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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

Bezug auf ihn: „wie ein Mensch seinen Sohn erziehen wird“,[1] wodurch gesagt wird, daß er um der Erziehung und Zucht willen, aber nicht in seinem Wesen so beschaffen sei. 55 Von den Menschen nämlich sind die einen Freunde der Seele, die andern des Körpers. Die Genossen der Seele nun sind imstande, mit geistigen und unkörperlichen Wesen zu verkehren, und vergleichen das Sein mit keiner irdischen Gestalt, sondern lösen es ab von jeglicher Qualität – denn eins der Dinge, die zu seiner Seligkeit und seinem höchsten Glücke gehören, wäre die Erfassung seiner reinen Existenz ohne ein Kennzeichen – und nahmen allein die Vorstellung des Seins in sich auf, ohne ihm Gestalt zu geben. 56 Die aber Zugeständnisse und Bündnisse mit dem Körper eingingen, können die fleischliche Hülle nicht ablegen und ein einziges und sich selbst genügendes, einfaches, ungemischtes und unvermengtes Wesen nicht schauen, wobei sie nicht daran denken, daß das aus der Vereinigung mehrerer Kräfte entstandene Geschöpf mehrere Teile braucht zur Befriedigung der einzelnen Bedürfnisse, [12] Gott aber, da er ungeworden ist und die andern Dinge ins Werden brachte, nichts von dem bedurfte, was den Geschöpfen Nutzen bringt. 57 Denn was sollen wir noch darüber reden? Wenn er organische Teile besäße, hätte er wohl Füße, um zu gehen – wohin aber soll er gehen, da er alles ausfüllt? und zu wem, da ihm keiner ebenbürtig ist? und weshalb? denn er hat ja nicht für seine Gesundheit zu sorgen wie wir –, auch Hände sollte er haben zum Nehmen und Geben, nimmt aber von niemandem etwas – denn, abgesehen von seiner Bedürfnislosigkeit, hat er alles zum Besitz –, wohl aber gibt er durch sein Wort, dessen er sich als Vermittler der Gaben bedient, durch das er auch die Welt erschuf.[2] 58 Auch der Augen bedarf er nicht, denen ohne wahrnehmbares Licht keine Erkenntnis zuteil wird; das wahrnehmbare Licht aber ist etwas Gewordenes; Gott aber hat schon vor allem Werden gesehen, indem er sich selbst als


  1. Philo denkt natürlich nicht an die in den Ausgaben angemerkte Stelle 5 Mos. 1,31: ὡς ἐτροφοφόρησέν σε κύριος ὁ θεός σου, ὡς εἴ τις τροφοφορήσει ἄνθρωπος τὸν υἱὸν αὐτοῦ (Mangey dachte an Textverderbnis bei Philo!), sondern zitiert 5 Mos. 8, 5: ὡς εἴ τις παιδεύσαι ἄνθρωπος τὸν υἱὸν αὐτοῦ, οὕτως Κύριος ὁ θεός σου παιδεύσει σε. Gerade auf παιδεύσει legt die folgende Deutung Wert.
  2. Über die Schöpfung durch das Wort vgl. Über die Geburt Abels § 65, Über den Dekalog § 47. De somniis I § 182 und zum Motiv im allgemeinen J. Kroll a. a. O. 148f.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/14&oldid=- (Version vom 5.2.2022)