Spanisches (Die Gartenlaube 1854)

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Spanisches
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 604
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[604] Spanisches. Espartero wird also seinen Ministerposten aufgeben und in’s Privatleben zurückkehren. Was wird aus Spanien werden, wenn dieser ehrliche Mann nicht mehr an der Spitze der Regierung steht? – Das etwa 140 geographische Meilen lange und 120 breite Land ist in seinem Boden und Klima das herrlichste in ganz Europa, in seiner Geschichte, seinen historischen und Kulturdenkmälern der alten römischen, gothischen, maurischen und romantisch-mittelalterlichen Zeit eins der unerschöpflichsten, in seinen Naturbildungen mit ungeheueren Gebirgszügen gleich nach der Schweiz das erhabenste, mit seinen milden Wäldern von Süd- und gar tropischen Früchten und Blumen, seinen ganzen Gebirgen von Marmor und Alabaster (177 Arten allein in Catalonien), seinem grünen und fleischfarbigen Marmor von Granada, seinen durch Faulheit, Ritterlichkeit und Möncherei verschuldeten Quecksilber-, Röthel-, Silber- und Goldminen, seiner Sonne, welche die feurigsten Weine kocht und Palmen, Aloen, Zuckerrohr und Baumwollenbäume und die balsamischen Fruchtöle ohne des Menschen Zuthun cultivirt und selbst in seiner Luft, welche durch bloßes Einathmen unzählige Leiden der Menschheit heilt, das von Natur himmlische Land. Aber die Inquisition, das Gold, die Ritterlichkeit, die Möncherei, die Ketzerverbrennung, die Bourbonen und die alte englische Politik für dieselben waren zusammen doch stark genug, dieses Paradies Europa’s und dessen alte Kultur materiell und moralisch zu verwüsten und die 40 Millionen Bewohner unter der Römerzeit trotz allen gesegneten Nachwuchses zu 12 Millionen herabzubringen. Und unter diesen 12 Millionen sind gegen 400,000 Mönche und Nonnen, 600,000 Adelige und nur 300,000 Dienstboten, so daß sich mindestens 300,000 Aristokraten ihre Stiefeln, die sie etwa haben, selbst wichsen müssen, wenn sie sich Wichse und Bürsten dazu kaufen können. Manche müssen sich die Rittersporen an den baaren Fuß schnallen und dann fehlt Rocinante immer noch.

Jetzt liegt das halbe Land wüst, und wo nach einer ökonomischen Berechnung 80 Millionen Menschen glücklich leben und reich werden könnten, sind jetzt von 12 Millionen die Hälfte Bettler. Die Oliven Südspaniens sind zweimal so groß, als die, aus welchen das Provenceöl gepreßt wird; die Weine von Alicante, Xeres und Malaga wärmen wie flüssig gewordene Sonnenstrahlen und die in alle Welt versandten Trauben erquicken manches kranke Menschenherz; die spanische Wolle ist durch keine Zucht und Kultur an Zartheit zu erreichen, Wälder von Palmen bieten sich ohne Wüste, Zuckerplantagen ohne schwarze Sklaverei, aber alle diese Segnungen der Natur, des himmlischen Klima’s und der balsamischsten Luft können die Wunden nicht heilen, welche dem durch politische Kunststücke und Gewaltthaten entarteten und entwürdigten Lande und von Natur edeln und würdigen Volke geschlagen wurden. Nur wenn es Espartero gelungen, den englischen Geist der Municipalfreiheit, der Selbstbeherrschung und Selbstverwaltung in das soldatisch und mönchisch verzogene Volk zu pflanzen und zu acclimatisiren, hätte der pyrenäischen Halbinsel noch eine Zukunft in der Kulturgeschichte erblühen können.