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konnte, mußte man erst über eine große Schlange schreiten, und das ließ der Löser fein bleiben, denn er dachte, selbe Schlange könnte ihn beissen. Dafür ging er so arm aus der Höhle, als er hineingegagenn war. – Ein Liebensteiner Hirte, der am Eselskopf hüthete, nahm einen Stein auf die Schippe, und wollte den nach einer Kuh werfen, da trat ein Venetianer zu ihm, und sprach das bekannte Wort, indem er den Stein an sich nahm: Hirte, der Stein ist mehr werth als die Kuh, nach der Du ihn werfen wolltest. Und schlug vom Stein ein Stück ab, da gleißte alles goldig, und wurde dem Hirten in Wahrheit grün und gelb vor den Augen.

Oberhalb Baierrode quillt noch immer ein Quell der heißt der Goldborn, und hat früher Goldkörner ausgeworfen, daher ward ihm dieser Name. Die Venetianer kannten des Bornes Eigenheit, kamen alljährlich und nahmen die Körner. Die Baierroder merkten das und kamen nun jenen zuvor, so daß letztere als sie wieder kamen, das Nachsehen hatten. Da versetzten sie den Born so, daß er keine Goldkörner mehr ausführte, sondern daß diese sich innerhalb versammelten, dann kamen die Walen und fischten zur guten Stunde den Reichthum heraus.

Im Höchheimer Holze, zwischen Baierrode und dem Judenkopf, ist auch eine Höhle, welche von Venetianern in der Johannisnacht besucht wurde, die ihre Wohnung beim alten Knieling zu Steinbach hatten, und aus der jene Walen ganze Säcke voll braunen Kieses fortschleppten. Dort im Thüringer Thale steht auch „der Eisermannstein“ – ein Fuhrmann dieses Namens soll dort erschlagen, und der Stein ihm zum Gedächtniß gesetzt worden sein. Er soll noch spuken. Man höre Nachts das Gerassel seines Karrens,

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/260&oldid=- (Version vom 1.8.2018)