Sieger-Einzug in’s Dörfchen

Textdaten
<<< >>>
Autor: Fr. Hfm.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Sieger-Einzug in’s Dörfchen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 560
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[553]

Einzug im Heimaths-Dörfchen.
Originalzeichnung von B. Woltze in Weimar.

[560] Sieger-Einzug in’s Dörfchen. (Mit Illustration, S. 553.) Ja, das war reine, himmelklare, selige Lust! Nur Freude und nichts als Glück in jedem Antlitz! Ich kam in das neupreußische, mehrere Stunden abseits der Eisenbahn an der hessisch-thüringischen Grenze liegende Kirchdorf M., um meinen alten Studiengenossen, den dortigen Pfarrer, mit meinem Besuch zu überraschen, und ich ward dagegen mit einem Feste überrascht, das ich am wenigsten in dieser Abgeschiedenheit von den eisernen Weltstraßen erwartet hätte.

Mein rasches Geschirr holte auf dem Wege dahin einen festlichen Zug ein: mit Kränzen und Fahnen geschmückte Leiterwagen, von fröhlichem Landvolk umwogt und von etlichen reitenden Bauernburschen angeführt, brachten eine Schaar aus Frankreich heimgekehrter Krieger in ihr Dorf zurück. Es waren wohl ein Dutzend Soldaten, stramme Burschen und Männer, Infanteristen und Cavalleristen, die allein den ersten Wagen einnahmen, dann kam die Musik mit allen Anderen, jüngeren Männern, Burschen und Mädchen. Ueberall, wo ein Dörfchen, Weiler oder Haus am Wege stand, Gruß, Winken und Freudenruf.

Da lag endlich das Dorf M., die Fahne wehte vom Kirchthurm und die Glocken, die alten Heimathglocken, grüßten schon aus der Ferne die wiederkehrende Schaar. Ich sah’s mit tiefer Rührung, wie mächtig der Glockenton ihre Herzen erregte. Aller Blicke waren dem Thurme zugekehrt, Hände drückten sich und Thränen rannen. Die Heimath grüßte sie mit ihrer herrlichsten Weihe.

Noch weit vor dem Dorfe stiegen die Soldaten ab, es litt sie nicht mehr auf dem Wagen, denn nun streckten sich erst gar liebe Hände ihnen entgegen. Da kamen die Alten und Mütter und Kinder, und da wurde die Freude stumm, die Worte erstickten in der überströmenden Wonne, Hände und Augen thaten Alles allein. Nur die Mädchen blieben standhaft bei der Pflicht: sie schmückten die Krieger mit Kränzen und Gewinden zum feierlichen Empfang vom Ortsvorstand. Ein Zelt war aufgeschlagen und beflaggt und bekränzt. Dort stand der alte Schultheiß mit den Gemeindeältesten. Er hielt gewiß eine wackere Ansprache, aber hören konnte ich sie nicht, ich sah nur, wie er schließlich den großen „Willkomm“ ihnen entgegenbrachte, und hörte, wie Alles in ein mächtiges Hoch ausbrach. Meine Augen suchten lange vergeblich nach meinem alten Freund. Endlich sah ich ihn; er stand hinter der Schuljugend, die mit ihrer Fahne den Zug von der Friedhofmauer herab begrüßte, vor der Sacristei seiner Kirche. Dorthin bewegte sich nun auch der Zug, die Krieger voran.

Alter, deine Stimme hat gezittert, als du die Worte sprachst: „Willkommen, Ihr Braven! Willkommen in der Heimath und an den Herzen Eurer Lieben! Willkommen auf dem Friedhof, wo Eure Voreltern ruhen! Willkommen vor dem Kirchlein, das Euch für das Leben geweihet und bei Eurem Auszug gesegnet hat und in welchem unsere Gebete für Euch und für das liebe Vaterland zum Himmel emporgestiegen sind. Der Herr hat unser Flehen erhört, der Herr hat Euren Arm geführt und Euren Leib beschützt! Der Herr hat durch Euren Sieg uns das lange und schmerzlich ersehnte freie, große, einige Vaterland bescheert! Der Herr sei gelobet in Ewigkeit! Amen.“

Und als wir am Abend allein von derselben Friedhofmauer auf das jubelnde Volksfest herabblickten, da sprachst du: „Gottlob, daß wir’s erlebt haben! Gewollt haben wir alten Burschenschafter ganz dasselbe schon vor vierundfünfzig Jahren. Du weißt, wie klar der Paragraph des Jahn’schen Statuten-Entwurfs die Verfassung des deutschen Reichs darstellte, – fast genau so, wie es heute geworden ist. Und als sie uns damals verhöhnten, verfolgten und grausam bestraften, weil wir gegen den Willen der Mächtigen um ein einiges Deutschland, um Kaiser und Reich rangen, wer von uns hätte in seinem Schmerz geglaubt, daß wir noch Kaiser und Reich feiern würden nach einem solchen Siege? Aber wir behaupten mit Recht unsern Ehrenantheil an ihm. Wir haben treu und fest im Volke weitergekämpft, wir haben den Vaterlandsgedanken nicht aussterben lassen – und er hat endlich gesiegt! Unsere Farben sind freilich beseitigt. – Trösten wir uns. Es war des neuen Kaisers Recht, dem neuen Reich die Farben zu bestimmen – wie früher es unser Recht gewesen ist, der zerrissenen sechsunddreißigfarbigen Nation die Fahne zu geben, unter welcher die Einheit und Freiheit siegen sollte. Wer nicht blind gegen die Bedeutung dieses Geisteskampfes eines halben Jahrhunderts ist und dennoch nicht jedes Vaterlandsfest mit beiden Fahnen feiert, begeht einen schweren Undank. Ehre und Friede, und ein heiliges Andenken unsern Mitkämpfern in den Gräbern! Wir aber haben mitgekämpft und mitgesiegt! Komm’, wir wollen uns auch mit freuen! –“
Fr. Hfm.