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Titel: Steinerne Schätze
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 587–590
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Mörnsheimer Bruch bei Solnhofen.
Zeichnung von Fr. Keller.

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Steinerne Schätze.

Mit Zeichnungen von Prof. Fr. Keller.

Auch Steine können reden, und redende Steine sind in der That jene über einander geschichteten Schiefermassen der Steinbrüche bei Solnhofen in dem bayrischen Bezirk Mittelfranken, die wir auf den trefflichen Bildern von Prof. F. Keller erblicken.

Die Forscher haben es verstanden, diese Sprache zu deuten, und sie haben uns Staunen erregende Aufschlüsse über längst vergangene Zeiten gegeben.

Was in Solnhofen durch die Hand der rastlos schaffenden Arbeiter ans Tageslicht gefördert wird, das ist nicht allein nützliches Gestein, das sind auch wirkliche Blätter aus dem Riesenbuche der Erdgeschichte.

Die mächtigen Lagen des lithographischen Schiefers entstanden nicht auf einmal in den Entwickelungswehen des Erdballs. Sie sind langsam in Jahrhunderten und Jahrtausenden gewachsen.

Ueber dem jetzt blühenden Lande, das mit Städten und Dörfern besät ist, fluthete einst ein Meer, und die Stelle, an der wir jetzt den Steinbruch erblicken, bildete eine stille Bucht der längst verschwundenen See.

Der Grund derselben war mit tiefem Schlamm bedeckt und aus dem benachbarten Hochlande brachte ein Fluß neue kalkreiche Niederschläge hinzu.

Ein reges thierisches Leben herrschte an den Ufern und in den Tiefen des Wassers; aber sonderbare Arten waren es, die sich hier des Daseins erfreuten und – zu Grunde gingen: Wesen, wie sie kein menschliches Auge jemals gesehen hat; denn in jener altersgrauen Epoche herrschte noch nicht der Mensch auf Erden. Aber die Erde schrieb damals selbst ihre Geschichte, in dem Schlamm des Meeres versanken die Ueberreste der damaligen Thierwelt, der Schlamm [588] bewahrte sie lange vor der gänzlichen Zersetzung; der Schlamm verdichtete sich allmählich zu einem festen kalkartigen Gestein und das Innere desselben barg nun oft wunderbar genaue Abdrücke der seltsamsten thierischen Körperformen.

Heute kennt jedermann, wenn auch oft nur vom Hörensagen, jene vorweltlichen Thiere; durch Scheffels Lieder ist ja der Ichthyosaurus volksthümlich geworden. Den Forschern ist es gelungen, aus einzelnen Fundstücken einzelne Arten zu „restauriren“, wie z. B. die „fliegenden Eidechsen“, häßliche Geschöpfe mit einer Flügelspannweite von 7 Metern und lang gestreckten, schnabelähnlich endenden Köpfen. Am bekanntesten dürfte aber der Solnhofener Urvogel Archaeopteryx sein; denn die Nachricht vom Auffinden desselben machte seiner Zeit die Runde durch alle Zeitungen und der Verkauf jener Versteinerung bildete einen merkwürdigen Handel. Im Jahre 1860 wurde in Solnhofen der Abdruck einer einzelnen Vogelfeder gefunden und ein Jahr darauf weitere Abdrücke, welche zusammen ein seltsames gefiedertes Thier darstellten. Das britische Museum erwarb den Archaeopteryx für 12 000 Mark, und sechzehn Jahre hindurch blieb der Fund ein Unicum, bis 1877 in den lithographischen Schiefern von Eichstätt, 3½ Wegstunden von dem ersten Fundorte, ein zweites viel vollkommeneres Exemplar ausgehoben wurde. Dieses wanderte nicht mehr nach England, sondern gelangte schließlich für den Preis von 20 000 Mark in das mineralogische Museum der Berliner Universität.

