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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

(noch vorhandenen Eigenschaften) aber nichts.[1] [14] 63 Die aber eine trägere und stumpfe Natur besitzen, da sie bei der Ernährung im Kindesalter falsch behandelt wurden, und nicht scharf sehen können, brauchen belehrende Ärzte, die gegen das vorhandene Leiden die passende Heilung erdenken. 64 Ist doch auch für ungebärdige und unvernünftige Sklaven ein befürchteter Herr von Nutzen; denn aus Angst vor dessen Zornausbrüchen und Drohungen werden sie durch Furcht wider Willen zurechtgewiesen. Alle derartigen Leute nun mögen die Unwahrheit hören, durch die ihnen genützt wird, wenn sie durch die Wahrheit nicht zur Vernunft gebracht werden können. 65 Denn auch die berühmtesten Ärzte bringen es nicht über sich, den körperlich Leidenden und Hinfälligen die Wahrheit zu sagen, da sie wissen, daß sie dadurch nur mutloser werden und die Krankheit nicht geheilt wird, daß sie aber durch einen Trost mit dem Gegenteil leichter den gegenwärtigen Zustand tragen werden und die Schwäche nachlassen wird.[2] 66 Denn welcher vernünftige Mann mag wohl dem Patienten sagen: „Du da, du sollst geschnitten, gebrannt, amputiert werden“, wenn er dies auch notwendigerweise aushalten muß? Niemand wird es sagen. Denn da jener zuvor schon den Mut sinken läßt und sich (dadurch) noch eine andere Krankheit, eine seelische, zuzieht, die schlimmer ist als die vorausgehende körperliche, wird er zu der ärztlichen Behandlung keinen guten Willen mitbringen; [283 M.] da er aber infolge des Betrugs des Arztes das Gegenteilige erwartet, wird er alles freudig mit Geduld auf sich nehmen, und sollte das Heilverfahren auch noch so schmerzlich sein. 67 Da nun der Gesetzgeber ein ganz vorzüglicher Arzt der Leiden und Krankheiten der Seele ist, stellte er sich als einzige Aufgabe und als Endziel, die Krankheiten des Geistes mit der Wurzel selbst auszuschneiden, daß keine übrig bliebe und den Keim zu einem unheilbaren Leiden bilde. 68 So hoffte er, sie auf die Art gründlich ausrotten zu können, wenn er den Urgrund auftreten läßt mit Drohungen, Unwillen und unerbittlichem Zorn, dazu mit Verteidigungswaffen gegen die anstürmenden Übeltäter. Denn nur so wird der Unvernünftige belehrt. 69 Deshalb scheint er mir durch die beiden erwähnten Hauptstücke, nämlich das, daß „Gott wie ein Mensch“ und das, daß er „nicht wie ein Mensch“ ist, zwei verschiedene, auseinander folgende und miteinander


  1. Siehe Cohns Einleitung zum I. Bande S. 15.
  2. Siehe Über die Cherub. § 15, wo Philo denselben aus Plato Rep. 389 entlehnten Gedanken ausdrückt.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/16&oldid=- (Version vom 6.2.2022)