrei die Predigt. Da der fromme Bischof diese Störung zum Heile der neuen Gläubigen nicht dulden wollte, so wünschte er unter Gebet die Vögel weg, und siehe da, augenblicklich zerstreuten sich deren Schaaren nach allen Winden, und kamen niemals wieder. Die ersten Christen der Gegend fanden auch ihre Ruhestätte droben bei dem Kirchlein, das später, als es baufällig wurde, Graf Ludwig mit dem Barte wieder herstellen, und darin seinen erstgeborenen Sohn taufen ließ. Allmählich wurde aber das St. Johanniskirchlein zu eng, und der Kirchhof zu klein, um die zuströmende Menge der Lebenden und Toden zu fassen. Da beschlossen die den Berg zunächst umwohnenden Dorfgemeinden, das Kirchlein abzubrechen, und am Fuße des steilen und beschwerlich zu erklimmenden Bergkegels bei das Dorf Attenberga, das an dessen Fuße, aber doch noch beträchtlich hoch liegt, wieder erweitert aufzubauen. Aber Sankt Johannis Kirchlein wollte nicht im Thale oder am Bergesfuße stehen, sondern auf der Höhe bleiben, auf der es stand, und so geschah es, daß sich an jedem frischen Morgen das Tages zuvor herab geschaffte Baumaterial wieder droben befand. Da mußte man das alte Kirchlein wieder leidlich herstellen, und wenn man in Allenberga eine Kirche haben wollte, eine neue daselbst aufrichten, und dann hat das Sankt Johanneskirchlein noch [285] lange gestanden, bis es von selbst verfiel. In neuer Zeit wurde an seiner Stelle der große thüringische Candelaber zur Erinnerung an die Bedeutung dieser hehren Stätte von Sandstein errichtet, ein Riesenleuchter, aus dessen Becken drei Flammen, die drei christlichen Hauptconfessionen, schlagen, und ist auch von Priestern der drei Kirchen in christlich brüderlicher Liebe eingeweiht worden.