Ja, die Solnhofener Funde sind berühmt und die Brüche bilden eine wahre Schatzkammer der Wissenschaft, aber alle die Menschen, welche dort hämmern und pochen, arbeiten nicht im Dienste der Gelehrten. Solnhofen ist auch, wie die „Gartenlaube“ schon einmal es treffend genannt hat (vergl. Jahrg. 1865, Nr. 18), eine „steinerne Schatzkammer der Kunst“, denn hier wird der beste, ja der einzig brauchbare lithographische Stein gebrochen. Nur in Südfrankreich wird ein ähnlicher Stein in Blöcken (nicht Schichten) gewonnen, der jedoch für das Bedürfniß des Lithographen kaum die geringern Solnhofener Steine ersetzt. Die Kunst des Steindruckes, die Lithographie, wurde bekanntlich erst am Ende des vorigen Jahrhunderts von dem Münchener Senefelder erfunden. Die Steinbrüche von Solnhofen sind jedoch älter. Ueber die Entdeckung derselben erzählt man Folgendes:

Vor etwa 200 Jahren soll ein Hirtenknabe zum Zeitvertreib ein Loch in die Erde gegraben und die dabei gefundenen Plättchen mit Sand und Wasser so lange an einander gerieben haben, bis sie glatt wurden. Dies trieb er längere Zeit, bis ein Zufall ihn erfahren ließ, daß zum Dom in Eichstätt Muster von Fußbodenplatten verlangt würden. Ohne weiteres brachte er seine Plättchen dorthin. Der erste daraufhin gemachte Versuch einer Ausgrabung war erfolgreich, und der Dom von Eichstätt wurde zuerst mit Solnhofener Steinen belegt. Einen ungeahnten Aufschwung nahmen die Steinbrüche jedoch erst seit der Zeit, da man sich überzeugt hatte, daß die Verwendbarkeit dieses Steines zur Lithographie eine ausgezeichnete sei und daß alle Steinbrüche der Welt mit Solnhofen nicht in die Schranken zu treten vermögen.

Förderwagen in den Solnhofener Steinbrüchen.

Man unterscheidet in Solnhofen selbst zwei Sorten lithographischer Steine, eine gelbliche und eine blaugraue. Die letztere ist die härtere und bessere, kommt aber seltener vor, und darum kosten die blaugrauen Steine fast doppelt so viel als die gelben.

Außer den lithographischen Steinen liefern diese Brüche noch Material zu Fußböden und Kegelbahnplatten und zu Gerbertafeln; aber das sind minderwerthige Verwendungen, die Hauptsache bleiben die Steindrucktafeln. Mit diesen wird die ganze civilisirte Welt von Solnhofen aus versorgt; Solnhofener Geschäfte haben ihre Lager in allen Hauptstädten, und aus aller Herren Ländern kommen Kaufleute herbei, die gleich 10–20 Wagenladungen auf einmal erstehen; die größten Abnehmer kommen aus London und New-York.

Solnhofen liegt in einem anmuthigen Thale an der Altmühl, einem Nebenflusse der Donau, und ist Bahnstation an der Strecke Nürnberg-Ingolstadt. Schon bei der Ankunft in Treuchtlingen, bez. Dollnstein, merkt man an den Dächern, welche mit den gelben Steinplättchen belegt sind, daß man wohl nahe bei Solnhofen sein müsse. Von Solnhofen selbst aus erreicht man zu Fuße nach viertelstündigem Steigen die ersten Brüche und gewinnt nunmehr einen Einblick in das rege Leben, welches sich hier entwickelt. – Namentlich das Abräumen der Steine auf kleinen Karren, die bald durch Menschenkraft, bald von Pferden befördert werden, bald an steilen Abhängen vorüberrollen, bald durch künstliche hohe Felsenschluchten fahren, bietet ein das Auge fesselndes Bild. In einigen Brüchen wurden auch Rollbahnen mit Handbetrieb eingeführt. Aber dieses geschäftige Treiben geben unsere Abbildungen viel besser wieder, als es Worte vermöchten.

Versuchen wir hier, nur die Gewinnung und Bearbeitung der Steine selbst in den einzelnen Stadien zu schildern.

Das Brechen selbst geschieht in folgender Weise: Die Steine, welche schichtenweise aufeinander liegen, werden an der Kante zwischen den Lagen angemeißelt und zwar, je nach der Größe des zusammenhängenden Stückes, nöthigenfalls von mehreren Arbeitern gleichzeitig so lange, bis das Stück sich losheben läßt. Bei unvorsichtigem Verfahren kommt es hierbei nicht selten vor, daß der Stein in Stücken statt als Ganzes aufbricht. Kaum zu vermeiden ist dies, wenn der [589] Stein Adern hat, denn dann bricht er sehr leicht. Ist das Stück aber trotz der Adern ganz losgegangen, so versucht der Arbeiter, indem er mit einem Hammer daran klopft, an dem hellen – guten, oder dumpfen – schlechten Ton die Brauchbarkeit desselben zu prüfen. Ist der Stein für gut befunden, so bekommt ihn der nächste Arbeiter, der nach seinem Ermessen auf dem ungleichmäßigen Stein seine Vierecke aufzeichnet und mittels eines im Verhältniß zu den Steinen sehr kleinen, aber mit einem langen Stiel versehenen Hammers roh zurechthaut. Das verschiedene Hämmern erzeugt ein liebliches melodisches Durcheinander von Tönen, fast wie Glockengeläute.

