Stickereien auf gemalter Seide

Textdaten
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Titel: Stickereien auf gemalter Seide
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 804
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[796]

Stickerei auf gemalter Seide von H. Mankiewicz.

[797]

Stickerei auf gemalter Seide von H. Mankiewicz.

[804] Stickereien auf gemalter Seide. (Zu den Bildern S. 766 u. 797.) Wir haben in Nr. 26 dieses Jahrgangs auf die eigenthümliche und unschwer zu erlernende Art der Herstellung von „Smyrna-Knüpfteppichen“ hingewiesen. Jetzt macht abermals eine Erscheinung auf dem Gebiete der weiblichen Handarbeit von sich reden, welche eine weitgreifende Beachtung gefunden hat und in der That eine reiche Zukunft zu haben scheint, so daß wir nicht versäumen möchten, unsere Leserinnen etwas näher mit derselben bekannt zu machen. In der österreichisch-ungarischen Abtheilung der Pariser Ausstellung haben sechs von schöner Hand auf Seide gemalte und gestickte Bilder ein gerechtfertigtes Aufsehen erregt. Schon durch seine ungewöhnliche Größe mußte dieser für hohe schloßartige Räume gedachte Wandschmuck jedermann in die Augen fallen; sodann war es der volle Reiz der Eigenart dieser Kunst, welcher die Berichterstatter des amtlichen Ausstellungsberichts und maßgebender öffentlicher Blätter in begeisterte Lobsprüche ausbrechen ließ; zuletzt aber waren es der blendende Farbenschmuck und die großen, angeborenen Formensinn verrathende kühne Zeichnung, welche um so mehr Bewunderung bei allen Beschauern hervorriefen, als man erfuhr, daß diese Bilder von einer noch jugendlichen Dame, der Gattin des Generalkonsuls Mankiewicz zu Dresden, einer geborenen Wienerin, herrührten. Ein einheitlicher Gedanke liegt den Einzeldarstellungen zu Grund: das Wasser in landschaftlichem und architektonischem Rahmen als elementare in das Menschenleben eingreifende Naturkraft erscheinen zu lassen. Wir haben von diesen Bildern zwei unsern Lesern im Holzschnitt wiederzugeben versucht: „Die Bucht“ (S. 796) und den „Bach“ (S. 797). Zu beiden muß man sich freilich die starke Farbenwirkung hinzudenken, wie sie beispielsweise bei der „Bucht“ durch feurigrothe Fingerhutgruppen und die gefiederten Blüthen der Silberdistel im Gegensatz zu der im Tagesglanz schimmernden Meeresfläche erzielt wird, während den Hauptfarbenreiz bei dem „Bach“ die verschiedenartigen Abstufungen des herbstlichen Laubes hervorbringen. Das Ganze ist im Ton Lenauscher Todesklage gehalten und stimmt zu dem Muttergottesbild, welches zu dem Gebirgsbach zum Gedächtniß eines Verunglückten als ein „Marterl“ gestiftet zu sein scheint. Wir können nicht länger bei der Betrachtung der Bilder verweilen, zu deren ersten Anfängen Hans Makart, ein Freund des Hauses, der Künstlerin in den schmeichelhaftesten Ausdrücken Glück wünschte und auf deren glücklichen Fortschritt sein Vorbild sichtbarlich nicht ohne Einfluß geblieben ist.

Obgleich nun die Schaustücke auf der Pariser Ausstellung schon vermöge ihrer räumlichen Ausdehnung zunächst auf eine gewisse großartige Pracht angelegt sind, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß die dabei in Anwendung gebrachte Technik sich auch in kleinere Verhältnisse übersetzbar erweise, und aus diesem Grunde mag es unseren Leserinnen nicht unerwünscht sein, wenn wir noch ein Wort über dieselbe beifügen. Eine erschöpfende Belehrung ist in diesem Falle freilich an dieser Stelle nicht möglich, obgleich das technische Verfahren vielleicht einfacher ist, als man denken sollte. Der Atlasgrund bleibt vollkommen unpräparirt und wird nur mit einem englischen Fixirmittel stark getränkt. Die einfachste deutsche Aquarellfarbe giebt Schatten und Mittelton, Gouache erhöht die Lichter. Dabei wird an dem Grundsatz festgehalten, aus einem Ton herauszumalen. Mit dicken Anstreicher-, nicht Aquarellpinseln werden die Farben aufgetragen. Im Halbton wird das Licht durch Auftrocknen vermittelst Löschblattes, nicht durch aufgesetzte Farben erzielt. Das Stickmaterial besteht aus Seide, sogenannter Cordonetseide, Chenille, Altgold u. dgl. m. Für die feineren Schattirungen muß man weiße Seide eben selbst färben. Man nimmt die dickste Sticknadel, deren Oehr gestattet, die gröbste Chenille aufzunehmen. Das alles hört sich natürlich leicht an und klingt wie ein Küchenrezept aus der seligen Löfflerin Kochbuch. Die Künstlerin selbst konnte uns ihr technisches Verfahren nicht allgemeinverständlicher beschreiben, aber hier wie überall heißt es eben: die Uebung macht den Meister. Unzählige Schwierigkeiten haben sich Frau Henriette Mankiewiez anfangs in den Weg gestellt; sie hat sie auf ihre Weise überwunden, andern mag auf andere Art mehr oder weniger leicht dasselbe gelingen. Eines wird aber überall dasselbe bleiben müssen, als das einzige, was, Talent und eine gewisse Vorbildung vorausgesetzt, zum Ziel führen kann: eiserner Fleiß, der von den ersten Skizzen und Entwürfen bis zu den letzten Strichen niemals ermattet, und jene künstlerische Sammlung, die, wie Schiller sagt, „unerschlafft im kleinsten Punkt die größte Kraft“ zu vereinigen vermag.