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ich schon sagte, die Seele das dem vernünftigen Seelenteil Nahestehende, den unvernünftigen Seelenteil, abwirft – denn auch dieser erregt wie ein reißender Strom, fünffach geteilt, vermittels aller Sinne, gleichsam einzelner Flußbetten,[1] die Flut der Leidenschaften –; 92 wenn dann weiter der Geist das ihm scheinbar am nächsten Stehende, die in der Rede geäußerte Vernunft, entfernt und abtrennt, damit die in der Denkseele[2] allein zurückbleibe, befreit vom Körper, befreit von der Sinnlichkeit, befreit von der Äußerung in tönender Rede;[3] denn, wenn die Vernunft allein zurückbleibt und ihr eine einsame Lebensweise zuteil wird, so wird sie dem allein Seienden in reiner und unbeirrbarer Liebe anhängen. [560 M.] 93 Außer dem Gesagten muß noch daran erinnert werden, daß der Stamm der Leviten aus Tempeldienern und Priestern besteht, denen der Dienst im Heiligtum obliegt. Es dienen aber auch die unfreiwilligen Mörder, da ja nach den Worten des Moses „Gott“ diejenigen, deren Taten den Tod verdienen, zur Vernichtung „in ihre Hand gibt“ (2 Mos. 21, 13)[4]. Nur sind jene mit der Verherrlichung der Guten, diese mit der Bestrafung der Schuldigen beauftragt. [18] 94 Dies sind also die Gründe dafür, daß die unfreiwilligen Mörder nur in die Städte der Tempeldiener fliehen. Weiter ist aber auszuführen, welches diese Städte und warum sie sechs an Zahl sind. Vielleicht ist die älteste, festeste und beste Stadt oder vielmehr Mutterstadt die göttliche Vernunft, zu der man sich am zweckmäßigsten zuerst flüchtet. 95 Die übrigen fünf, gleichsam deren Kolonien,[5] sind Kräfte des „Redenden“;[6] unter ihnen hat die schöpferische Kraft, mittels deren er bei der Schöpfung durch sein Wort die Welt bildete, den Vorrang; die zweite


  1. Wörtlich „Behältnisse“; vgl. Über die Nachstellungen § 15.
  2. ὁ κατὰ διάνοιαν scil. λόγος, der dem προφορικὸς gegenübergestellt wird, heißt sonst ἐνδιάθετος. Die Bedeutung dieser der Stoa entlehnten Unterscheidung für Philos Psychologie s. Ü. d. Trunkenh. § 70, V., 30, 3 Μ. A.
  3. Dieselbe Auslegung von 2 Mos. 32, 27 (wie hier mit 5 Mos. 33, 9 verbunden) Über die Trunkenheit § 70f.
  4. Über verwandte Anschauungen im rabbinischen Schrifttum vgl. Ritter, Philo und die Halacha 30; Heinemann a. a. O. 400f. I. H.
  5. Nach Quaest. in Exod. II § 68 sind die Kräfte Emanationen des Logos.
  6. Eine bei Philo öfter wiederkehrende Bezeichnung für Gott, deren Herkunft aus Bibelstellen § 101 unserer Schrift verdeutlichen kann. [Mangeys und Wendlands Änderungsversuche sind also unnötig. Schon wegen der folgenden Worte: ὁ ποιῶν λόγῳ τὸν κόσμον ἐδημιούργησε ist an der Richtigkeit des überlieferten τοῦ λέγοντος nicht zu zweifeln. Beginnt doch überdies jeder Schöpfungsakt der Genesis mit εἶπεν ὁ θεός. Μ. Α.]
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Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/027&oldid=- (Version vom 21.5.2018)