Förderbahn in den Solnhofener Steinbrüchen.

Die Steine wandern hierauf in die Schleifhütten. Es ist merkwürdig, mit welcher Ausdauer die allerdings muskulösen Arbeiter solch schwere Platten den ganzen Tag über auf einander drehen und reiben. Die kleinen Platten werden von weiblicher Hand geschliffen, jedoch verdienen die Frauen nur etwa halb soviel wie die Männer. Der Sand, welcher, mit Wasser befeuchtet, zum Schleifen verwendet wird, muß vom Main und von der Donau bezogen werden, da jeder andere an näheren Orten gefundene Sand zu weich ist und nicht genügend angreift. Der gröbere Mainsand wird zum Vorschleifen oder Rauhschleifen, der bessere Donausand zum Feinschleifen, „Ausschleifen“ genannt, benutzt.

Sind die Steine geschliffen, so bekommt sie ein anderer Arbeiter in die Hand, um sie abzusprengen und fertig zu machen. Das Absprengen wird mit einem breiten, scharf geschliffenen Eisen gemacht, welches genau auf einen vorgezeichneten Strich gesetzt wird. Ein Schlag mit einem eisernen Hammer, und eine haarscharfe Kante zeigt sich am Steine. Merkwürdig ist, mit welcher Raschheit diese ziemlich genaue Arbeit vor sich geht, aber die dazu nöthige Fertigkeit läßt sich nur durch jahrelange Uebung erwerben und die „Absprenger“ sind deshalb auch die bestbezahlten unter den Arbeitern.

Auch der Dampf hat in die Solnhofener Brüche seinen Einzug gehalten. Auf Fischer und Kluges Anwesen befindet sich ein Dampfsägewerk, welches zum Auseinandersägen von zu dicken Steinen in zwei oder drei Platten erbaut worden ist. Das Werk soll sich sehr gut lohnen, da die genannte Firma auf dem Horstbruch sehr viele starke Steine bricht und die lithographischen Pressen nur für eine Stärke der Platten von 7–10 cm eingerichtet sind, sodaß stärkere Steine nur in höchst vereinzelten Fällen eine Verwendung finden. Das Dünnermachen [590] solcher Steine durch Behauen mit spitzen und gezahnten Hämmern, „Abspitzen“ oder „Abstocken“ genannt, wie es von den anderen Bruchbesitzern geübt wird, hat außer den Arbeitskosten noch den Nachtheil, daß man aus einem größeren Block eben nur eine Platte erhält. Neuerdings wurde beim Solnhofener Aktienverein auch ein erfolgreicher Versuch mit Dampfschleifmaschinen gemacht, welchen A. Daeschler in Treuchtlingen bereits nachgeahmt hat.

Man nennt einige der Solnhofener Brüche „Goldgruben“, namentlich den Mörnsheimer Bruch, welchen unser großes Bild S. 584 und 585 darstellt und der fast wie ein antikes Amphitheater aussieht; auch der Horstbruch wird so genannt, in welchem sich die blaugrauen Steine finden. Daß aber dieses „Goldgraben“ nicht ohne Mühe die Leute reich werden läßt, wird jeder zugeben, denn nicht nur der Arbeiter hat hier einen harten Stand, auch der Unternehmer ist nicht frei von Last und Sorge. Mehr als in einem anderen Industriezweige hängt hier der Erfolg vom Glücke ab. Die Schätze, die man graben will, sind dem Auge verborgen, und man muß oft nur auf Vermuthung hin graben und brechen. Manche Bruchstätten sind auch in Solnhofen bereits erschöpft und verlassen, aber immer wieder werden neue reiche Lager gefunden. Hoffen wir, daß das Glück den Unternehmern treu bleibt und die Solnhofener Steine nach wie vor über Länder und Meere wandern.