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Sproß mit Namen Ismael gebären (ebd. V. 11);[1] denn Ismael bedeutet „Anhören Gottes“. Das Hören nimmt aber gegenüber dem Sehen die zweite Stelle ein; dieses ist dem echtbürtigen und erstgeborenen Sohn Israel zugefallen, denn Israel ist zu übersetzen: ‘der Gott Schauende’. Denn der Gehörssinn kann auch Falsches als wahr annehmen, da er der Täuschung unterliegt, untrüglich aber ist der Gesichtssinn, durch den das Seiende wirklich im Denken erkannt wird.[2] 209 Den erzeugten Charaktertypus kennzeichnet (der Engel), indem er äußert, er werde ein Bauer sein,[3] d. h. gleichsam ein bäuerischer Weiser, welcher der gesitteten, wahrhaft städtischen Art – das ist die Tugend, durch die der Charakter verfeinert wird – noch nicht für wert befunden worden ist,[4] und indem er sagt: „Seine Hände werden wider jedermann sein und aller Hände wider ihn“ (ebd. V. 12): das weist auf die Gesinnung eines Sophisten hin, der eine allzu große Skepsis zur Schau trägt und an Streitreden seine Freude hat.[5] 210 Dieser bekämpft alle, die sich mit den Wissenschaften befassen, indem er einem jeden einzeln und allen insgesamt entgegentritt, und wird von allen bekämpft, da sie, wie natürlich, die Lehren, die ihre Seele erzeugt hat, verteidigen, als wären es ihre eigenen Kinder. 211 Noch ein drittes Kennzeichen fügt (der Engel) hinzu mit den Worten: „Er wird unter den Augen aller seiner Brüder wohnen (ebd.). Fast unversteckt deutet er damit auf den Auge in Auge geführten Kampf und ewigen Zwist hin. Die Seele, die mit dem sophistischen Gedanken schwanger geht, sagt nun zu dem mit ihr redenden Gewissensengel: „Du bist Gott, der auf mich schaut“ (ebd. V. 13), was soviel bedeutet, wie: du bist der Schöpfer meiner Wünsche und Sprößlinge – gewiß mit Recht. 212 Denn freie und wahrhaft vornehme Seelen


  1. Philo übergeht V. 10, den er Quaest. in Gen. III § 31 berücksichtigt hatte, wohl weil er hier nicht in den Zusammenhang paßte. (Auch in dem unserer Schrift vorangestellten Zitat von 1 Mos. 16, 6–12 wird der Vers übergangen.)
  2. Vgl. Quaest. in Gen. III § 32.
  3. Statt פֶּרֶא אָדָם‎ „ein Wildeselmensch“ gibt LXX ἄγροικος ἄνθρωπος. I. H.
  4. Über die ἀγροικία als Gegensatz zu dem ἀστεῖον des Weisen vgl. Arnim Stoic. vet. fr. III 677 und Otto Ribbeck, Agroikos S. 39ff.
  5. Quaest. in Gen. III § 33 nennt Philo in demselben Zusammenhang speziell die akademische Schule. Zu Ismael als Typ des Sophisten bei Philo vgl. Über die Cherubim § 9; Über die Nachkommenschaft Kains § 131; Wendland, Philos Schrift über die Vorsehung S. 90f.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/053&oldid=- (Version vom 21.5.2018)