Wie der große Kurfürst seine Generale und Minister dotirte
[559] Wie der große Kurfürst seine Generale und Minister dotirte. Es ist nicht die Absicht dieser Zeilen, die Dotation, die Kaiser Wilhelm verdienten deutschen Generalen und Staatsmännern soeben zuwendet, irgendwie zu kritisiren, noch die in politischen Tageszeitungen viel ventilirten Gründe für und wider diese Schenkungen nochmals zu erwägen. Es soll vielmehr die oft und wiederholt ausgesprochene Behauptung, die Dotationen nach den Kriegen von 1866 und 1870–1871 fänden in der Geschichte Preußens kein Beispiel und Kaiser Wilhelm ahme in dieser Beziehung nur Napoleon dem Ersten nach, mit historischen Daten widerlegt und das Gegentheil bewiesen werden.
Es dürfte wohl überflüssig sein, darauf hinzuweisen, daß der große Kurfürst Friedrich Wilhelm der eigentliche Begründer der heutigen Machtstellung Preußens und in Folge dessen auch des deutschen Reiches ist. Daß er dieses sein Werk, dessen ruhmreiche Durchführung ihm den Namen des „Großen“ beilegte, hauptsächlich nur durch Errichtung eines stehenden Heeres in’s Leben rufen konnte, ist ebenso bekannt. Als Friedrich Wilhelm im Jahre 1640 die Regierung über seine Lande übernahm, führte er zwar den Titel: „Wir, Friedrich Wilhelm, Markgraf zu Brandenburg, des heiligen Römischen Reiches Erzkämmerer und Kurfürst, Herzog in Preußen, Jülich, Cleve, Berg, Stettin, der Pommern, Cassuben und Vandalen, sowie in Schlesien, zu Crossen und Jägerndorf Herzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Rügen, Graf zu Mark und Ravensberg, Herr zu Ravenstein etc.“, allein das waren größtentheils nichts weiter, als eben nur leere Titel. Das ihm hinterkommene Erbe bestand nur aus dem Herzogthum Preußen, damals ein Lehen der Krone Polen, aus dem Fürstenthum Hinterpommern und dem Herzogthum Cammin, den Herrschaften Lauenburg und Bütow und aus der Mark Brandenburg. Die Herzogthümer Jülich, Cleve und Berg und die Herrschaft Ravenstein besaß er mit dem Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg gemeinschaftlich. In allen diesen Landen jedoch gehörte ihm in Wirklichkeit fast kein Fuß breit Erde, da ein großer Theil derselben durch die entsetzliche Furie des dreißigjährigen Krieges zur völligen Wüste gemacht, ein anderer Theil hingegen von den Feinden noch hartnäckig besetzt gehalten und das Uebrige ihm von den Freunden vorenthalten wurde. Nur durch eigene Kraft und Klugheit, durch die Errichtung eines schlagfertigen stehenden Heeres und durch seinen Scharfblick, vermöge dessen er tüchtige Generale und Staatsmänner gewinnen und heranbilden konnte, befreite er sein Erbe von Feinden und Freunden, schlug er die Schweden, Polen, Tataren, Frankreich etc. und erwarb er sich neue Gebietstheile.
Friedrich Wilhelm fand bei seinem Regierungsantritt ein Erbe von 1300 Quadratmeilen mit 800,000 Einwohnern und ein Heer von 2500 Mann, das zum Theil dem Kaiser geschworen hatte, vor. Die geringen Einnahmen flossen zum Theil in die königlich schwedischen, königlich polnischen und in die kaiserlichen Cassen. Dagegen hinterließ der große Kurfürst seinem Sohne einen Staat von 1932 Quadratmeilen mit 1,500,000 Einwohnern, ein Heer von ungefähr 30,000 Mann (Friedensfuß), nämlich 5320 Reitern und 24,560 Mann Infanterie und Artillerie, dabei regelmäßige jährliche Einkünfte von 2,540,000 Thalern, wovon jedoch nichts in ausländische Cassen floß. Ein großer Theil der letzteren, nämlich 1,110,000 Thaler, wurden für das Heer verwendet. Es ist bekannt, daß sich der große Kurfürst fortwährend in großen Geldverlegenheiten befand, da das verhältnißmäßig zu bedeutende stehende Heer, die vielen Kriege, die Geschenke, die er vielfach an fremde Diplomaten ausgeben mußte, um seine Zwecke zu erreichen, ungeheure Summen verschlangen. Die Stände der verschiedenen Länder, besonders Preußens, sträubten sich regelmäßig gegen neue Auflagen und drangen wiederholt und manchmal sogar in ungehörigen Ausdrücken auf Reducirung der Alles verschlingenden Soldatesca.
