Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Bergschätzesagen um Altenstein, Steinbach und Liebenstein
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Bergschätzesagen um Altenstein, Steinbach und Liebenstein.
Der in früheren Zeiten sehr erheblich betriebene Bergbau dieser Gegenden auf Silber, Kupfer, Kobalt und Eisen, des Gewinns anderer nutzbarer Mineralien, wie Fluß- und Schwerspath kaum zu gedenken, rief eine Menge darauf bezüglicher Sagen ins Leben, in denen theils Berggeister, theils die halbmythischen Venetianer, die auch unter demselben Namen durch Sagen des Erzgebirges wie des Harzes und durch die Sagen Tirols als Venediger Manndl (Männchen) gehen, theils Bergentrückte, so wie Schätze hüthende Jungfrauen, Hunde und Schlangen ihre Rolle spielen. Im Regina-Schacht des Glücksbrunner Bergwerkes erschien einem Häuer ein Berggeist in Gestalt eines Bergamtsobern, mit einen Grubenlicht und so groß, daß er schier an den First anstieß. Dieser Geist schien angeredet sein zu wollen, der Häuer aber wagte aus Furcht nicht ihn anzureden, und ihm den Bergmannsgruß „Glückauf!“ zu geben, wodurch vielleicht der Geist erlöst und der Häuer reich geworden wäre – aber der letztere arbeitete weiter, und der Stollen des Glückes blieb ihm verschlossen. Zu anderer Zeit haben auch andere Häuer eine ähnliche Erscheinung erblickt, und zwar auf dem Schacht Segen Gottes. [249] Des Geistes Grubenlicht war so flammend, daß es fast die Hälfte des aufwärtsgehenden Schachtes hell beleuchtete. Am Löhlein geht ein goldener Hirsch um, der eine Goldader anzeigt, die sich unter den Lobberg zieht. Die Herren Trier, die das Schloß zu Glücksbrunn erbauten, und unter denen der Bergbau in der nächsten Umgegend den höchsten Flor erreichte, ließen dort einen Schacht erteufen, aber sie schlugen nicht tief genug ein, und ließen, ehe sie noch Ausbeute gewannen, die Grube zum Erliegen kommen, ja in dieselbe, als bald darauf eine große Viehseuche ausbrach, das krepirte Vieh hinabstürzen. Da zeigte sich fast allabendlich der goldene Hirsch, that sehr ängstlich, und lief hin und her. Fünf Lachter tiefer nur, und die Goldausbeute würde unermeßlich gewesen sein.
Am Kreuzweg, dessen einer Arm ins Atterod führt, zeigt sich alle 7 Jahre ein hellloderndes Feuer, das lodert über einem unter ihm ruhenden Schatze, der nicht ruhen mag, sondern gehoben werden will, wie die verschiedenen Jungfrauen darauf brennen erlöst zu werden. Ein Holzhauer, der alte Wolfshein (Heinrich) kam mit einer Welle Reissigholz den Rennsteig herab, und erblickte von ferne das lohende Feuer, und gewahrte, näher kommend, daß niemand dabei war. Das wunderte ihn, doch ging er still vorüber, und spät erst kam ihm der Gedanke, es möge dort vielleicht ein Schatz brennen, den er hätte heben können, wenn er etwas darauf geworfen. Jetzt blickte und wandte der alte Wolfshein um, aber da war das Feuer verschwunden. Ein anderer Mann aus Steinbach, der alte Schmids Sömm (Simon) war mit Venetianern bekannt, und diente diesen als Wegweiser in das höher liegende Gebirge, wo es viele Höhlen mit Schätzen giebt, [250] die aber alle nur mittelst der Wünschelruthe gehoben werden können, weil sie von den Venetianern versetzt, d. h. unsichtbar gemacht, verzaubert, sind – einmal ging der Sömme allein durch den Wald, und fand eine solche Höhle offen, kroch auch ein Stück hinein, kam aber an ein breites Wasser, und über dem Wasser lag, groß und dick wie ein Baumstamm, eine Feuer und Flammen auszischende Wächterschlange. Da gab der alte Sömme schleunigst Fersengeld. Hätte er den Muth gehabt der Schlange auf den Kopf zu treten, dann hätte sich dieselbe in eine feste Brücke verwandeln müssen, über die er hätte schreiten können, und nehmen so viel er gewollt.