Doch Friedrich Wilhelm ließ sich, sein großes Ziel stets fest im Auge behaltend, durch diese Quereleien nicht irre machen. Er fand sogar noch Mittel, seine verdienten Generale und Staatsmänner zu dotiren und sie dadurch noch fester an sich und seinen Staat zu ketten.
So beschenkte er den Generalfeldmarschall Otto Christoph, Freiherrn von Sparr, der den dritten Tag der Schlacht bei Warschau (Sonntag, den 26. Juli 1656) durch seine äußerst geschickt placirte Artillerie entschied, das Haus Nr. 21 in der Spandauer-Straße in Berlin und ernannte ihn zum Generalfeldmarschall. Sparr war der erste brandenburgische Officier, der diese Würde erhielt. Jenes Haus in der Spandauer-Straße trägt an seinem Hintergebäude heute noch das Bildniß von Sparr’s nebst einer Inschrift.
Die bedeutendsten Dotationen erhielten jedoch der Generalfeldmarschall von Derfflinger und der Minister Otto von Schwerin. Nachdem der Erstere schon mehrfache Auszeichnungen und Gunstgaben selbst bis zu zehntausend Thaler genossen, erhielt er nach der Schlacht bei Fehrbellin abermals zehntausend Thaler. Die größte Dotation wurde ihm während des pommerschen Feldzuges zu Theil: der Kurfürst verschrieb ihm nämlich hundertzwanzigtausend Thaler auf die Comthurei des Johanniterordens Wildenbruch, dann gab er ihm nach der Eroberung der Insel Rügen eine Anweisung von fünfzigtausend Thalern auf die spanischen Hülfsgelder, die er in dem folgenden Jahre auf zweiundsechszigtausend Thaler erhöhte, außerdem ließ er ihm durch seinen Hofbaumeister Nehring in Berlin ein „stattliches“ Haus am Köllnischen Markte, dem Schlosse gegenüber, bauen.
Derfflinger, der als blutarmer Schneidergesell in die Welt gewandert war, hinterließ nach den damaligen Verhältnissen ein kolossales Vermögen, nämlich die Güter Gusow, Platkow, Wulkow, Kerkow, Hermsdorf, Theeren, Kraneiche, Schildberg und Quitemen, dann das bereits erwähnte Haus in [560] Berlin am Köllnischen Markt und außerdem noch viel baares Geld. Friedrich Wilhelm wendete sich sogar einmal betreffs eines Anlehens an Derfflinger und schreibt darüber an den Statthalter der Mark, den Fürsten von Anhalt: „Wir haben wegen eines benöthigten Anlehens unsern General-Feldzeugmeister Derfflinger gnädigst ansprechen lassen und hat sich derselbe unter andern auf zweitausend Thaler, so er von Ew. Liebden zu empfangen, erboten.“
Dem Marschall Friedrich Grafen von Schomburg schenkte der Kurfürst ein neues ebenfalls von Nehring auf dem Friedrichswerder zu Berlin erbautes Palais.
Der erste Minister und Oberpräsident des Geheimen Raths, Otto von Schwerin, ein um das kurfürstliche Haus hochverdienter Staatsmann, der sich bei vielen Friedensschlüssen und bei schwierigen diplomatischen Missionen besonders ausgezeichnet, wurde nicht nur mit der Herrschaft Alt-Landsberg in der Kurmark beliehen, sondern Friedrich Wilhelm schenkte ihm auch noch „mehrere Güter“ in Preußen, Pommern und Cleve.
Die Zeit des großen Kurfürsten bietet viele interessante Vergleiche mit der gegenwärtigen, und wir empfehlen unsern Lesern zum Studium recht nachdrücklich das vortreffliche Werk: „Dr. Förster, der große Kurfürst und seine Zeit“.