An einem goldenen Sonntage gingen mehrere Männer aus Steinbach spatzieren, und trafen eine vorher von ihnen nie gesehene Höhle an, vor der sie Kleider, Ranzen und Wanderstäbe liegen fanden, und muthmaßten, diese Stücke müßten Venetianern angehören, welche in die Höhle gekrochen seien. Um diesen einen Possen zu spielen, versteckten sie die Sachen hinter einen Baum, und sich selbst verkrochen sie hinter einen anderen, um ihre Freude daran zu haben, wenn jene aus der Höhle kämen, und in Verlegenheit geriethen. Doch aus der Höhle kam niemand, die lauschenden Steinbacher aber überkam der Schlaf, und sie fanden sich mit einem male in einer ihnen wildfremden Gegend, erblickten andere Bäume, andere Blumen, andere Menschen, als daheim, und verstanden die Sprache nicht, welche in dieser fremden Landschaft geredet wurde. Endlich gesellten sich ein Mann zu ihnen, der verstand ihre Sprache in etwas, und sie klagten diesem ihre bereute That und ihre Sehnsucht nach der Heimath. Der Mann warnte sie, gleich dem treuen Eckart, das was sie gethan, ein [251] anderesmal nicht wieder zu thun, er wolle sie wieder nach Hause bringen; sie möchten seiner nur unter einen Baume, den er ihnen zeigte, eine kurze Weile harren. Die Männer, vom langen herumwandern müde, schliefen abermals ein, und wie sie erwachten, waren sie in ihrer Heimath, unter den Bäumen, hinter die sie sich versteckt und unter denen sie entschlummert waren. Jene Sachen aber waren hinweg, und die zuvor offene Höhle war nicht nur nicht mehr offen, sondern gar nicht mehr zu sehen. Und nun gingen sie in ihr Dorf hinab, da lief und rief ihnen alles verwunderungsvoll entgegen, und stürmte mit Fragen auf sie ein, wo in aller Welt sie denn gewesen und geblieben seien? Am Sonntage Trinitatis waren die Männer aus dem Dorfe spatzieren gegangen, und am siebenten Sonntage nach Trinitatis kehrten sie wieder.
Hinter Liebenstein, beim Dorfe Baierrode, nimmt das Thüringerthal seinen Anfang. Dort sind große Felsen, und eine Wand heißt der Eselssprung, auch Eselsfuß, weil noch die Fußtapfen eines Esels in den Fels eingetieft sind, und zwar soll einst der Herr Christus über das Gebirge auf dem Esel geritten sein, mit dem er in Jerusalem einzog. Gleich dabei erhebt sich ein Bergeshaupt, der Judenkopf genannt. Eine bewaldete Felskuppe daneben heißt der Eselskopf – es giebt auch unbewaldete Platten, die so heißen – auch dort ist eine Venetianer-Höhle, die sich in der Johannisnacht aufthut, das ganze übrige Jahr aber unsichtbar bleibt. Die Venetianer kamen alljährlich zu zweien oder dreien, und wohnten in Steinbach beim Messerschmied Löser, und nahmen diesen einmal mit in die Höhle. Da hing das Gold wie Eiszapfen an den Wänden – aber ehe man es erreichen [252] konnte, mußte man erst über eine große Schlange schreiten, und das ließ der Löser fein bleiben, denn er dachte, selbe Schlange könnte ihn beissen. Dafür ging er so arm aus der Höhle, als er hineingegagenn war. – Ein Liebensteiner Hirte, der am Eselskopf hüthete, nahm einen Stein auf die Schippe, und wollte den nach einer Kuh werfen, da trat ein Venetianer zu ihm, und sprach das bekannte Wort, indem er den Stein an sich nahm: Hirte, der Stein ist mehr werth als die Kuh, nach der Du ihn werfen wolltest. Und schlug vom Stein ein Stück ab, da gleißte alles goldig, und wurde dem Hirten in Wahrheit grün und gelb vor den Augen.
Oberhalb Baierrode quillt noch immer ein Quell der heißt der Goldborn, und hat früher Goldkörner ausgeworfen, daher ward ihm dieser Name. Die Venetianer kannten des Bornes Eigenheit, kamen alljährlich und nahmen die Körner. Die Baierroder merkten das und kamen nun jenen zuvor, so daß letztere als sie wieder kamen, das Nachsehen hatten. Da versetzten sie den Born so, daß er keine Goldkörner mehr ausführte, sondern daß diese sich innerhalb versammelten, dann kamen die Walen und fischten zur guten Stunde den Reichthum heraus.
Im Höchheimer Holze, zwischen Baierrode und dem Judenkopf, ist auch eine Höhle, welche von Venetianern in der Johannisnacht besucht wurde, die ihre Wohnung beim alten Knieling zu Steinbach hatten, und aus der jene Walen ganze Säcke voll braunen Kieses fortschleppten. Dort im Thüringer Thale steht auch „der Eisermannstein“ – ein Fuhrmann dieses Namens soll dort erschlagen, und der Stein ihm zum Gedächtniß gesetzt worden sein. Er soll noch spuken. Man höre Nachts das Gerassel seines Karrens, [253] das Knallen seiner Peitsche, das Geräusch der Pferde und seinen Ruf: Hoi! Hoi! vom Bärenloch durchs ganze Utterode bis zu dem Stein – dann noch einen schrecklichen Aufschrei, dann ist alles still. In der Nähe zieht die Kniebreche steil zum Rennsteige empor, auch an ihr eine verzauberte Höhle, zu der einst ein Venetianer aus Dankbarkeit einem Einwohner von Baierrode den Schlüssel hinterlassen, weil er selbst genug davon getragen, und nicht wieder nach Thüringen zurückkehren wollte. Der alte Fuchs, hieß der baierroder Mann, ging in Folge der Belehrung, welche ihm von dem Venetianer zu Theil geworden, in der nächstfolgenden Johannis richtig in die Kniebreche, fand das Thor der Höhle, schloß es auf, ging hinein. Muth mußt Du haben! hatte der Venetianer gesagt, und der alte Fuchs hatte Muth. Er fürchtete sich nicht, als er an einem zweiten Thore große schwarze, grimmige Zottelhunde mit feurigen Telleraugen und blutrothbrennend aus dem Rachen hängenden Zungen erblickte, und erschloß auch das zweite Thor. Vor dem dritten Thore saß ein Drache der hatte Zähne armslang und spie Feuer klafterlang und hatte einen Schweif schürbaumlang. Der muthige Fuchs ging mitten durch des Drachen Feuerschnauben und erschloß auch das dritte Thor. Jetzt stand eine ganze Braupfanne voll Gold vor ihm, er begann wacker einzusacken, und um nicht, wie die Schätzefinder gewöhnlichen Schlages, das beste, den Schlüssel zu vergessen, steckte er diesen vorsichtig zu allererst in seine Jackentasche. Mit einemmale krachte und polterte es hinter ihm, als ob der Berg zusammenprassele, und die Höhle bebte, und der alte Fuchs sah sich erschrocken um, und war ihm doch das Umsehen bei Leibe verboten. Da erbebte die Höhle in ihren Grundfesten, [254] Larven umgrinzten den Schatzfinder, es wurde ihm angst und bange, er warf das bereits eingeraffte Geld aus seiner Tasche, und in der Eile warf er den Schlüssel auch mit heraus, – da hatten die Geister ihr Eigenthum wieder und Fuchs entkam, arm wie zuvor, und den Schreck in allen Gliedern. Die Höhle aber schloß sich für immerdar, und keines Sterblichen Auge hat weder sie, noch ihre Pforte, jemals wieder gesehen.